I.
Ein Ausspruch Graf Tolstois, wonach der Buchdruck die Architektur als
Kunst getötet hätte, könnte in doppelter
Beziehung
einen wahren Hintergrund haben: einmal wird das freie, phantasievolle
Schaffen von der
geschriebenen Aesthetik der Kunstgelehrten gelähmt, dann ist
seit den massenhaften
Veröffentlichungen von Aufnahmen und photographischen
Nachbildungen der Denkmäler aller
jemals zur Entwicklung gelangten Kunstperioden, dieser umfangreichen,
mit kritischen
Würdigungen reichlich versehenen Bilderbücher, die
die Nachahmung eines nach Vorurteil
oder Laune gewählten Formenkreises so sehr erleichtern, die
Nötigung zu einer durch
Anschauung des Wirklichen vermittelten, die der Zeit nach
nächstliegenden Fortschritte in
dem eigenen Lande und den Nachbarländern
berücksichtigenden, einfachen und sicheren
Stilrichtung verloren gegangen. Aber deswegen lebt die Baukunst wie die
anderen
Kunstzweige noch immer fort, sie kann auch niemals absterben, da das
der dem Menschen
eingeborene Form- und Bildungstrieb nicht zulässt. Allerdings müssen wir Modernen mit der unabwendbaren Thatsache
rechnen, dass nun die
Ergebnisse der gesamten Baugeschichte jedem zugänglich sind
und sich der allzu bequemen
Nachahmung darbieten, die, wenn sie nicht geistvoll und mit feinerem
Empfinden für das
der Neuzeit Gemässe aufgefasst wird, in der Folge notwendig zu
einer heillosen
Versumpfung des Architekturschaffens führen muss. Vor diesem Absturze will uns die neueste Richtung retten, und in dem
Erfüllen dieser
Aufgabe liegt auch ihre Daseinsberechtigung. Wie weit es
möglich sein wird, dass sie die
Loslösung von dem Bestande der historischen Formen bewirken
und Neues an die Stelle
desselben setzen kann, muss erst die Zukunft ergeben; bis jetzt sind
auf architektonischem
Gebiete nur Anfänge vorhanden. Ganz können die
älteren Typen niemals verschwinden, denn
die neuere Richtung wird doch, falls sie Dauer hat, selbst eine
zeitliche Nachfolge
hervorrufen, da es nicht möglich sein dürfte, eine
Reihe zusammenhangloser, wirklich oder scheinbar origineller Versuche
bis ins Unendliche
fortzusetzen.
Die Notwendigkeit einer historischen Grundlage für das
Neuschaffen muss also jedenfalls
zugegeben werden; es würde nur für das Gelingen
desselben
eine kräftig individuelle künstlerische Auffassung
gefordert. Der Kernpunkt einer
Erwägung, welche eine zweckmässige Wiederverwendung
alter Formen im modernen Sinne ins
Auge fasst, wird immer auf die U n t e r s c h e i d u n
g d e r o r g a
n i s c h - k o n s t r u k t i v e n v o n d e
n d e k o r a t i v e
n S c h e i n f o r m e n gerichtet sein
müssen. Nur darf die Grenze des
Organischen nicht so eng bezogen werden, dass man dasselbe
ausschliesslich auf die aus dem
nackten konstruktiven Bedürfnis hergeleiteten Formen
einschränkt, sondern es müssen
auch die aus selbständig künstlerischen Absichten
entsprungenen Formen eingeschlossen
werden. Unter der letzteren Art sind die am wichtigsten, die eine in
den Teilen und
Gliederungen des Baukörpers latent enthaltene Kraft
äusserlich sichtbar andeuten. Es ist
aber immer wieder darauf hinzuweisen, dass der mit Bewusstsein zum
Ausdruck gebrachte
Konflikt dynamischer Kräfte durchaus der neueren Zeit
angehört, während der Kunst des
Altertums eine a u f d i e s e n Z w e c
k g e r i c h t e t
e U e b e r l e g u n g vermutlich ganz fremd blieb. Erst die papierne Kenntnis der Denkmäler und das hierauf
gegründete Studium derselben
hat ein theoretisches Erfassen des bezüglichen, aus
ursprünglicher Naivität
entsprungenen Formenkreises möglich gemacht. Auch die
nachstehende Erörterung soll sich
nicht auf das dunkle Entstehen der Kunstsymbole in den älteren
Perioden ausdehnen,
sondern soll sich mit den Verwandlungen und Neuschöpfungen auf
diesem Gebiete
beschäftigen, welche seit dem Einsetzen der geschriebenen
Kunstgeschichte aufgetaucht
sind.
Das Streben nach Abstreifung der schablonenhaften Nachahmung und das
gleichzeitige Ringen nach einem Bestand neuer, wirklich organischer
Formen
durchsieht die ganze Architekturperiode von der Mitte des 18.
Jahrhunderts bis heute, und
harrt, ungeachtet verschiedener Anläufe zum Gelingen, doch
noch der befriedigenden
Lösung. Das erwachende Bedürfnis nach Einführung
konstruktiver Formen äusserte sich
beispielsweise in der Aufnahme des Rundbogens für die
Abschlüsse der Oeffnungen, wie
dies namentlich für den Ziegelfugenbau Gärtner und
seine Schule in München bewirkte.
Man erwartete von dieser Art Betonung des Konstruktiven nicht weniger
als die Entwicklung
eines neuen Baustile. Hübsch in Karlsruhe suchte ebenfalls in
der Anwendung von Bogen und
Gewölben, nach Weise der altchristlichen Periode, die
Grundlage für einen organischen
Stil wieder zu gewinnen. In der Verwendung des Flachbogens an
Profanbauten ist Hübsch
aufrichtiger als Schinkel, da dieser an der Bauschule in Berlin die
Bogen der oberen
Fenster mit einer Bildtafel verschliesst, so dass es zweifelhaft wird,
ob man nicht
geradlinig geschlossene Fenster vor sich hat. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, im Zeitalter
Winckelmanns, als man in der
entschiedenen Abneigung gegen das Barock etwas über das Ziel
hinausging, redete man in
der Baukunst einer sogenannten edlen Einfachheit das Wort, die aber
eine gründliche
Vernüchterung zur nächsten Folge haben musste. Die
Eiferer gegen den Modegeschmack
dieser Zeit - man meinte das immer noch herrschende Barock - waren
mindestens einseitig,
wenn sie den Bereich der organischen Formen auf das Konstruktive
einschränken wollten. Der Franzose Laugies richtet in seinem Essai (1752) einen heftigen
Ausfall gegen den
Modestil, die dekorative Lügenarchitektur den damals ohnedem
im Absterben begriffenen
Barockstils; er will nur die aus dem konstruktiven Bedürfnis
hervorgegangenen Formen
gelten lassen und verwirft die gerollten Giebel, gewundenen
Säulen, Pilaster, Nischen,
Attiken und Mansarden, die Arkaden über Säulen und
die Kuppeln über Arkaden. Abgesehen
von der Schlussfolgerung Laugies, die darauf hinausgeht, die drei
Hellenischen Ordnungen als allgemeingültige Architekturregel
aufzustellen und ihre Anpassungsfähigkeit für die
kühnsten
mittelalterlichen und neueren Bauideen zuzupreisen, ist
eine gewisse Parallele zwischen seinen Bestrebungen und
unserer heutigen neuesten Richtung nicht abzuweisen. Winckelmann
selbst, obgleich fast
ausschliesslich auf dem Gebiete der Skulptur thätig,
teilte doch die Abneigung gegen den Barockstil; und die Vertreter
seiner Richtung in der
Architektur, wie Krubsacius in Dresden (1759), verfolgten den
Grundsatz, dass das S
c h ö n e i n d e r B a u k u n
s t w e s e n t l i c
h i n d e n V e rh ä l t n i s s
e n bestehe, und dass ein
Gebäude durch sie allein schön werde, ohne Zierraten,
also auch ohne das Mitwirken der
Skulptur und Malerei. Diese auch gegen das griechische Ideal streitende
Ansicht führte zu
einer gänzlich verödeten Zopfarchitektur und liess
auch in der Innenausstattung keinen
Platz zur Betätigung des Kunstgewerbe. Die edle Einfachheit
erwies sich als eine endlose
Langeweile.
Aber dennoch drängten sich, trotz aller Gegnerschaft, die
verachteten Barockformen, wenn
auch nur als schattenhaftes Gemisch von Erinnerungen an die
hinschwindende Ueberlieferung,
in die neuklassizistischen Werke und gaben Kunde, wie
unmöglich es sei, das einmal
errungene und der Neuzeit angepasste ganz beiseite zu schieben.
Ueberdem gab es eine,
namentlich von Piranesi in Rom durch seine Stiche vertetene
Gegenströmung, welche, ganz
im Gegensatz zu Winckelmann und den ihm Gleichgesinnten, in recht
modernem Sinne und sogar
in leidenschaftlicher Uebertreibung das malerische in der Wiedergabe
der antik-römischen
Ruinen in den Vordergrund rückte. Graf Caylus in seiner Geschichte der Künste (1752) erkennt
schon ganz richtig den
stetigen gesetzlichen Zusammenhang in der Uebertragung der Kunstformen
von einem Volke auf
das andere, zugleich die unnachahmliche Eigenheit des
Gepräges, welches jedesmal
wechselnd von den künstlerischen Rasse-Instinkten bestimmt
wird. Die oben geschilderten Anschauungen der Neuklassizisten waren zum Teil
vorweg genommen und
ohne rechte Begründung, indem sie auf einer sehr mangelhaften
Kenntnis der griechischen
Architekturwerke beruhten. Als man dann gegen Ausgang des 18.
Jahrhunderts durch die
Aufnahme der Denkmäler in Griechenland, Kleinasien, Sizilien
und Unteritalien, sowie
durch die Ausgrabung der Vesuvstädte besser über
griechische Art unterrichtet war,
wollte man in den Römern nur noch plagiarische Nachahmer der
Griechen sehen, unterschied
bei diesen selbst die Epochen der Blüte und des Verfalls und
fand in den Künstlern der
Renaissance spielende Kinder, die einen Text hersagten ohne die
Bedeutung desselben zu
verstehen. Aber man geriet mit diesen Untersuchungen zugleich auf das
Gebiet der
Archäologie und verliess das der Kunst. Die Pedanten suchten
nach einer
"absoluten" Kunst, die es niemals gegeben hat und verketzerten alle,
welche ihr
chimärisches Ideal nicht anerkennen wollten. Dass man zu Anfang des 19. Jahrhunderts noch viel
oberflächlicher verfährt in der
Verwendung griechisch-römischer Elemente, als man dies je, mit
Recht oder Unrecht, hatte
der Renaissance zum Vorwurf machen können, ist bekannt. Das
eigentliche Schöpferische
fehlte den Bauten dieser Zeit meist ganz.
Erst durch Klenze und in noch höherem Grade durch Schinkel kam
ein frischer Zug in die
neuklassizistische Architektur. Das Berliner Schauspielhaus des
letztgenannten Meisters
macht einen ernstlichen Versuch der organischen Wandgliederung durch
eine Auflösung der
Flächen in Pilasterstellungen, welche Oeffnungen umschliessen.
Die zwei
übereinandergestellten Giebel von gleicher Breite an der
Hinterfront des Mittelbaues sind
allerdings bedenklich. Aber es war Schinkel ebensowenig wie allen
anderen seiner
Zeitgenossen möglich geworden, die modernen Aufgaben
allein mit griechischen Formen zu bestreiten; er griff zu den
römischen Gewölben, wie in
dem Kuppelraum seines Museums in Berlin und zu den mittelalterlichen in
seinen Kirchen. Er
suchte bereits in dieser einen Verschmelzung der
antiken mit der mittelalterlichen-christlichen Kunst, allerdings in
einer dem Verfahren
der Deutsch-Renaissance geradezu entgegengesetzter Weise:
während diese die
mittelalterlichen Hauptanordnungen festhält und mit einem
antikisierenden Detail
verbindet, nähert sich Schinkel im Aufbau seiner Kirchen
möglichst der Antike und bildet
die Einzelheiten nach mittelalterlichen Mustern. Im wesentlichen ist
diese
Auffassungsweise auch für den späteren Kirchenbau der
Berliner Schule massgebend
geblieben. Alle dekorativen Schaumittel der Spätrenaissance,
Kröpfungen der Gesimse,
geschwungene Linien der Giebel und Krönungen, so wie dekorativ
verwendete Säulen lehnte
Schinkel entschieden ab. Eine weitere, weniger günstige
Konsequenz seiner hellenistischen
Hauptrichtung ist die von ihm geübte Bevorzugung der flachen
Dächer, die doch im
entschiedenen Gegensatze zu den klimatischen Bedingungen und dem
Empfinden der mittel- und
nordeuropäischen Länder steht. Der Renaissance, als einer Scheinkunst, ging am energischsten die
rationalistische,
konstruktive Schule zu Leibe, welche indes durch das einheitliche
Betonen der stofflichen
Bedingungen für die Formengebung und des Materialechten zu der
mittelalterlichen Richtung
hingedrängt wurde. Eine andere Auffassung der Renaissance wies
zu gunsten einer neueren
Fortbildung derselben auf die Unentbehrlichkeit organischer Bauformen
rein ästhetischer
Bedeutung hin, wie sich solche bereits seit dem frühesten
Altertum ausgebildet hatten.
Eine der ältesten und wichtigsten dieser Gliederungen ist der
obere Abschluss der Wand
durch die ägyptische Hohlkehle, die in der klassischen Antike
durch die aufgerichtete
Welle ersetzt wurde, die sich mit der aus dem konstruktiven
Bedürfnisse hervorgegangenen
Hängeplatte des Dachrandes verband. Das Kranzgesims, wie es
auch die Renaissance als
Wandbekrönung gebraucht, ist ebenfalls nicht nur Dachrand,
sondern von der Sima bekrönt
zugleich ein Ausdruck freier Endigung, und darf unbedenklich als solche
in der neueren
Kunst zur Verwendung kommen. Semper steht auf diesem Standpunkte, ihm
sind die
Baugliederungen überall nicht bloss durchgebildete
Konstruktion, sondern zugleich
ästhetischer Ausdruck einer Idee; es findet sich in seinen
Werken eine bewusste Anlehnung
an die römische Kunst und die aus dieser stammenden
römisch-italienischen Renaissance
mit Einschluss der Spätrenaissance und des Barocks bis
Borromini. Er ist aber bedeutend
weniger neuschöpferisch als Schinkel. Im folgenden sollen noch einige Wandlungen kurz skizziert werden, die
der Kunstgeschmack
im 19. Jahrhundert unter manchen verwirrenden Abweichungen vom rechten
Wege, im Suchen
nach organischen Bildungen erlitten hat, da das Verständnis
für unsere neueste Richtung
sich erst aus dem Rückblicke auf das Vorhergegangene ergeben
kann.
In der W i e d e r a u f n a h m e d e r
G o t i k hat es lange
gedauert, bis eine selbständige Verarbeitung der alten Formen
Platz greifen konnte, da
die meisten Neugotiker sich an den Herstellungsarbeiten alter
Denkmäler ausgebildet
hatten und die Eindrücke ihrer Lehrzeit festhielten. Der erste
wirkliche Neugotiker
Deutschlands war Ungewitter in Kassel; aber auch er stand ganz auf dem
Standpunkte
der streng historischen Schule. Im übrigen baute man viele
Kopien alter Kathedralen, wenn
auch bisweilen in sehr verjüngtem Massstabe, wie
beispielsweise die Apollinariskirche
Zwirners in Remagen. Friedrich Schmidt in Wien, in der
kölnischen Schule ausgebildet,
suchte nach neuen zeitgemässen Motiven, kam aber doch
aus seiner rheinischen Vergangenheit nicht heraus. Die Pfarrkirche in
Fünfhaus, eine Centralkirche mit Kuppel, die Kirche hat den
Weissgärbern mit sechseckigen Westturm, beide in
Ziegeln mit Hausteingliederungen errichtet, geben einen Beweis
für Schmidts eigenartige
Auffassung der Hauptanordnungen, zugleich aber von
seiner Abhängigkeit von rheinischen Einzelformen. Sein
Rathausbau in Wien zeigt
allerdings eine starke Beeinflussung durch italienisch-gotische
Profanbauten. Zu den provinziellen, recht eigentlich bodenständigen
Architekturformen, deren
Berechtigung auf dauernde Geltung von keiner Moderichtung in Frage
gestellt werden kann,
gehören für Norddeutschland die des m i t t
e l a l t e r l i c h e n B a c
ks t e i n b a u e s. Die Periode seiner fast
ausschliesslichen Herrschaft hat hier
an Kirchen, Burgen, Torbauten und Stadthäusern einen reichen
Formenkreis in Giebeln,
Blenden, farbigen Wechsel glasierter Schichten und einzelnen
getünchten Flächen zur
Ausbildung gebracht, der auch für die Schöpfungen der
neuesten Architektur seine volle
Geltung bewahrt hat. Das Technische des märkischen Ziegelbaues
wurde bereits von Schinkel
seinem hohen Werte nach gewürdigt und wieder zu neuem Leben
erweckt, obgleich in
antikisierender Verarbeitung. Es konnte aber nicht fehlen, dass bei den
späteren
Nachfolgern endlich wieder die der Technik angestammte Stilistik des
Mittelalters zum
Durchbruch kam. Martens in Kiel, Krüger in Schwerin, Hase in
Hannover bildeten ihre
Bauwerke gotisch im Sinne der landschaftlichen
Überlieferungen. Die neuere Berliner
Schule im Kirchenbau, hauptsächlich durch Orth und Adler
vortreten, hielt, allerdings
nicht ohne Nachwirkung Schinkelscher Art, an einem mit gotischen
Elementen durchsetzten
Rundbogenstil fest. Adler hat ausserdem durch sein Werk:
"Mittelalterliche
Backsteinbauten in der Mark" viel zur Wiederbelebung der heimischen
Bauweise
beigetragen. In Bayern konnte sich die Wiederaufnahme des reinen Ziegelbaues nicht
auf historische
Vorgänge stützen. Die Gruppe der gotischen
Ziegelbauten in Niederbayern zeigte durchweg
die Herstellung der Gliederungen, mindestens der Dachgesimse und
Masswerke aus Haustein.
Der von Gärtner in München gepflegte Backsteinbau
knüpfte auch nicht an diese
mittelalterlichen Denkmale an, sondern wandte sich dem Rundbogenstil
und der Einzelbildung
in oberitalienischer Frührenaissance zu. Erst die
Schüler Gärtners gingen zum Teil zur
Gotik über. In Wien fand der reine Ziegelbau nur
mässige Vertretung; die von Hansen
geschaffenen Bauten zeigen meist hellenistische, die von Ferstel
herrührenden
italienische Renaissanceformen.
Einen geschützten Rückzugswinkel für
Konservierung provinzieller und bodenständiger
Eigenheiten bildete der Holzbau, der sich denn auch bald wieder in
guter vaterländischer
Art einführte. So griff Eisenlohr in Baden mit
Verständnis auf den alten Holzbau des
Landes zurück. Endlich sollte unter König Maximilian
II. von Bayern sogar ein neuer Stil
erfunden werden, aber es kam nur eine dekorative Mischung aus gotischen
und romanischen
Elementen zustande, während grundliegende neue Gedanken
durchaus fehlten. Bürcklein, der
am meisten für die neue Stilschöpfung in Anspruch
genommene Architekt, entnahm die
Bogenformen und Masswerke der Fenster aus der Gotik, betonte die
Höhenentwicklung durch
vortretende Pfeiler und Lisenen und liess die Horizontaleinteilungen
fallen. Die
dekorativen Einzelheiten, Friese, Blattwerk, Konsolen und Balustraden
sind je nachdem
antiken oder romanischen Vorbildern nachgeahmt. Malerische Wirkung des
Aeusseren wurde
erreicht, dagegen erschien der Innenbau
verhältnismässig vernachlässigt. Die
Herstellung des Aeusseren erfolgte meist im Putzbau, wenn im Ziegelbau,
so folgte derselbe
venetianisch-lombardischen Mustern mit Verwendung von Terrakottatafeln.
Haus
-Giebel
Architekturen
von Arch. Wilson Eyre jr., Philadelphia
Architekturen
von Arch. Wilson Eyre jr., Philadelphia
Neuzeitliche Ausbildung organischer Bauformen
von Gustav Ebe
II.
Nach dem Grundsatze, der auch schon gegen die Mitte des 19.Jahrhunderts
wenigstens in der Theorie zur Geltung kam, ist jede
Kunstperiode ein notwendiger Ausfluss der zur Zeit herrschenden
nationalen Geistesrichtung; und folglich muss auch unsere Zeit ihren
eigenen
Baustil verlangen; indes blieb es erst der neuesten Richtung
vorbehalten, dies Bestreben
in die Praxis zu übertragen.
Die Moderne hat es unternommen, nur durch wirkliche Nutzglieder ohne
Aufwand von
Scheinmitteln architektonische Wirkungen hervorzubringen, und
verschmäht die Benutzung
der traditionell-stilistischen Ausbildung der Einzelgliederungen. Das
ästhetische
Element, soweit es sich um den Ausdruck latenter dynamischer
Widerstände handelt, soll
durch plastisch oder malerisch ausgeführte sogenannte
Kraftlinien versinnlicht werden.
Allerdings ist es eine etwas kühne Zumutung, dass man in der
Linienführung der Moderne
jedesmal das Symbol einer innerhalb des Baustoffs wirkenden Kraft sehen
soll, denn manches
Derartige erscheint doch als Ausfluss reiner Willkür und
spielender Laune; und die
Urheber dieser harmlosen Schnörkel würden
gelegentlich wohl selbst erstaunt sein, wenn
man ihnen tiefsinnige Ueberlegungen andichten wollte. Wenn man darauf
ausgeht, im Geiste
der Naturgesetze zu schaffen, so ist es doch befremdlich, wenn man sich
formlose
Dunstfäden, Gestalten innerer tierischer Organe und
Knochen, Holzmaserungen und dergleichen als Leitmotive aussucht - es
liegt doch viel
näher, an die Nachahmung regelmässiger
Kristallformen, Stengel-, Blatt- und
Blütenbildungen zu denken, die doch sämtlich inneres
Wachstum und strebende Kraft
versinnlichen und von den Alten auch in diesem Sinne zu
formvollendeten und verständlichen Gestaltungen benutzt worden
sind.
Ueberblicken wir in Kürze die mannigfachen Anläufe,
die nach dem Prinzipe der Moderne
geeignet sein sollen, den Anforderungen an Selbständigkeit
und organische Zweckerfüllung zu entsprechen. Die Wand zeigt
möglichst gross
zusammengehaltene Flächen und deshalb keine teilende
Gurtgesimse, ebensowenig Pilaster.
Ein Hauptgesims fehlt in der Regel ebenfalls, bisweilen ist ein
überhängendes Dach
vorhanden. Die Gliederung der Flächen ist so in
einigen Teilen durch senkrechte Schlitze oder Lisenen bewirkt, die
Oeffnungen sind
gradlinig oder im Bogen geschlagen und entbehren der üblichen
Rahmprofile, an deren
Stelle gelegentlich die sogenannten Kraftlinien treten. Die Fenster
erhalten vortretende
mit Wasserschlag und Unterschneidung versehene Sohlbänke;
Ornamente kommen sehr sparsam
zur Verwendung. Den besten Abschluss der Fassadenflächen
bilden die Giebel, welche die
ganze Breite der Wand oder einen Teil derselben einnehmen und im
letzten Falle den
Dachrand durchbrechen. Die öfter zur Anwendung gebrachten Ausbauchungen der
Umfassungswände in horizontaler
oder vertikaler Richtung wären einem Betonbau
natürlich,
sind aber für einen Steinbau weniger angemessen; und was mit
diesen Formen ausgedrückt
werden soll, ist schwer zu ergründen. Falls Fenster- und
Thürbogen in diese
Ausbuchtungen einschneiden und selbstverständlich die Biegung
in senkrechter Richtung
mitmachen, so wirkt dies geradezu unschön und widerspricht
auch den konstruktiven
Bedingungen, auf deren Innehaltung die Moderne sich sonst so sehr
steift. Thür- und Fensteröffnungen kommen öfter in
Hufeisenbogenform vor, offenbar der
ungewöhnlichen Wirkung wegen, denn zweckmässig kann
man sie nicht nennen, und in den
Giebeln findet sich gelegentlich eine Oeffnung im breitgezogenen Oval,
welche dann durch senkrechte Pfeiler geteilt wird. Die Portale werden
in
demselben Sinne, wie zur Zeit der mittelalterlichen Stilperioden und
des Barocks,
bisweilen durch flankierende Pfeiler besonders hervorgehoben. Unter den Einzelgliederungen kommen noch Anklänge an
historische Stilformen vor, so zum
Beispiel Masswerke in den Brüstungen, häufiger sind
die freien Umbildungen des Alten. So
werden die Köpfe der Säulen und Pfeiler kapitellartig
verziert und mit dem Tragebalken
durch Ornamentformen verbunden, welche gelegentlich in der
derb-realistischer Weise an
Spreizen und Klammern erinnern. Da der Holzbau der älteren Perioden fast durchweg den
konstruktiven Bedingungen angepasst
ist, so pflanzen sich seine Formen fast unverändert in der
neuen Stilrichtung fort.
Vortretende geschnitzte Balkenköpfe, vorgekragte gekerbte
Schwellen, Fussstreben der
Ständer, oft mit dem alten Palmetten-Fächer verziert,
findet man auch in den Fachwerken
der Moderne. Die gelegentlich vorkommenden Versuche, in den
Verriegelungen die
unregelmässigen Krümmen des natürlichen
Geästes mit Uebertreibung künstlich
nachzuahmen, ist aber doch wohl ebenso unzulässig, wie die in
der Spätgotik auftretenden
ähnlichen naturalistischen Steingebilde. Auch der altnordische
Holzbau, aus dem man neue
Motive zu schöpfen vermeinte, kann keine Ausbeute für
organische Bildungen liefern, da
die Schnitzereien dieser Periode, die Bandgeschlinge und langgezogenen
Tierleiber, doch
nur in das Gebiet der reinen Flächendekoration fallen und
obenein für die Neuzeit ohne
jede Bedeutung sind. Die hölzernen Dachgesimse der Moderne
erscheinen öfter in der Form
weit vorgeschobener flach abgedeckter Balken oder Sparren, welche dann,
auf grossen
gemauerten Konsolen ruhend, eine Art Schutzdach über
den Eingängen und etwaigen Plattformen bilden.
Die weise Sparsamkeit in der Verwendung des Ornaments wurde schon
weiter oben als eine
bezeichnende Eigentümlichkeit der Moderne hervorgehoben.
Vorzugsweise tritt das Ornament
zu der Verbindungsstelle zweier Konstruktionsteile auf, indem einzelne
Flächenteile mit
einem naturalistischen Pflanzenmuster, meist Baumzweigen mit
Blättern in Vollansicht
darstellend, in Flachrelief oder Malerei ausgeführt,
überzogen wurden. Die Kraftlinien
als Ausdruck dynamischen Lebens, meist an den Grenzen der Oeffnungen
auftretend, sind
doch, wie schon bemerkt, ein etwas willkürlich
gewähltes Hülfsmittel. In den Friesen,
in Wellenform sich bewegend, erinnern dieselben Linien an antike
Motive, stehen aber gegen
diese wegen ihrer Verzerrung im Nachteil. Die Verspreizung der Linien
im Flachbogen über
Oeffnungen erscheint allzu derb realistisch; und die
hängenden, sich durchkreuzenden
Bewegungen, welche die elastischen Formveränderungen des
horizontalen Sturzes ausdrücken
sollen, sehen eher dem Niederschlag mathematischer Abstraktionen als
zur Schönheit
verbundenen Kunstformen gleich. Wenn auch die Formengebung der Moderne nicht in allen Stücken
befriedigt, so kann man
doch nicht verkennen, dass ihre Bauwerke eine neue Physiognomie
gewonnen haben; auch dies
ist als positives Ergebnis eines ernsten Strebens immerhin hoch
einzuschätzen. Indes
bleibt es noch zweifelhaft, ob die neue Richtung in Rücksicht
auf Schönheit der
Erscheinung einen Fortschritt oder auch nur ein Beibehalten des von den
historischen
Stilen in dieser Art Erreichten bedeutet. Mitunter erscheinen die neuen
Formen ziemlich
wüst, obgleich sich das allmählich abklären
könnte. Die Hauptsache wird immer bleiben,
ob die Formen aus dem bewussten Streben nach einem
organischen baulichen Ganzen oder nur aus einem Gelüst nach
sensationell neu wirkenden
Dekoration hervorgegangen sind. Ein weiteres wichtiges Erfordernis
für das Gedeihen einer
neuen Architekturentwicklung im Sinne unseres
Jahrhunderts, die imstande wäre, das verloren gegangene
Interesse des großen Publikums
zurückzuerobern, als im besten Sinne volkstümlich zu
werden, und somit das böse Wort
von dem "Totsein" der Architektur als Kunst durch die Thatsache ihres
Daseins zu
widerlegen, ist das Erstreben eines individuellen Zuges für
jedes einzelne Gebäude,
welcher geeignet wäre, dasselbe seiner inneren Bestimmung nach
deutlich zu zu
charakterisieren und dasselbe zugleich aus der
Gleichgültigkeit der Massenexistenz
hervorzuheben. Um dieses Ziel zu erreichen, ist keine Ueberladung mit
gleichmässig
verteilten, reicher durchgebildeten Einzelheiten erforderlich; ausser
der die Silhouette
bestimmenden Massengruppierung würde für das Wohnhaus
ein künstlerisch ausgestattetes
Portal, ein die Traulichkeit des Innern verkündender Erker,
ein charakteristisch
geformter Giebel oder eine ebensolche Fenstergruppe genügen.
Um die monumentale
Erscheinung der umfänglicheren öffentlichen
Gebäude hervorzubringen, wäre allerdings
ein grösserer Aufwand von Mitteln nötig, ausser der
die Gesamterscheinung bedingenden
Massengruppierung ein grösserer Apparat von Einzelformen; aber
dies ist gerade der Punkt,
in dem die Erfindungskraft der Moderne bisher noch versagt hat. Ein
heute vielfach,
vielleicht allzu häufig gebrauchtes, höchst wirksames
Motiv ist der Traum. Wenn aber
Gebäude mit Aussichtstürmen mitunter sogar in Formen
des Wehrbaues versehen werden, ohne
dass irgend ein inneres Bedürfnis für dieselben
vorhanden ist, rein der malerischen
Wirkung zu liebe, so ist das eine neue Auflage der Scheinarchitektur,
der sich die
Moderne, die doch grundsätzlich nach praktisch berechtigten
Formen strebt, nicht zu
schulden kommen lassen sollte. |