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Autor: Fischer, Theodor
In: Die Durchgeistigung der deutschen Arbeit: Wege und Ziele in Zusammenhang von Industrie, Handwerk und Kunst. - 1. - 10. Tsd. - Jena: Diederichs (1912) - Ill., 116, 109 S.: zahlr. Ill. (Deutscher Werkbund: Jahrbuch des Deutschen Werkbundes; 1912)
 
Wechselrede über ästhetische Fragen der Gegenwart
 
AUF DER JAHRESVERSAMMLUNG 1911
THEODOR FISCHER, MÜNCHEN:

Ich hatte nicht die Absicht, mich zum Wort zu melden, aber einige Worte des Herrn Geheimrat Schmid bringen mir in Erinnerung, daß ich doch etwas auf dem Herzen habe. Es ist richtig, wenn Herr Geheimrat Schmid sagt, daß wir besser bauen würden, wenn wir uns besser kleideten. Ich fände es aber umgekehrt auch richtig, wenn wir einen anderen Begriff von Architektur hätten, einen Begriff von Architektur, der wesentlich bescheidener ist, als der, den viele von meinen Kollegen heute noch immer pflegen. Ich glaube ein Rezept zur Verbesserung unserer Auffassung zur Architektur wäre dieses, wenn wir uns darüber klar würden und es ganz in unser innerstes Empfinden aufgehen ließen, daß Architektur niemals Selbstzweck sein darf, daß Architektur immer im Hintergrund bleiben und auf den Menschen wirken soll. Wenn Sie die Wirkungen unserer meisten Architekturen vergleichen, so werden Sie zugeben, daß der Mensch, auch wenn er geputzt und sehr schön gekleidet geht, vor der reichen modernen Architektur nichts ist. Ich denke dabei besonders an Architekturen, die den Reichtum der früheren Stile äußerlich imitieren. Man findet dort, daß die Frau in elegantem Kostüm durchaus nicht wirkt, daß der Mann im Frack erst recht nicht wirkt. Wenn sich dagegen vor alten Architekturen - ich meine in der Hauptsache Innenräume - Menschen aufstellen und spazieren gehen, dann wird man immer beobachten, daß die Architektur zurücktritt. Der Mensch wird die Hauptsache, er wird interessant und wichtig. Das hat seinen ganz besonderen Grund. Der moderne Architekt hat sich daran gewöhnt, seine Arbeit als die Hauptsache anzusehen. Er will sich zeigen, und diese Bescheidenheit des Zurücktretens ist etwas, was ihn ungeheuer schwer ankommt. Aber doch gibt es kein anderes Rezept. Wir müssen einsehen, daß die Architektur Hintergrund sein soll. Der Mensch ist die Hauptsache. Wenn Sie darauf zurückkommen, daß Architektur Hintergrund sein soll, so werden Sie zugeben, daß das Raumproblem für uns das wichtigste sein muß.

siehe auch:
Gurlitt, Cornelius
Osthaus, K. E.
Fuchs, C. J.
Schäfer, Karl
Schmid, Max
Avenarius, Ferdinand
Muthesius, Hermann