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Autor: Lipsius, Constantin
In: Deutsche Bauzeitung - 12 (1878); 72. - S. 363 - 366
 
Über die ästhetische Behandlung des Eisens im Hochbau
 
Auf der 3. General-Versammlung des Verbandes dtsch. Arch.- u. Ing.-Vereine vorgetragen von Constantin Lipsius.

H o c h a n s e h n l i c h e  V e r s a m m l u n g!  Sind wir, Kinder der Gegenwart, auch nicht in der Lage, über unsere Zeit und ihre Werthstellung ein nüchternes und völlig unparteiisches, endgültig abschließendes Urtheil zu fällen, so können wir uns doch durch Beobachtung und Vergleich das Ziel des Strebens unserer Zeit klar machen. Und wir sind gezwungen dies zu thun, wenn wir Stellung nehmen wollen inmitten der allgemeinen Bewegung, wenn wir für unseren Theil und nach Maaßgabe unserer Kraft mitwirken wollen zur Klärung der gegenwärtigen Strömung.
Sie sind wohl darin mit mir einverstanden, dass die Hauptrichtung unserer Zeit vor allem auf Erkenntniss, auf Forschung nach Wahrheit, ohne Vorurtheil und Voreingenommenheit, aber auch unbekümmert um das Resultat, das dabei heraus kommt, gerichtet ist. Die gewissenhafte Untersuchung des Thatsächlichen, weniger um seiner selbst, als um des Gesetzes willen, das ihm zu Grunde liegt, daran zu Tage tritt, gilt als fundamentale Forderung. Wir verlangen nach Motivirung, nach dem Wie und Warum, nach dem Bezeichnenden, Charakteristischen auf allen Gebieten des geistigen Lebens energisch und rücksichtslos. Und darum ist unsere Zeit und unsere Arbeit nicht eine resümirende, abschließende, erklärende, vielmehr eine nach allen Seiten hin suchende, auseinander gehende, gegensätzliche, leidenschaftlich kämpfende. Nicht das, was man gemeinhin das Ideale nennt, eine über das menschliche Erreichungsvermögen hinaus gehende Vorstellung ist das Ideal unserer Tage. Aber dass eine Zeit, die so arbeitet, von einer gewaltigen Idee, von einem mit aller Energie zu erstrebenden Hauptziel beherrscht wird, das leuchtet wohl ein.
Die mächtig entwickelte Naturwissenschaft hat unserer ganzen Zeit die Signatur aufgeprägt. Die von ihr geförderten Resultate haben unsere Lebensverhältnisse vielfach umgestaltet, unsere Lebensanschauung nicht unwesentlich beeinflusst. Und wie sie, der Metaphysik abgewandt, nach greifbaren Ergebnissen forscht, so ist auch die ganze Richtung der Zeit in erster Linie auf das Zweckmäßige gerichtet. Mit unentwegter Energie suchen wir Hindernisse, welche der Erfüllung zeitgemäßer Zwecke entgegen treten, unter Zuhülfenahme aller Mittel, welche die fortgeschrittene exakte Wissenschaft bietet, aus dem Wege zu räumen, die Schranken, die Zeit und Raum uns stellen, zu negiren. Recht augenfällig und überzeugend bemerken wir dies in der praktischen Anwendung der Physik und Chemie in dem Telegraphen und in all den Einrichtungen, die den Verkehr erleichtern sollen - Briefpost durch Luftdruck - in der Spektral-Analyse und dem Telephon. Es ist geradezu erstaunlich, wie kühn und unerschrocken die Gegenwart zugreift, wagt und versucht. Und damit können wir behaupten: Nie ist eine Zeit gewesen, die in dieser Beziehung eine solche Fülle von Intelligenz gezeigt hätte!
Ein echtes Kind unserer Zeit, das sich gewaltig hervor gethan, ist unter den technischen Wissenschaften die Ingenieur-Wissenschaft. Auf durchaus modernem, realen Boden stehend, geht sie auf das ausschließlich Zweckmäßige aus, und dieses in rücksichtsloser Konsequenz anstrebend und in nacktester unerbittlicher Wahrheit - alles Aesthetische anderen Bestrebungen überlassend - zur Erscheinung bringend. Je geringer der Aufwand an Stoff, je minimaler die Dimensionen bei Erreichung maximalster Leistungen, um so größer der Triumph! Und da das rein technisch Zweckliche der Verklärung durch die Schönheit nicht bedarf, weil sein Eintritt in die Erscheinung nur der Ausdruck der Funktion, die es zu verrichten, die Form gewordene Funktion ist, so tragen solche rein zweckliche Gebilde in ihrer Konstruktion selbst die Erklärung für ihr Vorhandensein, ihre Nothwendigkeit; sie überzeugen und befriedigen darum oft bis zu einem gewissen Grade ästhetisch. Eine Brücke, die sich, der Risaer gleich, mittels weit gespannter Eisenbögen über Zwischenweiten von Hunderten von Metern frei trägt, kann uns in ihrer übersichtlichen Klarheit die überzeugende Gewissheit ihrer Zweckdienlichkeit und eine gewisse Freude über die siegreiche Ueberwindung großer Schwierigkeiten, über den mathematischen Kalkül, der die Tragfähigkeit der Konstruktion so schön im voraus berechnete, gewähren.
Und doch! Wohl ein intellektuelles, aber nie und nimmer ein psychisches Interesse kann solch eine Gesammtfunktion von starren Steifen und Streben, von Laschen und Nieten in uns erwecken. Die eisernen Wunderwerke unserer heutigen Ingenieure und Maschinentechniker datiren ihre Geburt von der Stunde, da man die Steinkohle zu gebrauchen lernte. So gewaltig und erstaunlich aber auch diese Wunderwerke sind, so befriedigen sie doch nicht den Drang nach dem Schönen, nach harmonischer Verklärung, der dem Menschengeschlecht inne wohnt und so alt wie das Geschlecht selbst ist. Das Schöne, der Reflex der Harmonie des Absoluten, bleibt ewig, wenn auch die Vorstellungen, die die Menschen davon sich machten, im Einzelnen variiren. Und wie die Natur ihren Schöpfungen zu dem pure Zwecknöthigen ein solches Maaß von Schönheit verleiht, als sich nur immer damit vereinigen lässt, so verlangen auch wir, sobald wir den ästhetischen Standpunkt betreten, mehr als ein starres Nützlichkeits-Skelett. Gleichwohl ist die Zweckmäßigkeit die absolute Voraussetzung auch des Schönen und ebenso ist ohne Wahrheit, d. h. ohne die volle Uebereinstimmung der äußeren Erscheinung mit der inneren Wesenheit, jede wirkliche Kunst unmöglich. Aber nicht reale Wahrheit allein, auch ideale Wahrheit verlangen wir im Kunstwerk.
Das Medium, dessen sich der Ingenieur, der Maschinen-Techniker zur Darstellung seiner Werke bedient, ist im wesentlichen das Eisen. Wie der Ingenieur, kann sich auch der Architekt dem Gebrauch des Eisens zur Befriedigung moderner Anforderungen nicht entschlagen. Während aber jener seine Aufgabe für beendet ansieht, wenn er seine Konstruktion ohne Rücksicht auf das ästhetische Aussehen möglichst zweckmäßig eingerichtet, hat der Architekt außerdem noch den Ansprüchen zu genügen, welche die Kunst an ihn stellt.
Und von der Anwendung des Eisens, das in technischer Beziehung die kühnsten Träume des Konstrukteurs Wirklichkeit werden ließ, das als stützendes und tragendes Material Raum-Ueberdeckungen und Raumstützen in Dimensionen gestattet, an welche noch vor wenig Menschenaltern nicht gedacht werden konnte, glaubte man sich nun auch in ästhetischer Beziehung Eminentes, ein sofortiges Aufblühen einer neuen, eigenartigen Kunst versprechen zu dürfen. Wohl bin ich der Meinung, dass auch dieses Material mit seinen unschätzbaren Eigenschaften und den ihm inne wohnenden Formengesetzen auf die Bildung eines neuen Baustils Einfluss haben werde und müsste. Aber die Anwendung eines neuen Konstruktionsmittels, das praktisch noch nicht einmal völlig und bis in alle Konsequenzen erkannt und beherrscht wird, gebiert noch nicht ohne weiteres eine neue Aera in der Baukunst. Und wenn Semper meint, dass man den Architekten mit Unrecht den Vorwurf der Armuth an Erfindung mache, da sich doch nirgends eine neue weltgeschichtliche, mit Kraft und Nachdruck verfolgte Idee kund gebe, und er überzeugt ist, dass, wenn eine solche Idee aufträte, sich unter den jüngeren Kollegen dieser oder jener befähigt zeigen würde, dieser Idee das geeignete architektonische Kleid zu verleihen, so ist dies doch wohl nicht als eine so positive Gewissheit zu nehmen.
Unsere Weltanschauung hat eine Modifikation erfahren und der Gedanke, der die Welt vor Rousseau und der französischen Revolution beherrschte, ist in Trümmer gegangen. Aber dennoch ist die Morgenröthe einer neuen Kunst noch nicht angebrochen. Versucht haben wir viel und aus den Versuchen der Stile der Vergangenheit ist uns zum wenigsten die Kenntniss der Wesenheit jener Stile, das Bleibende und das Vergängliche an ihnen klar geworden. Wie unsere ganze Zeit eine suchende, kämpfende, so auch die Kunst unserer Zeit. Nicht von heute auf morgen lässt sich ein neuer Stil erfinden; er bildet sich in und mit dem Geistesinhalt der Zeit durch die Arbeit von Generationen, anknüpfend an Bekanntes und Gegebenes. Ward je eine höhere, edlere, das Gemüth des Menschen tiefer ergreifende Idee unter die Menschen geworfen, als die Lehre Jesu von Nazareth? Der neue Geist wurde gegeben, aber die Künstler fehlten, die ohne weiteres die Kunst diesem Gedanken entsprechend auszugestalten vermochten. Mit dem Borg bei heidnischen Monumenten baute man der reinen Gottesidee die Tempel! - Und gleich irrig ist die Erwartung, dass ein neuer Konstruktions-Gedanke ex abrupto ein formfertiges Kleid gewinnen könnte. Zuerst und zunächst müssen wir den neuen Stoff in seiner Eigenthümlichkeit verstehen und begreifen lernen, ehe wir die Grenze für sein ästhetisches Erscheinen fest stellen können. Und darum haben die Ingenieure Recht, wenn sie die statischen Funktionen des Eisens zum Gegenstand ihrer Forschung machen, wenn sie nach dem Gesichtspunkt des Zweckmäßigen konstruiren. Wir Architekten aber haben die Aufgabe, auf Grund jener Zweckmäßigkeits-Erfahrungen dem Eisen vom formellen ästhetischen Standpunkt aus gegenüber zu treten.
Und hiermit komme ich auf die heute mir gestellte Frage: "Wie ist das Eisen in ästhetischer Beziehung im Hochbau zu behandeln?" - eine Frage neuen und neuesten Datums, von großer Wichtigkeit, über welche die Ansichten der Architekten vielfach aus einander gehen.
Unter der ästhetischen Behandlung des Eisens haben wir das Hervorkehren seiner Eigenthümlichkeit und seines Wesens in seinen verschiedenen Funktionen, in seinen Verhältnissen zum Charakter des Baues und in seinen Beziehungen zu dem übrigen in Anwendung kommenden Baumaterial und zu den Bauverhältnissen überhaupt zu begreifen.
Selbstverständlich ist die ästhetische Behandlung des Eisens da ausgeschlossen, wo es lediglich als Hülfs-Konstruktion aufzutreten hat und gewissermaaßen seine Dienste im Verborgenen leistet. Zu diesem Behufe ist das Eisen schon längst angewendet worden und die Römer bedienten sich desselben, wie wir wissen, zu baulichen Hülfskonstruktionen in umfassender Weise. Es ist aber nicht Aufgabe meines heutigen Vortrags, nachzuweisen, was das Eisen in  d i e s e r  Art seiner Verwendung zu leisten vermag.
Gestatten Sie mir vielmehr, an die unterscheidenden stilistischen Eigenthümlichkeiten des Eisens, wie sie sich aus den verschiedenen Arten desselben und der ihnen zu Grunde liegenden physikalischen Beschaffenheit ergeben, kurz zu erinnern. Denn es ist ein gewaltiger Unterschied, ob wir  G u s s e i s e n  oder  S c h m i e d e i s e n  zu behandeln haben.
Das aus Gusseisen Darzustellende muss, der Art und Weise seines Entstehens entsprechend, den Charakter des Gegossenen, aus Flüssigem Erstarrten, mit einem Male Gewordenen, Spröden an sich tragen, darum ein gewisses Körper-Volumen erhalten und demgemäß im Detail - ohne fabrikationswidrige Unterschneidungen - und im Ornament - teppichartig, von flachem Relief - behandelt werden. Bei Gusswerken größerer Art, deren Herstellung einen stückweisen Guss erfordert, werden aus der Verbindung der einzelnen Gusstücke mit einander charakteristische Schmuckstellen entwickelt werden können.
Das zähe und biegsame Schmiedeisen hingegen verdankt seine Gestalt der Wechselwirkung von Hammer und Ambos, unter denen es sich biegt und windet, streckt und aus Theilen, ohne Anwendung weiterer Verbindungsmittel, zu einem Ganzen zusammen fügt. Während die Produktionen in Gusseisen nach Material und Art der Herstellung vielfach an beschränkende Bedingungen gebunden sind, gestatten die Arbeiten aus Schmiedeisen, die aus vielen einzelnen, später zu einem Ganzen zu verbindenden Theilen bestehen, nicht nur eine viel freiere Bewegung in der Formengebung, sondern lassen auch den dem Schmiedeisen eigenthümlichen Charakter, die Biegsamkeit und Elastizität im Gegensatz zu dem starren, spröden Gusseisen in entsprechender Weise zum Ausdruck kommen. Eben darum lassen sie auch eine viel freiere, kühnere Konzeption und deren charakteristische präzise Ausführung zu.
Je nachdem eine Aufgabe durch Guss- oder Schmiedeisen gelöst werden soll, wird sich ihr Formen- und Charakter-Verhältniss zu modifiziren haben. Nehmen wir z. B. einen gusseisernen Kandelaber und einen schmiedeisernen Kronleuchter an, so werden Sie Alle damit überein stimmen, dass die Behandlung beider sowohl in den Prinzipien der Konstruktion und Konzeption, als in ornamentaler Beziehung grundverschieden sein muss.
Es stehen sich also in Gusseisen und Schmiedeisen zwei wesentlich verschiedene Konstruktions-Systeme gegenüber, deren jedes seine eigenartige, von dem anderen verschiedene Formensprache redet. Die Konstruktionen aus Gusseisen sind bei einiger Umfänglichkeit Hohlkörper-Konstruktionen, die aus Schmiedeisen Stab-, Vollkörper-Konstruktionen. Eine Stabkonstruktion ist technisch um so vollkommener, je dünner die angewendeten Stäbe sind; ist doch das Material je dünner je besser durchgearbeitet. Dagegen wissen wir, dass Hohlkörper bei gleicher Querschnittsfläche des Materials einen bei weitem größeren Widerstand zu bieten im Stande sind, sowohl gegen Vertikal- als gegen Horizontal-Belastung, denn Vollkörper. Dem Schmiedeisen wird darum eo ipso das ganze Gebiet zierlichen, leichten Gegitters und Geräths zufallen; es wird alles dahin schlagende auch in ästhetischer Beziehung auf das vollkommenste zum Ausdruck zu bringen vermögen. Auch ein Zuganker, bei welchem die Zugfestigkeit des Eisens in Anspruch genommen, wird sich in Schmiedeisen, der diesem inne wohnenden Elastizität entsprechend, trefflich charakterisiren lassen. Und eben so wird es in dieser Verwendung den Erfordernissen des Nutzbaues, bei Hallen, Schutzdächern, am besten entsprechen. Beruht aber die ästhetische Wirkung, die das Schmiedeisen in allen diesen Verhältnissen ausübt, auf der geringen Umfänglichkeit, die den Stoff dem Auge mehr oder weniger entzieht, so verbietet sich die Anwendung dieses Stoffs, dessen Volumen in der Wirkung auf unser Auge weit hinter dessen energischer Funktion zurück bleibt, überall da, wo es sich um Massenwirkung handelt, im Monumentalbau. Eine Brücke kann, wenn sonst die Verhältnisse richtig gegriffen sind und abgesehen von der Detail-Durchbildung, auch in Schmiedeisen hergestellt ästhetisch befriedigen, weil hier das Bindende, Spannende, kühn Uebergreifende, das dem Charakter des Schmiedeisens eigenthümlich ist, dem Charakter des Bauwerks entspricht. Erscheint uns aber an der Decke eines auf ästhetische Durchbildung Anspruch machenden Gebäudes eine Vielheit stützender und spannender Kräfte in der Form mehr oder weniger gleichwerthiger Stangen, die sich durchkreuzen und nach allen Richtungen hin sperren und streifen, in vielfacher Wiederholung des Systems zu einem chaotischen Durcheinander verworren, so kann von einer ästhetischen Wirkung, die auf einer wohl abgewogenen, schön getheilten, klaren, übersichtlichen, rhythmischen Gliederung beruht, doch wahrlich nicht die Rede sein. Und darum glaube ich auch nicht, dass mit dem bloßen Rhythmus der Silhouette, wie Lucae will, auszukommen wäre. Wohl aber stimme ich Lucae vollkommen bei, wenn er sagt: "Wir wollen die Resultate der in Eisen übersetzten Rechnung, und zwar in übersichtlichen Summen, zu einem klaren System geordnet erblicken, aber man nöthigt unser Auge auch gleichzeitig, alle die einzelnen Exempel, die man hätte an den Rand oder in's Unreine schreiben müssen, mit zu sehen." Doch hierauf wird später zurück zu kommen sein.
Kehren wir nun wieder zum Gusseisen zurück.
Gusseisen wenden wir, von seiner Verwendung zu Füllungswerk abgesehen, bei dem es nach Art des Laubsägewerks zu behandeln ist, im Hochbau zumeist zu Säulen an, mit denen wir Konsolen und Zwischenstücke verbinden, und bedienen uns hierbei meistentheils der Hohlkörper-Konstruktion. Bekannt ist die Leichtigkeit, mit welcher das Gusseisen in der Form jede Gestalt annimmt. Lässt aber darum das Gusseisen einen weit größeren Spielraum bezüglich der ihm zu gebenden Gestalt zu, so schreiben andrerseits die statischen Verhältnisse desselben und die im Vergleich gegen anderes Material größere Kostspieligkeit Grenzen vor, die nur auf Kosten der Wesenheit des Stoffs, also der ästhetischen Wahrheit, überschritten werden können. Der Charakter des Gusseisens wird, von der Spezial-Charakteristik abgesehen, im allgemeinen der des Zierlichen und Festen zugleich sein müssen. Unläugbar aber resultirt aus allem, dass das Eisen als Hohlkörper unbeschadet seiner Eigenthümlichkeit, vielmehr derselben entschieden entsprechend, in ein Verhältniss zu den baulichen Massen tritt, in welchem es, sei es als stützendes oder tragendes Element, für den Monumentalbau verwendbar erscheint. Nimmt es doch in dieser Art der Darstellung eine Körperlichkeit an, die dem Stein, dem monumentalen Baumaterial par excellence, verwandt ist, und muss darum auch in verwandter Weise behandelt werden. Perhorreszirend das Stütz- und Krückenwerk, dessen die Stab-Konstruktion, ähnlich der Zimmerei, bedarf und welches für gewisse, nur nicht monumentale Zwecke ästhetisch so überaus bezeichnend und werthvoll ist, trägt es die Möglichkeit in sich, aus eigener Kraft selbständig zu fungiren und durch künstlerische Behandlung den Schein freien, selbstthätigen Lebens zu gewähren, und das ist die Voraussetzung der Kunstwirkung. Wir irren wohl kaum, wenn wir annehmen, dass sich die Alten bei ihren Bronzebalken und derartigen Dingen von demselben Gesichtspunkt leiten ließen. Und in diesem Sinne räumt auch Semper dem Eisen seine Stelle in der künftigen schönen Baukunst ein und von ähnlichen Prinzipien geht Violett-le-Duc bei seinen Versuchen, das Eisen in die Baukunst einzubürgern, aus. -
Betrachten wir jetzt das Eisen in seinen speziellen Funktionen als Säule, Träger, Decke, als Hausgerippe.
Bei der Säule können wir uns kurz fassen. Für die ästhetische Ausbildung derselben ist, wie überall, der Zweck, dem sie in jedem besonderen Falle zu dienen hat, maaßgebend. Schwer belasteten Säulen wird man, ganz abgesehen davon, dass eine Einziehung des Säulenschafts eine Verminderung der Widerstandsfähigkeit zur Folge haben muss, niemals das Elastische, Bewegliche leicht tragender Stützen, etwa der Veranda-Säulen, Kandelaber etc. verleihen dürfen. Gleichwohl wird auch der Charakter gusseiserner Säulen stets ein zierlicher und doch fester sein müssen. Von besonderer Wichtigkeit für das, was die spezielle Funktion der Säule bezeichnet, wird die Art und Weise sein, in welcher das Verhalten der Last zur Stütze am Fuß und Kapitell und die Wechselwirkung von Fuß, Kapitell und Schaft ausgesprochen wird. Dieselbe, nämlich die Art und Weise dieses Verhältnisses, kann parallel der Schwere der Belastung auf das Charakteristischste in der Formensprache des Eisens zum Ausdruck gebracht werden. Immer aber wird die Säule, sie trete nun in Verbindung mit Stein, mit hölzernen oder eisernen Trägern, schmiedeisernem Gespärr oder als Theil eines in Gusseisen ausgeführten Systems auf, als selbständiger Organismus aufzufassen sein, dessen Charakterisirung natürlich seinen speziellen Beziehungen gemäß zu erfolgen hat. Die erfahrungsmäßige Gewissheit, die wir von der Festigkeit des Eisens, von seiner Widerstandskraft haben, giebt unserem Gefühl die Ueberzeugung, dass eine eiserne Säule auch bei geringerem Umfang als eine steinerne ihre Funktionen erfüllt, voraus gesetzt, dass sie in ihrer ganzen Erscheinung als eine eiserne sprechend charakterisirt ist. Denn die absolute Festigkeit an sich genügt nicht, auf uns einen ästhetischen Eindruck zu machen; es muss vielmehr in jedem speziellen Falle die individuelle Festigkeit des Materials zum unverkennbaren Ausdruck kommen. Wir müssen schon auf den ersten Blick sehen, dass es sich um eine eiserne Säule handelt, und wir sind alsdann völlig beruhigt, denn wir wissen auch ohne darüber zu reflektiren, dass eine im Durchmesser schwächere eiserne Säule zum mindesten eben so viel als eine viel umfänglichere steinerne Säule zu tragen vermag. Denken Sie sich diesen meinen Beobachtungen gegenüber eine jonische oder korinthische Säule statt in Stein in Eisen ausgeführt: würde Ihnen nicht Allen dass Missverhältniss zwischen Kraftaufwand und Zweck höchst widerwärtig erscheinen?
Wird aber behauptet, dass in der steinernen Säule ein Ueberschuss von Masse über die zur Erfüllung der statischen Funktion unbedingt nöthige vorhanden sei und dass gerade hierauf, neben der Ueberzeugung von der Sicherheit, das Gefühl der Schönheit beruhe, so ist zu erwidern, dass - die Richtigkeit der Behauptung bis zu einem gewissen Grade zugegeben - auch in der eisernen Säule nach ihrer Art ein solcher Ueberschuss vorhanden ist. Wir berechnen die Tragfähigkeit der Säule nach ihrem Durchmesser, ihrer Wandstärke und ihrer Länge und ziehen allenfalls noch in Berücksichtigung, ob sie fest eingespannt ist oder nicht; aber wir berechnen nicht weiter die Verbreiterung in Fuß und Kapitell, die Verstärkung durch Knaggen und Spreizen. Und doch vermehren wir gerade hierdurch die berechnete Widerstandsfähigkeit der Säule ganz bedeutend. Zugleich erhält sie dadurch ein ästhetisches Moment mehr von höchster Modulations- und Ausdrucksfähigkeit. Tritt dazu eine sichtbare Verankerung der Säule, so wird damit ein Eindruck größter technischer Festigkeit erreicht, der ganz wohl auch in ästhetischer Weise zum Ausdruck gebracht werden kann. Die steinerne Säule ist des Festigkeits-Ausdrucks in diesem Maaße nicht fähig. Es würde ästhetisch geradezu absurd sein, ihr durch eiserne Verankerung den Eindruck größerer Standfähigkeit verleihen zu wollen.
Es schien mir dieser Gesichtspunkt nicht ganz unwichtig und wollte ich es darum nicht unterlassen, denselben kurz zu berühren. -
Wir kommen nun zum  T r ä g e r  und Sie wissen alle, dass in dieser Form das Eisen, und zwar als Gusseisen, zuerst in den Hochbau eingeführt wurde. Neuerdings wendet man bekanntlich vielfach Träger aus Walzeisen, wie sie von den Eisenwerken in den Handel gebracht werden, an, oder stellt sie bei größeren Lasten als Blech- oder Gitterträger her.
Mögen wir nun aber guss- oder schmiedeiserne Träger wählen: ästhetisch wirkt der Träger nur dann, wenn er, zu einem Organismus belebt, in seiner ganzen Gestaltung seine Beziehungen zur Last sowohl als zum Auflager klar ausspricht. Ich meinte vorhin, dass Hülfskonstruktionen, die im Verborgenen fungiren und deren Existenz nicht sichtbar werden soll, weil das Gebäude, das ihrer Konstruktion vielleicht benöthigt, doch ästhetisch ihrer nicht bedarf, auch mit der Aesthetik nichts zu thun haben. Ist es aber in unser Belieben gestellt, Leistungen ästhetisch zu ignoriren, deren Vorhandensein die Voraussetzung der Existenz eines ganzen Bauwerks ist, ohne deren sichtbare Funktion wir nicht verstehen, wie das Gebäude überhaupt bestehen kann, und fürchten müssen, dass es vor unseren Augen zusammen bricht? Wenn es schwer halten dürfte a priori präzis und für alle Fälle die Grenzen fest zu stellen, wo das Ignoriren der Konstruktion ästhetisch zulässig und wo das Inerscheinungtreten derselben ästhetisch geboten ist, so glaube ich doch, dass man im allgemeinen wenigstens sagen darf, dass die Konstruktion überall da gezeigt und künstlerisch verwerthet werden müsste, wo die ästhetische Möglichkeit des Bestehens eines Kunstwerkes von ihr bedingt wird. Ich möchte darum die Behauptung, dass die Konstruktion, der Gedanke der Konstruktion, nur dann zur Erscheinung gebracht werden dürfe, wenn dieser Gedanke für uns brauchbar, nach der Richtung der Schönheit hin entwickelungsfähig sei, dahin erweitern, dass die Konstruktion da zum Ausdruck kommen  m ü s s e,  wo sie zum ästhetischen Verständnis des ganzen Werkes unentbehrlich ist. Wir können nie zum richtigen Genuss eines Kunstwerks gelangen, wenn es nicht in sich und für unser Auge verständlich die Möglichkeit soliden Bestehens trägt. Unter den verschiedenen Konstruktionsarten aber wählen wir jederzeit diejenige, welche uns im besonderen Falle als die zur ästhetischen Durchbildung geeignetste erscheint. Nicht die Darstellung der Konstruktion als solche ist die Aufgabe der Baukunst, vielmehr die ästhetische Verkörperung des speziellen Baugedankens im ganzen und einzelnen. Aber wenn der Baugedanke zum Kunstwerk verklärt werden soll, muss er doch zunächst und zweifellos als existenzfähig erscheinen. Mögen wir nun in jedem Einzelfalle die Konstruktion scharf hervor heben, oder sie verhüllen, oder sie modifiziren: all unser Bestreben kann und darf nur das eine Ziel haben, unser Werk auf Grund der Zweckmäßigkeit und der struktiven Möglichkeit und Richtigkeit zur bezeichnenden harmonischen, schönen Erscheinung durch zu bilden, es zu beleben, zu beseelen. Das Kunstwerk darf nicht gegen die reale Wahrheit verstoßen. Die gemeine Wirklichkeit aber mit ihren Disharmonien, ihrer Rohheit und Nüchternheit, ihrer Sorge und ihrer Qual ist nicht die Lebenssphäre der Kunst!
Aber was soll man dazu sagen, wenn wir nun bei modernen städtischen, auf eine ästhetische Wirkung Anspruch machenden Geschäfts- und Zinshäusern die zur Ueberdeckung weiter Parterre-Oeffnungen angewendeten Träger, auf welchen doch der ganze Oberbau ruht und ohne welche er gar nicht möglich ist, formell völlig verläugnet und hinter Putz und Holzwerk versteckt finden, oder wenn man uns ja zumuthet, unser kritisches Urtheil erst von der ersten Etage an anzulegen und den Unterbau gewissermaaßen als nicht vorhanden zu ignoriren, wie man uns Aehnliches bezüglich der Dächer schon längst zugemuthet hat. Muss da nicht an Stelle des ästhetischen Behagens eine verdrießliche Stimmung über solch widersinnige Anordnung treten?
Eine befriedigende ästhetische Lösung derartiger Träger-Konstruktionen kann ich mir nur denken, wenn Träger und Auflager - seien sie aus gleichem, seien sie aus verschiedenem Material - derartig in Beziehung gebracht sind, dass man fühlt, dass beide mit einander gemeinsam arbeiten. Das eine darf nicht isolirt tragen, das andere nicht isolirt stützen. Selbstverständlich wird ein jedes der verschiedenen Konstruktions-Systeme entsprechend charakterisirt und durchgebildet werden müssen.
Die hier entwickelten Prinzipien gelten als durchgehendes Grundgesetz auch bei allen Arten von Trägern, z. B. Balkon-Trägern, Konsolen etc.
In einer gewissen Verwandtschaft zum Träger steht die  D e c k e.
Gilt uns aber die Wechselbeziehung zwischen Decke und Stütze als Kriterion eines Bausystems, Baustils, und ist uns eine Decke, das Getragene, Schwebende, ohne Beziehung zur Stütze, zum Tragenden und umgekehrt, sinnlos, so wird uns hier der Maaßstab geboten sein, an welchem wir auch im gegebenen Falle den ästhetischen Werth oder Unwerth zu messen haben. Bötticher sagt, der Baustil stehe in Hinsicht auf Mechanik - und Vischer fügt in Parenthese hinzu: "nicht blos dies" - am höchsten, welcher mittels einer künstliche Momente erzeugenden Gliederung der Decke jedes Material so weit besiegt habe, dass er nicht allein die größeren Raum- oder Stützweiten überspannen, sondern dabei auch jedwedes Schema der Räumlichkeit überdecken könne und mithin möglich mache.
Sie alle haben gewiss mehr oder weniger den unschönen Eindruck empfunden, den in monumental ausgestatten Gebäuden Decken-Konstruktionen aus Eisen machen, die den Wänden einfach aufgelegt sind. Wenn die Decke es ist oder sein soll, von welcher die Verwandlung aller wesentlichen Theile des Baues in Glieder eines Organismus auszugehen hat, kann es da wohl überraschen, dass eine Decke, welche eine solche organisirende, zusammen fassende Thätigkeit gar nicht will und versucht, welche gleichgültig und beziehungslos auf und neben einem Baukörper anderen Wesens wirkt, auch ästhetisch, ausdruckslos und unmotivirt erscheint? Und darum will es mir scheinen - und ich stehe mit dieser Ansicht nicht allein - als ob die von französischen Architekten, einem Baltard, Labrouste, Duban, Viollet-le-Duc, ausgehenden Bestrebungen, das Eisen auch für den monumentalen Innenbau raumgestaltend zu verwerthen und zu einem selbständigen, in sich abgeschlossenen organischen System von Stützen und Decken- resp. Gewölbeträgern auszubilden, überaus verdienstlich und fruchtbringend seien. Der wesentliche Gedanke gipfelt in dem Prinzip, die Decken tragenden Faktoren, Gewölbeträger und Stützen, von den Umfassungsmauern, welche den Raum umschließen und dem Dach Aufstand gewähren, scharf zu sondern, wodurch natürlich die beiden fungirenden Elemente in ihrer organischen Thätigkeit entschieden zu Tage treten. Prägnant, wenn auch etwas befremdend, finden wir dies in St. Augustin ausgesprochen. Der große Lesesaal der ehemaligen Bibliothéque imperiale jetzt nationale, die hervor ragende Schöpfung Labrouste's, den ich leider nicht ganz fertig gesehen, versprach damals eine sehr charakteristische und einheitliche schöne Wirkung. Und auch der Vorschlag, den Violett le Duc in seinen "Entretiens" macht, einen weiten Raum auf eisernen Stützen mittels eines in Zonen bezeichnend und konstruktiv sinnreich getheilten Fächergewölb-Trägersystems zu überspannen, dünkt mir als sehr beachtenswerth, wogegen ich nicht verhehlen kann, dass andere Konstruktions-Versuche Viollet-le-Duc's mit schief gestellten, einander abgekehrten, durch Verankerung fest gehaltenen Säulen unter eisernen mit Gewölben ausgespannten Trägern, oder mit Decken-Konstruktionen aus Kuppelgewölben, welche ganz im Sinne der Stabkonstruktion von schräg gegen die Wand gestützten, vielfach verankerten eisernen Säulen getragen werden, nur den Eindruck einer Caprice des genialen Mannes hervor bringen und in ihrer gesuchten beunruhigenden Wirkung kaum einen anderen Werth beanspruchen können als den, dass man ihnen ansieht, wie man es nicht machen soll. Die Ueberdeckungs-Konstruktion des Innenhofs der École des Beaux-Arts von Duban ist in ihrem Stützensystem wohl gelungen, dagegen hat die bogenförmige Decke mit der in ihrer Mitte angebrachten Oberlicht-Konstruktion keine erhebliche ästhetische Ausbildung erhalten.
Dass die Decke selbst in ihrer ganzen Anordnung den Eindruck eines aus der Wesenheit des Materials heraus entwickelten, klar gegliederten, selbständigen, lebendigen Organismus machen muss, der im innigsten Bezug zu dem von diesem Organismus bedingten und ihn wiederum bedingenden Stützenwerk stehen muss, ist nach allem Vorherigen wohl klar. -
Was von der Decke gesagt ist, gilt vom  D a c h,  da wo dasselbe den Abschluss nach außen zumeist in Verbindung mit Glas bewirkt.
Es bleiben nur noch wenige Bemerkungen über die Herstellung ganzer Häuser oder vielmehr Häuser-Gerippe aus Eisen übrig.
Macht die Verbindung von Wand und Decke das Haus aus, so wird das von der Decke und ihren Stützen Gesagte auch auf den vorliegenden Fall zu beziehen sein, und es tritt hier, im Gegensatz zu dem vorigen, die stützende Thätigkeit des Eisens in engste Verbindung mit der Wand, welche infolge ihrer geringen Stärke ihre Befestigung durch das Eisen erhält. Derartige Konstruktionen werden einmal nach dem Prinzip des hölzernen Fach- und Riegelwerks hergestellt und sind auch ihrem ästhetischen Werthe nach gleich diesen zu beurtheilen. Der ästhetische Charakter des Fachwerkbaues ist der einer gewissen Zwiespaltigkeit. Das struktive Gerüst bildet das Gerippe, welches zur Füllung seiner offen gelassenen Fächer eines anderen Materials bedarf. Das Füllwerk ist nur das passiv fungirende, während sich im Fachwerk konstruktives Leben ausspricht.
Die Versuche, welche für ästhetische Verwerthung dieses Motivs in Anwendung auf Eisen gemacht worden sind, und von welchen ich als die bekanntesten den von Viollet-le-Duc in den Entretiens und die mehrfach publizirte Chokoladen-Fabrik zu Noisiel von Saulnier beispielsweise anführe, sind zu einer glücklichen Lösung noch nicht durch gedrungen. Bei Viollet-le-Duc erhebt sich das aus Winkel-, Einfach-T.JPG (721 Byte) und Doppel-T.JPG (769 Byte) Eisen hergestellte Gerippe nicht über den Eindruck schwächlichster, armseligster Nothkonstruktion, welche auch linear mit dem darin angebrachten Fliesenwerk nicht in den entferntesten Beziehungen steht. Bei Saulnier's Fabrik dagegen vermuthet man, dass die in reich polychromem, rautenförmig gemauerten Ziegelwerk ausgeführte Umfassungsmauer schadhaft geworden und durch eiserne Verankerung, die dem Muster folgt, zusammengeschient worden sei, etwa in ähnlicher Weise, wie man einen gesprungenen Topf mit Drathgeflecht überzieht. Die Konstruktion der Facade, deren Oeffnungen mittels Bögen auf eisernen Rahmen überwölbt sind, steht in keinem sichtbaren Zusammenhang mit dem scheinbar nachträglich angebrachten Eisenwerk. Der bunte Schmuck, durch welchen Saulnier beleben wollte, hebt das Verfehlte der ganzen knochenlosen Anordnung nur noch augenfälliger hervor. Ob die Pariser Ausstellungsbauten, von denen einzelne - soviel ich mich erinnere, auch der Bahnhof von Lish - als Fachwerkbauten mit Terrakotta-Verwendung konstruirt sind, einen entsprechenderen Eindruck gewähren, entzieht sich meiner Beurtheilung; es war mir leider nicht möglich, meine Absicht, noch vor diesem meinem Vortrag wieder einmal Paris zu besuchen, zur Ausführung zu bringen.
Jedenfalls wird der Fachwerkbau nur dann einer ästhetischen Behandlung fähig sein, wenn man zunächst das ganze Gerippe durch Betonung der horizontal und vertikal fungirenden Haupt-Konstruktionselemente und des baulichen Organismus überhaupt energisch gliedert und den Gebäuden damit nicht nur den Eindruck des Standfähigen und Insichgefestigten, sondern auch den des Wohlgeordneten und ästhetisch Gewählten verleiht. Die Verstrebung, vorausgesetzt, dass sie überhaupt sichtbar gemacht werden soll, mag dann so eingefügt werden, dass sie ein Nebenmoment netzförmiger Zwischentheilung abgiebt; das Mauerwerk fülle die Felderöffnungen, den Eisenrippen passiv folgend, aus. Die Zwiefältigkeit wird so zwar nicht aufgehoben - dies ist eben nicht möglich - aber doch so weit nur thunlich gemildert, indem die Pflichten der beiden gegeneinander präzisirt werden. Dass man durch Ausbildung der Stützen- und Verbindungstheile des Details überhaupt, ähnlich wie beim Holzbau, eine entsprechende Wirkung zu erreichen vermöge, dürfte prinzipiell wohl kaum zu bezweifeln sein; dessen ungeachtet wird die Physiognomie einer solchen Baulichkeit schwerlich den Charakter des Monumentalen gewinnen können.
Außer den Fachwerks-Konstruktionen haben wir noch solche Konstruktionen zu betrachten, bei welchen die Mauer nicht zwischen die Fächer gespannt, sondern dem Eisen angehängt ist. Bei Bauten dieser Art lässt das Unselbständige des Mauerwerks einen ästhetischen Eindruck nicht aufkommen. -
Zwingt mich die Kürze der Zeit zur Beschränkung auf einige Gesichtspunkte, welche mir die maßgebendsten für die ästhetische Behandlung des Eisens im Hochbau erscheinen, so muss ich mir versagen, weitere Verwendungen des Eisens von der ästhetischen Seite zu beleuchten und auch das wichtige Kapitel der Farbengebung zu berühren. Gestatten Sie mir nur noch der Meinung Ausdruck zu gehen, dass wir uns hüten müssen, mit dem Eisen statt der Kunstwerke Kunststücke zu machen und zu sündigen im Vertrauen auf die ausgezeichneten Eigenschaften des Eisens; die Strafe dürfte denn doch nicht ausbleiben. -
Wenn die Ziele des Ingenieurs und des Architekten auch weit auseinander gehen, indem der eine das absolut Zweckmäßige auf kürzestem Wege will, der andere aber auf Grund des Zweckmäßigen ästhetisch zu gestalten, zu beseelen, zu verklären bestrebt ist, so liegt doch der Thätigkeit beider nach den verschiedenen Richtungen hin das eine Gemeinsame zu Grunde: die erfinderische, schöpferische Thätigkeit, die sich gewiss auch in den großartigen Kombinationen von Mathematik und Mechanik ausspricht, wie sie die Werke des Ingenieurs zeigen. In dieser Weise verfehlen auch derartige Werke ihre Wirkung nicht auf den Beschauer; sie setzen denselben nicht nur in Erstaunen und Bewunderung, ja sie entzücken ihn durch die Vorstellung, was der menschliche Geist auf diesem Gebiete zu leisten vermag. Wünschen wir, dass die Leistungen der Baukunst der Zukunft sich ebenso zum Großartigen, Bewunderung und Erstaunen Erregenden entwickeln mögen, als dies unläugbar den Leistungen der Gegenwart auf dem Gebiete des Ingenieurwesens, wenigstens in den hervor ragendsten Erscheinungen, gelungen ist!