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Autor: Mies van der Rohe, Ludwig
In: Das Kunstblatt - (1930); 6. - S. 178
 
Kunstkritik
 
Fürchten Sie nicht, daß ich die lange Kette von Vorwürfen und Angriffen noch um ein gutes Stück verlängere. Sind Fehlurteile nicht eine Selbstverständlichkeit?
Ist Kritik denn so einfach? Ist wirkliche Kritik nicht eben so selten wie Kunst? Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit deshalb auf die eigentliche Voraussetzung zu jeder Kritik, also auch der Kunstkritik lenken, weil ich glaube, daß ohne genügende Klarheit hierüber wirkliche Kritik nicht geübt werden kann und Forderungen an die Kritik gestellt werden, die zu erfüllen sie gar nicht in der Lage ist.

Kritik ist die Prüfung einer Leistung auf ihre Bedeutung und ihren Wert hin. Um eine Leistung auf Bedeutung und Wert hin zu prüfen, ist es notwendig, zu dem Gegenstand der Prüfung eine Haltung zu gewinnen, ihn in den Griff zu bekommen. Das ist nicht ohne weiteres gegeben. Kunstwerke haben ihr eigenes Leben. Sie liegen nicht jedem offen. Sollen sie antworten, so muß man vor sie hintreten, wie sie es fordern. Darin liegt die Bindung der Kritik.

Eine weitere Bindung der Kritik liegt in der Rangordnung der Werte. Hier findet die Kritik ihre Maßstäbe. Wirkliche Kritik ist eben Dienst am Werte.