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Autor: Reichensperger, August
In: Romberg's Zeitschrift für praktische Baukunst - 12 (1852); S. 291 - 304
 
In welchem Style sollen wir bauen?
 
ist eine Frage, welche häufig aufgeworfen und erörtert wurde; wir haben manchen Aufsatz, der diesen Stoff behandelt, in unserer Zeitschrift mitgetheilt, wie unsere Leser wissen. Auch wir haben neuerdings Material zu dieser Frage zu liefern gesucht und wie es scheint mit Glück, denn von verschiedenen Seiten hat man uns die Freude zu erkennen gegeben, daß wir von dem praktischen Gesichtspunkte aus diese für jeden Architekten so wichtige Angelegenheit beleuchteten.

Die Frage ist in ein neues Stadium getreten, der gediegenste Kämpe für die Baukunst des Mittelalters und ihre Anwendung,  R e i c h e n s p e r g e r  hat in der zweiten preußischen Kammer ein gewichtiges Wort für seine Ansicht gesprochen. Wir lassen diese Rede hier folgen, da sie vielleicht doch nicht von allen Fachgenossen gekannt sein wird. Diese Rede hat von Seiten der  Z e i t s c h r i f t  f ü r  B a u w e s e n , welche herausgegeben wird unter Mitwirkung der königl. technischen Baudeputation und des Architektenvereins zu Berlin, eine Entgegnung gefunden; sicherlich ist aber diese Entgegnung nicht der Ausdruck des ganzen Architektenvereins, ja Viele werden es gewiß desavouiren, daß eine Zeitschrift, die unter ihrer Mitwirkung herauskommt, es nicht verschmähe, Herrn Reichensperger Aeußerungen unterzuschieben, die er nicht gethan und so die wichtigste Streitfrage auf einen sehr ungleichen Kampfplatz hinüber zu spielen. Aus der ganzen Entgegnung spricht gekränkte Eitelkeit und die Furcht, der Autorität in Kunstsachen, die Berlin glaubte über Deutschland auszuüben, verlustig zu gehen. Freilich verfolgt Berlin das Bestreben, in der Kunst den Ton angeben zu wollen, mit wenig Glück. Schinkel und seine Schule wird von den meisten Kunstjüngern verlassen, überall findet man das Monotone in der ewigen Wiederholung der griechischen Antike und selbst in Berlin giebt es eine Masse Menschen, wenn auch nicht unter den Künstlern, die die Wiederholung des schon oft Dagewesenen recht herzlich langweilig finden. Man ist müde geworden, es aufzusuchen wie sich diese Façade von jener unterscheidet; man fängt an einzusehen, daß wenn auch in den großen Städten viele Wohnungen über einander liegen müssen, die Häuser doch kein casernenartiges Ansehen zu haben brauchen; man fängt an für den Reiz der Mannigfaltigkeit der alten Städte zu schwärmen und es ist mit Gewißheit vorauszusagen, daß Berlin nicht vermögen wird, die Empfänglichkeit für die Werke der mittelalterlichen Kunst in dem Grade zu hemmen, daß der Wunsch auch in diesem Baustyl Gebäude errichtet sehen zu wollen, nicht Platz greift. Die Zeitschrift für Bauwesen hat sich mit einer Bestimmtheit für die Richtung, welche sie verfolgt, ausgesprochen, daß man über dieselbe nicht mehr in Zweifel sein kann; sie sagt mit klaren Worten - wir lassen auch diesen Artikel unter der Ueberschrift: "der Abgeordnete Reichensperger und die Baukunst" hier folgen - daß der in Berlin verfolgte Weg als der richtige anerkannt und derselbe consequent verfolgt werde. So lange die Redaction nicht gewechselt wird, ist dieser Ausspruch als Tendenz der Zeitschrift zu betrachten. Es stehen sich also jetzt die Kämpen in dieser Frage gegenüber und es ist nun zu erwarten, welche Gründe, von beiden Seiten aufgebracht, durchschlagen. Daß die Berliner Zeitschrift für Bauwesen diese Frage auf ein anderes Gebiet hinüberspielen wollte, ist höchst unwesentlich, wesentlich aber ist es, die Erfolge dieser verschiedenen Bestrebungen genau zu verfolgen: sie werden ein Resultat haben, es wird aus alle dem eine neue Kunstperiode anbrechen und wir begrüßen dieselbe mit Freuden. Da es für Fachgenossen interessant ist, sämmtliche Materialien zu dieser Frage zu besitzen, so lassen wir schließlich noch die Entgegnung Reichenspergers auf die Angriffe des deutschen Kunstblattes und der Berliner Zeitschrift für Bauwesen folgen. - Zunächst nun die Rede Reichenspergers die derselbe in der preußischen Kammer gehalten hat. Dieselbe beginnt:

"Meine Herren! Ihre Commission hat zu diesem Titel VI. sich aus folgende Art geäußert:

"Die Special-Commission hat sich durch eigene Anschauung von der zweckmäßigen Einrichtung der Bauakademie, ihrer vorzüglichen Leitung und Verwaltung überzeugt und findet demnach die Kosten, welche der Staat zu dieser großartigen und auch außerhalb Preußens im Rufe stehenden Anstalt zuschießt, nur äußerst mäßig."

Ich kann nicht umhin, meine Herren, ein verwahrendes Wort gegen diesen Panegyricus einzulegen, und zwar um so mehr, als in demselben eine wenigstens indirecte Aufforderung enthalten ist, die Kosten, welche auf die Bauakademie verwendet werden, noch zu erhöhen. Ich bin weit davon entfernt, denjenigen Männern, welche an der Spitze dieses Instituts stehen oder dasselbe sonst zu leiten haben, irgend welchen Vorwurf machen zu wollen. Soviel ich von ihnen weiß, zweifle ich nicht daran, daß sie sich sogar durch Gelehrsamkeit, Eifer und Berufstreue auszeichnen. Alles, was ich zur Sache sagen werde, sage ich unbeschadet aller Hochachtung vor ihnen. Ich werde lediglich objectiv zu Werke gehen. Vorerst aber muß ich noch, und zwar hier doppelt, um Ihre Nachsicht bitten, da ich kein Techniker bin. Lediglich mein besonderes Interesse für die Sache, so wie vieljährige Beobachtung und Vergleichung, können mir als Legitimation dienen. Auch ich habe mir angelegen sein lassen, die fragliche Anstalt, in ihrer äußeren Erscheinung sowohl, als in ihrem Wirken möglichst genau in Augenschein zu nehmen. Ich habe nicht blos das mir zugängliche gedruckte Material durchgesehen, sondern auch durch mündliche Erkundigungen mich so viel als thunlich zu orientiren gesucht. - Wenn wir nun schon gleich das Aeußerliche an der Bauakademie ins Auge fassen, insbesondere die ornamentale Ausstattung derselben, so hat solche auf mich wenigstens einen sehr befremdenden Eindruck gemacht. Es könnte Einem fast so vorkommen, als ob der Bau an den Ufern des Ilissus und nicht an den Ufern der Spree ausgeführt wäre, wenn nicht die verschiedenen Gegenstände, womit er ausgestattet ist, die Musen, Grazien und wie sonst das heidnisch-mythologische Personal heißt, so wie das, was als Studien-Modell in den Sälen dient, aus Gyps, Papiermaché oder Zinn gemacht wäre. Man kommt indeß jedenfalls auf den Gedanken, daß es mehr auf eine athenische oder römische, als auf eine Berliner, eine deutsche Bauakademie abgesehen gewesen sei. - Dasselbe Gepräge, welches die Akademie in solcher Art äußerlich und innerlich an sich trägt, dasselbe tragen auch die verschiedenen darauf bezüglichen Instructionen, das Verzeichniß der Unterrichts-Gegenstände, die Bekanntmachungen über die Anforderungen, welche bei den Prüfungen der Bauführer, Baumeister und Privatbaumeister gestellt werden, endlich die Unterrichtspläne, so viele ich deren einzusehen Gelegenheit fand. - Diese Stücke liegen mir vor. Wenn Sie nachher etwa, meine Herren, einen Blick auf dieselben werfen - ich will Sie nicht mit deren Verlesung ermüden - so werden Sie sehen, daß eine Menge der schwierigsten Wissenschaften hier theils als Unterrichts-Gegenstände, theils als Examen-Anforderungen für Bauführer und Baumeister aufgezeichnet sind: Analysis, Trigonometrie, analytische Geometrie, - sogar Differential- und Integralrechnung sind in neuester Zeit hinzugekommen - Maschinenlehre, Chemie, Dynamik, Physik, Oryktognosie, Geognosie, Projectionslehre, Schattenconstruction, Perspective u. s. w., u. s. w. Von der eigentlichen  B a u k u n s t  ist in diesen Vorlagen nur zweimal, wenn ich nicht irre, die Rede, und zwar auch hier nur von antiker Baukunst, d. h. von heidnischer, vorchristlicher Baukunst: "Die Formen antiker Baukunst im Allgemeinen," - heißt es hier in dem Lectionsverzeichniß - "so wie deren Anwendung auf Bauwerke der jetzigen Zeit," und eben so in der Bekanntmachung über die Anforderungen, die an die Bauführer-Candidaten gestellt werden. Ja noch mehr; auf dem schwarzen Brette der Anstalt findet sich sogar ein Anschlag vom 2. Januar 1852, nach welchem die Prüfungsaufgaben, "welche zur Ausführung in Holz-Architektur nicht bestimmt sind, mit Vermeidung des mittelalterlichen Baustyles" - d. h. des mittelalterlich-d e u t s c h e n  Baustyles - "entweder in antikem oder einem nach antiker Auffassung gebildeten Baustyl durchgeführt werden müssen," wie es hier wörtlich lautet. In einer andern Bekanntmachung vom nämlichen Datum heißt es, daß man bei der Bauprüfung eine allgemeine Kenntniß der Säulenordnung bei den Alten haben müsse u. s. w. Man sieht, daß nicht blos, wie gesagt, keine Rücksicht aus unsere nationale Bauweise genommen wird, daß es sogar ausdrücklich verboten ist, daß diejenigen, welche Prüfungsarbeiten zu machen haben, den von ihnen zu wählenden Gegenstand in unserm nationalen Baustyle darstellen. So verhält es sich im Wesentlichen mit dem Unterricht. Ich will nicht in nähere Details eingehen, stehe aber in dieser Beziehung gern zu Diensten, wenn es gewünscht wird.

Sie sehen aus dem Mitgetheilten, meine Herren, wie einerseits überall auf das Wissen das entscheidende Gewicht gelegt wird, und wie andererseits dasjenige, was uns als Deutschen, dächte ich, doch das Nächste sein muß, gänzlich vernachlässigt wird, wie überhaupt im Ganzen immerwährend auf das Können ein verhältnißmäßig sehr geringes Augenmerk gegenüber dem Wissen genommenen ist. In dieser Beziehung möchte ich dasjenige, was der Abgeordnete für Bromberg vor einigen Tagen auf dieser Stelle hinsichtlich des Ueberwiegens der Doctrin gesagt hat, hier adoptiren, wenn ich auch seinen Schlüssen nicht überall beistimme. Wir sehen ein Uebergewicht der Doctrin über die Erfahrung, ein Uebergewicht der Intelligenz über das schaffende Vermögen; ich glaube aber, daß das ein gefährlicher Weg ist, am gefährlichsten auf dem Gebiete, um welches es sich handelt. - Meine Herren! Ich denke, daß man vor Allem nach den Ergebnissen der charakterisirten Richtung zu fragen hat, ja, daß die beste Probe auf alle die gemachten Ausstellungen die ist, daß man nach den Früchten, nach den Werken sich umsieht, die aus diesen doctrinären Anstalten hervorgehen.

Nun, ich nehme Sie Alle zu Zeugen, die Sie moderne Städte gesehen haben, ob etwas von neueren Bauanlagen sich in denselben findet, was irgend verdiente, demjenigen an die Seite gesetzt zu werden, was die perhorrescirte mittelalterliche Baukunst geleistet hat. Ich will, um nicht allzu weitläufig zu werden, gleich hier am Orte anfangen. Nehmen Sie unsere Prachtstraße, die Linden, beginnen Sie mit dem aus classisch-akademischem Geiste hervorgegangenen Brandenburger Thore. Es ist das ein Peristyl, eine ihrem Gedanken nach zu einem Gebäude bestimmte Vorderseite, die hier die Rolle eines Thores spielen muß. Auf der Krönung in den sogenannten Metopen sehen wir Centauren und Lapithen und ganz oben einen geflügelten Genius, der trotz seines Flügelpaares es für nothwendig erachtet, in einem Wagen mit vier Rossen zu fahren. Verfolgen Sie die Linden, so wer den Sie überall denselben Baustyl, d. h. dieselbe Geschmacksmengerei finden. Hier etwas Florentinisches, wo denn der Quaderbau mit Hilfe des Mörtels durch Einschnitte in denselben nachgeahmt ist; dort ein korinthisches Gesims aus Tannenbrettern oder sonst etwas "Antikes" aus Gyps; am Museum endlich sehen Sie statt einer dorischen eine ionische Colonnade, die hier den Zweck hat, einen engen Gang abzuschließen, ein Zweck, den man mit einem viel geringeren Aufwande in unserm nationalen Style weit besser hätte erreichen können. Hinter diesen ionischen Säulen sehen Sie den Saturn, den Phöbus, den Phosphoros, u. dgl. m., und endlich ganz oben den Kastor und Pollux.

Nun möchte ich doch wissen, meine Herren, was Berlin mit den Centauren und Lapithen, mit Kastor und Pollux gemein oder zu schaffen hat, daß man seine öffentlichen Monumente mit solchen Figuren zu schmücken sich veranlaßt sieht? - Es ist dies übrigens nicht eine Singularität für Berlin allein; man findet dieselbe in allen großen Städten, so weit sie der Neuzeit angehören. Von allen unseren öffentlichen Gebäuden in Berlin, selbst die Universität nicht ausgeschlossen, sehen Sie nackte oder doch halbnackte Götter und Halbgötter herunter schauen. Ich darf wohl fragen, in welchem Zusammenhange dieselben mit unserem Leben, mit unserem Glauben, mit unserer Geschichte stehen; ich möchte überhaupt wissen, wozu unsere Monumente mit so großen Kosten geschmückt werden, wenn sie nicht an unser nationales Leben, an unsere Geschichte, an unseren Glauben anknüpfen und dadurch belehrend oder erhebend auf uns wirken sollen? - Sind wir etwa in der Lage jener Barbaren, die Italien, Gallien und Spanien eroberten und nichts mitbrachten, als ihr Schwert, die daher, in Ermangelung jeder anderen Kunst, diejenige adoptirten, welche sie bei den Eroberten vorfanden? Aber selbst diese Barbaren haben die antike Kunst bald umgewandelt und sich eine selbstständige geschaffen; und wir, die wir eine große  e i g e n e   Kunst haben, welche den Ruhm des deutschen Mannes durch die ganze Welt getragen, die von Spanien bis nach Upsala, von Polen bis nach den äußersten Grenzen Englands die herrschende war und das Erstaunen Aller erregte -  w i r greifen zwei Jahrtausende zurück, durchwandern die Trümmer griechischer und kleinasiatischer Kunststätten, wir holen uns Rath bei Iktinos und Vitruvius und lassen unsere großen Dombaumeister bei Seite liegen, welche jene Kathedralen geschaffen haben, zu denen alle Reisenden, ja zu denen die Völker wallfahrten!

Ich hoffe, meine Herren, Sie werden es mir nicht verübeln, daß ich an diese Budget-Materie allerdings etwas fernliegende, aber jedenfalls durch den Bericht Ihrer Commission provocirte Aeußerungen knüpfe. Meine Herren! Sie werden mir vielleicht einwenden, daß wir jetzt andere Bedürfnisse haben, als das Mittelalter hatte, welches nur auf Herstellung großer Kirchenbauten bedacht gewesen sei. Dem ist aber nicht so; unsere deutschen Baumeister des Mittelalters, sie waren allen Bedürfnissen der Gegenwart und unseres öffentlichen Lebens vollkommenen gewachsen. Ich erinnere Sie nur an die großen, mächtigen Rathäuser, die in Deutschland, die auf preußischem Boden stehen. Sehen Sie die Rathhäuser an in Breslau, in Münster, in Köln, in Lübeck! Wohin Sie sich wenden, da stehen sie noch aufrecht in ihrer alten Pracht, oder sie stehen doch nur deßhalb nicht mehr so da, weit eine verbildete, geschmacklose Zeit sie hat verfallen lassen, weil sie ihre Kraft auf etwas verwandt hat, was bei uns niemals Wurzel schlagen kann. Ich erinnere Sie weiter an Marienburg, dessen Erhaltung wir der weisen Fürsorge unseres hochherzigen Königs zu verdanken haben. Aber nicht blos solche Bauten, sondern selbst der Wege- und der Wasserbau, ja der allergewöhnlichste Bedürfnißbau hat im Mittelalter eine weit bessere Vertretung gefunden, als dermalen. Venedig und Amsterdam sind bekanntlich im Mittelalter gebaut, und ich wüßte nicht, daß die Architekten, welche diese Prachtstädte dem Meere abgewannen, über die Integral- und Differentialrechnung examinirt oder auf einer Akademie gebildet worden wären. Das ist nach meiner Ueberzeugung gerade das Hauptunglück unseres ganzen Kunstwesens, daß unter der Menge des Wissens und des Stoffes die Individualität, alles Charakteristische, alle geistige Spannkraft erdrückt oder doch gelähmt wird. Daher kommen, meiner Meinung nach, alle diese todtgeborenen Kunstschöpfungen, denen wir, sei es auf den öffentlichen Plätzen, sei es in den Kunstausstellungen, begegnen. Ich glaube es wäre hohe Zeit, hier einmal entschieden Hand anzulegen, oder besser noch, an die Spitze der Bewegung zu treten, die sich schon hier und da für die Wiedergewinnung unserer glorreichen Kunst zu erkennen giebt. Ich glaube, daß, wenn dasjenige, was so oft hier besprochen und in Aussicht gestellt worden, nämlich eine Vereinfachung der Staatsverwaltung, einmal zur Wirklichkeit geworden ist, dann das hier in Rede stehende Institut und alle mit ihm verwandten Institute aus unserem Budget verschwinden müßten. Ich hoffe, daß wir alsdann wieder einfache Lehrlinge und schlichte Meister erhalten.

Meine Herren! Heutzutage sind die Künstler Ritter aller Grade von Orden, Professoren und Geheime Räthe, sie erfreuen sich des Besitzes von Titeln aller Art; die Lehrjungen und Gesellen sind zu Conducteuren avancirt; Alles hat einen großen und vornehmen Anstrich genommen. Noch im 16. Jahrhundert ist am Stephansthurme zu Wien gebaut worden von einfachen Steinmetzmeistern und ihrer Gesellenschaft; von da ab beginnt die gelehrte, die akademische Richtung und wahrlich nicht in aufsteigender Linie. Eben solche einfache Meister haben den Wald von Kathedralen gebaut, die trotz aller Verwüstung, die man darin angerichtet, noch immer die beredtesten Zeugen von der Größe, der Schöpferkraft, der Genialität unserer Altvordern dastehen. Und es ist nicht blos so auf dem Gebiete der Baukunst, es verhält sich wenigstens ähnlich auf dem Gebiete aller Kunst, insbesondere dem der Malerei. Beseitigen Sie den vornehm-gelehrten Apparat; machen Sie wieder Meister und geben Sie diesen ihre Gesellenschaft, aus welcher immer wieder neue Meister durch die Kunstübung selbst hervorwachsen. Der letzte große Altmeister der Malerei, Albrecht Dürer, sagt selbst, wie er Gesell gewesen, und auch wohl tüchtig durchgeprügelt worden sei. Alle die Meister, die damals gelebt haben, sie haben Alle dieselbe Schule des Handwerks durchgemacht. Also, meine Herren, verpflanzen Sie den Katheder wieder in die Bauhütte und schnallen Sie den Herren Conducteuren wieder das Schurzfell um! Lassen Sie dieselben wenigstens vor Allem  b a u e n  lernen; nöthigen Sie dieselben nicht, einen Haufen von Wissen sich anzueignen, den nur das allerprivilegirteste Gehirn verdauen kann!

Meine Herren! Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen zumuthe, jene obligate Fahrt über den Canal auch mit mir zu machen. Sie wissen, fast in jeder Discussion werden wir zu einem Ausfluge nach England aufgefordert. Ich erlaube mir also dieselbe Bitte. Meiner Ansicht nach ist England gerade deswegen so groß und mächtig, weil es, wie wir es leider nicht gethan haben, sich das Franzosenthum und das Neuheidenthum vom Halse zu halten gewußt, oder doch wenigstens nicht über den Kopf hat wachsen lassen. England hat stets an seinen alten Traditionen festgehalten, und wenn es dieselben einmal verlassen hatte, so hat es bald die Fäden wieder aufgesucht, um das Neue daran anzuknüpfen. Sie wissen, wie Macaulay, der Geschichtsschreiber der englischen Revolution, am Schlusse seines Werkes sagt: daß deßhalb die Revolution eine heilsame und ihre Früchte dauernd gewesen, weil sie eine conservative Revolution gewesen, so sonderbar die Zusammenstellung auch klingen mag; er entwickelt, wie, trotz der Gewaltsamkeit, mit welcher damals durch so viele Verhältnisse geschnittten werden mußte, man nichts desto weniger, sogar bis in die kleinsten Formen hinein, bis auf die Form der Documente und der Trachten, an den alten Traditionen festgehalten hätte. Auch England hat allerdings eine Zeit lang geschwankt; England hat bekanntlich die Paulskirche in London, zwar nicht in hellenischem oder kleinasiatischen oder ich weiß nicht welchem akademischen Style gebaut, es hat sie nach dem Muster der Peterskirche in Rom gebaut, die freilich selbst leider stylistisch auf Abwegen war. So ward denn St. Paul nur ein matter Abklatsch eines Werkes, das in seiner Anlage, so groß und herrlich es auch im Uebrigen sein mag, verfehlt war. Aus diesem Wege sind denn gar Viele nachgegangen. London selbst giebt am besten Zeugniß davon, wohin derselbe geführt hat. Gerade dort, wo das Neue mit dem Naturell des Volkes im grellsten Widerspruche war, führte es naturgemäß zur studirtesten Häßlichkeit. Dazu ist London durch seine akademischen, seine classischen Bestrebungen gekommen. Ich kenne in der That kaum eine unschönere Stadt, als London in denjenigen Theilen, welche in den letzten Jahrhunderten geschaffen wurden, wie ich kaum imposantere Städte kenne, als Oxford und Cambridge, in denen man das erhalten findet, was bis zum 15. und 16. Jahrhundert ins Leben getreten war, wo man zu dem alles das, was später hinzugefügt wurde, nach dem Bildungsprinzipe des Alten errichtet hat. Nun wohl, meine Herren, England hat sich wieder auf sich selbst besonnen; es hat dasjenige gethan, was, wie ich hoffe, auch die deutsche Nation wieder ein mal thun wird, es baut wieder in der Weise seiner großen Vorfahren. Ich brauche nicht erst an den Bau des Parlamentshauses zu erinnern, an diesen Riesenbau, wie seinesgleichen auf dem Gebiete der Civil-Architektur wenigstens nicht aufzuweisen ist. Ueberall, selbst bei den Eisenbahn-Bauten, knüpft man dort wie der an die alten Traditionen an, bedient man sich der alten Formen. Ich kann versichern, daß englische Baumeister, und zwar von den namhaftesten, mit denen ich gesprochen, den Apparat belächeln, den wir hier aufstellen, um unsere Baumeister zu bilden. In England giebt es derartige Akademien nicht. Es giebt dort nicht ein einziges Examen, und nichts desto weniger er richtet England nicht blos in stylistischer, sondern auch in tektonischer Beziehung wahrhaft erstaunenswerthe Werke. Jener Bildungs-Apparat ist demnach keinesfalls nothwendig; aber er fördert nicht nur nicht, er lähmt! In Frankreich hat die Ecole des beaux arts ungefähr dieselbe Rolle gespielt, wie unsere Bauakademie, und die Bauakademien des Continents überhaupt. Auch sie glaubte sich unmöglich lossagen zu können von den Errungenschaften der classischen Bildung, der Gelehrsamkeit und der antiquarisch-archäologischen Forschung. Aber, meine Herren, in Frankreich hat sich schon neben der Ecole des beaux arts das Leben wieder Bahn gebrochen und sie wird, denke ich, bald wie die anderen Akademien auf dem Trockenen für sich da allein sitzen und allenfalls ihr Budget in Ruhe verzehren können.

Meine Herren! Die Sache wurzelt tiefer und greift weiter, als Viele von Ihnen vielleicht glauben. Meiner Ueberzeugung nach ist unsere Zeit nicht, wie so viele sagen, die große Zeit der Prinzipien von 1789. Es sind diese Prinzipien theils Negationen theils Abstractionen, und jedenfalls sind sie so elastischer Natur, daß sogar ein Louis Napoleon diese Prinzipien an die Spitze seiner sogenannten Constitution stellen konnte; von ihnen ist wenig zu hoffen. Meiner Ansicht nach hat unsere Zeit, wenn sie überhaupt einen höheren Beruf hat, den Beruf zu restauriren, den Beruf, die großen Ideen wieder aufzunehmen und in die Wirklichkeit zurückzuführen, welche wir leider zwei bis drei Jahrhunderte lang verlassen haben. Auf dem Gebiete der Sprache, meine Herren, ein Gebiet, welches eine große Analogie mit dem der Kunst darbietet, haben wir dieselbe Sprachverwirrung, dieselbe Stylmengerei im vorigen Jahrhunderte gehabt, so daß selbst Friedrich II. sich wunderte, daß ein gebildeter Mann anders, als französisch, daß namentlich Gellert deutsch sprechen konnte. Es gab kein Buch, keinen Brief, worin nicht französische Ausdrücke vorkamen, wer aber ein wissenschaftliches Werk schreiben wollte, der schrieb es nicht in deutscher, sondern in lateinischer Sprache. Nun, meine Herren, es ist ganz dieselbe Situation, in der wir uns jetzt künstlerisch befinden, und ganz ähnliche Mittel sind nöthig, um uns aus derselben herauszuarbeiten. Wodurch haben wir die deutsche Sprache wieder zu dem gemacht, was sie jetzt ist, zu einer wirklich großartigen bewundernswerthen Sprache? Dadurch, daß wir wieder zu den  Q u e l l e n  zurückgegangen sind, daß Männer, wie die Grimm und ihre Mitstrebenden, durch all den fremdländischen Wust sich durchgedrängt haben, bis dahin, wo die deutsche Stimme noch in ihren reinen ursprünglichen Lauten ertönt. Und ungefähr um dieselbe Zeit, meine Herren, in welcher die deutsche Sprache so großartig organisirt und rein war, und ihre gewaltigen Originalwerke hervortrieb, um dieselbe Zeit verhielt es sich auf dem Gebiete der Kunst und namentlich der Baukunst ganz eben so. Meine Herren! Ich habe mich schon weiter fortreißen lassen, als es ursprünglich meine Absicht war. Ich will deshalb schließen und eben nur noch resümiren. Meiner Ansicht nach muß es auf dem Kunstgebiete, besonders auf dem Gebiete der Baukunst, gründlich anders werden. Es kann dies natürlich nicht auf einmal geschehen, aber die Aenderung sollte man doch so bald, als irgend möglich, wenigstens anbahnen. Das ist nöthig meiner festen Ueberzeugung nach, wenn wir aus diesem Schein- und Schattenwesen herauskommen wollen, welches nirgendwo eine lebendige Wurzel hat. Wir müssen aber aus dem ausgefahrenen Geleise des Pseudogräcismus, überhaupt des Pseudoheidenthums heraus, wir müssen auch auf dem Kunstgebiete unsere angestammte Muttersprache in ihre unveräußerlichen Rechte wieder einsetzen, mit  e i n e m  Worte, wir müssen die Baukunst, ja die Kunst überhaupt wieder  c h r i s t l i c h  und  n a t i o n a l  werden lassen."

So weit Reichensperger. Die Entgegnung der Berliner Zeitschrift für Bauwesen trägt die Ueberschrift:
"D e r  A b g e o r d n e t e  R e i c h e n s p e r g e r  u n d   d i e  B a u k u n s t.

Bei der Berathung über den Etat der Central-Verwaltung des Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten kam in der zweiten preußischen Kammer auch der Zuschuß zur Erörterung, der bisher für die Berliner Bau-Akademie ausgesetzt war. Diese Gelegenheit hat Herr A. Reichensperger zu einer Philippika gegen moderne Baukunst im Allgemeinen und die Berliner Architektur im Besondern zu benutzen gewußt. Könnten wir diese Aeußerungen als bloße Declamationen eines Einzelnen auffassen, so möchten sie unerörtert verhallen; da wir aber in ihnen das Glaubensbekenntniß einer Partei erkennen, zu deren Organ auf dem Gebiete künstlerischen Schaffens der geehrte Redner sich gemacht hat, so dürfte hier der Ort sein, die ganze Angelegenheit einmal principiell zur Sprache zu bringen, festzustellen, was man von jener Seite her der Architektur zumuthen will, und in wiefern die vorgebrachten Behauptungen den allgemeinen Wahrheiten gegenüber, die in der Gesichte der Baukunst deutlich vorliegen, stichhaltig sind oder nicht.

Herr R. richtet seinen Angriff gegen die ganze Lehr-Einrichtung unserer Bau-Akademie und wirft ihr zuvörderst vor, daß sie nur den "heidnischen, vorchristlichen" Stylen Rechnung trage. Dies zeige auch schon das Aeußerliche, besonders die ornamentale Ausstattung des Gebäudes, "es könnte Einem fast so vorkommen, als ob der Bau an den Ufern des Ilissus und nicht an den Ufern der Spree aufgeführt wäre." Nun hat zwar der Redner um Nachsicht gebeten, da er "kein Techniker" sei, kann aber billiger Weise die Nachsicht wohl so weit ausgedehnt werden, daß man Jemandem das Mitreden in Bau-Angelegenheiten zugestehe, der ein Gebäude mit  S t r e b e p f e i l e r n   u n d  B o g e n c o n s t r u c t i o n e n  für ein antikisirend griechisches ansieht und deshalb "auf den Gedanken kommt, daß es mehr auf eine athenische oder römische, als auf eine Berliner, eine deutsche Bau-Akademie abgesehen gewesen sei?" Wir kommen indeß auf diesen Vorwurf, weil er den Kernpunkt der Discussion enthält, weiter unten zurück, um zunächst zu hören, was der Redner gegen den Lehrplan im Allgemeinen einzuwenden hat. Da ist es denn die Anhäufung des Wissens, die das Können, das schöpferische Vermögen, zurückdränge, was hauptsächlich seinen Tadel hervorruft. In diesem Punkte vermögen wir ihm nicht so ganz Unrecht zu geben; aber es ist wohl ein Irrthum, wenn dieserhalb eine Kunstverwaltung angegriffen wird; der Tadel hätte unsere ganze Zeit treffen müssen. Wir leben nun einmal in den Tagen der Wissenschaft, der Kritik, der historischen Forschung. Wir können gegen die Erkenntniß der Vergangenheit die Augen nicht versperren und uns naiv anstellen. Wir wissen sehr wohl, daß es auf jener Seite, wo unser geehrter Gegner steht, Eiferer giebt, die alle Resultate moderner Forschung und Technik bei Seite setzen wollen; die den wahren Weg für unsere Zeit in dem blinden Nachahmen früherer Kunstperioden und zwar mit all ihren Mängeln und Beschränktheit erblicken; denen Raphael und Michel Angelo Ketzer sind, weil sie richtig zu zeichnen verstanden; denen überhaupt ein Christus am Kreuze unchristlich vorkommt, wenn der Körper anatomisch richtig und nicht in jener kindlich befangenen Manier des Mittelalters gehalten ist, die vom Bau des Menschen nichts wußte, noch wissen mochte. Heutzutage müssen wir einmal durch die Erkenntnis der vorher gegangenen Entwickelung hindurch, ehe wir vollkommen unsere Stellung begreifen, und den richtigen künstlerischen Ausdruck für dieselbe gewinnen können.

Doch dies betrifft das baugeschichtliche Wissen. Wie verhält es sich indeß mit den mannigfachen wissenschaftlichen Disciplinen, über die der Redner sonst noch seinen Tadel ergießt? Hierauf hat der Herr Ministerial-Direktor Mellin als Regierungscommissar dem Abgeordneten sogleich erwiedert, indem er darauf hinwies, daß in Preußen der Baumeister zum Bau-Beamten befähigt sein müsse, da unser Staat allein 400 Bau-Beamte, ohne die Eisenbahnen bedürfe. Wenn Herr R. ferner darauf hinweist, daß die Trennung der Kunst vom Handwerk ein Haupt-Uebelstand des künstlerischen Schaffens der Gegenwart sei, so geben wir die Richtigkeit dieses Satzes gern zu, vermögen jedoch nicht in den Ruf des Redners nach "Beseitigung des gelehrten Apparates" einzustimmen. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß solche "Beseitigung" nach entgegengesetzter Richtung, zu noch viel schlimmeren Uebelständen führen würde; daß wir dadurch in die äußerste Styllosigkeit und Barbarei versinken könnten. Gewiß wird es möglich und zweckmäßig sein, das Eine mit dem Andern zu vereinen. Indeß sind dies, wie gesagt, die untergeordneten Bedenken; schreiten wir aufs Centrum der Angriffslinie los!

Was will also Herr Reichensperger? Es läßt sich in wenig Worten zusammenfassen. Er will, daß nicht ferner in antiken und antikisirenden Stylen gelehrt und gebaut werde: statt dessen empfiehlt er das Zurückkehren zum gothischen Style. Wir haben dies mit unsern eigenen Worten gegeben, denn wie wir gleich sehen werden, die Bezeichnungen unsers geehrten Gegners zeugen von einer vollständigen Begriffsverwirrung. Er eifert fortwährend gegen das "Franzosenthum" und "Heldenthum" in der Architektur und empfiehlt statt dessen "unsren heimischen, nationalen, vaterländischen" Baustyl, nämlich den gothischen: und doch ist der gothische Styl erst recht ein "Franzosenthum" - wenn wir einen Augenblick auf den Standpunkt des Redners eingehen wollen - da nach den jetzigen Resultaten der Kunstforschung kein Zweifel mehr vorliegt, daß der  g o t h i s c h e  S t y l  s e i n e n   U r s p r u n g  i n  F r a n k r e i c h  g e n o m m e n  h a t.  Wenn unsere Vorfahren im 13. Jahrhundert einen A. Reichensperger gehabt hätten, so würde der ihnen aufs dringendste abgerathen haben, sich der Nachahmung des "Franzosenthums" hinzugeben, und wenn die damaligen Menschen dann aus dem selben einseitigen Standpunkte sich befunden hätten, so würde das Resultat sein, daß der heutige Reichensperger weder eine Liebfrauenkirche in Trier, noch ein Straßburger Münster, einen Kölner Dom, ein Rathhaus zu Münster, Lübeck, u. s. w. zu bewundern hätte. Aber weiter! Hätte Herr R. im 8. Jahrhundert am Rhein oder an der Weser gelebt, so würde er sich aus ähnlichen Gründen gegen den eben in der Entwickelung begriffenen romanischen Baustyl ausgesprochen und vorgeschlagen haben, lieber bei den alten "nationalen, vaterländischen" Eichenhainen stehen zu bleiben, weil der neue Styl ein fremdartiges Römerthum sei, und in dem Falle würden wir heute keine Apostelkirche in Köln, keine Abteikirche Laach und Hunderte ähnlicher herrlicher Gebäude erblicken, ja, auch Frankreich, Spanien England, Irland hätte sich gegen den "fremdländischen" Styl abwehrend verhalten müssen. Wäre aber gar Herr R. am Hofe Karls des Großen in einer Stellung gewesen, wie etwa Alcuin oder Eginhard, so hätte er beim Baue des Aachener Münsters Sr. kaiserlichen Majestät dringend abgerathen, "heidnische" Säulen und Kapitäle dabei zu verwenden. Nicht minder würde er in noch früherer Zeit sich gegen die Verwandlung des Pantheons und anderer "heidnischer" Tempel in christliche Gotteshäuser sehr bestimmt ausgesprochen haben. Mit einem Worte: Wenn die Völker, die auf die Entwickelung der Architektur vornämlich von Einfluß gewesen sind, in ähnlichen engherzigen Anschauungen befangen gewesen wären, wie Herr R. sie in seiner Kammerrede kundgiebt, so würden wir vermuthlich noch jetzt zu den Truglodyten und Zeltenbewohnern gehören; jedenfalls aber würde sich niemals der christlich-romanische Baustyl entwickelt haben, da derselbe ja durchaus vom römisch-heidnischen Style ausging. (Von der Gothik gar nicht einmal zu reden, da die am allerwenigsten ohne ihren Vorgänger, den romanischen Styl, zu denken ist.) Aber auch die heidnisch-römische Architektur fiele somit fort, da dieselbe ja auf griechischen und etruskischen Grundlagen errichtet ist.

Der griechische Baustyl aber hätte nie seine vollendetsten Schöpfungen hervorbringen können, wenn Athen sich gegen den "fremdartigen" dorischen Styl abgesperrt hätte: ja, um der ganzen Kettenlinie den Endpunkt zu geben, weder der altdorische noch der ionische Styl hätte sich jemals entfaltet, denn auch diese beiden Kunstformen ruhten auf "fremdländischen" theils asiatischen, theils ägyptischen Ueberlieferungen. Wir sehen also, wozu das Princip des geehrten Redners führt: zu einer Auflösung der ganzen Baugeschichte, zur totalen Vernichtung des Entwickelungsganges der Menschheit. Mit einem Worte: Die Fortbildung der Architektur, wie des gesammten geistigen Lebens der Nationen hat sich stets der vorhandenen Resultate zu bemächtigen gesucht, und nur dadurch, daß jede folgende Aera sich auf die Schultern der vorhergehenden stellte, konnten Höhenpunkte erreicht werden, wie die Antike, wie die Gothik sie zeigt. Man hat niemals nach den religiösen oder politischen Glaubensbekenntnissen einer Kunstform peinlich inquirirt, sondern ruhig das Dargebotene aufgenommen, und indem man sich demselben mit liebender Sorgfalt hingab, wurde unmerklich durch die innere Nothwendigkeit menschlicher Bildungsgesetze die alte Form zu einer neuen umgeschaffen, die dann eben so sorgfältig den Charakter ihrer Zeit spiegelte, wie die frühere den der ihrigen. So ist niemals tabula rasa gemacht worden, und eben so wenig in irgend einer andern Sphäre geistiger Entwickelung. Wir sind stark versucht, Herrn R. an den Ausspruch Christi zu erinnern, der auch nicht gekommen sein wollte, das Gesetz zu lösen, sondern es zu erfüllen.

War denn aber ein neuer Baustyl gewonnen, so theilte derselbe sich unwiderstehlich dem ganzen Kreise der civilisirten Welt mit. Der griechische Styl blühte, so weit der Grieche seinen Verkehr und seine Bildung trug; der römische ging, so weit die Adler der Legionen und das stolze S. P. Q. R. vordrangen; der romanische darauf erstreckte sich nicht allein über den ganzen Bereich der christlichen Welt, sondern auch, wenn auch mit eigenthümlichen Umgestaltungen, über die Länder des Islam. Hieraus erhellt schon der kosmopolitische Charakter der Architektur, die über enge Nationalitätsgrenzen erhaben gewesen ist und immer sein wird; hieraus erhellt ferner das dilettantistisch Unrichtige in dem Vergleiche, den der Redner zwischen der Architektur und der  S p r a c h e   macht, so geistreich dergleichen auf den ersten Anblick scheinen mag. Der gothische Styl war jedoch, was seine räumliche Ausbreitung betrifft, schon im Rückstande gegen den Vorgänger, und wir schreiben das der, wenn auch immerhin staunenswerthen, doch  e i n s e i t i g e n  Richtung zu, deren Ausdruck und Ausfluß er war. Doch dies weiter zu verfolgen ist hier nicht der Ort. Eigenthümlich ist indeß, daß das Wiedererwecken der antiken Kunst gerade von Italien ausging, die Begünstigung des Papstes fand und daß der Haupttempel der katholischen Christenheit, St. Peter in Rom, die Formen der Renaissance zur Schau trägt, oder, um mit Herrn R. zu reden, "leider stylistisch auf Abwegen ist". Wir können und wollen hier keine Abhandlung über die Geschichte der Architektur schreiben, aber das wollen wir noch bemerken, daß die antiken und antikisirenden Style jetzt über alle Erdtheile verbreitet sind, so weit europäische Cultur vorgedrungen ist. Wir wissen sehr wohl, daß Herr R. und seine Freunde hierin eben den Abfall von allem Richtigen und Wahren finden, wie sie überhaupt von der Reformation ab den Abfall von allem Wahren erkennen. Wir aber, die wir zu dieser Anschauung uns nimmermehr verstehen können, erblicken in den Zuständen unsrer Kunst nicht ein altermüdes Hinsiechen, sondern ein vielgestaltiges, vielfach auch irrendes, aber immer tieflebendiges, kräftiges Ringen und Vorwärtsdrängen, kurz kein absterbendes Epigonenthum, sondern die Progonie einer neuen Kunstblüthe.

Deshalb müssen wir es auch durchaus vertheidigen, daß das Studium der Antike, wie es seit der Reformation die Basis eines neuen, erhöhten wissenschaftlichen Lebens geworden ist, auch in der Architektur zu Grunde gelegt werde. Dort sind die einfachsten consequentesten Bildungen; dort walten die natürlichsten statischen Gesetze, an denen sich in klarster Harmonie die Ornamentirung entfaltet. Je mehr wir aber zugleich die Kühnheit des gothischen Constructionsprincips bewundern, um so weniger wünschen wir, daß man die Gothik einseitig in den Vordergrund stelle. Wie vollends mit ihr den praktischen Anforderungen unserer Zeit genügt werden solle, vermögen wir nicht einzusehen. Das mittelalterliche Privathaus war für die Ansprüche jener einfachen Zeit genügend, unser Privathaus aber ist aus dem Wohnhause des Einzelnen zum Miethhause einer größeren Anzahl von Familien geworden, und den dadurch hervorgerufenen Bedingungen der Zweckmäßigkeit wird bereits durch die bestehenden geschmähten Baustyle in einer Weise genügt, wie wir es von der Gothik nicht wohl erwarten können. Wenn endlich dem Mittelalter auch auf dem Gebiete des "allergewöhnlichsten Bedürfnißbaues, des Wege- und Wasserbaues" der Vorrang vor unserer Zeit eingeräumt wird, so möchte der Beweis dafür wohl zu den Unmöglichkeiten gehören. Was den Bau der englischen Parlamentshäuser in gothischem Style betrifft, so hat derselbe bekanntlich sich als durch und durch unzweckmäßig erwiesen. Noch einen kleinen Schnitzer dürfen wir dem Redner, wenn er gleich "kein Techniker" ist, nicht hingehen lassen: daß er nämlich das Brandenburger Thor in Berlin für die Nachahmung eines Peristyls hält. Ohne die Art der   A u s f ü h r u n g  dieses Gebäudes in Schutz nehmen zu wollen, müssen wir Herrn R. mit seinem Tadel, daß dasselbe, seinen  G e d a n k e n  nach, die Vorderseite zu einem Gebäude sei, an den atheniensischen Architekten  M n e s i k l e s  verweisen, den Baumeister der Propyläen, jenes Prachtthores der Akropolis, wovon das Brandenburger Thor eine Copie ist.

Nun zum Schluß noch eine Bemerkung. Herr R. durch wandert in seiner Rede mit uns Berlin, und beklagt sich bitter, daß er an und bei öffentlichen Monumenten nur "nackte und halbnackte Götter und Göttinnen" entdeckt habe; er fragt, was denn Berlin mit den Centauren und Lapithen, mit Kastor und Pollux gemein habe, in welchem Zusammenhange diese Figuren mit unserm Leben, unserm Glauben, unsrer Geschichte" ständen. Wir aber richten die Gegenfrage an Herrn R., ob er denn niemals über die lange Brücke gegangen ist, und dort die Reiterstatue des großen Kurfürsten, das Meisterwerk Schlüter's, geschaut hat? ob ihm niemals unter den Linden das doch ziemlich in die Augen fallende Monument Friedrich des Großen zu Gesicht gekommen ist? ob er nicht in der Nähe die Statuen Blücher's, Bülow's und Scharnhorst's gesehen? ob ihm die Helden des siebenjährigen Krieges auf dem Wilhelmsplatze unbekannt sind? und endlich, damit er doch einen Ersatz für die "nackten Götter und Göttinnen" er halte, ob er nicht die Heiligenstatuen und religiösen Reliefdarstellungen an den beiden Kirchen des Gensdarmen-Marktes, lauter Figuren, die hinlänglich bekleidet sind, bemerkt hat? Jene Koryphäen der preußischen Geschichte werden doch wohl in Beziehung zu "unsrer Geschichte, zu unsrem nationalen Leben" stehen. Oder sollten gar die Helden, die zu  P r e u ß e n s  Größe den Grund gelegt haben, nicht wie Herr R. dies von den öffentlichen Denkmälern verlangt, "belehrend und erhebend" auf ihn eingewirkt haben? Wir wollen das zur Ehre seines Patriotismus nicht annehmen. Wenn er aber endlich auch noch Repräsentanten "unsres Glaubens" fordert, so wird er wohl den Heiligenbildern katholischer Länder gegenüber, die an ihrem Ort  v o l l k o m m e n  b e r e c h t i g t   sind, das protestantische Berlin auf die Errichtung von Monumenten für Huß, Luther, Melanchthon, und andre protestantische Glaubenshelden hingewiesen haben. Wir scheiden von unserm Gegner mit dem aufrichtigen Wunsche, daß er künftig nicht darauf ausgehen möge, nur das zu schauen, was ihm mißliebig ist, sondern auch für das die Augen öffne, was als groß, schön und gut allgemein anerkannt da steht." -

Hiermit schließt die Zeitschrift für Bauwesen und Herr Reichensperger antwortet auf diesen Aufsatz Folgendes in dem Organ für christliche Kunst:
"Ihr geschätztes Blatt hat der Angriffe gedacht, welche das "Deutsche Kunstblatt" und die eben erst mir zu Gesicht kommende Berliner "Zeitschrift für Bauwesen" (ll., S. 234) gegen die von mir am 20. Februar 1852 in der II. Kammer gehaltene Rede gerichtet haben. Gestatten Sie mir noch einen Nachtrag in Betreff des letzten, in Ihrem Blatte doch nur obenhin erwähnten Angriffen. Die Berliner Zeitschrift hat, in dieser Beziehung der Spur des deutschen Kunstblattes folgend, mich vor Allem dahin belehren zu sollen geglaubt, daß die von Schinkel errichtete Bauakademie nicht in griechischem Style gebaut sei, ein Satz, in Bezug auf welchen ich ihr um so bereitwilliger Recht gebe, als es mir nie in den Sinn gekommen ist, ihn zu bezweifeln. Ich hatte nur meine Verwunderung darüber ausgesprochen, daß die äußere sowohl als die innere  A u s s t a t t u n g  des Baues die deutsche Kunst so gut wie gänzlich ignorire. Warum hat man nicht hiergegen seine Beweisführung gerichtet? Vielleicht weil man vor Ungeduld brannte, auf das was man als das Centrum meiner Deduction bezeichnet, loszugehen, auf den Vorwurf nämlich, daß die heutige Bildung der Künstler, namentlich das von der Bauakademie verfolgte System, das schöpferische Vermögen, das Können, in ganz ungebührlicher Weise zurückdränge? Man erwidert uns hierauf, der Tadel sei allerdings so ganz unbegründet nicht; er müsse aber "unsere ganze Zeit" treffen, wir lebten nun einmal "in den Tagen der Wissenschaft, der Kritik, der historischen Forschung." Es ist das ein, besonders bei unserem Literaten- und Journalistenthum sehr häufig zur Anwendung kommendes Stratagem, daß man die  Z e i t  für Alles verantwortlich macht, wofür man eine sonstige Rechtfertigung nicht zur Hand hat. So ist denn auch, wie wir sehen, die Zeit wieder schuld daran, wenn unsere Architekten viel Ueberflüssiges auswendig lernen und darüber das eigentliche Handwerk versäumen. Daß es übrigens deswegen eine Zeit der "Wissenschaft und der Kritik" sei, möchte darum doch noch gar sehr dahin stehen; an der großen Mehrzahl der heutigen Bauwerke wenigstens vermißt man beides neben dem Handwerk, jedenfalls die  S e l b s tkritik. Eben so wenig trägt der in Rede stehende Artikel der "Zeitschrift für Bauwesen" sonderliche Spuren davon an sich. Wie schwach es mit ihrer Kritik bestellt ist, geht schon daraus zur Genüge hervor, daß man mir oder der Partei, als deren Organ ich hervorgetreten sei, vorwirft, "wir hielten den Raphael und den Michel Angelo für Ketzer, weil sie richtig zu zeichnen verstanden hätten". Man muß sich wirklich sehr im Gedränge fühlen, wenn man sich nicht anders zu helfen weiß, als daß man dem Gegner derartige Abgeschmacktheiten andichtet. Ob eine solche Polemik eine loyale und würdige genannt werden kann, darüber möge der Leser richten. Ueberhaupt giebt sich durch den ganzen Artikel eine sonderbare Gereiztheit zu erkennen, zu welcher ich meinerseits auch nicht die entfernteste Veranlassung gegeben zu haben glaube, indem ich als Abgeordneter pflichtmäßig meine Meinung dahin aussprach, daß der für die Bauakademie ausgeworfene Budgetposten besser verwendet werden könne, eine Ansicht, die übrigens von Vielen, worunter auch sehr erfahrene Techniker, getheilt wird. Sonderbar, man sagt uns und betont es, daß wir in einer Zeit der Kritik lebten, und nimmt es dann doch so gewaltig übel, daß diese Kritik auch einmal bei dem akademischen Pseudoclassizismus anklopft und ein freimüthiges Wort über seine Schöpfungen spricht!

Im Verfolge des Artikels wird mir die Behauptung untergeschoben, unser modern-akademischer Styl sei umdeswillen zu verwerfen, weil er ein fremdländischer sei. Diesen selbstgeschaffenen Satz wiederlegt man dann des Breiteren und kommt endlich zu dem Resultate, daß wir jetzt noch im Troglodytenstyle stecken würden, wenn man stets alles Fremdartige von sich hätte abweisen wollen. Der eigentlich vernichtende Schlag aber scheint der dort mit gesperrter Schrift gedruckte Satz sein zu sollen, daß "der gotische Styl nach den jetzigen Resultaten der Kunstforschung seinen Ursprung in Frankreich genommen." Für den gelehrten Correspondenten der "Zeitschrift für Bauwesen" scheint diese Entdeckung etwas Nagelneues zu sein; mich hat er damit nicht überrascht. Vielmehr habe ich selbst diesen Satz bereits vor sechs Jahren verteidigt, wie das "Kölner Domblatt" von 1846 Nr. 11 u. ff. darthut. Mein Herr Gegner verwechselt nur das heutige Frankreich und seine Bewohner mit dem Frankreich Ludwig's des Heiligen, in welchem das germanische Element noch bis zu einem gewissen Grade tonangebend war, und insbesondere der Baukunst ihr Gepräge aufdrückte, eine Verwechselung, die übrigens denjenigen nicht so gar übel zu nehmen ist, welche, wie die Herren Akademiker, auf den Höhen des Olympos zu weilen gewohnt sind. Ich greife, mit  e i n e m   Worte, den akademischen Styl nicht um deßwillen an, weil er im Auslande entstanden, sondern weil er principlos und langweilig ist, weil er weder unseren Sitten noch unserem Klima, noch unseren Bedürfnissen, noch auch, wenigstens seinem Grundschema nach, unserem Materiale entspricht, weil es blos "ein Schein- und Schattenwesen ist, ohne alle lebendige Wurzel im Volke, seiner Geschichte, seinem Leben, Glauben und Hoffen." Ich habe das von mir in der Kammer Gesagte damals in den Schlußworten zusammengefaßt, daß die Baukunst wieder christlich und national werden müsse. Beides aber wird sie allerdings dann wieder werden, wenn sie zu den Prinzipien der s. g. Gothik (die "blinde Nachahmung," die ich empfohlen haben soll, spukt wieder blos in der Phantasie des Herrn Gegners), welche "nach den jetzigen Resultaten der Kunstforschung," wenngleich auf dem Boden des heutigen Frankreich entsprossen, doch innerstes Eigenthum der germanischen Race ist. Die obigen Vorwürfe gegen das akademische Bauwesen waren weder in meiner Rede, noch sind sie hier ausführlich zu begründen; ich glaube aber an einem andern Orte*) zur Genüge gezeigt zu haben, daß dieselben nichts weniger als aus der Luft gegriffen sind. Der Kürze wegen erlaube ich mir den Herrn Gegner, auf das dort Entwickelte hinzuweisen.
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*) Vgl. meine Schrift: Die christlich-germanische Baukunst und ihr Verhältniß zur Gegenwart. Trier bei Lintz. (So eben in zweiter Auflage erschienen.)


Sein Glaubensbekenntniß faßt unser Gegner in dem "Einen Worte" zusammen: "Die Fortbildung der Architektur, wie des gesammten geistigen Lebens der Nationen hat sich stets der vorhandenen Resultate zu bemächtigen gesucht, und nur dadurch, daß jede folgende Aera sich aus die Schultern der vorhergehenden stellte, konnten Höhenpunkte erreicht werden, wie die Antike, wie die Gothik." Es ist das die bekannte jungdeutsche oder deutsch jüdische "Weltanschauung" vom "unbedingten Fortschritte," welcher gegenüber ich kein Wort verlieren will, da sie nicht blos durch das Christenthum, sondern (worauf man aus der Gegenseite mehr Gewicht legen wird) auch durch die Thatsachen und Ereignisse bereits in letzter Instanz gerichtet ist. Sehr charakteristisch und bezeichnend für diese "Weltanschauung" ist es aber, daß der Zwerg sich darüber brüstet, zu welchem Höhenpunkt er gelangt sei, wenn er die Schultern eines Riesen erklommen hat, auf den er dann gleichfalls hochmüthig herabsieht. Nachdem der anonyme Kritiker noch viel wohlfeile Gelehrsamkeit und noch wohlfeileren Witz hat darauf gehen lassen, sucht er dasjenige, was ich gegen die Unzahl von nackten und halbnackten Göttern, Halbgöttern und sonstiges der heidnischen Mythologie entlehntes Personal gesagt habe, durch die Anführung zu entkräften, daß es in Berlin doch auch mehrere ganz bekleidete Statuen gebe, welche zugleich mit dem nationalen Leben in Verbindung ständen. Ich erwiedere darauf, daß ich mich über diese seltenen Ausnahmen freue und darin gerne den Keimpunkt einer besseren Zukunft für die dortige Kunstübung erblicke, daß ich aber keine Veranlassung hatte, dieser Werke in meiner Rede zu gedenken, weil dieselbe überhaupt nicht von statuarischen, sondern von baulichen Denkmälern handelte. Die öffentlichen Bauwerke Berlins aber sind, wie gewiß nicht bestritten werden kann, fast ausnahmslos (das Kriegsministerium bildet beispielsweise eine Ausnahme) mit mythologischen Figuren ausstaffirt, während die Inschriften Latein sind - als ob die Berliner kein Deutsch verständen! Der Schluß des betreffenden Artikels ist in folgende Spitze zugeschliffen:

Wenn Herr R. aber endlich auch noch Repräsentanten 
unseres Glaubens"" fordert, so wird er wohl den
Heiligenbildern katholischer Länder gegenüber, die an
ihrem Orte vollkommen berechtigt sind, das protestan
tische Berlin auf die Errichtung von Monumenten für
Huß, Luther, Melanchthon und andere Glaubenshelden
hingewiesen haben!" -

Auf diese Anfrage die Antwort, daß meiner Ueberzeugung nach kein Katholik jene, bereits in die Schloßkapelle aufgenommenen "Glaubenshelden" den Berlinern streitig machen, oder etwas dagegen haben wird, wenn sie dieselben als  i h r e  Heiligen verehren. Wir würden uns sogar darin zu finden gewußt haben, wenn ein Standbild des in Berlin so enthusiastisch gefeierten, "großen Reformators" Ronge auf einem der dortigen Plätze sich erhoben hätte. Im Uebrigen kann ich meine Verwunderung darüber nicht bergen, daß der Berliner Kritiker die Unklugheit so weit getrieben hat,  d i e s e  Saite anzuschlagen.

A. Reichensperger