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Autor: Schwatlo, C.
In: Romberg's Zeitschrift für praktische Baukunst - 30 (1870); S. 19 - 34
 
Eisen-Konstruktion
 
Über die Anwendung, die baukünstlerische Berechtigung und Ausbildungsfähigkeit der Eisen-Konstruktionen in Bezug auf den Baustyl der Gegenwart.

Vom Königl. Bau-Inspektor  C.  S c h w a t l o  in Berlin.
Keine Frage berührt wohl augenblicklich die Baukunst der Gegenwart so direkt, so einschneidend, als diejenige, ob überhaupt, oder in wie weit die Anwendung und künstlerische Verwerthung der Eisenkonstruktionen bestimmt ist, einen entscheidenden Einfluß auf die Bildung eines Baustyls und insbesondere auf die Baukunst der Gegenwart auszuüben.
Mit dieser aufgestellten Frage stehen im direkten Zusammenhange Betrachtungen über den Vorgang früherer Stylbildungen und das baukünstlerische Schaffen überhaupt, welche vorher klar gelegt werden müssen, bevor auf die, wenn auch nur annähernde Lösung derselben, welche vielleicht erst von der Nachwelt endgültig gefunden werden wird, eingegangen werden kann.
Man ist gewohnt, die Architektur in eine Linie mit den sogenannten  f r e i e n   Künsten zu stellen; man zählt sie speciel zu den  b i l d e n d e n    d.  h.   der  M a l e r e i  u n d  S k u l p t u r  als dritte Schwester bei, und ist gewohnt, Werke der Architektur nach dem sogenannten  ä s t h e t i s c h e n  allgemeinen Maaßstabe der Schönheit zu messen, als Werke, welche eben nur der Kunst zu dienen hätten. Dieser Standpunkt erscheint nicht richtig. Wenn das Kunstwerk der  M a l e r e i , das Gemälde, ohne jede Absichtlichkeit auf Erfolg und Zweck oder auf irgend eine Wirkung, nur um seiner selbst willen geschaffen sein muß und nur indirekt eine Veredlung der Gefühle und Fähigkeiten des sich darin versenkenden, nachfühlenden Beschauers bewirken soll, im Uebrigen aber aus freier Phantasie entsprossen ist, uneingeengt durch Rücksichten aus Raum und Zeit, überhaupt praktische Möglichkeit; wenn ferner der  B i l d h a u e r   seiner frei schaffenden Phantasie nur so weit Zügel anzulegen hat, als er das Material nicht zu weit unterhöhlt, um die Last der stehenbleibenden Figuren auf dem zu schwachen Steine zusammenbrechen zu lassen: so verfolgt die  A r c h i t e k t u r  s t e t s einen bestimmten Zweck und ist, ehe sie  i n  d e n  D i e n s t  d e r  S c h ö n h e i t   t r i t t ,  g a n z  b e s t i m m t e n  w i s s e n s c h a f t l i c h e n  B e d i n g u n g e n   u n d  G e s e t z e n  u n t e r w o r f e n .
Eine Ausnahme dürften hiervon nur diejenigen wenigen Aufgaben des Architekten machen, welche zum Andenken historischer Ereignisse oder Personen als bloße Gedächtnißmale ausgerichtet werden, deren innerster Gedanke aber selten ein  a r c h i t e k t o n i s c h e r , sondern ein der  S k u l p t u r  angehöriger zu sein pflegt.
Die erste und entscheidende Forderung an die Architektur ist die: " R ä u m e   z u  s c h a f f e n ,"  welche bestimmten Zwecken zu dienen haben, Räume, welche nach unten, nach den Seiten und nach oben zu mehr oder weniger abgeschlossen sein müssen, je nach dem Zweck oder der Benutzung derselben.
Um dies zu erreichen, ist Seitens des Architekten eine ausgedehnte Kenntniß der zur Verwendung kommenden Materialien, namentlich aber der Baukonstruktionswissenschaft mit Einschluß der Statik und Mechanik der Kräfte erforderlich. Eine besondere sehr ausgedehnte Wissenschaft ist es wieder, mehrere oder viele der artige Räumlichkeiten mit einander zweckmäßig und organisch zu verbinden.
Kann nach Obigem überhaupt noch von einer  f r e i e n  Kunst des Architekten die Rede sein? Ist letzterer nicht vielmehr an allen Seiten gebunden?
Ist er nicht überall abhängig von dem gestellten Programm, von der zweckmäßigen Zusammenstellung seiner Räume im Grundrisse, ebenso wie von den statischen Gesetzen der Konstruktion in Bezug auf Wände und Decken und der Haltbarkeit resp. der Stabilität aller Bautheile?
Trotz dieser Schwierigkeiten findet man die Meinung selbst unter Architekten verbreitet und offen ausgesprochen: daß der Baukünstler sich ein in der Phantasie fertiges Bild schaffen müsse, wonach später die nöthigen Konstruktionen und Materialien gesucht werden müßten, um das Bild der Phantasie in die Wirklichkeit zu übersetzen. Für dasselbe sei nur die Schönheit maaßgebend.
Es drängt sich zunächst hier die Frage auf, ob die Schönheit dem Baukünstler ein sicherer Führer sein kann, ob es Regeln der Schönheit giebt, welche den richtigen Pfad weisen? Es hat in der That in früherer Zeit bestimmte, in Zahlen ausgedrückte Regeln gegeben, nach welchen sich der Architekt zu richten hatte, wie z. B. für die Breite und zugehörige Höhe der Fensteröffnungen, die Verhältnisse der Risalite zur Gesammtfaçade, die Höhe und Ausladung der Hauptgesimse  u. s. w.  Dieser akademische Zopf ist aber glücklich überwunden, nachdem  S c h i n k e l   damit vorangegangen, die schönen Fenster der Bauakademie nicht im Verhältnisse von 1:2, sondern ca. ebenso breit als hoch zu machen. Er bewies gerade bei diesem Beispiele, daß Zahlenverhältnisse durchaus unzutreffend sind, daß die Lichtfläche gegeben ist durch die erforderliche Beleuchtung der Innenräume, und daß es demnächst Sache des Architekten ist, die richtige Ausbildung für die durch die  Z w e c k m ä ß i g k e i t  vorgeschriebene Form zu finden. Es bliebe sonach nur noch der Geschmack als Führer übrig auf dem schmalen Pfade zur Schönheit. Allerdings de gustibus non est disputandum; wenn ein Künstler oder Kunstverständiger sagt: "Dies gefällt mir, jenes nicht!" so hat derselbe hierfür keine vollkommene  s u b j e k t i v e  Berechtigung; für die Weiterförderung der Kunst ist der Geschmack aber nichtsdestoweniger ein sehr unsicherer Führer. Der Geschmack eines Menschen ist das Product seiner Erziehung, Bildung und natürlichen Anlagen; er ist den Zufälligkeiten des Orts, dem Umgangskreise, ja der Mode oder Zeitrichtung unterworfen. Die ihrer Zeit so hoch geschätzte romanische Baukunst mußte bald dem "Französischen Werk," wie im 13. Jahrhundert die Gothik genannt wurde, weichen  u. s. w.  Daher kommt es, daß, wenn wir uns heut fragen, was ist denn in der Architektur eigentlich  s c h ö n ?  wir in Paris, in Cöln, in Wien und in Berlin durchaus verschiedene Antworten erhalten; ja wer ist denn innerhalb der einzelnen Schulen der unfehlbare Schönheitsrichter? Finden wir in Berlin z. B. zwei namhafte Architekten, welche hierin einer Meinung sind?
Wenn wir unter "Schönheit" die vollkommene Harmonie zwischen einem edlen   S e i n  und seiner  ä u ß e r e n  E r s c h e i n u n g ,  zwischen  G e d a n k e n   und  F o r m  verstehen, so liegt in dieser Erklärung bereits ein Fingerzeig darüber, was sich von der Schönheit lehren und lernen läßt und womit anzufangen ist, wenn ein gesunder und demnächst schöner Baustyl erwachsen soll, nämlich, "mit dem gesunden Knochenbau, der Konstruktion des Aufbaues über einem organischen Grundrisse, der demnächst erst mit Fleisch und Blut  d. h.  mit der  K u n s t f o r m  zu durchdringen ist."
Das Wahre und Gesunde ist zu lehren und zu lernen, die von Allen anerkannte Schönheit zu finden, ist nur wenigen, vom Genius angehauchten Geistern beschieden.
Aber auch daß solche in der Architektur auf Irrwege gerathen, wenn sie nicht ebenfalls das Wahre in derselben zu erstreben suchen, zeigt uns ein solcher Riesengeist wie Michel Angelo, welcher trotz unbestrittener Genialität den sogenannten Zopfstiel hauptsächlich in Italien begonnen hat. Wenn nun ferner unschwer nachgewiesen werden kann, daß in der ganzen Baugeschichte niemals ein Fortschritt in der Stylbildung stattgefunden hat, er sei denn durch wichtige struktive Erfindungen hervorgebracht, so dürfte kaum noch ein Zweifel darüber stattfinden können, daß der Baukünstler nicht von der gedachten Wirkung eines Raumes zur Herstellung, sondern von dem gesunden struktiven System zur glücklichen Wirkung zu gelangen hat, also nicht von  a u ß e n  nach innen, sondern  v o n   i n n e n  heraus schaffen soll.
Es darf hier nicht unerwähnt bleiben, daß die, ich möchte sagen, äußerliche dekorative Anschauung über architektonisches Schaffen, welche aufstellt: "Man denke sich zuerst den Raum in Form, Wirkung, Beleuchtung, ja in Farbe, und stelle ihn danach her mit Zuhülfenahme der bekannten, passendsten Formen und Konstruktionen", hauptsächlich sich gebildet hat, nachdem die Kenntniß und das Studium der vorhandenen Style eine so hohe, gewissermaßen kosmopolitische Verbreitung gefunden. Der moderne Architekt ist gewissermaßen  z u  gebildet, er fertigt auf Wunsch und Bestellung oder aus eigener Ueberzeugnng, oft auch aus Liebhaberei, Entwürfe im romanischen, gothischen oder antiken Style aus.
Diese allgemeine Bildung, diese Objektivität in der Anwendung der Stylarten, anstatt der inneren und einzigen Ueberzeugung, wie man sie z. B. im Mittelalter hatte, spekulirt: welcher Styl wohl hier oder dorthin passe, wie  z. B. in Bezug auf den Dom zu Berlin, welcher mit Schloß und Museum in  E i n k l a n g  zu bringen sei? Einer der anerkannt schönsten Plätze, der Markusplatz nebst Piazetta zu Venedig, zeigt das gerade Gegentheil. Weder hat sich Filippo Calendario bei Erbauung des gothischen Dogenpalastes nach der Byzautinischen Markuskirche, noch Scarpagnino bei der Bibliothek San Marko im Renaissancestyl wieder nach beiden gerichtet.
Welcher Styl gehörte denn auch dahin, wo ein byzantinisches und ein gothisches Gebäude bereits nebenan stehen? Welchen Styl muß in Berlin der Dom erhalten zwischen dem antiken Museum und dem Schlosse im edleren Zopfstyl? Die Beantwortung dieser Frage blieb uns die Jury für die Domconcurrenz schuldig, ist aber leicht zu finden.
Jeder gebe das Beste, was seine Zeit ihm bietet, blicke nicht ewig zurück und ahme vergangene Zeiten nach; er sei stets im besten Sinne  m o d e r n !
Diesen Satz sehen wir bestätigt bei allen historischen Stylbildungen. Nicht weil die Griechen und auch schon früher die Aegypter ihr Ideal des Raumes in einem Saale voller Säulen sahen, sondern weil sie nicht im Stande waren, eine massive Decke anders zu konstruiren, als daß von Säule zu Säule ein horizontaler Architrav gespannt wurde, so daß sich die Entfernung derselben nach der Tragfähigkeit des letzteren richten mußte, während wir weitere Deckenspannungen und Weglassung der Säulen bei der Anwendung von Holzbalken finden.
Der Romanische Styl, welcher aus Ueberwölbung der altchristlichen Bastlika entstand, löst sein Problem der Raumbildung beinahe mathematisch: Die Seitenschiffe erhalten die halbe Breite und Höhe der Mittelschiffe wie in Fig. 1, um überall richtige quadratische, rundbogige Kreuzgewölbe ausführen zu können, oder die Tiefe b, Fig. 2, der Joche wird gleich der mittleren Proportionale der beiden Breiten a und c gemacht, um die Differenz der verschiedenen Kreuzgewölbeseiten gleichzeitig auf das Minimum zu reduziren.


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Aehnlich ist das existenzgebende Princip der Gothik außer dem ebenfalls struktiv günstigeren Spitzbogen, die Conzentration der Kräfte nach bestimmten Knotenpunkten, Auflösung der Wand in Strebepfeiler, Schwibbögen zc.JPG (785 Byte) Auch hier sehen wir nur den Structeur seine neuen Formen gestalten, welche zum Theil sogar ungünstig wirken, wie z. B. äußerlich der übermäßige Wald von Strebepfeilern, beim Kölner Dom, innerlich daselbst die enorme Höhe des Mittelschiffs zu der verhältnismäßig  g e r i n g e n  Spannweite, welche nur der Struktur wegen gewählt worden und niemals der Phantasie entsprungen sein kann.
Auch in der neueren Kunst werden wir meistens dort einen Fortschritt erblicken, wo mit einer gewissen Naivität die neu gewonnenen struktiven Formen adoptirt sind, wie in Folgendem speciell von den Eisenconstructionen nachgewiesen werden soll; nicht wo der Architekt gesucht hat irgend eine frühere Architekturperiode mehr oder weniger glücklich zu kopiren. Ebenso wie dieses letztere zu unserer so lange mit Reckt als "empirisch" bezeichneten Architektur geführt hat, so kann der Baukünstler, welcher nach seiner bloßen Phantasie schaffen will, es immer nur zu einer  r e t r o s p e c t i v e n  Kunst bringen, denn seine Phantasie wird nur befruchtet durch Eindrücke der Vergangenheit; sie kann nicht ausreichen, um ein Säulenbalkensystem, ein Kreuzgewölbe, einen Sichelträger zu  s c h a f f e n ,  wozu der  d e n k e n d e  e r f i n d e n d e  V e r s t a n d gehört. Sie soll erst den gefundenen, gesunden  G e d a n k e n  durch die  K u n s t f o r m   in das ideale Gebiet erheben.
Unter der Kunstform im speciellen Sinne verstehen wir diejenige  k ü n s t l e r i s c h e  Durchdringung der Bauglieder, welche die Leistung derselben allgemein verständlich in edler Form ausspricht. Es wird im weiteren Verlauf dieser Betrachtung nicht weiter von einer anderen Gruppe von Kunstformen die Rede sein, welche die allgemeine Bedeutung der Gebäude und Räume oder ethische Gedanken des festlichen Empfanges  u. s. w.  durch figürliche historische oder allegorische Darstellungen, Festgehänge und dergleichen ausdrücken sollen.
Wenn irgend möglich, soll die Kunstform aus demselben Materiale in unmittelbarem Zusammenhange mit dem Baugliede gebildet sein; indessen sind anderweitige Einhüllungen keineswegs ausgeschlossen.
Die letzteren sollen nur aus möglichst  v e r w a n d t e m  Materiale und namentlich dem  S i n n e  der betreffenden Bauglieder gemäß angebracht werden.
So wird bereits in der Antike die Bemalung resp. Vergoldung von derartigen Gliederungen angewandt, ebenso wie man häufig gezwungen ist, Niete, Eisenschuhe und dergleichen mit Kunstformen darstellenden Hülsen zu versehen.
Letztere werden am geeignetsten wieder aus Metall, also Zink ober Gußeisen zu fertigen sein. Ebenso muß auch schlechtes oder unansehnliches Material stets bekleidet werden, wie bereits bei den Griechen der schlechte Sandstein mit farbigem Stuck überzogen wurde.
Die von manchen Seiten aufgestellte Regel: "Man müsse alles Material zeigen und immer sehen lassen, wie jeder Strukturtheil gemacht sei," erscheint eben so schief, als wenn man auf gestellt hätte, man müsse  n i c h t sehen, wie derselbe gemacht sei, wenn eine ästhetische Wirkung hervorgerufen werden solle.
Man hat unzweifelhaft dasselbe Recht, den wirklichen Abschluß einer Decke in die untere oder die obere Gurtung eines Sichelträgers  z. B.  zu legen. Es wird hier der Architekt zu wählen haben, nach seinem Gefühle und nach der Möglichkeit die sichtbaren Theile schwerer oder leichter künstlerisch zu gestalten.
Im Allgemeinen ist ebenso jedes  a b s i c h t l i c h e  V e r s t e c k e n ,   wie jede  n a c k t  erscheinende  S t r u k t u r f o r m  als ungesund resp. roh zu verwerfen.
Was nunmehr speciell das  E i s e n  als Baumaterial und die Konstruktionen darin betrifft, so haben wir es lange gewissermaßen als  Paria  der Baukunst betrachten sehen, ähnlich wie etwa die Konstruktion des Rundbogens bei den Etruskern angesehen wurde. Man hielt sie für Wasserleitungen und Cloaken gut genug, traute ihr aber keine künstlerische Anwendungsfähigkeit zu. Ein ähnliches Vorurtheil existirt in der That noch in vielen Kreisen gegen die Eisenkonstruktionen, ja man kann sogar sagen, Wenige sind davon ganz frei.
Es würde zu weit führen, alle für die Anwendung in der Baukunst günstigen und weniger günstigen Eigenschaften dieses Materials zu besprechen, nur einige wenige oft unrichtig aufgestellte Behauptungen sollen widerlegt resp. berichtigt werden.
Es ist häufig bestritten worden, daß Eisenbauten für große Lasten und Dimensionen billiger würden, als solche von Stein. Es beweist dies nur, daß man sich nicht die Mühe genommen, diesen Punkt gründlich zu untersuchen. Nur Holz ist bei der Verwendung für Stützen und Tragerippen augenblicklich billiger, wenn man dessen kurze Dauer nicht mit in Betracht zieht. Eine Stütze von 30 Fuß Höhe, 2½ Fuß Durchmesser und 1½ Zoll stark in Eisen gegossen, vermag bei genügender Sicherheit 20,000 Ctr. Last zu tragen und kostet 570 Thlr. Um eine  g l e i c h e  Last zu tragen, müßte ein Pfeiler in Rathenower Steinen und Cement gemauert 9 Fuß 8 Zoll im Quadrat erhalten, und würde 930 Thlr. kosten!
Also nicht allein ist die Eisenstütze beinahe  h a l b  so billig, sondern sie nimmt auch nur den  n e u n z e h n t e n Theil des Raumes ein, und der Raum ist gewiß in den meisten Fällen auch Geldes werth, wie z. B. in Kirchen, bei welchen die Verwendung dünner Stützen nicht allein viel  m e h r , sondern auch in Bezug auf Aussicht und Akustik viel brauchbarere Plätze ergiebt. Ferner vergleiche man die Kosten der gemauerten Widerlager eines etwa 30 Fuß weit gespannten flachen Bogens von je 10 Fuß Breite mit denjenigen einer einzigen Zugstange, welche den Seitenschub gänzlich aufhebt, so daß die Mauern nur ca. 2 Steine stark jederseits zu werden brauchen, um den senkrechten Druck auszuhalten.
Es bedarf eigentlich gar keines Beweises für die Billigkeit der Eisenkonstruktion, als den von ausgeführten Bauten, welche ohne dieselbe früher gar nicht möglich gewesen wären, wie z. B. die Überdeckungen der 120 bis 212 Fuß breiten Langschiffe für Eisenbahnhallen zc.JPG (785 Byte) mit unverbrennlichen Materialien; man vergleiche nur die unglaublichen Kosten von massiven Gewölben über ähnlichen Spannungen, so weit sie überhaupt ausführbar sind.
Natürlich kommt es auch in Bezug auf die Kosten darauf an, daß das Eisen nur am richtigen Orte verwendet wird.
Ferner wird eingewendet, das Eisen biete zu wenig  F l ä c h e  dar, um zu Monumentalbauten verwendet zu werden, auch ließe es sich  z u  l e i c h t   in jede beliebige Form bringen, sodaß es zur Styllosigkeit verführte. Was den letztern Vorwurf anbetrifft, so wird nur erwähnt, daß Jahrtausende vergangen sind, während welchen man die schönsten Arbeiten aus Granit und Marmor zu fertigen verstand, und daß es der Jetztzeit erst möglich geworden ist, durch Anlage riesiger Fabriken und Walzwerke Herr über dies Material zu werden. Auch heute noch macht sowohl die Herstellung von Gußstücken, als von genieteten Konstruktionen ganz erhebliche technische Schwierigkeiten, sodaß sich Manches noch gar nicht herstellen läßt, was man wohl wünschen möchte. Demnach trifft diese Behauptung, das Eisen lasse sich zu leicht in beliebige Formen bringen, nicht zu, und wenn sie zuträfe, wäre sie nicht einmal ein Fehler. Wenn plötzlich ein Mittel gefunden würde, Sandstein zu schneiden und zu hobeln, wie man es bereits mit Marmor thun kann, so wäre dies wahrlich kein Nachtheil für die Kunst. Für den Mißbrauch durch unwissende oder ungeschickte Hand kann doch gewiß nicht das Material oder seine leichte Verarbeitungsfähigkeit verantwortlich gemacht werden!
Die geringe Fläche der Konstruktionstheile kann unbequem sein, kann aber auch zum großen Vortheil gereichen. Man vergleiche z. B. einen Sichelträger in Eisen über einer Spannung von ca. 100 Fuß mit einem gleich weit gespannten hölzernen Hängewerke mit seinem kolossalen verzahnten Träger als Spannbalken. Haben doch noch jüngst die drei Bahnhofshallendecken Berlins, welche ganz schlichte auspruchslose Eisendachstühle ohne jede Kunstform, also die reine Konstruktion darstellen, eine eingehende  ä s t h e t i s c h e  Betrachtung gefunden. Es ist dies das größte Lob, welches der Eisenkonstruktion gespendet werden konnte, und zeigt die enorme Ueberlegenheit derselben allen hölzernen Dachstühlen gegenüber, welchen diese Ehre höchstens bei der Beurtheilung der altchristlichen Basilika jemals zu Theil geworden ist.
Ueberhaupt muß sich erst der Geschmack für jede neue Form neu bilden. Ebenso wie kein gothischer Dom nach antikem Maßstabe beurtheilt werden kann, darf man z. B. von der eisernen Säule nicht antike Verhältnisse erwarten.
Wirklich hinderlich sind beim Bauen mit Eisen eigentlich nur zwei Eigenschaften. Einmal seine gute Wärmeleitungsfähigkeit, welche die Flächen zu kalt z. B. für Zimmerwände macht, wogegen besondere Vorrichtungen getroffen werden müssen, wie bei transportabelen eisernen Häusern. Ferner aber ist es nicht geeignet, in größeren Massen als Füllmaterial zu dienen, ebenfalls aus obigem Grunde und weil es als  s o l c h e s  zu theuer wird.
Man wird daher Eisen nur zu Strukturtheilen von besonderer Wichtigkeit zu verwenden haben, wie zu Dach- und Deckentragrippen, freistehenden Stützen  u. s. w.  Zwischen den eisernen Tragrippen muß ein anderweitiges Material zur Ausfüllung und Massenbildung angewandt werden.

Zu diesem Zwecke kann dienen:
1) Holzmaterial in einzelnen Brettern als gehobelte oder geputzte Schaalung, oder in Tafeln zusammengeschoben.
2) Platten von Sandstein, Marmor, Schiefer, Gyps, Eisen, Zink  u. a. m.   Meistens wird dabei zur Erleichterung die Kassettirung ähnlich der antiken Anwendung anzubringen sein.
3) Gewölbekonstruktionen verschiedener Art.
4) Gußmassen wie Gyps, Cement.
Die Anwendung von ad 3)  und 4)  führt meist zu homo genen, nicht durch Kassetten unterbrochenen Flächen zwischen den Tragerippen, welche passend als Teppiche zc.JPG (785 Byte). gedacht und dekorirt werden können.
Specielle Systeme der Eisenkonstruktion für den Hochbau.
Wie schon oben bemerkt, hat die Anwendung des Eisens zu ganzen Baulichkeiten ihre Beschränkungen. Bei der Anwendung von Stützen in Eisen dagegen, ist schon ziemlich allgemein jedes Vorurtheil, selbst gegen die künstlerische Verwendungsfähigkeit geschwunden; es wird daher hauptsächlich nothwendig sein, diese letztere für Dach und Decke nachzuweisen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen  D e c k e und  D a c h  in ästhetischer Beziehung kann übrigens deshalb nicht zugestanden werden, weil Beide sich häufig gegenseitig ergänzen, und meist aus der erstern sich das andere herstellen läßt und umgekehrt. Der ursprüngliche Zweck beider ist allerdings verschieden. Die Decke soll den Raum oben abschließen, das Dach das Regenwasser unschädlich machen. Deshalb muß ein besonderes Dach bei horizontalen Decken angelegt werden, dagegen ist dies nicht nöthig bei sattelartig geböschten und rundlichen Decken. Hier darf man wohl einfach sagen: Sind die Dachbinder unten sichtbar, d. h. liegt der Abschluß des Raumes in der oberen Gurtung des Trägers, so nennt man die Konstruktion ein   D a c h ; sind sie zum größeren Theile nicht sichtbar, d. h. liegt der Abschluß in der unteren Gurtung, eine  D e c k e .  Beide Arten sind unterhalb im Allgemeinen durchaus entwickelungsfähig auch in Bezug auf Kunstform. Es kann hieraus also kein wesentlicher Unterschied hergeleitet werden.
Wir finden, daß mit Zuhülfenahme von eisernen Tragerippen 1) sämmtliche Decken- und Dach-Strukturformen, welche bisher bekannt waren, wiederholt werden können, wobei beinahe ohne Ausnahme nur das Widerlager wegfällt, was jedenfalls auch für die äußere Erscheinung von Gebäuden seine große Wichtigkeit hat; 2) daß eigene neue Konstruktionen bereits entstanden, und noch in mannigfacher Weise möglich sind.
Ad 1 ist ein Unterschied zu machen zwischen sinnlosem Nachmachen der vorhandenen Konstruktionen in Stein und zwischen struktiven Analogieen, von welchen im Nachfolgenden hauptsächlich die Rede sein soll.
A.   D i e  g e r a d e  B a l k e n d e c k e .
Es ist bekannt, daß schon bei der einfachen Balkenform in Eisen eine wesentliche Abweichung von der Form in Holz und Stein stattfinden muß. Wenn die letztere uns ein aufrechtes Rechteck zeigt, dessen Seiten sich ungefähr wie 5:7 verhalten, so darf der Balken nicht nach Fig. 5 gebildet werden, etwa um einen antiken Architrav nachzuahmen, sondern er erhält für Schmiedeeisen die Form Fig. 4a, für Gußeisen die Form 4b. Jede wesentlich andere wäre Verschwendung an Material und Geld. Beide Formen bieten in ihrem   u n t e r n Flantsch die günstigste Gelegenheit, die Füllmaterialien aufliegen zu lassen. Ließe man ähnlich  den Stein- und Balkendecken dieselben oben aufliegen, wie Fig. 3 zeigt, so wäre damit eine unnütze Raumverschwendung ausgeübt.

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Denken wir uns die Ausfüllung nach Fig. 6 in cassettirten Platten oder nach Fig. 7 in Gewölben, so ist das Charakteristische solcher Decken das Sichtbarwerden der untern Eisenrippe. Dieselbe zu verputzen, wäre ungesund; sie ist leicht durch einen Torus, eine Frucht- oder Laubschnur, auch einen Mäander in ihrer  a b s o l u t e n  F e s t i g k e i t  als ausgespannt angemessen dekorirt, wozu einfache Malerei genügt, aber ebenso berechtigt und noch wirksamer Zinkverkleidungen nach Analogie obiger Figuren verwendet werden können. Es ist leicht einzusehen, wie obiges einfache Prinzip durch mannichfache Anordnung der eisernen Träger, wie z. B. in Fig. 8 oder auch in Kreisform, zu mindestens ebenso reichen und schönen Decken führt, als die altgriechischen waren. Ein ausgeführtes Beispiel hierfür zeigt die Halle am neuen Museum. Sind, wie in Fig. 7, Kappen zwischen den Rippen eingespannt, so können dieselben sehr richtig und gut als  g e s p a n n t e  a u f g e b l ä h t e  T e p p i c h e  gedacht und dekorirt werden.

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Bei diesem einfachen Beispiele dürfte es interessant sein, zu vergleichen, wohin obiger gesunden Konstruktion und künstlerischen Ausbildung gegenüber das Prinzip des  f r e i e n  architektonischen Künstlers führt. Nehmen wir an, eine größere Decke soll  f e u e r s i c h e r  hergestellt werden. Der Architekt denkt sich nunmehr eine horizontale, frei  s c h w e b e n d e  Decke als ausgespannten Teppich und geht demnächst an die Konstruktion dieser genialen Idee. Hier bleibt kein anderes Mittel, als die Herstellung ebenfalls nach Fig. 6 oder 7 mittelst Platten oder Kappen zwischen eisernen Rippen; er ist aber genöthigt, durch Putz sowohl die eisernen Tragerippen als den Busen der Kappen zu verkleben, um demnächst eine große frei schwebende Decke, als Teppich gedacht, ausgeführt zu haben. Abgesehen von den praktischen Nachtheilen, die das Ueberputzen von Eisen neben Stein, der dicke Putz unter den Scheiteln der Kappen zc.JPG (785 Byte) nach sich zieht, muß hier doch gerade der Künstler sagen: Dies führt zum ungesunden  V e r s t e c k e n  wichtiger Bautheile! -
B .  D e r B o g e n t r ä g e r  n a c h  h i s t o r i s c h e m  M u s t e r .
Obige Bezeichnung: "historisch" ist gewählt, weil die hier zu betrachtenden Strukturen weniger aus der Natur des Eisens, als aus einer Nachahmung der vorhandenen Stylformen, des Rundbogens, Spitzbogens zc.JPG (785 Byte) erwachsen sind. Fig. 9 stellt eine derartige Form im Rundbogen dar. Es ist im Wesentlichen ein gußeiserner Gurtbogen, welcher, durch Zusammenschrauben in einander verbunden, nur noch mittelst der ihm innewohnenden Elasticität einen Seitenschub auf die Widerlagsmauern ausübt. Der letztere ist natürlich viel geringer, als derjenige eines wirklichen Gewölbes; immerhin ist aber die Wirkung eine ähnliche. Für die künstlerische Ausbildung wäre zu berücksichtigen, daß die obere Gurtung a tragend wegen Aufnahme der Fetten zc.JPG (785 Byte), die untere, auf absolute Festigkeit in Anspruch genommene, demgemäß zu dekoriren wäre. Bei der in Fig. 9 gewählten Form des Bogenträgers mit oberem Satteldach ergeben sich noch freie Felder, welche beliebig geschmückt werden können: durch freies Ornament, oder durch anderweitige, mit dem Zweck und der Benutzung des Gebäudes in Beziehung stehende, Bildwerke. Beispiel: Ein vom Baurath Drewitz entworfener Dachbinder einer Reitbahn, von Breymann veröffentlicht. Ferner ein ausgeführtes Beispiel: St. Eugène in Paris mit Spitzbogenrippen obiger Art, dazwischen Wölbung.

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C .  H ä n g e w e r k e  i n  E i s e n .
Die Gruppe der Hängewerke in Eisen ist nicht allein eine sehr reichhaltige, sondern auch eine der wichtigsten, weil sie für dies Material speciell erfunden, alle Eigenthümlichkeiten desselben prägnant hervortreten läßt. Die hierher gehörigen Konstruktionen üben namentlich auch keinen Seitenschub auf die Widerlagsmauern aus.

1.)  Fig. 11 stellt eine ganz einfache Nutzkonstruktion dar, wie sie unendlich häufig bereits ausgeführt ist und ferner ausgeführt wird, selbst bei Räumen, die häufig dem Auge des Beschauers ausgesetzt sind, wie kleinere Bahnhofshallen  u. s. w.  Es wird auch hierbei immer das Bestreben des Künstlers sein müssen, selbst bei den bescheidensten Mitteln eine richtige Kunstform zu finden. Zu diesem Ende muß zuerst untersucht werden, welche Funktionen die einzelnen Glieder haben. Die Sparrenstrebe a wird durch Eigengewicht und Belastung also hauptsächlich auf relative Festigkeit in Anspruch genommen, und demgemäß als  B a l k e n  auszubilden  sein; b ist eine freischwebende Stütze, von beiden Seiten gespannt. Entgegengesetzt der stabilen Säule, welche unten stärker als oben sein muß, um den Schwerpunkt tiefer zu legen, wird diese Säule in der Mitte im Brechpunkt zu verstärken sein; sie ist ferner kannelirt, weil auf rückwirkende Festigkeit in Anspruch genommen, und erhält an jedem Ende eine Art von Kapitell, welches den Conflikt zwischen Pressung und Widerstand ausdrückt.

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Die Zugstangen c und a können leicht als Taue, Riemen, Laubschnüre zc.JPG (785 Byte) gebildet werden, während bei e das freie  H ä n g e n  etwa durch glockenartige herabhängende Blumen auszusprechen ist. Es bleibt ferner übrig, die Auflager etwa als tragende Consolen, die Schuhe und Knoten zwischen den einzelnen Theilen in angemessener ähnlicher Weise zu entwickeln.
Wie nöthig es ist, sich bei der Ausbildung derartiger Strukturen die statischen Funktionen klar zu machen, zeigt ein Beispiel unseres genialen  S c h i n k e l s . Die  h ö l z e r n e n  Hängewerke im Treppenhause des neuen Museums (bekanntlich, aus Pietät gegen ihn, nach seinem Entwurfe von  S t ü l e r  in das genannte Gebäude aufgenommen) zeigen außer dem Tragebock und dem Spannbalken zwei eiserne Hängesäulen, welche mit    H e r m e n  dekorirt sind, als ob sie stützten. Im Gegentheile sehen wir hier menschliche Köpfe und Hälse auf      a b s o l u t e  Festigkeit d. h. auf Abreißen in Anspruch genommen.

2)  Fig. 12 stellt eine Konstruktion dar, ähnlich denjenigen im neuen Museum. Ein flacher gußeiserner Gurtbogen a wirkt gewölbeartig, ist aber in Bezug auf Seitenschub abgefangen durch die Zugstange b, deren Senkung der Aufhänger c verhindert. (Siehe e Fig. 11).

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Um die Decke zu schließen, verbinden im neuen Museum gußeiserne Langfetten einen Binder mit dem andern, und tragen Topfgewölbe. Leider sind die Eisenrippen dabei verputzt, und erscheint deshalb eine große zusammenhängende Kappe, anstatt des oben nachgewiesenen Organismus. Eben so vermögen die Zugstangen, wie dort angedeutet, keine Stützen zu dem Bogen emporwachsen zu lassen. Im Gegentheil müssen die Hängeeisen c, wie oben beschrieben,  h ä n g e n d gebildet werden. Andererseits sind bei den Tragebindern im neuen Museum die obere Rippe a, die Zugstangen b, sowie die Knoten und Schuhe sämmtlich mit schöner und durchaus sinngemäßer Kunstform entwickelt.
3)  Fig. 13 zeigt uns den eigentlichen Sichelträger, welcher vor dem vorigen den großen Vortheil eines entschieden ausgesprochenen  B o g e n s  auch in der untern Gurtung gewährt. Er besteht construktiv aus einer obern und untern bogenförmigen Gurtung, zwischen welchen ein Dreiecksystem von Stützen und Zugstangen angebracht ist. Die großartigste Leistung dürfte für diese Konstruktion die 212 Fuß Spannung haltende Halle des Centralbahnhofs zu Birmingham sein. Durch 12 gußeiserne senkrechte Säulen ist das Sichelfeld in 12 Theile getheilt, während die so gewonnenen 11 Vierecke durch Kreuzzugbänder übereck verstrebt sind, eine Anordnung, welche sehr wohl eine direkte künstlerische Ausbildung zugelassen hätte. Ein zweites Beispiel dieser Art ist die Decke des großen Börsenzwillingsaales zu Berlin, in der Anordnung Fig. 13 deutlich angegeben. Dagegen, daß die  D e c k t a f e l n , hier in Gyps ausgeführt, in der untern Gurtung b von einem Längsträger zum andern angeordnet sind, läßt sich Nichts erinnern, dieses muß jedem Architekten freistehen, auch wenn durch diese Anordnung ein Theil der Konstruktion unsichtbar gemacht wird. Zu beklagen bleibt nur in der künstlerischen Entwickelung der unterhalb an den wirklich tragenden Sichelträger  a n g e h ä n g t e  S c h e i n t r ä g e r  von ca. 3 Fuß Höhe aus einzelnen Gußeisenstücken zusammengesetzt, da er seiner Form nach in keiner Beziehung mit der untern Gurtung, oder mit einer wirklich tragenden, überhaupt möglichen Konstruktion steht.
Merkwürdiger Weise hat man auch bei der großen, oben erwähnten, Halle zu Birmingham einen gußeisernen Behang in Sichelform gänzlich unmotivirt angehängt.
4)  Fig. 14 zeigt eine Modifikation des Sichelträgers, zum Rundbogen umgestaltet, mit konzentrischer oberer und unterer Gurtung, ein System, welchem meistens die Industrieausstellungs-Gebäude ihre schöne und ruhige Wirkung verdankten. Es ist natürlich desto leichter, wenn auch niemals unmöglich, eine künstlerische Ausbildung zu finden, je einfacher und klarer das Maschensystem der Konstruktion sich darstellt, wie es z. B. hier in Fig. 14 der Fall ist.

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D .  C h a r n i e r t r ä g e r .
Fig. 10 zeigt ferner eine Konstruktion, welche  n u r  in Eisen möglich und ganz selbstständig auftritt, während für alle obigen Formen bereits vorhandene Analogieen aufzufinden waren; es ist der Charnierträger. Denkt man sich zwei bogenförmige, in sich feste Halbträger in den beiden Auflager-Punkten aa, sowie im Scheitelpunkt b durch Charniere beweglich, so wird durch diese 3 Punkte ein festes nach der Seite unverschiebbares Dreieck hergestellt, die Ausdehnung des Eisens bei Temperaturwechseln kann ungestört stattfinden durch freies Heben resp. Senken des Scheitels, und es findet nur senkrechter, kein Seitenschub statt. Bedingung ist ein Knick im Scheitel d. h. ein  S p i t z b o g e n , da einmal ein Rundbogen kaum seine Gestalt genau einhalten würde, namentlich aber die Konstruktion des Scheitelcharniers denselben unangenehm unterbrechen würde. Günstig für das Gefühl ist ferner die  l e i c h t e  Erscheinung nach der Mitte des Raumes, den stärkeren Theilen an den Wandseiten gegenüber. Die Ausfüllung dieser Konstruktion zwischen den Bindern kann hier ohne Zweifel auch durch Platten oder Gewölbe, welche nur gegen Eisenrippen wirken, bewirkt werden.

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In Bezug auf die Kunstformen der beiden Trägerhälften, Fig. 10, ist zu den obigen Andeutungen wenig mehr hinzuzufügen. Es drängen sich hier aber noch Fragen auf, für welche die vorhandenen Formen als Kapitelle zc.JPG (785 Byte) nicht ausreichen, wie die Charniere selbst, welche eigentlich beweglich, nicht unverrückbar stabil zu charakterisiren sind. Fig. 10a stellt einen Versuch dar, den Träger selbstständig um die Charnier-Welle ausrollen zu lassen, innerhalb eines Schuhes, der ebenfalls noch reicher ausgestattet werden könnte.
Wenn wir in Obigem die Binder stets zu einander parallel liegend, durch eine Längenkonstruktion verbunden, angenommen haben, so ergiebt die  c e n t r a l e   Anordnung derselben vielfach noch günstigere, überraschende Resultate bei den Landbaukonstruktionen in Eisen. Es entstehen daraus nämlich:

a) Zeltdächer resp. Thurmspitzen,
b) Kuppeln,

je nach dem die Binderkonstruktion flach mit geraden Gurtungen, sehr steil sonst ebenso, oder in Bogenform gewählt werden.
Charakteristisch für diese ganze Gruppe ist der Wegfall aller Spannstangen, welche durch den inneren Raum gehen, indem die Funktion derselben von einem um die Streben herumgelegten, auf absolute Festigkeit in Anspruch genommenen  R i n g  oder Kranz aufgenommen wird. Ein mittlerer Schuh, oder besser noch ein innerer, auf rückwirkende Festigkeit in Anspruch genommener  K r a n z  nimmt im Scheitel dieselben auf. Es ist demnächst nur noch die  D r e h u n g  des ganzen Systems inmitten durch Zugkreuze innerhalb des äußeren Mantels der Konstruktion zu verhindern, wie denn überhaupt bei allen centralen Anlagen in Eisen das Innere  g a n z   f r e i  von allen Konstruktionstheilen hergestellt werden kann.
Schon aus dem ad  B. oben behandelten Bogenträger ergiebt sich die Form der Kuppel ohne jeden Seitenschub, vermöge des Horizontalringes, auf welchem die Bogenträger aufsitzen; Fig. 15 bei a und b stellen derartige organisch angelegte Kuppeln dar.

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Jedenfalls ist bei der Dekoration zu rathen, die eisernen Rippen auch wirklich zu zeigen, nicht etwa durch eine Cassettirung zc.JPG (785 Byte) zu verstecken, mag man dazwischen im Uebrigen jede Kappe als selbstständig zur sogenannten Melonenkuppel, welche besonders in akustischer Beziehung zu rathen wäre, oder alle zusammen zu einer großen homogen gewölbten Kuppel einspannen. Die organische Ausbildung der hier auf rückwirkende Festigkeit in Anspruch genommenen Rippen kann füglich als bekannt übergangen werden.
Aus der ad  D. genannten Art der Charnierträger ist es ebenfalls sehr gut möglich, centrale Anlagen zu bilden, wenn diese bisher auch noch nicht zur Ausführung gekommen sind, und vielleicht an dieser Stelle zum ersten Male erwähnt werden.
Denken wir uns 4 spitzbogige Gradrippen, Fig. 16, wie oben in den Auflagern auf beweglichen Charnieren stehend, oben ebenfalls beweglich in einem 4armigen Schuh, an diesen 4, ebenfalls spitzbogige, Schildbögen unten befestigt, oben durch je eine Scheitelrippe verbunden, so erhalten wir ein spitzbogiges  K r e u z g e w ö l b e  ohne jeden  G e w ö l b e s c h u b  und ohne horizontal durchschneidende  Z u g s t a n g e n , bei welchem also der enorme und theure Apparat von Strebepfeilern, Schwibbögen  u. s. w. der gothischen Kathedralen überflüssig geworden, und demgemäß die Spannweiten beliebig gewählt werden können.

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Ebenso läßt das beschriebene System leicht eine reichere Grathrippentheilung zu, und wird man in dieser Berücksichtigung stets mit 5 Zoll starken Kappen die größten Gewölbespannungen überdecken können.
Aus der ganzen obigen Untersuchung geht hervor, daß ein Fortschritt für die Baukunst überhaupt nur geschehen kann, wenn im Architekten der Künstler stets an der Hand des Strukteurs arbeitet und erfindet. Ebenso aber wie die Phantasie nicht etwas schaffen kann, was später durch die Mittel der Technik hergestellt wird, so wird auch der Strukteur in der Wahl seiner Binder zc.JPG (785 Byte) sich nach dem Künstler richten, auch oft seine Formen nach der leichtern und besseren Ausbildungsfähigkeit modificiren müssen. Wenn daher die Trennung der Fächer und Specification von vielen Fachgenossen auf die Fahne als Lebensprincip geschrieben wird, so scheide man immerhin die Wasserbautechniker von denen des Hochbaues, niemals aber versuche man das Fleisch von den Knochen zu trennen, den Künstler von dem Strukteur, sondern befördere es soviel als irgend möglich, daß der Architekt sich immer mehr wirkliche statische Kenntnisse erwirbt, welche ihm erst das Verständniß seiner Kunstformen eröffnen. Ein bloßes Aneignen der  R e s u l t a t e  von Untersuchungen der Eisen-Ingenieure kann hierzu niemals genügen! -
Wenn wir aus den vorhergegangenen Betrachtungen ersehen haben,
1) daß die Eisenkonstruktion Alles leisten kann, was frühere Stylkonstruktionen geleistet haben, ja daß sie deren Anwendung überall erleichtert;
2) daß dieselbe ganz neue Gesichtspunkte der Baukunst bereits eröffnet hat, und immer noch eröffnet.
3) daß dieselbe durchaus künstlerisch und bildungsfähig und für die Kunst benutzbar ist, wenn man das einzig richtige System: die Kunstformenwickelung der alten Griechen, welche es ihrerseits der Natur selbst abgelauscht zu haben scheinen, acceptirt, so stellt sich mit  e i s e r n e r  Konsequenz heraus, daß wir es bei der Eisenkonstruktion mit einem gesunden baulichen System zu thun haben.

Nehmen wir dasselbe daher ohne Vorurtheile dankbar auf und führen es, jeder nach seiner Art, organisch weiter, so wird und muß sich daraus allmälig ein eigenartiger Baustyl entwickeln. Dies verlangen wir nicht plötzlich, es gehört dazu die beste Kraft, das gemeinschaftliche Streben von Geschlechtern.
Erwächst das Schöne auf dem Boden der Wahrheit, so kann keine Zeit den Geschmack und das Gefühl so ändern, daß es jemals der Lächerlichkeit oder der Verachtung, wie manche früheren Verirrungen der Architektur, anheim fällt, - es ist ihm dann die Classicität, die Ewigkeit gewiß! Suchen auch wir die weitere Vervollkommnung unserer Kunst;

" D u r c h  d i e  W a h r h e i t  z u r  S c h ö n h e i t . "