HAUSTIERMENSCH
Jeder Mensch
sucht seine Umwelt so zu formen, dass sie in Übereinstimmung
mit seinem Leben steht. Die Formgebung der Materie, der
Gebrauchsgegenstände, der Wohnung und des Wohnhauses ist dem
nach nicht bloß eine Frage der Schönheit oder der
äußeren Erscheinung. sie ist ebenso sehr eine Frage
der Handlichkeit, Brauchbarkeit und Bequemlichkeit, derart, dass das
Ästhetische überholt wird durch das Praktische und
das Praktische wiederum durch einen andern Wunsch zur
äußeren Erscheinung der Dinge. Eine Zerlegung dieser
Fragen in theoretische Begriffsspaltungen wird immer vom Wege
abführen. Die einseitige und alleinige Betonung des
Praktischen muss das Thema schließlich ausdörren,
ebenso wie die Betonung des Ästhetischen alles Gesunde
ersticken wird. Das zweite ist heute weniger zu befürchten, da
die Ästhetik als solche in Misskredit geraten ist und jede
Betrachtung von Formtragen erst dann legitim wird, wenn ihr das
Rationelle des Maschinenwesens zugrunde gelegt worden ist.
Unverwüstliche Gesundheit und Muskelkraft sind die Kennzeichen
des Menschenideals, das dieser Betrachtungsweise entspricht: blasse
Wangen, Nachdenken. Zweifeln, Suchen und schließlich Finden
nach intensivem Schürfen, das sind die verachteten
Züge eines Menschentyps, für den das hohe Wort "Typ"
schon nicht mehr geduldet wird. Er gilt heute nur noch als der
lächerliche Individualist, der "Typ" dagegen schreitet mit
Sportgebräuntem Gesicht, mit energischem Unterkinn,
trainierten Kaumuskeln durch unsere Welt der Rationalisierung.
Strammforsche Urgesundheit mit Stahlgehärtetem Griff am
Motorhebel - wenn sie sich mit Nachdenken und Beschaulichkeit paaren
könnte, so würde das ein herrliches Kind geben,
vorausgesetzt, dass es beide Eigenschaften der Eltern erbt. Welche Form
die Dinge der Umwelt erhalten, das hängt also einzig und
allein vom Menschen selbst ab, sowohl von dem einzelnen wie von der
Gesamtheit. Die Wohnung ist der unmittelbarste und grausamste Spiegel
jedes einzelnen Menschen. Sage mir, mit wem du umgehst - zeige mir, wie
du wohnst! Lass mich sehen, wie du isst, wie du zu Bett gehst, wie du
aufstehst - o danke! ich will nicht mehr sehen. Die Wohnung und ihr
Aussehen, die Art, wie sie bewohnt wird, dies alles ist uns
tatsächlich näher als unser - Hemd. Hier kann kein
Fleck durch etwas anderes verdeckt werden: daher die
durchgängige Scheu vor fremden Augen in der Wohnung, daher das
Verhängen, Verhüllen, Verdecken. Die Wohnung ist dem
einzelnen näher als sein Hemd, und doch richtet sich gerade
hier der einzelne weniger nach sich selbst als nach dem, was die andern
tun. So wird die Wohnung trotz ihres natürlichen
Individualcharakters weitaus mehr zu einer Frage der
Kollektiverzeugung, der Konfektion, der Mode. Schwankt die Mode in der
Kleiderkonfektion sehr leicht und rasch. so geht das in der
Wohnungskonfektion nicht so leicht, weil die Wohnungseinrichtung in
allen Einzelheiten sich in zu viele "Branchen" gliedert und
überhaupt der materielle Apparat zu schwerfällig ist.
Dazu wird er aus Konjunkturgründen von der Produktion
absichtlich immer schwerfälliger gemacht, da immerfort aufs
neue die überflüssigsten Wünsche im
Käuferpublikum geweckt werden. Sonderbar: der heutige ideale
"Typ", der durch und durch unsentimentale Kraftmeier, der
kühne "Sportsmann", er kriecht winselnd zu Kreuze vor dem
süßlichsten Kitsch. Er bekundet damit, dass er doch
Herz und Seele hat, wenn es auch nur ein Pfefferkuchenherz und eine
Kaugummiseele ist. Natürlich muss er als Mensch Herz und Seele
haben! Schön ist seine Gesundheit, doch fragt sich, welche
Krankheit größer ist: die des eingetrockneten
Denkens und Fühlens bei starkem Bizeps oder die der
körperlichen Anfälligkeit bei gesundem Denken und
Fühlen. Beides sind Hypertrophien, einseitige
Überbildungen.
Abb.
1. Esstisch mit Beleuchtung
Geschmacksache,
wem das eine oder andere besser gefällt. Die Wohnung beider
wird unerfreulich sein, trotz ihrer Verschiedenartigkeit: dort der
süße Kitsch, der Gefühlsersatz, hier der
Wust. Der Mensch formt seine Umwelt so, dass sie in
Übereinstimmung
mit seinem Leben steht. Es ist also nicht entfernt daran zu denken,
dass der Mensch anders wird, wenn seine Wohnung anders gemacht wurde.
Der Wohnungsbestand in seiner Masse wird sein Aussehen erst mit dem
veränderten Menschen ändern. Hoffnung auf lange
Sicht, auf Jahrzehnte, in denen die Überbildung des
Rationellen, des Trainings ausgeglichen wird durch den Gegenpol. Wohnen
heißt nicht bloß Hausen: wir wissen zur
Genüge, wie gehaust wird. Schon dieses Wort "Hausen" als
Verzerrung des Begriffes "Wohnen" hat eine aufhellende Kraft: ein Bild
für die Verwilderung auf allen Gebieten. Da der Mensch selbst
seine Umwelt formen muss, so hat es wenig Zweck, ihn durch ausgestellte
Wohnungsvorbilder zu erziehen. An Stelle des Erziehens muss die
Veränderung der Basis treten, auf der der heutige Mensch lebt:
Auflockerung und Zubereitung des Bodens. aus dem der Keim wachsen soll,
an Stelle der Vergewaltigung des Keims. Der Weg dazu ist bereits
angebahnt. Übertreibungen sind immerhin Anzeichen der
Kursveränderung. Sport und einfaches Denken, das war einmal
ein zutreffendes Schlagwort gegenüber der
überschätzten Bildungssucht, - Rationalisierung,
Industrialisierung, Typisierung und Normierung ebenso richtig
gegenüber der Verwilderung der Hausbau- und
Einrichtungskonfektion. Wenn beides in gleicher Weise zur
Übertreibung wurde - es wurden ja auch einmal
Denkmäler und Zinkarchitekturen industrialisiert, griechische
Säulen sind es in Amerika heute noch - nun, trotzdem ist
ebenso wenig wie der Sport die Rationalisierung falsch geworden. Die
Überbildungen und Auswüchse auf Grund der
missverstandenen Schlagworte werden schließlich sehr bald wie
lästige Geschwüre aufbrechen. Dann erst werden die
gesunden ursprünglichen Gedanken zu einer Wirkung kommen, zu
der Zeit, wo sie nicht mehr als Modeschlagwort breitgetreten, sondern
mit unveränderter Zähigkeit von denen festgehalten
und verarbeitet werden, die aus eigener Erkenntnis dazu
geführt worden sind. Es war die Erkenntnis, dass eine neue
Übereinstimmung von Mensch und Umwelt vonnöten ist
und dass dazu eben diese neuen Mittel notwendig sind. Gewiss bildet
sich immer und zu jedem Zeitpunkt eine Übereinstimmung von
Mensch und Umwelt, sei sie nun hässlich oder schön,
genau, wie er es eben selbst ist. Wozu sie dann noch erst suchen? - Du
zeigst einem Mann, der gern rascher zur Arbeitstelle kommen will, wie
er sich ein gutes und billiges Motorrad an Stelle eines Fahrrades
beschaffen kann, du zeigst einer Frau einen Herd, mit dem sie rascher,
besser und billiger kochen kann, du zeigst derselben Frau, wie sie
Tischtücher und damit viel Wäsche und Ärger
sparen kann, du zeigst ihr, wie sie überhaupt an allen Ecken
und Kanten der Wohnung sparen kann und wie sie damit mehr zur eigenen
Ruhe kommt. Du kannst dieses und vieles andere auf jedem Gebiet zeigen
und wirst finden, dass du bei dem Betreffenden damit gerade eine
tatsächliche Lücke ausfüllst. Das ist nicht
Erziehung, sondern einfache Mitteilung, ein Geben, das beide Teile
reicher macht, und damit ein gemeinsames Schaffen. Zeigst du etwa gar
eine ganze Wohnung, in der man eben nicht "haust", mit sich, mit den
Gegenständen und mit dem Hause selbst, sondern in der man
wohnt, so kann durch dieses Zeigen bei sehr vielen mit einem Male eine
große Lücke ausgefüllt sein.
DER TYP
Abb. 2.
Luftbild von Westen
Hier
wird der Versuch gemacht, an dem Beispiel eines ausgeführten
Hauses die Probleme der neuen Wohnung aufzurollen. Es kann nicht
Gegenstand der Aufgabe sein, an dem einzelnen Exemplar einer Wohnung
und eines Wohnhauses handgreiflich das zu zeigen, was ein für
allemal und für alle Verhältnisse das Richtige ist.
Abgesehen von der Anmaßung eines solchen Unterfangens
würde darin nur das übliche Missverständnis
gegenüber dem Begriff Typ enthalten sein. Typisch ist
keineswegs gleichbedeutend mit schablonenhaft, typisch für
eine Sache ist ihr allgemeiner Charakter, sind die Grundsätze
und Anschauungen, denen sie ihr Entstehen verdankte. In diesem Sinne
mag das hier behandelte Beispiel als Typ gelten; die ihm zugrunde
liegende Auffassung mag, wenn sie Stich hält, als
charakteristisch für ein neues und schon nicht mehr vereinzelt
stehendes Wollen gelten. Nicht die Einzelformen sind das Wesentliche,
wesentlich ist auch nicht die Lösung dieses Einzelfalles,
wichtig aber und von allgemeinem Interesse ist vielleicht die Richtung
und Linie, welche in diesem Fall gerade zu dieser Lösung
geführt hat. Danach braucht kaum auf das
Missverständnis hingewiesen zu
werden, als sollte dieses Haus in seiner Größe und
besonderen Anlage, in seiner speziellen und handgreiflichen Fassung nun
unbedingt zum Vorbild genommen und womöglich soundso viel
hundertmal wiederholt werden. Die Rationalisierungsmode als solche
macht den Hauptfehler darin, dass die
maschinenmäßige Herstellung in Massen rein
schablonenhaft auf das gesamte, in sich viel zu gegliederte und
vielgestaltige Objekt des fix und fertigen Wohnhauses bezogen wird. In
ihrer gesunden Auffassung bedeutet die Forderung der Rationalisierung
vielmehr, dass die einzelnen, ein Ganzes bildenden Teile
zunächst auf ihre Funktion und sodann auf die leichteste
Herstellung hin erforscht werden, um daraufhin erst Gegenstand der
industriellen Produktion zu werden. Also nicht das Haus als Maschine,
sondern alle seine einzelnen Teile, Fenster, Türen,
Schränke, Wände usw., um sie dann nach
möglichst freiem Belieben zusammenstellen zu können.
Der missverstandene Begriff des Rationalisierens führt im
Endergebnis zum Hausgewordenen Stumpfsinn, der richtig verstandene
dagegen wird den Hausbau erst lebendig machen: mit ihm wird der
Handwerker gleichzeitig Monteur und findet sich aus falscher Romantik
auf festen Boden zurück. So wird die Rationalisierung zu einer
bloßen technischen Hilfe, sie wird zum Diener, anstatt sich
Herrenrechte anzumaßen und durch eine ebenso missverstandene
Typisierung die Anordnung der Wohnung selbst zur bloßen
Schablone herunterzudrücken, Die Wohnung ist nun einmal
unmittelbarster Rahmen des menschlichen Lebens, sie ist sein erstes und
letztes Erzeugnis, und man müsste zuerst den Menschen ein
für alle Mal und endgültig schablonisiert haben, ehe
man die Wohnung in ihrer Gliederung und Einrichtung restlos
schablonisieren kann, so dass sie wie eine Leiste in Massen aus einer
Wohnungsproduktionsmaschine herausschnurrt. Außerdem bleibt
selbst für die bescheidensten Bedürfnisse die beste
Wohnform eine erst zu lösende Aufgabe. Das Typische
fängt ja erst da an, wo die Schablone oder die Uniform oder
der militärische Drill aufhört. Es
äußert sich etwa in folgendem: Man lehnt zuerst
Wohnung und Haus ab, weil es einem nicht "gefällt": dann lernt
man es in allen seinen Funktionen durch den längeren
Aufenthalt darin kennen und kommt zu dem Wunsch, schließlich
selbst ein ebensolches Haus zu haben, wenn auch nicht in derselben
Größe, so doch "genau in derselben Art". Das
anfängliche Missfallen verwandelt sich in vollendete
Überzeugung. - Über die Größe oder
Kleinheit dieses Hauses und über die Zahl seiner
Wohnräume hinaus, ja auch über deren spezielle
Anordnung hinweg bleibt dem einfach und gesund Denkenden die
Grundtendenz das Wesentliche. Und hiermit bestimmt der gesunde
Menschenverstand auf einfachste Weise den Begriff des Typs.
ARCHITEKTUR UND LANDSCHAFT
Abb. 3.
Aufnahme von der Waldecke mit Birken
Wohnung
soll in diesem Fall nicht als die
bloße Gruppierung und Einrichtung von Räumen gezeigt
werden, sondern als ein Gesamtkörper mit allen seinen inneren
Funktionen und äußeren Ausstrahlungen, also als
Wohnhaus unter Einbeziehung seiner Umgebung, des Gartens und der
Landschaft. Damit wird die heute viel umstrittene Frage der Architektur
an einem Beispiel zur Auseinandersetzung gestellt.
Auch hierbei dreht sich der Kampf um zwei Pole: um den einen gruppieren
sich alle Meinungen, welche auch beim Wohnhause die Vorgefasste
architektonische Schönheit als Selbstzweck fordern, um den
andern Pol alle diejenigen, welche zum mindesten beim Zweckbau, wie es
auch ein Wohnhaus ist, jede Vorgefasste ,,künstlerische Idee"
ablehnen und die Entstehung einer Baukultur nur von der bescheidenen
Lösung der tatsächlichen Aufgabe erwarten, also von
der schlichten Darstellung der Elemente, aus denen sich der
Körper eines Wohnhauses nach guter Lösung seiner
inneren Funktionen wie von selbst und so ungezwungen wie
möglich ergibt. Für die zweite Auffassung spricht der
Umstand, dass hier, wie vorhin erwähnt, aus dem
anfänglichen Missfallen durch Kennen lernen des gesamten
Organismus nach und nach eine sehr heftige Zuneigung werden kann,
während bei einer "schönen" Architektur die Gefahr
besteht, dass sich bei näherem Kennen lernen immer mehr ein
Widerspruch zwischen der schönen Fassade und den inneren
Vorgängen des Hauses herausstellt. Diese Gefahr liegt nahe,
weil das auf den ersten Blick Schöne immer irgendwie mit der
Gewohnheit und demnach einer Vergangenheit zusammen hängt,
einer Vergangenheit, deren letzte Stufen bekanntlich
außerhalb jeder baulichen und architektonischen Gestaltung
standen. Das Zurückgreifen auf die Historie, auch nur auf
Biedermeier, ist für uns aber eine solche sprunghafte
Künstlichkeit, dass sie ebenfalls außerhalb jeder
ernsthaften Auseinandersetzung steht.
Abb. 4.
Aufnahme von der Waldecke mit Kiefern
Architekturfrage
schaltet danach hier zunächst völlig aus. Was dem
Betrachter der Bilder an Erklärungen notwendig ist,
beschränkt sich auf die banale Tatsache, dass die
Flächen der Mauern Putz tragen. soweit nicht Karten oder
Sockel oder Wirtschaftsanbau zum Schutz gegen die Feuchtigkeit mit
blaugrauen Klinkern versehen sind. Was hier "Architektur" ausmacht,
sind schon die Wohnungselemente, soweit sie die Wohnung mit
Außenluft und -licht, mit Garten und Landschaft verbinden.
Warum? - wird oft bei diesem und jenem gefragt. Es gibt hier keinen
Beweis für eine bloß äußere
Architektonik. Wir bauen heute nicht von außen nach innen,
aber lehnen auch das Schlagwort ab, wonach wir von innen nach
außen bauen. Besonders bei einem Hause in freier Lage darf es
keine scharfe Grenze zwischen Außen und Innen geben; der
Körper des Hauses ergibt sich wohl aus seinen inneren
Funktionen, er ist aber mindestens ebenso sehr bedingt durch seine
Beziehungen zu den Voraussetzungen des Bauplatzes, zu Sonnenlage,
Garten, Landschaft und auch Nachbarschaft. Hiermit wird die heute viel
umstrittene Frage der Verunstaltung des Landschaftsbildes gestreift.
Abb. 5.
Vorderfront vom alten Hause gesehen
Abb. 6.
Vorderfront von Links gesehen
Abb. 7.
Vorderfront Garage und Hühnerhof
Diese
Debatten leiden von vornherein schon an der schiefen Stellung zur
Landschaft, die mit dem Worte "Landschaftsbild" an das
Ansichtskartenniveau grenzt und mit dem Eifer um seinen Schutz eine
verdächtige Sentimentalität enthüllt. Hier
wirkt sich noch die hoffentlich bald überwundene
Naturschwärmerei aus, wogegen wir Natur und Landschaft als
etwas anzusehen beginnen, was einfach ebenso zum Leben notwendig ist
wie alles andere in der Welt, und was durch seine Verhimmelung nur in
seinem Wert herabgesetzt wird. Beweis dafür: die
komödiantenhafte Wirkung von Häusern, welche in der
Absicht des Heimatschutzes nach irgendeinem alten Bauernstil in eine
schöne Gebirgs- oder Seelandschaft hineingestellt worden sind.
Es wird lange dauern, bis diese innere Komik allen bewusst geworden
ist; haben sich doch auch bei diesem Hause Stimmen gegen seinen Bau bei
der Baupolizei gemeldet, die das Landschaftsbild vor dieser
"Verunstaltung" in Schutz nehmen wollten.
Abb. 8.
Landschaft vom Balkon
Abb. 9.
Straßenseite
Abb. 10.
Südseite
Abb. 11.
Westseite (Gartenansicht)
Abb. 12.
Nordseite
Abb.
13.
(Straßenkarte) vorm Haus
Die
Landschaft bedeutet für ein Haus nichts weiter als eine
besonders wichtige Voraussetzung, so wie es bei den alten Bauern eben
auch war, d. h, nicht stimmungshafter Art, sondern in einem weiteren
Sinne konstruktiver und technischer Art. Aus der Landschaft, aus dem
Garten und aus der Sonnenlage ergibt sich seine Stellung fast als Folge
einer Berechnung, aus den Wünschen zum Wohnen seine Form,
soweit sie in die Landschaft hinausgreift. Hier neigt sich das
Gartenland nach Westen zu einer großen Wiese, welche im
Hintergrund von Wäldern umgrenzt ist. Die Sonne geht frei am
Horizont unter und durchleuchtet das Haus mit ihren letzten
horizontalen Strahlen. Im Osten ist die unausgesprochene
Straße, im Norden das Nachbarhaus.
Abb.
14.
Rückfront (Südwestlich)
Also
nach einfacher Logik Stellung des Hauses an die Nordgrenze, mit
Wirtschaftsräumen und Hof dorthin und mit direkter Einfahrt
von der Straße, und anderseits möglichste
Freihaltung des rein landschaftlichen Westbezirks, wo ein
großer überdeckter Balkon mit Türen von
drei Schlafzimmern die Einwirkung der Landschaft und der reinen Luft zu
einer Form zusammenfasst, die aber ebenso sehr rein praktischer Art ist
(für Liegezwecke usw.). Die schräge Führung
der Linien dieses Balkons nimmt in einfachem Parallelismus die Linien
der Landschaft zu einem großen Teile auf, das Haus schiebt
sich in das Wiesengebiet und seine frische Luft wie ein Schiff mit
seinem Bug vor - und doch ist auch dies keine bloße Form im
ästhetischen Sinne. Die Schrägstellung des
Grundrisses bringt den Vorteil mit sich, dass keines der Fenster ein
direktes Gegenüber hat, nicht zu dem vorhandenen Nachbarhause
und noch weniger nach der anderen Seite, für den Fall, dass
daneben ein Haus oder zwei gleiche Häuser gebaut werden
sollten. Die Hausform ist eine Kristallisation der
atmosphärischen Bedingungen. Sie wird
unterstützt durch die Farbe, welche hier in
äußerster Gegensätzlichkeit angewendet ist:
gegenüber dem weiten Naturgrün und als Widerspiel von
untergehender Sonne und Wolkenreflexen auf der Westseite ganz und gar
schneeweiß, auf der Ostseite, der Straße
zugewendet, schwarz: die Blickrichtung des Hauses selbst ist aufs
äußerste betont, Licht und Wärme der
Morgensonne wird in das Haus hineingesaugt, unterstützt durch
die Wärmesammelnde Wirkung des Schwarz. Der Blick vom
Flugzeug, der für unsere nächste architektonische
Zukunft immer größere Bedeutung erhalten wird, zeigt
diese strenge Zäsur der Färbung als das
äußerste Mittel, die Hausform auch im
großen zu einem handlichen Nutzgegenstand, bildlich
gesprochen: zu einem sauberen Maschinenstück zu machen. Dass
das Weiß die Kantigkeit und Zerklüftung des
Hauskörpers durch weiche Tönungen und
atmosphärische Reflexfarben mildert, dass das Schwarz der
Wölbung die Bauchigkeit nimmt, sie gewissermaßen
mager statt fett macht und dass es gleichzeitig die sehr
verschiedenartigen Wanddurchbrechungen zusammenhält, mag hier
als organische Eigenschaft der äußersten
Gegensatzfärbung noch hinzugefügt sein. Wodurch wird
ein Haus wirklich der Natur, den Bäumen und Pflanzen verwandt?
Nicht dadurch, dass es die Bäume und alles andere irgendwie
nachahmt oder sich ihnen "anpassen" will. Das geht ja doch nicht; denn
Haus bleibt Haus und Baum bleibt Baum. Eine Birke bleibt eine Birke, ob
du sie schön oder hässlich findest, und ebenso kann
auch ein Haus einfach ein solches sein und auf diese Weise zu Birke,
Kiefer, Blumen und Wiese als innerlich Verwandtes nicht bloß
passen, sondern im wahrsten Sinne dazugehörig sein.
Abb. 15.
Vorderfront von Osten
Abb. 16.
Südseite
Abb. 17.
Nordwestseite
Abb.
18.
Luftbild von Norden
IM ANFANG WAR DER GRUNDRISS
Abb. 19.
Wohnzimmer blick zum Flur
Abb.
20.
Grundriss Erdgeschoss
Nach
dem bisher Gesagten werden Sie selbst jetzt Ihr
Augenmerk dem
Grundriss zuwenden wollen, um nachzuprüfen, was es mit den oft
erwähnten "Funktionen" der Wohnung auf sich hat. Der Grundriss
bleibt leider immer nur eine abstrakte Niederschrift, aus der sich
schwer oder gar nicht ein wirkliches Bild gewinnen lässt. Er
ist dagegen wiederum eine brauchbare Formel, um die Raumlagerung rasch
und einfach zu übersehen. Soweit die Voraussetzungen
für die Grundrissform nicht schon im Vorigen enthalten waren,
werden sie durch das Folgende ergänzt:
Abb. 21.
Schnitt-Zeichnung
1.
Hineinziehung von Garten und Wiese unmittelbar in das
Haus -
daher die Ebenerdigkeit des Erdgeschoßfußbodens,
beim Hauptwohnraum eine kleine Stufe, sonst drei Stufen über
der Erde, wodurch der große Wohnraum eine
größere Höhe erhält als die
übrigen Räume, und wodurch die ansteigende Wellung
des Geländes sich von der Wiese her im Hause fortsetzt, ja
weiterhin über die Treppe bis nach oben geleitet wird; - daher
die Ausgestaltung des Hauptraumes, welcher eine Kombination von
Wohnzimmer, Gartenhalle und Veranda darstellt. Die hohe Lage des
Grundwassers verbot die Anlage eines Tiefkellers, der den
hässlichen hohen Sockel zur Folge gehabt hätte und
damit die Turnerei über hohe Freitreppen an Stelle des
einfachen Schrittes vom Wohnraum in den Garten.
Abb. 22.
Gartenansicht
Abb. 23.
Gartenansicht
Abb. 24.
Gartenansicht
Abb.
25.
Gartenansicht
Abb.
26. Flur
vom Teppenpodest aus
Abb.
27. Flur
blick gegen das Fenster
2.
Folgende Raumbedürfnisse: unten neben den
Wirtschaftsräumen und dem erwähnten Hauptzimmer ein
kleines Zimmer, oben neben einem größeren
Schlafzimmer zwei kleinere und eine Kammer, nebst Bad und Besenkammer.
Abb. 28.
Grundriss / Obergeschoss
Also
in den Grundbedingungen etwa übereinstimmend mit dem normalen
Programm für ein Einzelhaus von fünf Zimmern, wie
sich denn auch das vorhandene Haus ohne weiteres in ganz normaler und
durchaus nicht individualistischer Weise bewohnen lässt. -
Die gefundene Grundrissformel ist einfach zu erkennen. Bereits die
Haustür gibt beim Öffnen durch die Glastür
des Windfangs, durch diejenige des Wohnzimmers und die weitere vom
Wohnzimmer zum Garten den Blick bis in das Wiesenland hinein frei. Die
rechte Ecke des Wohnzimmers enthält den Esstisch, der sich in
unmittelbarer Nähe von Spülküche und
Küche befindet, diese vom Wohnzimmer getrennt durch einen
kleinen Korridor zur Abhaltung der Gerüche.
Anschließend an die Spülküche die
Waschküche und sonstigen Wirtschaftsräume bis zur
Garage, deren Tor sich in nächster Nähe der
Straße befindet und deren Lage es gestattet, bei starkem
Regen vom Auto aus trockenen Fußes in das Haus zu gelangen.
Links vom Windfang eine kleine Garderobe mit Klosett. Die Anordnung
oben zeigt der Grundriss des Obergeschosses unmittelbar, wobei darauf
hinzuweisen ist, dass nur bei einer vom starren Rechteck abweichenden
Grundform die direkte Anordnung von sechs Türen zu den sechs
Räumen auf einer so kleinen Korridorfläche
möglich ist. Ebenso auch die Anlage von drei Türen
aus drei Schlafzimmern auf einen Balkon. Auf diese Weise gelang es,
jedem Zimmer, auch dem nach Nordwesten hin gelegenen, direkte Sonne
zuzuführen. Die Wölbung des Grundrisses ist ein
raumökonomischer Faktor; der Kreis enthält in sich
den größten Flächenraum im
Verhältnis zu seinem Umfang. Außerdem geben die vom
Dogma des rechten Winkels und des Rechtecks abweichenden
Grundrissformen zahlreiche günstige Möglichkeiten der
Raumausbildung und -Einrichtung, wovon weiterhin bei den Einzelheiten
die Rede sein wird.
Abb.
29. Flur
im Obergeschoss
Abb.
30. Flur
im Obergeschoss von der Treppe aus
Abb.
31. Flur /
Blick zum Blauen Zimmer und zur Garderobe
Ein
Blick auf den Grundriss zeigt das Fehlen von Balkentragenden
Wänden. Die gesamten Massivdecken des Hauses ruhen im Innern
durch ihre Trägerlage nur auf zwei massiven Pfeilern,
während alle übrigen inneren Wände leichte
Rabitz- oder Plattenwände sind. Die eigentliche Raumfunktion
und ihre Auswirkungen wird der Leser im folgenden am besten durch die
Einzelheiten selbst erkennen.
Abb.
32. Treppe
gegen das Prismen-Fenster
In seiner
großen Form ist der Grundriss eine Sonnenuhr. Die Tages - und
Jahreszeiten teilen sich in ihrem Licht- und Farbwechsel unmittelbar
den Räumen mit, und vor allem wird die Vormittagssonne in der
großen Glaswand der Treppe gefangen. Diese Stelle des
Grundrisses. der Treppenraum, ist aus der bloßen
Grundrissform heraus nicht zu verstehen und zu erklären. Die
Treppe ist die räumlich geformte und betonte Verbindung des
Erdgeschosses mit dem Obergeschoß. An dieser Stelle wird der
Sinn des Grundrisses allein durch die dreidimensionalen Raumfassungen
verständlich. Das Treppenhaus ist hier keine "Diele" wie sonst
bei ähnlichen Landhäusern, es ist unten und oben die
knappste Raumfassung des Flures und ist trotzdem gleichzeitig durch die
Anlage der Treppe und durch die Glaswand zu einem Verbindungsraum in
vertikaler Richtung geworden, derart, dass man von dem Treppenpodest
sowohl den oberen Flur übersieht wie auch den Einblick durch
den unteren Flur in das Wohnzimmer erhält. Dieses wird bei
geöffneter Flügeltür zu einer Raumeinheit
mit der aufsteigenden Treppenrichtung.
GRUNDSÄTZLICHES ÜBER DIE, EINRICHTUNG
Abb. 33. Blaues
Zimmer Schreibtisch und Lesesofa
Vor
der Schilderung der Einzelheiten dürfte es zum
Verständnis nötig sein, einiges
Grundsätzliche dazu zu sagen, auf die Gefahr hin, dass ich das
in meinem Buche "Die neue Wohnung" (Verlag Klinkhardt &.
Biermann, Leipzig) vor drei Jahren Ausgesprochene hier wiederhole.
Immerhin dreht es sich jetzt nicht mehr um bloße theoretische
Forderungen, sondern um die Durchführung dieser
Grundsätze an einem praktischen Beispiel.
Allgemein gesagt, handelt es sich überall um die einfache
Darstellung der durch den praktischen Gebrauch bedingten Elemente und
ihre möglichst einfache und klare Gestaltung in dem passenden
Material. So gesehen, gibt es keinen Wesensunterschied mehr zwischen
einem Möbel und etwa einer Tür, einem Fenster oder
sonst dergleichen. Alle diese Dinge treten als selbständige
Körper auf und bilden in ihrer natürlichen Gestalt
die Elemente, welche zusammen die Einheit des Raumeindrucks und
schließlich der ganzen Wohnung ergeben. Zu ihnen gesellen
sich die Wandschränke, die Fußböden,
Wände und Decken, bei denen die Farbe keine andere Rolle
spielt als die bereits erwähnten Dinge. Die Farbe
bekräftigt in einfachen Flächen und reinen
Tönen den jeweiligen Spannungscharakter der Wände und
Decken, ja auch der Fußböden und gibt so die letzte
und alles übrige unnötig machende Harmonie des
Raumeindrucks. Vorhänge, Teppiche, Läufer,
Bettvorleger, Felle, Tischdecken und all dergleichen, ja auch Bilder
von Nippes und sonstigen Schmuckgegenständen
überhaupt abgesehen werden dadurch
überflüssig, ja störend. Die gewebten
Stoffe! Unser Gefühl macht ihnen gegenüber eine
Wandlung durch, es wird kritisch, die psychologische Richtigkeit der
bisherigen Stoffverwendung wird bezweifelt. Beim bequemen Sitz- und
Liegemöbel ist der gewebte Stoff, die Wolle als das
anschmiegendste Material für Decken und dergleichen
unübertrefflich, ja vielleicht auch für gelegentliche
Vorhänge, wo die Matte zu knittrig und Gummi oder
ähnliches unsympathisch ist. Dort aber, wo man bisher die
vielerlei Stoffe nicht entbehren konnte, als Wandbekleidung,
Fenstervorhänge, Portieren, Tischdecken, Lampenschirme,
Fußbodenbeläge, Teppiche, Vorleger usw., um das
Licht zu dämpfen, die "Stimmung" weich und muschelig zu machen
- dort spricht heute unser Gefühl anders. Es will auch hier
nicht mehr diese Illusionsmittel, es will nicht im Wohnraum die
trübe Nebelstimmung mit betonter Verstärkung haben,
die sich beim Licht der Lampe bestenfalls zu einem rembrandtartigen
Helldunkel verbessert. Gerade im Klima der zahlreichen trüben
und regnerischen Tage sollte doch alles geschehen, um die Melancholie
aus dem Hausinnern zu verbannen. Klimatische, psychologische und
vielleicht auch physikalische Gründe führen hierbei
zur größten Vorsicht. Und ist nicht abends das
unverhängte, in die Nacht hinausblickende Fenster ebenso
schön, wie es bei Tage als Lichtgeber ist? -
Was die Wohnung zur Bequemlichkeit braucht, muss sie auch ohne solche
Zutaten leisten können. Sie leistet es sogar besser, da die
Vielzahl überflüssiger Gegenstände zu leicht
zur lästigen Anhäufung führt und die
Reinigungsarbeiten erschwert. Für sie musste der Staubsauger
erfunden werden, der deshalb im Wert nicht herabgesetzt werden soll.
Auch die Abblendung des Lichtes und der Einsicht in die Räume
kann durch bauliche Mittel an Stelle der Vorhänge geleistet
werden, in diesem Falle durch die verstellbaren Läden. Diese
Mittel der Raumeinrichtung sind nicht bloß im praktischen
Sinne den früheren Ausstattungsmethoden überlegen,
sie sind sogar in der Lage, den Wohnräumen das zu geben,
dessen Verlust man vielfach befürchtet hat, nämlich
die so genannte "Gemütlichkeit". Es handelt sich wohl nicht um
die Gemütlichkeit der Staubwinkel, sondern um den beruhigenden
und allgemein harmonischen Eindruck eines Zimmers. Ja, es zeigt sich,
dass in reinen Nützlichkeitsräumen, wie Bad und
Küche, diese andere Form der Gemütlichkeit sich
einstellt ohne jede Art von Farbenverwendung, sondern einzig und allein
durch die knappe und ausreichende Art der Aufstellung und des Einbaues
der notwendigen Gebrauchsgegenstände. Das rein Ästhetische, soweit es eben berührt wurde,
ist hier nichts weiter als die Folge des Praktischen, es ist sogar wie
bei dem Beispiel von Küche und Bad völlig identisch
mit dem Praktischen. Auf diese Weise kann auch die Klarheit und Ruhe
der Lebensführung selbst durch die praktisch richtige Anlage
erreicht werden, und man könnte dann diese Ruhe der
Lebenshaltung mit dem Ästhetischen des Eindrucks in eine
Parallele ziehen. Was diese praktischen Dinge betrifft, so
wäre es ein Missverständnis anzunehmen, dass durch
die neue Auffassung auch nur das Geringste an Bequemlichkeit
gegenüber der früheren Einrichtung aufgegeben werden
soll. Im Gegenteil wollen wir uns das Leben durch Entlastung von allem
Krimskrams und seinen Reinigungsarbeiten, der Vielwäscherei
und dergleichen erleichtern und uns Freiheit für unser eigenes
Leben und unsere eigenen Gedanken schaffen. Die Hygiene des
Körpers durch Bäder und Luftbäder spricht
sich in der Hygiene der Räume und des Hauses durch ihre
entsprechend saubere und nichts als sich selbst gebende Form in allen
Einzelheiten aus. Es handelt sich nicht um Kahlheit, die sonst
vorhanden wäre, wenn man einfach alle Bilder, Gardinen usw.
abreißen würde, ohne an eine neue Einheit zu denken.
Es handelt sich hier eben um die neue Einheit, die erreicht wird durch
das unverhüllte und betonte Herausstellen jedes, aber auch
jedes einzelnen Elementes, so weitgehend, dass nicht bloß die
Heizkörper durch ihre Freistellung und den Anstrich besonders
betont werden, sondern auch grundsätzlich alle Zuleitungs- und
Heizrohre selbst, dazu noch herausgehoben durch den in Verbindung mit
der Wand angeordneten farbigen Anstrich. Glaubte man bisher, dass es
notwendige Dinge gibt, die wegen ihrer Hässlichkeit versteckt
werden müssen, so meinen wir heute, dass es solche Dinge nicht
gibt und dass eine so wohltätige Einrichtung wie die Heizung
mit ihren Röhren in dieser ihrer wohltätigen
Eigenschaft ganz offen dem Auge gezeigt werden könne, ebenso
wie ein Kachelofen. Man kann sich vorstellen, dass diese heutige
Heizmethode einmal durch die endgültige Lösung der
elektrischen Heizung überwunden sein wird. In dem heutigen
Stadium der Technik aber bedeutet diese Lösung etwas in sich
Abgeschlossenes und deswegen hat sie auch ihre eigene technische
Schönheit. Der Kreislauf des warmen Wassers vom Kessel zum
Ausdehnungsgefäß und von da durch alle
Heizkörper wieder in den Kessel zurück wird auf diese
Weise selbst einem Kinde höchst anschaulich.
Außerdem werden die Heizrohre dadurch selbst zur Mitbeheizung
herangezogen und können bei etwaigen Schäden leicht
ausgewechselt werden. Die Ordnung des täglichen Lebens, seine Klarheit und
Einfachheit kann durch die Art der Einrichtung, durch die Anordnung der
Schränke und sonstigen Dinge ganz wesentlich festgelegt
werden. Dies geschieht dadurch, dass die einzelnen Einrichtungsdinge
sich immer möglichst an der Stelle befinden, wo sie gebraucht
werden, also ein Parallelvorgang zu den Bestrebungen der Volkswirte
nach großen ökonomischen Gesichtspunkten, nach denen
die Erzeugung möglichst nahe an den Verbrauch gelegt werden
soll. Was dort die Erzeugung ist, ist hier z. B. der
Wäscheschrank, und was dort der Verbrauch ist, ist hier das
Bedürfnis des Einzelnen hinsichtlich seiner eigenen
Wäsche, die nicht in einem großen
Wäscheschrank zusammen verstaut und dann erst verteilt wird,
sondern von vornherein in den einzelnen
Wäschebehältern verteilt ist und dadurch jedem
Einzelnen in unmittelbarster Nähe zur Verfügung
steht. Das gleiche Prinzip, was Hausreinigung anbetrifft, Tischdecken
und -abräumen, Geschirrwäsche und all dergleichen
mehr. Die Aufgabe des neuen Wohnungsbaues liegt darin, einen
Wohnungsorganismus zu schaffen, der die Reibungen durch das
widerspenstige Objekt auf ein Mindestmaß
zurückführt, ja womöglich ausschaltet. Das
Haus mit allen seinen Teilen muss Besitz des Menschen sein; nicht darf
das Haus den Menschen besitzen. Darin liegt auch die Grenze
für die Spezialisierung, für alle Einbauten von
Schränken usw. wie für die Mechanisierung des
Hausbetriebs. Das Haus muss seinem Bewohner passen wie ein Gutsitzender
Anzug, es muss ihn ebenso kleiden. Ästhetischer Hauptgrundsatz:
Wie die Räume ohne
Menschen
aussehen, ist gleichgültig.
Wichtig ist nur, wie die Menschen darin aussehen.
Also muss auch das Maß
jeder
Tür, jedes Fensters, kurz aller Dinge auf den Menschen
zugeschnitten sein. Türen zu kleinen Räumen brauchen
nicht auf Riesen berechnet zu sein. Frauen und Kinder müssen
darin gut aussehen, ein Mann über 1,80 m
Größe kann sich ruhig darin bücken.
Allgemeine Durchgangstüren genügen mit 1,90 m
Höhe, und wo eine größere Höhe
genommen wird, dort soll sie ihren Sinn haben, eröffnen zu
einem großen Raum, zur Landschaft, doch so, dass die
Proportion nie das Menschenmaß im Stich lässt.
So muss auch jedes Dogma in den Einzelformen verschwinden. Das Ableiern
einer "modernen" Formlitanei ist im Grunde ebenso veraltet und
rückständig wie jeder frühere Stilkanon.
Unbedingte, platterdings auf jedes Material, selbst auf Glas bezogene,
das Plastische und Reflektierende ausschließende
Flächigkeit, das Ausschließen allen Gelbmetalls
(Bronze, Kupfer, Messing), die uniformhafte Beschränkung der
Farbenskala, die Ablehnung jeder Symmetrie, die absolute Diktatur des
Rechtecks und Quadrats im Grundriss, des Würfels im Aufbau,
des Horizontalen in der Gliederung, des unbedingt Eckigen in jeder
Lappalie. wie es Türdrücker, Lampen, Stühle
usw. sind - alles dies, zur These erstarrt, bedeutet kein Weiterbauen,
sondern einen neuen Ermüdungszustand. Gott sei Dank sind wir über das "Gesamtkunstwerk" Richard
Wagners längst hinweg. Wir sind aber auch schon
darüber hinweggekommen, dass wir
überfühlfein bei jeder Bagatelle eine
künstlerische Offenbarung erwarten. Wir wollen nicht pinselig
sein und nehmen alles, woher wir es gerade bekommen können.
Gibt es z. B. gute handliche ungekünstelte
Türdrücker oder Stühle auf dem Baumarkt -
warum dann durchaus neue entwerfen! Hiermit werden die Kosten berührt. Dass ein solches Haus
ohnehin dem Architekten eine Unsumme neuer Überlegungen und
vieler Mühen auflädt, wird aus dieser Schrift
hervorgehen. Und die Baukosten werden bei solcher Durchbildung des
Wohnwertes heute immer noch recht hoch, so dass, vom Standpunkt des
niedrigsten Wohnstandards aus, vieles überflüssig
erscheinen kann, wie z. B. der Gummifußboden, die Dachplatte
über dem Balkon mit ihrer Glasdecke, die Glaswand der Treppe
usw. Ob diese Dinge Luxus sind, wäre allein aus der Frage zu
beantworten, was sie leisten. Wird diese Frage bejaht, so verschiebt
sich der Begriff Luxus nach einer anderen Seite hin, die in diesem Haus
grundsätzlich vermieden ist: es ist das Herausfallen einzelner
Stücke durch ihren überbetonten Materialwert, durch
eine Kostbarkeit, welche im Gegensatz zu der Bescheidenheit und
Einfachheit des gesamten Hauses steht. Nach dieser Seite hin gibt es
manche Entgleisungen, die dann besonders groß sind, wenn bei
einer sonst einfachen Wohnung ein solches Stück wie ein
Möbel, Teppich, Beleuchtungskörper und dergleichen
nur eine vorgetäuschte Kostbarkeit darstellt.
DIE UNTEREN
WOHNRÄUME
Abb. 34.
Vorderfront von Nordosten
Abb.
35.
Eingang mit halboffener Tür
Abb.
36.
Schnitt durch Vordereingang und Treppe
Abb.
37.
Prismen Fenster mit Eingang
Abb.
38. Blick
durch Flur, Windfang und Wohnzimmer
Abb.
39. Flur
vom Blauen Zimmer aus mit Treppenanfang
Abb.
40.
Garderobe
DIE
FARBEN SIND IM FOLGENDEN MIT FETTEN BUCHSTABEN BEZEICHNET; DIE DEN
ABBILDUNGEN UND DER FARBENTABELLE
AM SCHLUSSE DES BUCHES ENTSPRECHEN:
Die
weiße glatte Haustür, auf einem Podest von drei
Stufen mit einem auf den Mindestaufwand
zurückgeführten Geländer (rot angestrichenes
Gasrohr Farbe Q)
öffnet sich nach außen unter einem
kleinen, in der Unterfläche rot gestrichenen Schutzdach, das
sie fast mit ihrer Oberkante berührt. Der in der
geöffneten Tür Stehende ist dadurch gegen den Wind
geschützt und ebenso gegen Regen. Er tritt in den Windfang,
der knappste Ausmaße und die üblichen Einrichtungen
hat, darunter auch die altbekannte Vorrichtung zum Stiefelreinigen.
Eine völlig glatte Tür mit einer Spiegelglasscheibe
gibt den Einblick bis ins Wohnzimmer frei, wobei der farbige Eindruck
von dem kalten Blau des Windfangs (zwischen V und W)
zu der kühlen Farbigkeit des Flurs und von da
weiter
zu der warmen Gesamttönung des Wohnzimmers führt. Der
Flur ist bis oben herauf ganz weiß (U), seine
untere Decke kaltgrün (G), die Leitungsrohre der
Heizkörper hier
zitronengelb (R). Die daneben befindliche kleine
Garderobe enthält die notwendige Einrichtung in knappstem
Ausmaß, doch einen größeren Waschtisch,
mit Glasplatten in der Nische des Heizkörpers.
Abb. 41.
Garderobe und Toilette (Am Windfang)
Die
Wohnzimmertür ist schwarz gestrichen mit weißer
Schlagleiste, nur mit einigen Farben in der Umrahmung: Weinrot (C),
Gelb (F), Schwarz.
Abb. 42.
Wohnzimmer Blick in den Garten
Das
Wohnzimmer zeigt zu allen Jahreszeiten durch die beiden
großen Fenster und die Tür in der Mitte die
ungekünstelte Gartenlandschaft, eingerahmt durch die Grenze
des Waldes hinter den Wiesen. Diese zu jeder Jahreszeit gleich
schöne Landschaft ist der Ausgangspunkt für die
farbige Lösung gewesen. Die drei Wände mit Fenstern
und Außentür sind deswegen sandgrau (B),
während
die drei übrigen Wände des sechseckigen Raumes ein
Weinrot (C) tragen mit dunkleren
Türumrahmungen der gleichen Skala, und zwar deswegen, weil die
leuchtende Abendsonne warm, aber nicht grell aufgefangen werden soll.
Die gesamte Decke dagegen hat das in Leimfarben nur irgend erreichbare
leuchtendste Rot (A), so dass vom unteren Flur aus
das Rot der Decke als Komplementärfarbe zum Grün der
Wiese erscheint, ohne dem Naturgrün Konkurrenz zu machen, da,
wie auch sonst im Hause, die grellen Töne nur auf indirekt
beleuchteten Flächen verwendet worden sind. Man kann
für die Farben im Raum etwa grundsätzlich das Prinzip
aufstellen, dass die leuchtenden Töne nur dort angebracht
sind, wo das Tageslicht sie nicht direkt bescheint, sondern wo sie im
Streiflicht oder im Schatten liegen und wo sie dadurch zu einem Mittel
werden, dem Raum eine farbige Atmosphäre zu geben, ohne sich
selbst aufzudrängen. Die Türen sind wie sonst alle
abgesperrten Türen in dem einfachen Naturholzton der Rotbuche,
woraus die gewöhnliche Sperrplatte besteht, gelassen und
lackiert. Das Zeigen des Naturholzes ist ein eigenes Problem in der
farbigen Raumgestaltung. Es ist hier aufs strengste zu vermeiden, dass
eine Farbe in seine Nähe kommt, die durch ihre Leuchtkraft das
Holz beeinträchtigt und seines edlen Materialreizes beraubt,
es also nur zu einer nichts sagenden graubraunen Fläche macht.
Rot ist dabei die gefährlichste Farbe. Um die Farbenverwendung
hier noch zu vervollständigen, sei erwähnt, dass die
inneren Fensterrahmen wie auch die Glastür schwarz sind, um
die schöne Scheibe noch klarer erscheinen zu lassen, die
Schlagleisten signalrot (Q) und die Fensterbretter
schwarz, dagegen das übrige Holzwerk der Fenster rein
weiß. Die großen Heizkörper sind auf der
grauen Wand gegliedert in zwei Farben, in ein vorsichtiges Rot (T)
Abb. 43.
Wohnzimmer vom Garten Gesehen
und
Blau (S), die bei den Heizröhren unter
Absetzen der Befestigungseisen durch die Entgegengesetzte Farbe wieder
zur Geltung kommen: das matte dunkle Blau bei den
Ablaufröhren, das matte dunkle Weinrot bei den
Zulaufröhren. Gerade in diesem Falle bedeuten die offenen
Röhren eine Mitheizung der beiden großen
Außenwände. Zur Vervollständigung: die
Möbel sehr zurückhaltend, Stühle schwarz,
ebenso Bezüge des Sofas und der Sessel (die Sessel sind alte
aufgefrischte Stücke). Der Schritt durch die Gartentür führt auf den Rasen
und zeigt von da das Wohnzimmer in einer tiefen Farbigkeit, welche
anders geartet ist als diejenige vom Flur aus. Das Haus zeigt sich hier
von außen rein weiß und betont damit die der
Atmosphäre zugehörige Helle des Wohnhauses. Auch die
Läden sind in ihren glatten Flächen weiß,
jedoch die Fensterrahmen zur Verstärkung der klaren sauberen
Fensterform schwarz mit zitronengelben (R) Schlagleisten. Für die Fenster sind zur Licht- und Wärmeregulierung
Läden angeordnet, die in einen Holzfalz sehr knapp
hineinpassen und im geschlossenen Zustande völlig glatt in der
Wand liegen. Die Läden sind hier keine romantische Sache,
sondern wegen des starken Winddrucks im Winter als Wärmeschutz
notwendig, gleichzeitig zur Kühlhaltung im Sommer und
schließlich zur eventuellen Abdämpfung des Lichtes
an Stelle von Vorhängen. Das Wohnzimmer bedeutet den Zentralraum des Hauses: um ihn
möglichst groß zu halten, ist kein besonderer
Essraum angelegt, sondern eine Seite des Zimmers, sozusagen eine
Nische, ist für den Esstisch eingerichtet, während
die andere Seite einen Gruppenplatz um den Teetisch enthält.
Der Fußboden (Gummifußboden der Runge-Werke,
Berlin) zeigt durch seine Teilung diese Raumfunktion an: eine graue
Bahn führt von den inneren Türen zur
Außentür, während die beiden
übrigen Flächen blaugrau belegt sind. Die dadurch
entstehenden Linien nehmen die Hauptlinien des Grundrisses auf und sind
in dem kleinen unteren Wohnraum in derselben Richtung fortgesetzt, und
zwar dort schwarz und hellgrau in wechselnden Bahnen. (Gummi ist zwar
teurer als Linoleum, reinigt sich aber einfacher und erspart jede Art
von Teppichen, Läufern usw.) Der Teetisch ist ein einfaches Gestell zum Tragen einer
weißen Alabasterglasplatte (über seine Konstruktion
und seine Lampe siehe die Abbildungen). Die Raumbeleuchtung des Wohnzimmers erfolgt durch einen
Beseg-Reflektor, dessen Licht sich gleichmäßig
über den Raum verteilt und durch einen neu konstruierten
Körper aus vorhandenen Luxfer-Prismen warm und mild gemacht
wird, ohne dass dem Licht die sehr wichtige Eigenschaft des Funkelns
genommen wird, eine Lösung, die den
Beleuchtungskörper auch bei Tage zu einem lebendigen
Gegenstand macht. Bevor von dem Esstisch und seinem Zubehör die Rede ist, soll
noch das kleinere untere Zimmer in seinem Eindruck geschildert werden.
Hier ist die Farbigkeit im Gegensatz zum Wohnzimmer wohl
kühler, aber nicht kalt. Decke tief ultramarinblau
(E), die beiden Längswände
und
die Rückwand weicher und heller blau (D), dagegen die
Stirnwand mit dem Hauptfenster zwischen den
beiden Ruheplätzen chromgelb (F). Es wird
dadurch die Richtung vom Flur auf den Garten betont, die auch in den
Liegeplätzen aufgenommen wird; dagegen hebt der
Fußboden die Richtung des Schreibtisches und des
Bücherschrankes in Beziehung zum Hauptwohnraum durch den
schwarzen und hellgrauen Gummibelag hervor. Auch hier die
Türen im Naturton mit dunklen Umrahmungen (blau), das
Kiefernholz des Bücherschrankes ebenso dunkelblau und die
Stoffe schwarz mit einer grauen Decke auf dem Lesesofa.
Abb. 44.
Fenster des Wohnzimmers Fensterflügel geöffnet
Abb. 45.
Teetisch bei Tag
Abb. 46.
Teetisch bei Beleuchtung
Abb. 47.
Normalfenster und Läden
Abb.
48.
Teetisch im Wohnzimmer
Abb.
49.
Deckenlampe im Wohnzimmer
Abb. 50.
Grundriss Wohnzimmer
Abb. 51.
Grundriss blaues Zimmer
gemeinen FamiliendingeDieses
ist ebenfalls ein altes überarbeitetes Stück, die
Chaiselongue ist ein so genanntes Patentbett, das stets für
einen Besuch fertig ist, für den in der Garderobe der
Waschtisch zur Verfügung steht. Es handelt sich bei diesem
Raum natürlich weder um einen so genannten "Salon" noch um ein
so genanntes .,Herrenzimmer", sondern um einen Ersatzwohnraum zum
Aufenthalt für die Kinder, zum Lesen, wie erwähnt,
für den Besuch und auch zum Arbeiten der all.
Abb. 52. Blaues
Zimmer vom Vorgarten (Straße) aus
Abb. 53.
Gummifußboden im Wohnzimmer
Abb.
54.
Gummifußboden im Wohnzimmer
Der
Schreibtisch (seine Lampe stammt vom Bauhaus Dessau) ist demnach in
seinen Fächern so eingeteilt, dass vier besonders
verschließbare Abteilungen für je drei stehende
Briefordner außer dem nötigen Briefpapier
untergebracht werden können. Die Raumbeleuchtung ist
ähnlich wie beim Wohnzimmer aus Luxfer-Prismenformen unter
einer Röhrenlampe konstruiert, wie auch im Flur,
Abb. 55. Blaues
Zimmer Bücherschrank
Abb. 56. Blaues
Zimmer Schreibtisch
Abb. 57. Blaues
Zimmer mit Bücherschrank
Abb. 58. Blaues
Zimmer / Lampe
Abb. 59.
Erdgeschoss Lampe
Abb. 60. Blaues
Zimmer Rauch- und Ablegetischchen
in
der Treppe und im Bad ein ähnliches Prinzip zur Geltung kommt.
Das letzte Ausstattungsstück bildet ein einfaches Tischchen
mit gelb (R) lackierter Platte.
Heizkörper und -rohre am großen Fenster: T,
am kleinen: R. Es ist hier versucht worden, eine Schilderung der
Ausstattungsweise zu geben, die leider immer etwas trocken
ausfällt. Den Zusammenklang der einzelnen Teile der
Räume, der Fenster, die ausschließlich vom Raum aus
und gar nicht auf die Fassade hin angelegt sind. der Türen und
all dergleichen kann man nicht schildern. Eine Hilfe dazu
müssen die Bilder sein.
Abb. 61. Blaues
Zimmer, Blick auf Lesesofa und Ruhebett
DER GEDECKTE TISCH
Abb. 62.
Esstisch im Wohnzimmer
Abb. 63. Tisch
mit Vergrößerungsring
Es
ist zweifelhaft, ob sich der Leser aus Beschreibungen von
Farben und Materialien ein Bild der Räume machen kann;
immerhin sind sie vielleicht einmal von Wert, um die oft als
Willkür missverstandene neue Farbbehandlung in ihrer
Gesetzmäßigkeit verfolgen zu können und um
dadurch schlimmen Ergebnissen zu entgehen. Die von diesen
Grundsätzen ausgegangenen Anregungen haben leider vielfach
schon zu schweren Entgleisungen geführt. Man mag sich also den
gesamten Raumeindruck der beiden Wohnzimmer vergegenwärtigen,
den blau-hellgelb-, also kühlfarbigen des kleinen Zimmers, in
das die Morgensonne und die Mittagsonne hineinscheint, und den
warmfarbigen des großen hallenartigen Wohnraumes, der die
Nachmittags- und Abendsonne aufnimmt. Hier in einer Hälfte des
Sechsecks steht der Esstisch mit einer schwarzen Gummibelegten Platte,
die stets, ob gedeckt wird oder :nicht, so bleibt, wie sie ist.
Abb. 64.
Wohnzimmer / Esstischlampe
Abb. 65.
Esstisch bei Beleuchtung
Auch im
erweiterten Zustande, also für l5 Personen statt 7-8, bleibt
derselbe Eindruck durch ringförmige Erweiterungsplatten
(welche unbenutzt unterhalb der Tischfläche aufbewahrt
werden). Der Fuß des Tisches ist zum Aufsetzen der
Füße ebenfalls mit schwarzem Gummi bezogen. Die
darüber hängende Lampe bildet einen schwarz
lackierten Kegel als Strahler des Lichtkegels; doch ist dieser in
seiner Lichtwirkung nicht scharf umgrenzt, vielmehr geht das Licht
infolge der modellierten Luxfer-Prismen ganz langsam in den Schatten
über, beleuchtet aber den Tisch stark, der ohne
weißes Tischtuch nicht blendet. Das Licht selbst blendet
nicht, obwohl es im Glase funkelt, und ist in seiner Leuchtkraft fast
gar nicht geschwächt, wie es bei Mattglas oder Stoff der Fall
wäre (Fabrikat Luxfer-Prismen G. m. b. H.,
Berlin-Weißensee).
Abb. 66.
Esstisch ohne Ring Büfett in Benutzung
Abb. 67.
Wohnzimmer / Büfett
Abb. 68.
Spülküche Spüle und Schrank in Benutzung
Auf der
schwarzen Tischplatte leuchten dagegen; die Teller, Gläser und
Bestecke. Hier kann eigentlich von "Tischdecken" nicht mehr gesprochen
werden, da ja die Tischdecke selbst fehlt. Auch von der Arbeit des
Tischdeckens selbst nicht, da die sauberen Teller usw. unmittelbar
neben dem Tisch, ohne dass man einen Schritt tut, aus dem
Wandbüfett der linken Seite herausgenommen werden. Auch beim
"Abdecken" des Tisches braucht man keinen Schritt zu tun: die Geschirre
werden in die rechte Hälfte des Büfetts gestellt. Auf
der andern Seite in der Spülküche ist dicht daneben
der Spültisch; dort werden die Geschirre gereinigt und gleich
in jenes Fach gestellt, aus dem sie, vom Esstisch her zum Tischdecken
entnommen werden. Der kürzeste Kreislauf, der sich ausdenken
lässt!
Abb. 69.
Besenschrank mit Küchenflur
Abb. 70. Im
Verbindungsgang zwischen Küche und Wohnzimmer Besenschrank im
Küchenflur
Abb. 71. Weg
vom Herd zum Esstisch
Abb. 72.
Küche / Spüle / Flur
Am
Platz der Hausfrau ist rechts unten ein Gefach, aus dem sie dieses oder
jenes noch Notwendige, ohne aufzustehen, herausnehmen kann, z. B. auch
den Vorrat von sauberen Servietten, während die
täglich gebrauchten, wie auch Bestecke, Löffel usw.
in vier Schubkästen mit verschiedenen Farben (schwarz, blau,
rot, grau) liegen, ebenfalls in sitzender Stellung mit ,einem Griff zu
erreichen; darüber zwei Auszugplatten zum Abstellen. Auf der
Seite der Spülküche dienen die übrig
bleibenden Fächer für
Küchenhandtücher und bieten sonstige
Abstellmöglichkeit. Das Essen wird vom Herd zum Tisch in einer
Entfernung von fünf
Schritten aufgetragen, und trotzdem befindet sich zwischen
Küche und Essraum ein kleiner Zwischenraum, der hinter einer
Schiebetür als Besenkammer für das
Erdgeschoß dient, auch für den Gasmesser,
Küchenschürzen usw., mit Hängeboden
für weiteres (leere Kartons u. dgl.; Entlüftung). In
der Küche links neben dem Herd der Ausguss mit
Nickelwasserhahnregler (warm und kalt), mit Ausgusssieb, versehen mit
Aufstellvorrichtung für Eimer und Töpfe. Die
Küche kann nicht kleiner sein und hat doch in
betriebsmäßiger Reihenfolge ihre verschiedenen
notwendigen Einrichtungen. Vom Herd angefangen: dieser selbst ist ein
Dreilochgasherd (Drei- und nicht Vierlochgasherd, um die
Möglichkeit zu geben, große Pfannen oder
Töpfe besser aufzustellen), Zweilochkohlenfeuerung, und da
dieser Gasersatz selten in Frage kommt, ist darüber der
"Sanogres" aufgestellt, der in geschlossenem Raum Braten und Einwecken;
Kochen bis Grillen zulässt was von außen am
Thermometer abzulesen ist.
Abb. 73.
Küchenschrank in Benutzung
Abb. 74.
Küche Fensterschrank
Abb. 75.
Küche / Herd / Ventilator / Fenstertisch
Abb. 76.
Küche / Fensterschrank und Löffelschrank in Benutzung
Abb. 77.
Küche Schränke geschlossen
Abb. 78.
Küchenschrank
Abb. 79.
Küche / Löffelspind auf dem Fensterschrank
"Sie
braten mit Fett, wir braten ohne Fett - Sie kochen den Fisch mit
Wasser, wir kochen ihn ohne Wasser - Riecht es in der Küche
gut, so kocht man schlecht" - so lauten die Grundsätze des
Erfinders, die er nicht übel verwirklicht hat. Da jedoch bei
Bratkartoffeln und Kartoffelpuffern eine Geruchsentwicklung nicht zu
verhindern ist, so sorgt ein elektrischer Ventilator an Stelle der
üblichen Dunstklappe für den Abzug des, Dunstes, der
auf schleunigstem Wege aufs Dach geführt wird, um sich der
Landschaft mitzuteilen. Die Hausfrau muss unmittelbar am Herd ihr
Handwerkszeug haben; deshalb hat sie sich, um jede
überflüssige Bewegung zu sparen, unmittelbar
gegenüber dem Herd in Reichhöhe für je einen
bloßen Griff ein Schränkchen für
Kochlöffel (die sonst entweder verstaubt benutzt oder jedes
Mal abgewischt werden müssen), für Topfdeckel, Salz,
Zwiebel und kleines Gerät erfunden - "die Frau als
Schöpferin!". Dieses Schränkchen steht auf der mit
grauem Gummi bezogenen Fenstertischplatte, die mit zwei Ausziehplatten
erweitert werden kann; darunter sind Fächer mit
Schiebetüren. Dann folgt weiter rechts neben einem Durchreich-
und Ausguckfensterchen eine kleine Speisekammer unter der Treppe und
noch weiter rechts der Küchenschrank. Er hat für
seinen Hauptteil einen Rolljalousieverschluss, der die kostbarsten
Teile birgt. Diese sind zunächst die nach amerikanischem
Muster angefertigten Silos für Mehl und Zucker, von oben
bequem zu füllen, von unten mit einem Nickelschieber in
beliebigen Mengen zu entleeren (in geschlossenem Zustande zeigt ein
schmaler Glasstreifen die Höhe des Inhalts an).
Abb. 80.
Spülküche beim Plätten
Abb. 81.
Plätte in der Spülküche
Sodann
ein eingebautes Holzgefach mit Porzellanschubladen für
Kolonialwaren und Eier und des weiteren Abstellfächer
für Tee, Kaffee, Kakao; ein anderes für Marmeladen
des täglichen Gebrauchs, wieder ein anderes Fach für
Kaffee-, Teekannen und so fort, also alles Geschirr, das in der
Kochküche gebraucht wird. Unten
Schiebetürfächer, darüber zwei
Ausziehplatten. Ein Drehstuhl ist zur Regelung der Sitzhöhe
nach den Empfehlungen von Dr. Erna Meyer vorhanden. Die Beleuchtung
geschieht bei diesem kleinen Raum durch eine
gleichmäßig streuende Mattglaslampe mit Reflektor. Prinzipiell ist in dieser Küche kein Gegenstand offen
aufbewahrt; deshalb ist es nicht schwer, sie bei Nichtbenutzung stets
völlig aufgeräumt zu halten. Ihre Anlage beruht auf
reiner Zweckmäßigkeit; trotzdem oder vielleicht
gerade deshalb macht sie einen fast "gemütlichen" Eindruck
(ohne Vorhänge!) und wird nicht ungern von Kindern selbst zum
Essen benutzt. An dieser Stelle dürfte das Urteil eines
amerikanischen Professors nicht unbeachtlich sein, der die
Küche für den gelungensten Teil dieses Hauses
erklärte. In unmittelbarer Nähe, dicht neben dem Herd, ist die
Tür zur Spülküche, welche das geschilderte
Büfett, den Spültisch, den Junkers-
Warmwasserbereiter für das ganze Haus und das
Herunterklappbahre Plättbrett nebst Ablageklapptischchen
enthält. Leider müssen wir in Deutschland die
Vorrichtungen für ein solches Plättbrett erst neu
entwerfen und anfertigen lassen, anstatt es fertig kaufen zu
können. Neben ihm eine kleine Kammer zur Aufbewahrung des
Bügeleisens (mit Birkaregler), für das
Schlüsselbrett und in seinem Hauptraum für
Eingewecktes auf Fächern, die sich nach unten verbreitern.
Dieser Raum hat mit 1,75 m Breite die kleinstmöglichen
Abmessungen. Von ihm führt eine Tür mit drei Stufen
unmittelbar zur Waschküche und weiter zu den
Wirtschaftsräumen, zum Seiteneingang nebst Hof und zur Garage.
Abb. 82.
Spülküche Plätte in Ruhe Vorratsschrank
Geöffnet
Abb. 83.
Vorratsraum
Abb. 84.
Ausguss mit Hahnregler
VON SEIFE ZU BENZIN
Abb. 85.
Grundriss Waschküche
Abb. 86.
Waschküche Schmutzwäsche
Abb. 87.
Waschküche / Schmutzwäsche Kasten unter dem
Spültrog
Abb. 88.
Waschküche Mangel
Abb. 89.
Waschküche Kessel, Zentrifuge und Einweichtisch
Abb. 90.
Waschküche Mangel und Schmutzwäscheschrank
Die
Waschküche hat solche Raumausmaße, dass
die weiblichen Beteiligten des Baues, als die Maurer ihre Mauern
aufführten, einen unerhörten Spektakel wegen ihrer
Kleinheit machten. Heute dagegen finden dieselben Beteiligten sie
völlig ausreichend, obwohl sie an jeder Wandstelle mit
irgendeinem Apparat oder Einrichtungsstück ausgenutzt ist, so
dass wirklich nur die beiden Türen frei bleiben: Ausguss,
Gaswaschapparat, Zentrifuge mit hydraulischem Druck (Wringmaschine),
Spültrog mit zwei Abteilungen, Warm- und
Kaltwasserhähnen, darunter drei Fächer für
kleine schmutzige Wäsche (Taschentücher,
Strümpfe usw.), dann stehende Handrolle mit drei Walzen und
Rolltuch; darüber Schubkasten zur Aufbewahrung der in diesem
Raum nötigen Vorräte von Seife, Seifenpulver usw.,
außerdem für Schuhputzzeug. Die Wandfläche
zwischen den beiden Türen nimmt ein
größerer entlüfteter Schrank für
die schmutzige Wäsche ein, die oben eingeworfen und unten
entnommen wird. Eine Schiebetür führt zu dem Wirtschaftsgang, an dem
sich befinden: links der Heizkessel mit Koksvorrat unmittelbar daneben
(einzuwerfen direkt von außen vom Kohlenwagen her), mit einem
Fenster, so dass der Kessel immer Tageslicht hat, in halber
Höhe eingebaut ein kleiner Hühnerstall mit
Öffnung, zum Wirtschaftsgang, von wo die Hühnerluke
geöffnet wird, dann weiter rechts eine isolierte
Vorratskammer, gewissermaßen Kellerraum, mit den
üblichen Stellagen, sodann in gerader Richtung ein
Kartoffelkeller mit Einwurf von außen, und
schließlich rechts die eisenbeschlagene
Selbstschließende Türe zur kleinen Garage
für den Berufswagen, die außerdem
Gartengeräte und Fahrräder sowie Handwerkszeug in
knappster Anordnung enthält.
Abb. 91.
Heizung
Abb. 92.
Wirtschaftsgang mit Hydrothor und Kartoffelkeller
Abb. 93.
Wirtschaftsgang mit Vorratsraum / Garage / Kartoffel Keller
Abb. 94.
Hühnerstall neben Heizung (Wirtschaftsgang)
Der
Wirtschaftsgang dient auch als Trockenboden; dafür sind
über Kopfhöhe verzinkte Drähte gespannt;
etwa 40 m Länge zum Wäschehängen. In ihm
befindet sich der Hydrophob mit Elektromotor, d. h. die eigentliche
Wasserversorgung des Hauses: der Motor pumpt das Wasser aus dem Brunnen
heraus und bringt es durch starken atmosphärischen Druck in
alle Räume. Bei Nachlassen des atmosphärischen
Druckes im Hydrophor springt durch einen Automat der Motor an. Eben so
wie die öffentliche Wasserleitung fehlt auch die Kanalisation:
die Abwässer laufen in einem schnurgeraden Strang unter dem
Erdgeschoßfußboden zusammen und von da in die
Omsklärgrube, welche die festen Teile
zurückhält und durch Gärung zersetzt. Die
geklärten Abwässer werden in einer einfachen
Drainrohranlage dem Garten zugeführt; soweit sie dort nicht
versickern, leitet ein anderes Drainrohr sie bis weit herunter zur
Moorwiese. Der Wirtschaftshof ist gegen den Nachbar hin mit einer
weißgrünen (Y, U) Holzwand abgegrenzt, zum Garten
hin neben der Hundehütte durch
eine so genannte "Gärstatt" der Siedlerschule Worpswede, einen
Silo für den Müll, der unter Verschluss in
Gärung kommt und so für Kompostzwecke vorbereitet
wird. Die hauswirtschaftlichen Funktionen dieser Dinge wird die Leserin
aus
der Schilderung und den Bildern erkennen. Die Beschränkung auf
den geringsten Aufwand an Raum und Material sowie gleichzeitig an
Arbeit und Anstrengung braucht kaum hervorgehoben zu werden. Solche
Anlagen können vernünftigerweise nur als rationelle
Betriebsanlagen ausgestaltet werden, da von ihnen her das
Wirtschaftsbudget entscheidend beeinflusst wird.
Abb. 95.
Garagentor
Abb. 96.
Wirtschaftsgang Wäschedrahthalter
Abb. 97.
Vorratsraum Weinschrank
Abb. 98.
Vorratsraum Fliegenschrank
Abb. 99. A -
Erdgeschoss
HEIZSYSTEM
A. ERDGESCHOSS
B. OBERGESCHOSS
Abb. 100. B -
Obergeschoss
Abb. 101.
Kanalisation Erdgeschoss
Abb. 102.
Hühnerhof
Abb. 103.
Müllsilo
Abb. 104.
Kanalisation Obergeschoss
Abb. 105.
Hühnerhof
GLASARCHITEKTUR
Das Glas bringt uns die neue Zeit
Backsteinkultur tut uns nur Leid
Spruch von Paul Scheerbarts Am Glashause in Köln 1924
Abb. 106.
Glasdach von Zimmer aus
Abb. 107.
Ausschnitt aus der Rückfront
Man betrachte auf den Photographien die den Balkon
schützende Dachplatte: sie enthält Prismen zwischen
Beton, wie sie von Bahnsteigen her bekannt sind; sie sollen auch bei
diesem Hause bei einer etwaigen späteren Aufstockung als
zweiter oberer Balkonfußboden dienen. Man sieht an den
Bildern die durchscheinenden Reflexe, muss sich aber sehr auf seine
Phantasie verlassen, um die volle Wirkung in Natur auch nur entfernt
vor Augen zu haben: das Durchscheinen des Himmelblaus, das Funkeln der
Sonnenstrahlen und vor allem der Strahlen des Mondes, dessen Licht in
vielen schillernden Reflexen voll über die ganze
Fläche ausgegossen erscheint, fast ein Stück
Romantik, aber nicht auf alter Handwerklichkeit, sondern auf modernem
Industriegeist beruhend. Hier tritt eine Ergänzung der
Atmosphäre, der Landschaft durch etwas ihr Entgegengesetztes
in Kraft, und gerade dadurch wird dieses Entgegengesetzte, wie es das
moderne Industrieprodukt ist, zu einem Stück Natur selbst.
Abb. 108.
Mittleres Schlafzimmer Blick zur Glaswand
Abb. 109.
Balkontür vom Balkon aus
Abb. 110.
Glaswand mit Lampe vom oberen Flur
Von der Spitze des Balkons durch das mittlere Schlafzimmer bei
geöffneten Türen gesehen, erglänzt im
Hintergrund die Glaswand der Treppe, die ebenso wie jene Glasdecke
gefügt ist. Diese Glaswand schließt sich
außen und innen vollständig der Treppe an, sie ist
zwischen Treppe, Wänden und Decke eingespannt und hat in
Sitzhöhe über den Stufen eine Weißglasierte
Auskachelung. Die Vormittags-Sonne strahlt hier in vollster Kraft und
lässt durch die vielen Strahlenbrechungen ihr Licht noch
verstärkt erscheinen, ohne dass ein abgegrenzter Lichteinfall
oder ein Schlagschatten entsteht. Der Lichtakkord ertönt hier
Fortissimo, durchflutet den oberen Flur und die Schlafzimmer. wenn ihre
Türen geöffnet sind, die Wärme des Lichtes
breitet sich dahin aus, und gleichzeitig flutet es nach unten bis in
das Wohnzimmer durch seine Glastür. Morgens kommt dadurch der
volle Sonnenschein durch die Rückwand in diesen Raum,
während seine Fenster und seine Ausgangstür ins Freie
das kühle. im Schatten liegende Grün des Gartens
zeigen.
Abb. 111.
Straßenseite / Nachtaufnahme mit Beleuchtung
Die Glaswand wird so zu einem beherrschenden Bestandteil der Wohnung,
ohne dass die klimatischen Schwankungen lästig werden und
Vorhänge oder dergleichen wegen der Erhitzung des Glases und
der Überbelichtung notwendig sind. Auf diese Weise wird die Treppe zu einer wirklichen Verbindung des
oberen und unteren Teils des Hauses und macht aus beiden Stockwerken
eine unlösbare Einheit.
Abb. 112. Flur
im Obergeschoss
Die Glaswand hebt die Treppe fast auf und erleichtert die Mühe
des Steigens. Ebenso wie die Morgensonne wirkt hier der Mond, der, wenn
das elektrische Licht nicht brennt, ebenso durch das ganze Haus
leuchtet, mit der Reizverstärkung, dass er diese Glaswand zu
einem ganz und gar silbern funkelnden Teppich macht. Nach
außen aber ist die Glaswand von besonders erstaunlicher
Kraft. Veranlasst die Schwarzgetönte gewölbte
Hauswand zu allerhand verwunderten Fragen, so hören diese
Fragen auf, sobald gegen Abend die Treppenlampe brennt. Diese selbst
ist nur eine einfache Birne, umgeben von Luxfer-Prismen. Schon dadurch
wird das Licht gestreut. die Glaswand aber verstärkt diese
Streuung, so dass sie selbst vollkommen leuchtet und den ganzen
Vorgarten und selbst die Straße hell macht. Die leuchtende
Fläche in der schwarzen Hauswand - das Ganze ein "schwarzer
Diamant'', wie es ein Freund dieser Architektur nannte. Es ist
erstaunlich, dass das Glas als Architekturmittel erst so spät
seinen Einzug in den Wohnhausbau hält; liegen in ihm doch die
allersubtilsten und feinsten Reize enthalten, die sich ausdenken
lassen. Allerdings stellt es auch Ansprüche. Es darf nicht
durch unsinniges Beiwerk belästigt werden. Deshalb sind alle
Wände und Decken rein weiß (U), nur
der schmale innere Pfeiler in der Glasfläche selbst lichtblau
(H).
Deshalb ist auch das Geländer auf ein Minimum an
Formenaufwand zurückgeführt: einfaches Bronzegeflecht
zwischen schmalen Eisenrahmen. diese signalrot (Q) gestrichen,
der Handlauf schwarz poliert. Im oberen Flur tritt als ein einziger
starker Akzent die Heizleitung auf, die ebenfalls signalrot gestrichen
ist. Sie legt das wärmende Adernetz des Hauses bloß.
Die Türen im oberen Flur sind wie alle Sperrholztüren
im Naturton geblieben und mit schwarzer Bekleidung umrahmt (Stufen und
Fußböden hellgrauer Gummi, im unteren Flur Solnhofer
Platten).
Abb. 113.
Treppengeländer / Anfang und Details dazu
SCHLAFZIMMER
Abb. 114.
Mittleres Schlafzimmer Waschnische
Abb. 115.
Mittleres Schlafzimmer Blick Balkon mit Heruntergeklapptem Tisch
Die Glaswand der Treppe bildet
die Stelle, wo das Licht gesammelt in das ganze Haus hineinflutet, sie
ist aber gleichzeitig auch ein Abschluss des Hauses gegen klimatische
Einwirkungen. Die Schlafzimmer dagegen haben ihre eigene Zentrale, den
Balkon, der zwar mit Glas gedeckt ist, damit die Räume nicht
an Lichtmangel leiden, der aber als offener Raum die freie Natur mit
dem Rundblick und die frische Luft ohne Abgrenzung genießen
lässt. Der Balkon ist der Sammelpunkt der drei Schlafzimmer,
welche auf ihn mit drei verglasten Flügeltüren
führen. Er gibt je nach Windrichtung Schutz gegen Regen und
gleichzeitig Gelegenheit für Luft- und Sonnenbäder
(auch hier Gummifußboden). Die winkelige Lage der
Türen bringt jedem der drei Schlafzimmer die direkte Sonne,
dem nach Nordwesten gelegenen die Nachmittagssonne.
Abb. 116.
Mittleres Schlafzimmer vom Arbeitszimmer aus
Abb. 117.
Schränke im mittleren Schlafzimmer
Abb. 118.
Ecklampe / Schlafzimmer / Obergeschoss
Abb. 119.
Mittleres Schlafzimmer Blick auf Balkon mit Aufgeklapptem Tisch
Abb. 120.
Klapptisch
Abb. 121.
Mittleres Schlafzimmer Grundriss
Die ausmündende Treppe führt auf die Tür des
mittleren kleinen Schlafzimmers, welche geöffnet die
Blickrichtung in der Achse des Hauses auf die Balkonspitze bietet und
dahinter auf die Wiesen und Wälder im Hintergrund. Dieses
mittlere kleine Schlafzimmer ist in der vollen Ausnutzung seiner
Raummaße auf Zentimetermaß ein Normenzimmer. Es
enthält die Bettnische mit Wandbrettchen für Lampe,
Uhr usw. und links von ihr den Wäscheschrank, berechnet auf
die Legebreite der Leibwäsche, rechts davon die Waschnische
mit Glasplatten an den Seiten, und zwar in einer solchen Höhe,
dass man sich nicht daran stößt. In der Ecke die
Lampe hinter Mattglasscheiben zur Beleuchtung des Waschtisches und
gleichzeitig auch zur Beleuchtung der ganzen Figur, die sich in dem
Spiegel sehen will, welcher sich nach Öffnen des
Kleiderschrankes an der Innenfläche seiner Tür
befindet. Zwischen Tür und Waschtisch der Heizkörper,
sodann neben der kleinen Verbindungstür zum großen
Schlafzimmer ein Klapptisch und außerdem noch ein Platz
für ein Harmonikabett, das zum Liegen auf dem Balkon benutzt
wird. Die Farben dieses Raums sind folgende: Waschnische mit Kacheln
weiß (U), Hinterwand schwarz (X), um die
Raumtiefe im Eindruck zu verstärken, Bettnische in den
Wänden tiefblau (E), gegenüberliegende
Wand orangegelb (J), Decke und
Glastürwand leuchtend rot (A). Diese
Tür ist in den Leisten blau (S) abgesetzt,
Heizrohr und -körper blau (S),
während das Holzwerk der Sperrholztüren und
-schränke im Naturton mit schwarzen Umrahmungen geblieben ist.
Fußboden von schwarzen Gummiplatten.
Abb. 122.
Rechtes Schlafzimmer Waschmaschine
Abb. 123.
Rechtes Schlafzimmer Fenster und Türen
Abb. 124.
Rechtes Schlafzimmer
Abb. 125.
Kammer 1.Stock
Abb. 126.
Schrank
Abb. 127.
Kammer Bettseite
Abb. 128.
Kammer Schrankseite
Rechts und links von diesem mittleren Schlafzimmer und entsprechend zum
Balkon gelegen befinden sich zwei weitere Schlafzimmer, von denen das
rechte zwei Personen zum Schlafen dient. Das eine Bett ist ein
Patentbett und wird bei Tage als Ruhelager benutzt. Das Zimmer
enthält wie das vorige einen Kleider- und einen
Wäscheschrank, beide eingebaut mit Oberfach, der
Wäscheschrank größer, da er für
zwei Personen berechnet ist. Entsprechend dem vorigen Zimmer die
Waschnische in gleicher Ausstattung mit gleicher Ecklampe hinter
Mattglas. Das Zimmer enthält außerdem noch ein
Klapptischchen an der erkerartigen Lichtnische. In der Richtung des
Bettes befindet sich eine zu öffnende Klappe, die die
gründliche Durchlüftung ohne Öffnen der
Tür ermöglicht und außerdem die nach
Belieben gewünschte Verbindung zum Unterhalten und Vorlesen
zwischen beiden Räumen. Der kleinere anstoßende
Raum, nach Osten gelegen, für ein erwachsenes Kind: ein hoch
liegendes Fenster unmittelbar am Bett, in der Nische das
Nachttischbrettchen und sonst außer einem freistehenden Tisch
am großen Fenster ein eingebauter Schrank für
Kleider und Wäsche mit einem Abteil für
Schulbücher und dergleichen. Diese Kammer zeigt in der
Aufnahme über dem Bett das Ausdehnungsgefäß
der Heizung, welches sich hier senkrecht über dem Kessel
befindet und, ohne durch Geräusche zu stören,
gleichzeitig zur Mitheizung dient. Die Farbengebung der beiden
Räume ist folgende: diese kleine Kammer in der Decke orange
(J),
an den Wänden blau, und zwar ein warm
rötliches, übergehend in der Tiefenlage von der
größten Dunkelheit an der Fensterwand zu einem
mittleren Ton hinter dem Bett und zu einem hellen an der beleuchteten
Fläche (N, O, P), um das Tageslicht zu reflektieren;
Fußboden graublau. Das danebenliegende Schlafzimmer ist in
seiner Tönung auf empfindliche und leidende Augen berechnet;
daher die Wand gegenüber dem Bett tiefgrün (K),
die Wände mit Streiflicht heller moosgrün (L)
und gelb (F), die Decke in einem milden
Blaugrün (M). Fußboden
grüngrau von Gummi, wie überall. Heizkörper
und -rohre: Y. Das Mattglas der Lampe ist da, wo
die Birne durchschimmert, ebenfalls grün gefärbt; ihr
weißes Streiflicht beleuchtet die weiße Waschnische.
Abb. 129.
Schränke zum Unterstehen Grundriss
Abb. 130.
Schlaf- und Arbeitszimmer Grundriss 1. Stock
Abb. 131.
Schlafecke mit Kleiderschrank
Das dritte gegenüberliegende Schlafzimmer ist
größer gehalten, damit es bei etwaiger
späterer üblicher Benutzung das normale
Elternschlafzimmer sein kann. In diesem Fall wird es nach den
besonderen Gepflogenheiten gleichzeitig als Schlaf- und Arbeitszimmer
benutzt. Die aus der winkeligen Grundrissform sich ergebende Nische
nimmt hinter einem handgewebten, schwarz und weiß gestreiften
Vorhang das Bett auf, zu dessen Seite sich der Kleiderschrank befindet,
dem auf der Gegenseite im Bad ein Wäscheschrank entspricht.
Dieser Raum ist so nach seinen zwei Funktionen gegliedert, dass seine
volle Größe jeder Art der Benutzung zustatten kommt,
ohne dass die eine Form des Bewohnens die andere stört. Das
Bett ist ein altes überarbeitetes und vereinfachtes
Stück, weiß gestrichen, neben ihm eine Marmorplatte
und eine weitere Platte als "Nachttisch". Die Fenster sind in der Ecke
so hoch gesetzt, dass sie einmal den Einblick verhindern, also
Vorhänge erübrigen, sodann aber auch die beste
Lüftung des Raumes und Beleuchtung geben. Durch die
Verdunkelung mit Hilfe der Läden erhält dieser Raum
vielseitige Möglichkeiten, das Tageslicht je nach seiner
Benutzung zu variieren, wie auch dadurch, dass er am Entgegengesetzten
Ende durch Balkontür und Blickfenster auf die Landschaft einen
gleichen Lichterker wie das vorher beschriebene Schlafzimmer besitzt.
Hier befindet sich ein Arbeitstisch, der sich in einen
Registraturschrankeinbau hineinschriebt und der auf diese Weise
sozusagen der auf den Leib zugeschnittene Apparat zur geistigen Arbeit
ist.
Abb. 132.
Arbeitsplatz
Abb. 133.
Detail zum Arbeitstisch Papierrollenhalter
Abb. 134.
Tritt / Sitz / Tisch
Abb. 135.
Schlafecke mit Trittsitztisch
Abb. 136.
Arbeitsplatz mit Besetzung
Abb. 137.
Arbeitsplatz ohne Besetzung
Man sitzt an dieser Stelle eingespannt im eigensten Gebiet. Eine
seitliche Platte über dem Arbeitstisch trägt die
Lampe, welche in der hellgelb (F) gestrichenen Fläche
dieser Wandnische ihr Licht auf
die Tischfläche reflektiert, eine Rolle von Papier gibt bei
einer Handbewegung das nötige Arbeitspapier, während
an einer Stange mit Klammern die Unterlagen zur Arbeit vor den Augen
des Arbeitenden aufgehängt werden. Seine
Füße haben einen festen Halt, ein Griff unter die
Tischfläche gibt das Telefon. Zum Ausruhen in unmittelbarer
Nähe eine Chaiselongue mit Rauch- und
Büchertischchen, und zur weiteren Erholung führt die
dicht danebenliegende Glastür auf den Balkon, wo man noch
nachts auch bei Regen Luft schöpfen kann. --- Die Lampe am
Arbeitstisch und diejenige am "Nachttisch" stellen ebenfalls erste
Modelle dar (Fabrikat Samek), beide verstellbar. Die allgemeine
Raumlampe wie bei den beiden andern Schlafzimmern als Eckbeleuchtung
hinter Mattglas. Das Gestell an den Bettfenstern wäre noch zu
erwähnen; es dient drei Zwecken, einmal als Tritt, um an die
höher liegenden Fenster zu gelangen und an die oberen
Fächer der eingebauten Schränke, wozu man einen
festen Halt braucht, sodann als gelegentlicher Tisch für das
Bett und schließlich auch als gelegentlicher Sitz. Der Raumeindruck ist gerade hier durch Worte oder durch Bilder schwer
wiederzugeben, besonders weil die irrationale Raumform sich in ihren
Werten nicht fassen lässt, die aber gerade deswegen umso
größer sind. Hier ist im bescheidenen Raum mit den
einfachsten Elementen eine bedeutsame Vielseitigkeit erreicht. Man kann
nur noch die Farben aufzählen: an der großen Wand
hinter der Chaiselongue, der Blickwand beim Eintritt, nicht direkt vom
Tageslicht beleuchtet, ein leuchtendes Rot (A), das
sich bis zur Kante der Arbeitsnische herum zieht.
Abb. 139.
Badezimmer Bidet und Klosett
Abb. 140.
Badezimmer Waschbecken
Diese Arbeitsnische (vgl. Farbaufnahme am Schluss des Buches) hell
mattgelb (F), von ihrer rechten Kante bis zur Ecke und von da bis zur
Kante der Bettnische tiefultramarinblau (E), die
Bettnische bis zu der Fensterecke rein weiß, ebenso die ganze
Decke des Raumes. In diesem Hause ist das Weiß nicht
gewohnheitsmäßiger Deckenanstrich, "Mädchen
für alles", sondern eine reine Farbe wie jede andere. Die
Chaiselonguedecke an der roten Wand schwarz-tiefrot; der
Fußboden des Zimmers zwischen warmgrauen Flächen
durch eine breite tiefblaue Bahn wie mit einem Läufer
gegliedert, die am Arbeitstisch, der selbst schwarz gestrichen ist,
schwarzgrau aufgenommen wird. Türen und Schränke
Naturholz, Türum-rahmungen schwarz (X), innere
Fensterrahmen signalrot (Q), jedoch die Faschen (Nischen) der Fenster
wie im ganzen Hause
weiß, um den Lichteinfall zu verstärken. Innere
Balkontür schwarz mit roter (Q) Leiste, und
schließlich die Heizkörper und das Rohr
zitronengelb (R). Ich bin mir bewusst, dass diese
Farbenangaben nicht ganz leicht zu verfolgen sind. (Vielleicht gibt die
Farbentabelle nach Baumanns Tonkarte am Schluss des Buches einen
kleinen Anhalt.) Aber wenn das auch bei einigem Bemühen gar
nicht gelingen sollte, so mag damit wenigstens folgendes gesagt sein:
Man kann mit der Farbe, wenn sie in volle Beziehung zum Licht gebracht
wird, ohne Künstelei die abstrakte Raumform, die der
bloße Rohbau gibt, zu wirklichem Leben führen. Die
Farbe wird dann über alle dekorativen Effekte hinaus zu einer
Eigenschaft des Lichtes selbst; denn Farbe ist Licht. Man ist dabei an
keine bestimmte Skala gebunden, sondern kann die farbige
Lösung vollkommen nach dem Wunsche des Bewohners einrichten.
Die Stellung fast jedes Menschen zur Farbe, mit Ausnahme dessen, der
selbst mit der Farbe arbeitet, ist subjektiv; fast jeder hat seine
Lieblingsfarben, seine Antipathien und Sympathien, und es gibt keinen
Grund, diesen persönlichen Neigungen nicht zu folgen und nicht
gerade darauf die farbige Lösung aufzubauen.
Abb. 141.
Schlaf- und Arbeitszimmer
Abb. 142. Bad
Abb. 143.
Fußboden im Schlaf- Arbeitszimmer
Von diesem Zimmer wie vom Flur aus führt je eine Tür
ins Bad, das alle Einrichtungsstücke in knappster Anordnung
enthält. Dass sich dort ein Wäscheschrank
für Bade-, Bett- und Leibwäsche befindet, wurde schon
erwähnt, nach dem Prinzip, dass in diesem Hause alles in
unmittelbarster Nähe des Verbrauches zu erreichen ist. (Zur
Vermeidung der Dampfentwicklung folgendes Rezept für die
Hausfrauen: Man lege die Handbrause auf den Boden der Wanne und lasse
so viel kaltes Wasser einlaufen, bis die Brause ganz bedeckt ist, und
dann erst unter Wasser das warme Wasser, wenn keine Handbrause
vorhanden, mit einem Schlauch.) Auch hier im Bad kommt die vom Viereck
abweichende Form der Ausnutzung zustatten; es wäre sonst
schwer möglich, auf so kleinem Raum die verschiedenen Objekte,
dazu einen Kastenhocker für schmutzige Taschentücher
unterzubringen und gleichzeitig Raum genug zu schaffen, um ein
Gefühl der Behaglichkeit aufkommen zu lassen. Selbst die
Glasplatten am Waschtisch sind hier durch die natürliche
Nische des schiefen Winkels überflüssig. Das Fenster,
zur Morgensonne gelegen, befindet sich gerade in Gesichtshöhe;
über die Farbenbehandlung sei nur gesagt, dass es hier
außer Weiß keine andere Farbe gibt als auf dem
inneren Fensterflügel, dem Heizrohr und dem
Heizkörper ein Zitronengelb (R).
Abb. 144.
Details
Abb. 145. bad
DACH UND BODEN
Abb. 146.
Wirtschaftskammer im Obergeschoss
Abb. 147. Flur
im Obergeschoss Besenkammer mit Mottenschrank
Ein
richtiges Haus braucht ein Dach und einen Boden. Die Kinder
malen ein Haus nach ihren Bilderbüchern mit einem Dach, sonst
ist es eben kein Haus. Und die Hausfrauen brauchen den Boden. Hier ist
beides nicht vorhanden, und es ist doch vorhanden. Im Bodenraum
trocknet man sonst Wäsche und hebt alles mögliche
auf, Brauchbares und Gerümpel. Zunächst soll das eine
klargestellt werden: Gerümpel hebt man hier nicht auf und
sollte man überhaupt nicht aufheben. Brauchbares, Koffer und
was sonst, sollte ebenso geordnet aufgehoben werden wie alles
übrige. Die eingebauten Schränke, die bis zur Decke
gehen, enthalten über Reichhöhe ein solches Fach, in
das man diese Dinge sauber und geordnet unterbringen kann - jedem das
Seine! Hier z. B. sind allein zwölf
solcher Oberfächer verschiedener Größe je
nach den verschiedenen Schränken vorhanden, die
zusammengerechnet schon eine kleine Bodenkammer ausmachen. Einen
besonders wichtigen Teil dieser Funktionen übernimmt dabei die
kleine Wirtschaftskammer im Obergeschoß. Sie enthält
zunächst Besen und Eimer zur Reinigung der Schlafzimmer. Dann
aber Fächer für weitere Putzmaterialien und
sonstiges, eine kleine Hausapotheke, darunter Platz für die
Nähmaschine, die leicht auf den oberen Flur gezogen wird, der
wegen seiner guten Beleuchtung zum Nähen benutzt werden kann.
Außerdem der Mottenschrank, und über dem Ganzen ein
Hängeboden mit Schuböffnung, in dem während
des Sommers Bettwerk aufbewahrt wird. Hiermit dürfte allen
Ansprüchen an einen Boden Genüge getan sein; zum
Wäschetrocknen aber dient, wie bereits erwähnt, der
Gang im Wirtschaftsanbau. Die wirtschaftliche Notwendigkeit zum Dachboden fällt also
fort. Was nun das schräge Dach betrifft, wie es die Kinder
malen, so ist einiges schon bei Gelegenheit der
Landschaftsverunstaltung dazu gesagt
Abb. 148.
Öffnungsvorrichtung der Lüfterklappe
Abb. 149.
Lüftungsklappe
Abb. 150. Flur
mit Lüftung
worden. Die Form im einzelnen wie im ganzen darf niemals Marotte sein.
Zwingt die Überlegung zu dieser oder jener Lösung, so
ist sie eben gut. Und hier bringt der Fortfall des steilen Daches einen
großen Vorteil mit sich. Die als ein Stück
Glasarchitektur geschilderte Glaswand der Treppe würde in
ihrem Hauptwert und in ihrer konstruktiven Struktur vernichtet sein,
wollte man in sie nach Art gewöhnlicher Fenster
Lüftungsflügel einfügen. Außerdem
würde diese Lüftung hygienisch nicht einmal die
vorteilhafteste sein, da die schlechte Luft im Treppenraum aufsteigt
und unter der Decke stehen bleibt. Was liegt also näher, als
die eigentliche Hauslüftung in der obersten Decke selbst
einzurichten! Die Aussteigeluke zum Dach (neben der unten die
ausziehbare Leiter hängt) ist der gegebene
Lüftungsapparat.
Abb. 151.
Lüftungsklappe von unten
Abb. 152.
Lüftungsklappe in Tätigkeit gesetzt
Er ist hier nach vielen Versuchen erstmalig so konstruiert, dass die
Luke durch zwei Übertragungen unten mit einer Kurbel leicht
von jedem geöffnet werden kann, und zwar so, dass die
Dachklappe in jeder Stellung stehen bleibt, also bei Regen auch nur
sehr wenig geöffnet sein kann. Neben diesen praktischen
Ergebnissen spielt als Gefühlsmoment die Tatsache mit, dass
auf diese Weise der blaue Himmel bei geöffneter Luke von oben
ins Haus hinein scheint. Der obere Einschnitt in die Decke hat blaue
Farbe (V), der Konstruktionsapparat eine leuchtend
rote
(Q). Das Dach selbst könnte begehbar sein,
doch ist dies hier nicht notwendig, weil Garten und Balkon
genügend Luftraum bieten. Dass ein flaches Dach gegen
klimatische Einflüsse weniger schützt als ein steiles
oder auch sonst unsolider ist, kann bei unseren heutigen technischen
Mitteln schon als Aberglaube bezeichnet werden.
DER GARTEN
Abb. 153.
Gartengestaltung
Abb. 154.
Nachtaufnahme vom Garten aus
Stellung, Raumanlage und Architektur dieses Hauses
ist ohne den Garten undenkbar. Garten ist aber hier nicht eine
Loslassung von gärtnerischen Künsten, sondern im
Grunde genommen nichts weiter als die Landschaft selbst. Hineingehen
vom Garten ins Haus und Hinausgehen, Hinein- und Hinausblicken, das
sind die Faktoren, auf denen sich sein Grundriss und seine Gestalt
aufbauten. Abendliches Licht aus dem Hause zum Garten, nach der Wiese
hin vom Wohnzimmer und vom Balkon hinausstrahlend und nach dem
Vorgarten und der Straße mild flutend, an der Ecke des
Wirtschaftsanbaues scharf pointiert durch eine Ecklaterne, das ist der
abendliche Ausdruck für dieselben Vorgänge. Der
Garten, nach Angaben von Leberecht Migge, ist somit keine
"Raumgestaltung", er ist nichts weiter als die harmlose Betonung des
Vorhandenen, gleichzeitig auch auf ein geringstes Arbeitsmaß
eingerichtet.
Abb. 155. Haus
im Schnee
Der Vorgarten: eine Rasenfläche, begrenzt durch die
notwendigen Wege. Das für spätere
Straßenerweiterung vorbehaltene Stück mit drei
Birken ist von einer Ligusterhecke umrahmt und selbst mit Wildrosen
bepflanzt, die später ein großes verwachsenes Kissen
von Rosen bilden. Dahinter an der eigentlichen Gartengrenze eine
Rosenhecke (Rosa rubiginosa) und dahinter der Rasen mit den vorhandenen
Obstbäumen. Nach dem Eintritt durch das farbig abgesetzte
eiserne Eingangstor
(X, Q, R) ein Beet, eingefasst wie die ganze Kante
bis zum Hause von Mahonien. Dieses Beet selbst für dauernde
und wechselnde Blüte: Pontische Azaleen, Montbretien,
durchsetzt von Arabis Alpina. Der Bogen des Hauses wird durch ein von
Buchs eingefasstes Buschrosenbeet begleitet, der Abschluss des
Rosenbeetes vor der Treppe durch Rosa rugosa betont. Nach der Grenze
schließt den Vorgarten eine Gebüschhecke von
gemischten Blütensträuchern ab (Schneeball, Flieder,
Jasmin usw.) Ein Nussbaum am Küchenfenster kennzeichnet die
Wegecke. Der Gartenraum vor dem Hause entspricht einfach den
Vorgängen; deshalb ist auch das notwendige Gitter am
Hühnerhof in voller Einfachheit gelassen. Zum Abdecken des
Nachbarhauses sind im Hof selbst Ahornbäume eng nebeneinander
gepflanzt. Die helle Kiesfläche trennt sich scharf vom Rasen,
und dieser selbst gibt der schwarzen Wölbung des Hauses durch
die Gegensatz-Wirkung einen samtartigen Charakter, welcher durch die
mattvioletten Klinker, die weinroten Fensterfaschen
(Z), die blauen Fensterleisten (S), die
blaue Fasche der Eingangstür (D), die
leuchtend rote Geländerstange (Q) und
eine schmale blaue Kante (S) zwischen dem
schwarzen Putz und den Klinkern verstärkt wird. Der Wohngarten: die Wiese ist ansteigend zum früheren
Ackerland bis dicht zum Hause hin als Rasen herangezogen; hier die
grüne Rasenfläche in Kontrast zum
schneeweißen Hause.
Abb. 156.
Vorgarten
Abb. 157.
Blumenweg vom Haus aus
Abb. 158.
Liegeplatz
Abb. 159.
Gemüsegarten vom Balkon aus
Abb. 160.
Gemüsegarten
Abb. 161.
Blumenweg vom Liegeplatz aus Mit Rückansicht des Hauses
Die vorhandenen Obstbäume und vor allem eine geschwungene
Staudenrabatte, eingefasst von Buchs, geben dieser grünen
Fläche einen festen Halt zum Hause hin und lassen sie wiederum
in die freie Landschaft ausklingen. Ein Spazierweg, links vom Rasen,
eingefasst auf der anderen Seite von Himbeer- und
Johannisbeersträuchern, davor Dahlien, Erdbeeren und als Kante
Primeln. Den Abschluss dieses Weges bildet ein Gebüsch, das
durch gepflanzte Birken noch verstärkt ist, und vor ihm links
als Ausläufer des Weges eine Lindenlaube, deren schattige
Öffnung nach Norden die freie Landschaft vor sich hat. Ein
Plattenweg führt von da quer über den Rasen zu dem
Entgegengesetzten Gartenweg, an dessen Seite Gemüsebeete
angelegt sind, die sich bis in die Moorwiese hinein als Betonung der
Geraden hinziehen. Gegen den Nachbar schließt eine
Haselnusshecke ab; ein Kastanienbaum bildet den Zielpunkt des Hofes und
den Endpunkt des Gartens nach dieser Seite und beschattet gleichzeitig
den Gartendungsilo. Die übrig bleibenden Dreiecke am Hause
sind nach der Südseite unmittelbar am Hause mit Malven, dann
mit Tomaten um eine Aprikose und auf der andern Seite mit Astern um
eine Schattenmorelle bepflanzt, beides umgrenzt von Maiblumenkanten.
Alles dies ist "künstlerisch" keineswegs wichtig, da es nur
eine Überleitung der Landschaft zum Hause ist, die mit Wiese,
dem Buschwerk darin und schließlich dem Wald im Hintergrund
alles in sich schließt. Mit dem Garten in der Nähe
des Hauses und seinen bescheidenen Pflanzungen breitet sich das Haus
selbst gewissermaßen in seinem nächsten Umkreise
aus. Die Menschen pflanzen dort ihre Blumen, die sie sonst ins Zimmer
stellen. Hier wäre das Hineinstellen von Blumen auf Tischen
oder gar auf Fensterbrettern geradezu Wahnsinn;
Abb. 162.
Wohnzimmerfenster
das Fenster selbst zeigt dem Auge das Wachstum der freien Pflanze und
gibt ihre Schönheit verschwenderisch den Blicken des
täglichen Lebens, ebenso aber auch die Schönheit des
Winters). Es braucht aber gar nicht der
Frischgefallene Schnee in der roten Abendsonne zu glitzern, es braucht
nicht der Raureif wie ein weißes Laubwerk aus Eiskristallen
Bäume und Sträucher zu überziehen, es ist
überhaupt nichts Besonderes nötig, keine besondere
Naturveranstaltung, die den "Naturfreund" zum Schwärmen
veranlasst. Wenn das Haus wie in diesem Falle in der Landschaft lebt
und wenn sein Inneres mit der Landschaft in solche Verbindung gebracht
ist, dann gibt es einfach kein "schlechtes Wetter": der
gleichmäßig strömende Regen, der graue
Novembernebel. kurz alles, was dem Städter die Natur fern
rückt und was er deswegen mit dem Ausdruck des Hasses
"schlechtes Wetter" nennt, alles dies bleibt genau so schön
wie der im Sonnenlicht blühende Garten. Man wird
vielleicht fürchten, dass nach der "Bilderstürmerei"
nun auch der Kampf gegen den Blumenstrauß beginnen soll.
Keine Sorge! Trotzdem könnte doch auch da, wo der Garten nicht
selbst ein Blumenstrauß ist, das Aufstellen von
Blumensträußen mit einiger Gefühlsdisziplin
geschehen. Eine einzige Rispe enthüllt schließlich
mehr vom Wesen der Pflanze als ein ganzes Paket davon. Jedenfalls wird
in einer Wohnung, bei der sich alles auf die Gestaltung der reinen
Elemente aufbaut, das Dekorieren mit Blumen zur Unmöglichkeit,
wenn nicht zur Barbarei. Wo sich das ganze Leben in der einfachsten
Abwicklung der täglichen Notwendigkeiten abspielt und wo die
entsprechende Form und das dazugehörige Aussehen der Wohnung
ganz auf die reine Klarheit zurückgeführt wird - dort
muss sich das Gefühl auch einfach und unverwirrt erhalten,
dort kann es nicht in bizarre Kompliziertheiten ausarten. Zu solchen
komischen Dingen gehören auch die um jedes Haus, um jede Bude
gezogenen Zäune. Hierin müssen wir von Amerika
lernen; dort gibt es, wie wohl jeder weiß, nichts davon.
"Beschränktheit" - wollen wir uns nicht endlich von diesen
sinnlosen Schranken trennen und auch in der Umgebung unserer
Häuser die "Aufgeräumtheit" sprechen lassen? - -
BAUER UND TRADITION
Abb. 163.
Siedlung der "Gehag" in Berlin-Zehlendorf Architekten: Hugo
Härin / Otto Salvisberg / Bruno Taut
Die hier
durchgeführte Darstellung eines Hauses in allen seinen
Einzelheiten soll den gesetzmäßigen Zusammenhang und
die logische Entwicklung des Baukörpers auf Grund dieser
Zusammenhänge zeigen. Es mag damit ein Blick in die
Gestaltungsweise gegeben werden, auf der sich die neue Baukunst
errichtet; jedenfalls würde es dem Verfasser eine
große Freude sein, wenn dies wenigstens im wesentlichen
gelungen sein sollte. Das Einzelhaus ist heute eine schwierigere
Aufgabe als die der
zusammenhängenden Siedlungen und Baublöcke. Bei
diesen sorgt die Wiederholung der aus ökonomischen
Gründen notwendigen gleichartigen Baukörper und
Einzelheiten schon von selbst durch die rhythmische Wiederkehr
für eine gewisse Ruhe des Gesamteindrucks; selbst wenn die
Auffassung des Architekten sentimental oder "unsachlich" ist, so hat
doch der Rhythmus als solcher schon einen gewissen Wert. Alle
Anhäufungen von Einzelhäusern aber, wie sie in den
Vororten der Großstädte und manchmal auf dem Lande
zu sehen sind, bilden in ihrer Gesamtheit nichts anderes als einen
fürchterlichen Schutthaufen. In jedem der einzelnen
Häuser wohnen und leben wohl Menschen, doch über den
Köpfen dieser Menschen erheben sich die sonderbarsten
Verzerrungen von Dächern und Mauern aller möglichen
Stilarten, schlechte Nachahmungen, die ihre Vorbilder verspotten - das
Ganze nicht anders als jene Müllhaufen von
Blechbüchsen, Scherben, Papier und verrostetem Eisenzeug. Wer
dies für übertrieben hält, der sehe sich
einmal die Kurorte auf der Fahrt von München nach
Berchtesgaden oder das Seebad Westerland auf Sylt oder die
Häuser von Helgoland an, und wenn er dann auf der Elbe nach
Hamburg hineinfährt, seine landschaftlich
entzückenden Vororte und deren Häuser, etwa
Blankenese.
Abb. 164.
Terrasse von Haus Goebel Blick zur Elbe
Abb. 165. Haus
Michaelsen Blick zur Elbe
Abb. 166. Haus
Michaelsen Wohnzimmerfenster
Abb. 167. Karl
Schneider Haus Goebel in Blankenese
Abb. 168. Karl
Schneider Haus Michaelsen in Falkenstein bei Hamburg
Woher
soll die Rettung aus dieser Gefühlsverirrung des Publikums
kommen? Sie kann nur dadurch kommen, dass das einzelne Haus ganz klar
aus den Bedürfnissen seines Bewohners heraus geformt wird,
dass die Elemente des Baues selbst sich ohne Umschweife so zeigen, wie
sie sind. Um bei Blankenese zu bleiben, so zeigt das Haus Goebel, wie
ein solcher Bau sich ohne jedes besondere Wollen in die Landschaft
einfügt, einfach durch die Tatsache, dass er im wahren Sinne
des Wortes gebaut ist. Er nimmt die Struktur der Landschaft in sich
auf, kristallisiert sie zu einem menschlichen Gebrauchsgegenstand,
ebenso wie das Haus Michaelsen in Falkenstein (1923)
elbabwärts mit besonderer Kraft das Weitausholende der
Landschaft aufnimmt. Ein großes gebogenes Fenster gibt dem
Wohnzimmer den Blick zur Elbe nach Süden und Osten. Die
Gestaltung des Baues aus seinen Elementen heraus gibt der
Architektur eine neue und innerlich berechtigte Mannigfaltigkeit, ohne
dass deshalb
die Wüstheit jenes Scherbenhaufens eintritt, die ja keine
Mannigfaltigkeit ist, sondern in Wahrheit eine furchtbare Öde:
der Scherbenhaufen einer absterbenden Kultur. Das Haus May bei
Frankfurt a. M. spiegelt in ganz anderer Weise die Landschaft wider, es
trägt den heiteren Charakter der Mainlinie. Dabei ist es
interessant, dass ein Schriftsteller gerade bei diesem Hause den
bäuerlichen Geist seines Architekten hervorgehoben hat. Er
betonte, dass hier in demselben Geiste gebaut worden ist, wie es der
Bauer früherer Zeiten getan hat, der auch keine
Schnurr-Pfeifereien wie ,.Heimatkunst" oder "Landschaftsbild" im Kopf
hatte, sondern der sein Haus mit den Mitteln seiner Zeit so errichten
ließ, wie es ihm gerade am besten für seine
Bedürfnisse passte.
Abb. 169.
Ernst May Eigenes Haus bei Frankfurt a. M.
Abb. 170.
Ernst May Wohnzimmer
Abb. 171.
Ernst May Badebassin
Wem auch dieses übertrieben erscheint, der möge
wissen, dass auch im Hause May an einem "ungedeckten" Tisch gegessen
wird. Der Tisch ohne Tischdecke ist hier Symbol für das Ganze.
Die Liebe zur Natur ist hier Einfachheit; deswegen die vollste
Auswertung des landschaftlichen Fernblicks im einfach großen
Wohnzimmerfenster, ebenso sehr oder ebenso wenig allein
ästhetischer Art wie das Badebecken und die Sonnenbadterrasse.
Der Grunewald bei Berlin war in seiner Aufhäufung reicher
Herrschaftssitze in Stilen aus aller Herren Ländern eine
architektonische Sehenswürdigkeit. Eine neue Ablösung
dieser "Kolonie" ist der Villen-Lunapark an der Heerstraße.
Wenn man sich aber einmal wirklich ernsthaft und gründlich
gerade hier in der schönen Umgebung Berlins mit dem
"Landschaftsbild" befassen will, so sollten die Kiefern in ihrer kargen
Gleichförmigkeit und in ihrer wundervollen Ruhe, die sie durch
die äußerst zurückhaltenden Linien und
Farben ihres Waldes vermitteln, alles andere ausschließen,
was nicht auch dieselbe Ruhe in der knappen Form des Gebauten in sich
trägt.
Abb. 172. Haus
Gropius Spültisch und Küche
Abb. 173.
Walter Gropius Meisterhäuser Dessau
Abb. 174.
Walter Gropius / Eigenes Wohnhaus in Dessau, Straßenseite
- Vorn links Garage / Fenster: Bad, Treppe, Küche
Wie dies geschehen kann, zeigen die Dessauer Bauten des dortigen
Bauhauses, deren Geist nicht anders ist als die vorher
erwähnten Beispiele, wenn auch in Einzelheiten, in der
Behandlung von Materialien und sonstigen Dingen variiert. Die klare und
aus den tatsächlichen Elementen entstandene Bauform lagert
sich mit einer Einfachheit in den Wald hinein, die derjenigen der
Kiefern entspricht. Das gleiche Prinzip kann bis zu dem kleinsten Bau
hin
durchgeführt werden, wie die Beispiele aus Dresden von
Lüdecke zeigen; die Monotonie ist das, was man am wenigsten
befürchten sollte. Man sollte vielmehr die Unruhe und Zappelei
befürchten. Wenn auch das Einzelhaus in seinem
zahlenmäßig geringeren Auftreten nicht so wichtig
erscheinen mag, so ist es doch wieder von einer anderen Seite her viel
wichtiger als die Massensiedlung. Beim Einzelhause muss nun einmal klar
Rechenschaft gegeben werden, wie der Architekt zu den Elementen seines
Baues steht. Hier hängt alles vom einzelnen Fenster, von der
einzelnen Tür, vom Wandschrank; von dem Wohnwert des Hauses
ab, und hier muss der Bauherr und sein Architekt sich entscheiden, ob
er Firlefanz liebt oder die Sauberkeit will. Deshalb beeinflusst das
Einzelhaus im Grunde genommen entscheidend die Massensiedlung. Eine
Siedlung im Kiefernwald für Hunderte von Wohnungen darf
deswegen auch bei Aufreihung gleicher Typen nicht viel anders
ausfallen, als es bei dem Einzelhause im Kiefernwald notwendig ist.
Durch diese wenigen Beispiele mag der Leser in einem Ausschnitt
erfahren, dass auch in Deutschland der Bau aus den Elementen heraus
nicht mehr vereinzelt und nicht mehr ganz vereinsamt ist. Es gibt in
der Tat schon so etwas wie ein gemeinschaftliches Schaffen vieler
einzelner Köpfe, die sich um die klare und saubere Form
bemühen.
Abb. 175.
Gustav Lüdecke Kleinhäuser in Dresden
Abb. 176.
Gustav Lüdecke / Haus des "Geistesarbeiters", Dresden
Abb. 177.
Walter Gropius / Meisterhäuser in Dresden
Straßenseite mit Ateliers
Die Frage der Einzelheiten ist dabei unwesentlich, ja es ist auch
unwesentlich, ob ein steiles oder ein flaches Dach angewendet wird. Es
gibt in diesen Dingen keinen größeren Fehler als
den, allzu rasch irgend eine Einzelheit zu verallgemeinern und
anzunehmen, diese Architekten wären auf das flache Dach
eingeschworen. Es handelt sich vielmehr immer um die kühle
Untersuchung, welche Lösung am raschesten zum
gewünschten Ziele führt. Man redet sozusagen auch
architektonisch ohne Umschweife, man spricht das aus, was ist. Gewiss
werden wir keine Menschen ändern; wer in Filzpantoffeln und in
Hemdärmeln durch seine Wohnung latscht, dem ist auch mit einem
sauberen Bau nicht geholfen. Die Änderung an sich
müssen die Bewohner schon selbst vornehmen.
Schließlich wollen ja auch nur diejenigen, die nicht
"latschen", derartige Einzelhäuser haben, und endlich
müssen sich die Willenlosen nach denen richten, die einen
bestimmten Willen haben. Dieser Wille zum lebendigen Bauen ist die
eigentliche Tradition des Bauens. Die Einlullung in
Sentimentalitäten, in Gefühlsduselei liegt fernab von
jeder lebendigen Überlieferung. Was wir an alten Bauten
bewundern, das ist jedes Mal ein Vorstoß ins unbekannte Land
der neuen Schönheit gewesen, derjenigen Schönheit,
die ernsthaft, man kann sagen, im Dunkeln gesucht und
schließlich auch gefunden wurde, gefunden zwar nicht in den
Augen der großen Masse der Mitlebenden, aber in den Augen der
Späteren, die dann endlich die innere Logik der neuen
Schönheit einsahen und sie als etwas Altes bewunderten. So
sind auch wir heute die Späteren, wenn wir nur das Alte
bewundern. Wir wollen das aber nicht, sondern wollen das Alte in seinem
ökonomischen Sinn, seiner baulichen Logik und seinem Mut zu
unserm Vorbild nehmen und ebenso wie die Alten immer aufs neue weiter
bauen. "Wer da bauet an der Straßen, muss die Leute reden
lassen." (1465.)
P
H O
T O
G R A P H I E N Z U M H A U P T T H E M A
A R T U R K Ö S T E R / B E R L
I N
Z E I C N N U N G E N
A R C H I T E K T P A U L S C H M I D T
/ B E R L I N
I N H A L T S V E R Z E I C H N I S
1.
HAUSTIER -
MENSCH
2. DER TYP
3. ARCHITEKTUR UND LANDSCHAFT
4. IM ANFANG WAR DER GRUNDRISS
5. GRUNDSÄTZLICHES ÜBER DIE EINRICHTUNG
6. DIE UNTEREN WOHNRÄUME
7. DER GEDECKTE TISCH
8. VON SEIFE ZU BENZIN
9. GLASARCHITEKTUR
1O. SCHLAFZIMMER
11. DACH UND BODEN
12. DER GARTEN
13. BAUER UND TRADITION
Abb. 178.
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