MIT BEITRÄGEN VON PAUL SCHEERBART, ERICH
BARON, ADOLF BEHNE
DEM
FRIEDFERTIGEN
DAS NEUE LEBEN
ARCHITEKTONISCHE APOKALYPSE
VON PAUL SCHEERBART
DAS NEUE LEBEN
Architektonische Apokalypse
Langsam dreht sich der alte Erdball um die alte Sonne, die
nicht mehr glüht und strahlt wie einst.
Dunkelviolett scheint die alte Sonne, so daß es nie mehr Tag
wird - auf Erden niemals mehr.
Stille Nacht ist überall.
Es ist sehr sehr still.
Der Himmel ist schwarz wie schwarzer Sammet.
Die Sterne aber funkeln so hell wie sonst - wohl noch heller, da sie
größer sind.
Goldene Sterne sind's!
Der Erdball ist ganz weiß - ganz mit weißem Schnee
umhüllt - mit leuchtendem Schnee!
Sternklare Winternacht auf den Höhen und im Tal!
Die tote Erde dreht sich immer langsamer.
Doch im sammetschwarzen Himmel wird's lebendig.
Die großen Erzengel kommen.
Mit riesig großen weißen Flügeln flattern
sie eiligst herbei. Es rauscht durch den Himmel.
Es wird so laut, so voll Trubel die Luft, als wenn viele Millionen
großer Völkerscharen zu neuem Leben erwachen.
Aber es kommen nur die Erzengel. Es sind ihrer zwölf. Sie sind
so schrecklich groß. Sechs umflattern die eine
Hälfte der Erdkugel und sechs die andre, so
daß man von beiden kaum mehr was sieht.
Die Engel beugen langsam, Flügel schlagend, die Köpfe
herunter. Ihre Füße schweben hoch über den
beiden Polen der Erde. Die zwölf Köpfe bilden bald
mit ihren flatternden blonden Locken um des Erdballs Mitte einen
prächtigen Haarring.
Zunächst nimmt jeder Erzengel den großen Dom, den er
im Arme trug, in beide Hände und setzt ihn auf ein hohes
Schneegebirge. Danach ziehen alle Zwölf ihre dicken
Pelzhandschuhe aus und greifen geschwinde mit ihren zarten Fingern in
ihren weltmeergroßen Rucksack.
Aus ihrem Rucksack holen die Engel viele hundert neue, blitzblank
glänzende Paläste hervor. Und mit den
Palästen schmücken sie den großen
Schneeball, der sich Erde nennt, daß er bunt wird und
mächtig funkelt; die Augen der Erzengel leuchten dabei, als
wenn sie für artige Kinder Spielzeug auskramten.
Nachdem die Rucksäcke geleert sind, flattern die Engel wieder
empor und schweben munter plaudernd in mäßiger
Entfernung auf und ab in schönen großen Kreisbogen.
Die Erde sieht bunt aus, als wäre sie mit den Flügeln
der kostbarsten Schmetterlinge, erfrorenen Paradiesvögeln und
gleißenden Diamanten bestreut.
Und die Paläste werden hell. Millionen Lampen werden
überall drinnen angesteckt; durch die bunten Glasfenster der
hohen Dome und all die vielen Schlösser strömt
gedämpftes Licht tausendfarbig in die violette Schneenacht
hinaus.
Die violette Sonne wird noch dunkler. Die fernen goldenen Sterne
verlieren auch viel von ihrem Glanz. Der sammetschwarze Himmel rahmt
die sanft aufglühende Erde ringsum prächtig ein.
Und die großen Glocken der Dome läuten alle.
Ein Sehnsuchtsschauer durchrieselt die weiten Schneegefilde; durch die
nagende Schwermut des kalten Erdballs ringt sich ein neues Leben durch
- das ewige Leben!
Die Toten stehen auf.
Überall hebt sich die Schneedecke. Und all die Menschen, die
einst auf der Erde lebten und starben, steigen aus ihren
Gräbern heraus, schütteln sich den Schnee ab und
sehen sich erstaunt an. Als sie merken, daß sie auferstanden
sind, fallen sie sich gegenseitig um den Hals und sind sehr
gerührt. Ja! Ja! Wer hätte nicht gern ein neues Leben
begonnen!
Die Erde dreht sich schneller.
Doch dieser große ernste Augenblick ähnt einem
großen drolligen Maskenfest, denn alle Menschen haben Kleider
an, die denen gleichen, welche sie zu ihren Lebzeiten am
häufigsten trugen. Die Bettler gehen neben den
Königen, die Priester neben den Kriegern, die Handwerker neben
den Gelehrten - in all den vielen Trachten all der vielen Zeiten. Vom
Fellschurz bis zum gebügelten Oberhemd ist alles da.
Die Auferstandenen steigen die goldenen Stufen zu den
Schlössern und Domen empor. Es wimmelt man so!
Alle Sprachen der Erde wirbeln durcheinander, daß es
mächtig durch den ganzen Himmel brummt und die Glocken nicht
mehr zu hören sind.
Oben aber vor den Türen der Schlösser und Dome stehen
viele tausend Engel, die nicht größer als die
Menschen sind, in zarten hellgrünen, hellblauen und hellroten
Gewändern und warten.
Feierliche Begrüßung! Händedrücken
und Wangengestreichel! Kopfnicken und Armgewackel! Viel
Gelächter! Und viel lächelnde Behaglichkeit!
Die großen Burgen, die aus reinen Riesendiamanten bestehen,
sprühen ihren Farbenbrand so festlich in die
Dämmerung. Und die andern Edelsteine der weiten
Säulenhallen glänzen mit den reinen Riesendiamanten
um die Wette. Und die kostbaren Steingewächse, die aus den
Domen aufstreben, sind auch so wunderbar. Die Smaragdkuppeln einzelner
Schlösser werden von innen erleuchtet und werfen in den
schwarzen Sammethimmel weite grüne Lichtkegel, die sich
langsam bewegen. Die Saphirtürme ragen höher empor
als die andern Türme. Und das stille Licht, das
überall durch die tausendfarbigen Glasfenster
hinausströmt, das schimmert so heilig-bunt und
verheißungsvoll. Ungeheure Palastgebirge sind mit riesigen
Opalbogen umgittert. Wenn das Auge von Pol zu Pol schweift, so wird es
verzückt bei all der Glanzglut. Der Bauzauber ist so gewaltig,
daß man sich verwundert fragt, wie es kommt, daß
die auferstandenen Menschen nicht, einfach toll werden. Aber - so
entsetzlich es auch ist, so wahr ist es: die meisten Menschen denken
bloß an das gute Abendbrot, das ihnen nach ihrer
Meinung in den Domen und Palästen von eifrigen
Dienern vorgesetzt werden wird. Wie verblüfft sind da die
Auferstandenen, als sie im Innern all der vielen Glanzburgen gar kein
Abendbrot finden! Männlein und Weiblein sehen sich verwundert
um, entdecken aber nichts. Draußen haben sie schon
schmerzlich den gänzlichen Mangel an Bäumen,
Früchten und Gemüsen bemerkt - und jetzt ist auch
drinnen alles nur unfruchtbarer Stein! Marmor und Rubine, Gold und
Silber, bunte Lampen und bunte Wände, entzückend
gegliederte Kuppeln, ein bißchen Sammet und Seide,
mächtige Granitsäulen, glitzernde Glasgrotten und
ähnliche Sachen gibt's ja in unüberschaubarer Menge
– doch von Hammelbraten, Schneckensalat und Feuerwein keine
Spur!
»Engel, wo bleibt das Abendbrot?«
Also ruft demnach baldigst ziemlich einstimmig das ganze
große Menschengeschlecht.
Die Engel öffnen schweigend im Innern der Paläste und
Dome kleine Seitenpforten, die bis dahin den Blicken der Menschen
entzogen waren. Alle denken natürlich - jetzt gibt's zu essen,
zu trinken und zu rauchen. Hei! Wie sie sich freuen!
Indessen - diesmal ist die Enttäuschung noch viel
größer.
Das »alte« Leben grinst die Menschen an.
Es steht eben »Alles« wieder auf.
Doch ganz so schlimm wie damals, als die Sonne noch hell schien, ist
das alte Elend nicht anzuschauen. Es ist anders umrahmt! Im
Palastgeschmack! Die Säle und Zimmer, in denen die alte
Beschäftigung wieder aufgenommen werden soll, sind mit so viel
feinem Prunk umgeben, dass die »guten« Menschen
doch mit großer Freude ins alte Fahrwasser hineinspringen,
wenn's auch so unappetitlich ist wie schmutzige Wäsche.
Ja! Ja! Das alte Leben!
Der eine muß wieder seine kranke Frau pflegen, die ohn'
Unterlaß stöhnt und klagt; er beginnt den Tanz der
Qual mit kalter Ruhe wieder von vorn, wie schon so oft - wirklich ein
guter Mensch! Ein andrer guter Mensch fängt wieder an,
große Gesellschaften zu besuchen, und klagt dabei wieder
über seine nie zu stillende Sehnsucht nach der ewigen
Einsamkeit - genau wie einst. Ein Dritter ist wieder mit seinem Ruhme
nicht zufrieden; er will immer anders berühmt werden, was ihm
natürlich nicht gelingt, da er selber nicht weiß,
wie er's haben möchte. Ein Vierter bekämpft mit altem
Mute seine riesige Sinnlichkeit und wird zum echten
Asketenhäuptling, läßt wieder seine eiserne
Willenskraft bewundern, obgleich er sich in jeder stillen
Stunde auslachen muß, da ja alle seine Kraft nur
eine naturgemäße Folge von Ausschweifung und Ekel
ist. Ein Fünfter hofft immer einen Sack mit Gold zu finden -
und was findet er? Einen Sack mit giftigen Witzen!! Ein Sechster
muß stets vergeblich »Geld« besorgen - d.
h. es gelingt ihm nie!! Und ein Siebenter muß zu allem
»Ja« und »Amen« sagen, was ihm
von je so schwer fiel. Und die Millionen andern arbeiten und regieren,
befehlen und gehorchen - auch genau so wie einst. Die Maschinen rasseln
wieder, und die Denkerköpfe rauchen wieder, die
Kartoffelfelder tragen wieder ihre mehligen Früchte, die
Säufer saufen ganz im alten Stile weiter, und die Verbrecher
brechen wieder bei den Leuten, die was haben, ein.
Alles ist wie einst! - Es spielt sich bloß schön
umrahmt in herrlichen Palästen und Domen ab, die so
groß sind, daß man gar nicht durchsehen kann. Sonst
ist kein Unterschied.
Die guten Menschen sind natürlich mit allem zufrieden - aber
die bösen Menschen sind natürlich mit nichts
zufrieden - ihnen genügt nicht die alles belebende Sonne der
Baukunst - sie wollen Abendbrot mit Austern und starkem
Getränk - ununterbrochenes Vergnügen mit Tingeltangel
und , Schlittenfahrt.
Die guten Engel wollen die bösen Menschen besänftigen
und trösten, sagen freundlich: »Kinder, ihr
wißt gar nicht, was euch frommt! Leid und Freud sind in jedem
Menschenleben ganz gleichmäßig verteilt. Diese ist
ohne jenes gar nicht denkbar. Seid vernünftig! Alle
Wünsche sind nicht erfüllbar. Ist es nicht genug,
daß wir euch eine angenehme Umgebung geschaffen haben? Ihr
wollt bloß immer vergnügt sein - und das geht doch
nicht!«
»Warum nicht?« schreien die Bösen.
»Weil's euch langweilen würde!« antworten
die Engel, und sie gähnen, während sie an ein
,ewiges` Glück denken.
Die Bösen aber lachen - so häßlich,
daß die guten Engel ernstlich böse werden.
»Man sollte euch eigentlich«, fahren sie in
schärferem Tone fort, piesacken - mit feurigen Zangen. Die
Dummheit muß mit Feuer und Schwert ausgerottet werden. Ihr
werdet's niemals verstehen, daß anständig, wohnen
besser ist als anständig ,leben. Wie die Pflanzen der Erde
hauptsächlich nur von Licht und Luft lebten, so sollt ihr
jetzt auch hauptsächlich von dem leben, was euch umgibt - von
dem Licht und von der Luft der göttlichen Baukunst, die die
,wahre Kunst ist. Ist es euch tatsächlich nicht genug, in
diesen himmlischen Strahlburgen leben zu können?
Wißt ihr immer noch nicht, was es heißt: in einer
Traumwelt daheim zu sein? Das ist doch die prickelnde Auster
der Armut! Was sind dagegen alle Kaninchen des Reichtums? Eine
große Quarkerei - nicht mehr! Euer Leben soll nur ein Akkord
in der Sphärenmusik des Alls sein - euer Schmerzenslaut ist
also nicht zu entbehren - sonst wird ja die Sphärenmusik so
weichlich wie Milchreis! Ihr unglaublichen Nilpferde!«
Die Bösen schütteln sich vor Lachen und halten sich
den Bauch. Die Engel bleiben aber ganz ernst, sie sagen noch traurig:
»Ihr kommt ja sämtlich nicht zu kurz! Die Qualen des
Bettlers werden gleich mit Freuden belohnt, von denen die armen
Könige nichts wissen. Und zu alledem kommt noch diese
prunkvolle Traumwelt eurer Wunderpaläste.«
»Die macht uns grade erst recht begehrlich! Wir wollen keinen
Selbstbetrug!« Also schreien wild durcheinander die dummen
Bösewichter, die immer vergnügt und selig sein wollen.
»Na, wenn euch der Selbstbetrug nicht
paßt,« donnern die Engel los, »so
könnt ihr ja wieder in eure Gräber zurück.
Eure kannibalische Dummheit soll uns das neue Leben, das wir euch in
dieser Glanzwelt darboten, nicht verleiden!«
Und es treten die hellgrünen Engel mit dunkelgrünen
Tannenzweigen hervor, und mit den dunkelgrünen Tannenzweigen
berühren sie alle Unzufriedenen.
Und die Berührten fallen um und sind tot.
Rasch werden sie hinausgetragen und wieder im Schnee verscharrt.
Jede Spur der Bösen ist bald verweht.
Die guten Menschen aber, die schon dankbar sind, wenn sie
bloß in einer glanzseligen Traumwelt leben können,
nehmen die Qualen des alten Lebens ruhig ins neue Leben
hinüber, lachen lustig über alles und wollen nicht
mehr. Wie die hellgrünen Engel zurückkommen,
streicheln sie den guten Menschen freundlich die klugen Köpfe.
Durch die bunten Glasscheiben strahlt das neue Glück in die
Schneenacht hinaus, daß die gar seltsam wird.
Die Smaragdkugeln leuchten mit ihren grünen Lichtkegeln durchs
schwarze Weltall.
Die Saphirtürme recken sich noch höher - wie
übermütige Gespenster. Die riesigen Opalgitter
schimmern wie Millionen aufgescheuchter Schmetterlinge.
Die vielen kleineren Schlösser sehen auf dem weißen
Schneeball, der sich Erde nennt, wie Glühwürmchen aus.
Und es ist alles so rührend-feierlich in der ewigen
Dämmerstunde, daß jeder ruhig werden kann.
Die Erzengel beugen sich zum zweiten Male zur Erde herab.
Die blonden Riesenlocken bilden wie vorhin einen prächtigen
Haarring. Die unbeschreiblich großen Engel stecken die
festlich erleuchteten Paläste wieder in ihren Rucksack, ziehen
ihre Handschuhe an, nehmen ihre Dome in den Arm - und flattern davon.
Bald dreht sich der ganze Erdball so langsam wie vorhin - wie ein
großer Schneeball, den Kinder rollen, wenn sie einen
Schneemann bauen.
Die violette Sonne glüht in der Ferne wie eine Ampel, der das
Öl ausgeht. Die goldenen Sterne funkeln im; tiefschwarzen
Sammethimmel - wie glückliche Strahlburgen.
Und die Nacht ist so still - so grabesstill!
40 BEISPIELE ALTER STADTBEKRÖNUNGEN
2.
Charles Cottet, Stadtbild
3.
Mont-Saint-Michel
4.
Straßenburg
5.
Monte Compatri
6.
Durham
7.
Adrianopel, Selim-Moschee
8.
Augsburg, Ulrichskirche
9.
Utrecht
10.
Assyrischer Tempel, Rekonstruktion
11.
Madura, große Sapura
12.
Salomonischer Tempel zu Jerusalem, Rekonstruktion
13.
Köln
14.
London
15.
Selinunt, Rekonstruktion
16.
Athen
17.
Rangun, Shoay Dagone Pagode
18.
Salamanca
19.
Rangun
20.
Buracos
21.
Tzaffin
22.
Prenzlau
23.
Angkor-Vat
24.
Kairo
25.
Hebron in Palästina
26.
Moskau, Große Kathedrale im Kreml
27.
Moskau im Kreml
28.
La Chaise-Dieu
29.
Béziers
30.
Strangnäs
31.
Pisa. Piazza del Duomo
32.
Danzig
33.
Aden
34.
Streevelliputtur
35.
Miaio tai tze, Gedächtnistempel
36.
Paris
37.
Speier
38.
Mainz
39.
Toledo
40.
Bangkok
41.
Tschillambaram, Schiwa-Teich
DIE
STADTKRONE
ARCHITEKTUR
Viel tausendmal gepriesen sei die Herrlichkeit der Architektur!
Sie erfüllt die Bedürfnisse des Menschen nach Schutz
vor den Unbilden des Wetters und den vielfältigen Gefahren,
denen er ausgesetzt ist, wenn er der Natur ohne Behausung
gegenübersteht. So scheint ihre Rolle im Dasein des Menschen
eine bescheidene zu sein, diejenige einer
»Zweckkunst«, die praktische Forderungen in
anmutiger Form befriedigt. Erst wo die menschlichen Wünsche
über das bloß praktisch notwendige Maß
hinausgreifen, wo ein Überschuß des Wohllebens nach
Luxus verlangt, scheint sie in höherem Maße in die
Erscheinung zu treten und stärker ihr eigenes Ich zu geben. Da
scheint sie nicht mehr so eng an die Notdurft gebunden und: darum als
Kunst erst wirklich vorhanden zu sein. Im großen Ganzen ist dies die Anschauung, mit welcher die
Allgemeinheit der Baukunst und den ihr Dienenden heute
gegenübertritt. Es brauchten sich darum die Architekten noch
nicht zu beklagen. Es ist wirklich schon viel, jene immer aufs neue
sich wiederholenden und steigernden Bedürfnisse, ohne die es
keine Pflege des Menschentums gibt, in Formen zu erfüllen,
welche im reinsten Einklang zu den Zwecken stehen und durch ihre innere
Wahrhaftigkeit läuternd und fördernd im Kulturganzen
wirken. Da es sich aber hier schon um Formen, also Schöpfungen
der Phantasie, wenn auch in bescheidenem Maße, handelt, so
muß die Bedeutung und der Wert der Phantasie in allen den
Fällen viel stärker hervortreten, wo der Luxus zur
Triedfeder wird und das Praktische keine engen Grenzen mehr zieht. Hier
handelt es sich nicht mehr um den Einklang der Form mit dem Zweck, da
über diesen hinaus das Formenspiel mit zur Steigerung des
Lebensgenusses dienen soll. Es handelt sich hier schon um den Einklang
mit einem höheren Zweck als dem der bloßen Notdurft;
und es zeigt sich, daß jene Auffassung von der Architektur
und dem wahren Beruf des Architekten doch wohl allzu eng genommen ist. Die Architektur nur in schön gestalteter
Zweckerfüllung, in schmuckhafter Einkleidung dessen zu sehen,
was man nun einmal notwendig braucht, also ihr die Rolle einer Art
Kunstgewerbe zuzuweisen, das ist in der Tat eine allzu
geringschätzige Auffassung von ihrer Bedeutung. Es zeigt sich
eben schon bei jenen Bauten, die von einem Mehr als der
bloßen Notdurft verlangt werden, daß sie als Kunst,
als Spiel der Phantasie auftritt, das nur noch ganz lose Beziehungen zu
jenen Zwecken hat. Keine Tätigkeit der menschlichen Phantasie
kann aber zu festen tiefgreifenden Formen führen, wenn
sie nicht im inneren seelischen Leben, in dem ganzen
Daseinsgefühl des Menschen wurzelt. So sollte schon bei jener
Einreihung der Architektur in eine so bescheidene Stellung ihre
Erklärung aus dem Zweck heraus nicht mehr genügen,
wenn man nicht den »Zweck« weiter und ganz
unbeschränkt faßt. Wie jede andere Kunst, muß die Architektur im ganzen Sein des
Menschen wurzeln, in all dem, wodurch er seinen eigenen Wert, seine
Beziehung zur Welt fühlt. Bei der ihrer Natur nach bedingten
Abstraktheit ihrer Formen, wegen deren man sie zuweilen in
irreführender Weise mit der Musik vergleicht, muß
dieser anschauungshafte Kern, von dem ihre Entstehung ausgeht,
besonders deutlich und stark sein. Sie kann nicht oder nur schwer wie
die Musik lyrisch die wechselnden Stimmungen ihres Schöpfers
geben. Was in Stein als Denkmal menschlichen Geistes für
Jahrhunderte in die Höhe ragt, muß auf
einer breiten und starken Grundlage des Empfindens beruhen. Ist wohl
ein Einzelner der geistige Schöpfer, so braucht doch ein
Bauwerk zu seiner Entstehung viele Hände und viele materielle
Mittel, und um diese zum Regen zu bringen, muß der Architekt
das Bewußtsein und die Kenntnis aller tieferen Empfindungen
und Anschauungen in sich tragen, die die Gesamtheit beherrschen,
für welche er bauen will, freilich nicht allein die ephemeren,
das was man den »Zeitgeist« nennt, sondern vielmehr
jene noch schlummernden latenten Seelenkräfte des Volkes, die,
in Glauben, Hoffnung und Wünschen verhüllt, ans Licht
streben und im höheren Sinne »bauen«
wollen. Dies ist schon dazu nötig, um die Aufgaben zu
lösen, welche scheinbar nur auf dem Zweck beruhen, da schon
dabei nicht die praktische Forderung, sondern die formende Phantasie
die Architektur erzeugt. So zeigt es sich, daß es etwas ganz
Anderes als die Zweckgebundenheit ist, was den Willen des
Baukünstlers ausmacht, und so erklärt es sich,
daß dieser Wille über und jenseits des eigentlich
Praktischen liegt und daß das Höchste, wonach sein
Wille strebt, in den Bauten liegt, deren praktischer Zweck ein
geringfügiger oder gar keiner ist. In jeder großartigen Kulturepoche ist es der jenseitig
über das Erdenhafte gerichtete Bau, zu dem alle schauen und
auf den sich der Bauwille der Zeit richtet. Die heutigen enggebundenen
Begriffe über das Bauen erhalten, so gesehen, ihre
vollständige Umkehrung. Der Dom, die Kathedrale über
der alten Stadt, die Pagode über den Hütten der
Inder, der ungeheuere Tempelbezirk im Rechteck der chinesischen Stadt
und die Akropolis über den schlichten Wohnhäusern der
antiken Stadt - sie zeigen, daß die Spitze, das
Höchste, die kristallisierte religiöse Anschauung
Endziel und Ausgangspunkt zugleich für alle Architektur ist
und ihr Licht auf alle die einzelnen Bauten bis zur einfachsten
Hütte hin ausstrahlt und die Lösung der simpelsten
praktischen Bedürfnisse mit einem Schimmer ihres Glanzes
verschönt. Von der Tiefe und Kraft der Lebensauffassung im
großen hängt nicht allein das Großgebaute
ab, ihre Intensität, ihre Leidenschaft erzeugt erst das
Schöne im kleinen. Sie allein vollbringt die rechte Wertung
des Maßstabes, den die Aufgabe des Architekten in sich
trägt, und verhütet die Verwischung der Grenzen
zwischen dem Großen und dem Kleinen, dem Sakralen und dem
Profanen, an der unsere Zeit krankt. Es war in der Gotik die gleiche
Hingabe, welche die hinreißende Kühnheit der Dome
türmte und zugleich in den einfachen Bauten die restlose
Durchdringung der praktischen und konstruktiven Anforderungen erzeugte.
DIE ALTE STADT
Das Gefüge der alten Stadt ist ein deutliches Abbild des
inneren Aufbaues der Menschen und ihrer Gedanken. Es ist so deutlich,
daß wir daran alles, was die Menschen empfanden, womit sie
sich in ihren Seelenfasern verknüpft fühlten, selber
wie eine Architektur der Geister klar vor uns sehen. Die
Hütten, Wohnhäuser, Rathäuser bilden
zusammen, gipfelnd im Dom oder Tempel etwas, was man zusammen eine
große Architektur, ein einsziges Bauwerk nennen
könnte. Der Zusammenhang ist so eng, daß er
über das eigentliche Bauen hinaus alles umfaßt, was
die Menschen in Lebensgenuß, Lebensfreude und Weltanschauung
vereinigt, und damit auch die anderen Künste. Die Architektur
durchzieht das ganze Dasein und dieses selbst wird zur Architektur.
Kann die Architektur in ihrer Bedeutung jemals
überschätzt werden? Sie ist Träger,
Ausdruck, Prüfstein für jede Zeit. Wir brauchen keine
Kulturgeschichte zu treiben, nicht die Einzelheiten des Lebens, der
politischen und religiösen Lehren der verschiedenen Epochen zu
kennen, um an den steinernen Zeugen das klar zu sehen, was die
Menschheit erfüllte. Die Architektur bedeutet gleichsam ein
zweites Leben selbst, indem sie die Generationen verbindet und als
treuester Spiegel das verkündigt, was längst
dahingegangene Propheten gelehrt und Geschlechter geglaubt haben. Es
erscheint das Wort Bau- »Kunst« fast zu gering
für etwas, was steingewordenes Leben und steingewordene
Gedankenwelt ist. Treu, rein und ungetrübt ist der Spiegel des alten
Stadtbildes. Die großartigsten Bauten gehören dem
höchsten Gedanken: Glaube, Gott, Religion. Das Gotteshaus
beherrscht jedes Dorf, jede kleine Stadt, und die Kathedrale thront
mächtig über der großen Stadt, ganz anders,
als wir es heute noch bei dem über den alten Plan
hinausgegangenen Stadtbilde mit den Mietskasernen empfinden.
Daß es der religiöse Gedanke war, der diese
Mächtigkeit erzeugte, darüber braucht keine
Rücksicht auf Verteidigungszwecke u. dgl. zu
täuschen. Die oft hochragende Stellung der Burg oder des
Burgschlosses hat damit nichts zu tun. Dabei waren es praktische,
fortifikatorische Momente, die ihre herausragende Stellung erzeugten
und die es ja für die heutige Kriegführung nicht mehr
gibt. Die Kathedrale mit ihrem wahrhaft
unzweckmäßigen Schiff und dem noch
unzweckmäßigeren Turm (Zweck als Notdurft) bleibt
die eigentliche Stadtkrone. Die Rathäuser, Stadthallen,
Gildenhäuser usw. ordnen sich trotz der starken politischen
Selbstständigkeit der alten Stadt unter und sind bei aller
eigenen Schönheit und Herrlichkeit bunte Edelsteine um den
einen funkelnden Diamant. In ihm ruhte alles, was sich als
höchste Idee repräsentieren sollte. Die Stadtmauer
mit den Türmen, dann die von ihrer Kette umschlossenen
Giebelhäuser, das Rathaus, die kleinen Kirchtürme und
zuletzt die Hauptkirche, - dies alles bildete einen geschlossenen, sich
sehr deutlich zur Spitze steigernden Rhythmus. Er mag im Reichtum
quellenden Lebens nicht immer so klar zu erkennen sein, aber die
Tendenz ist offensichtlich. Die klerikale Repräsentation
allein kann dieses Streben nicht erklären, da sie doch die
Folge der tieferen religiösen Bedürfnisse war. Ganz
gleich, wie wir das Phänomen zu begründen versuchen,
ob es in der Absicht und im Bewußtsein der alten Meister lag
oder nicht: es ist da und ist untrennbar mit unserem Begriffe von der
alten, der schönen Stadt verknüpft. Wir finden
dieselbe Erscheinung in ferner liegenden Zeiten, ja noch gesteigert,
bei den Riesentempelanlagen des Altertums, bei den Tempeln und Pagoden
Asiens, wo der Fortfall der Festungsmauer oftmals einen noch
gewaltigeren Gegensatz zu den Wohnhütten hervorruft.
DAS CHAOS
Ohne nähere Begründung empfindet man das alte
Stadtgebilde als einen gewachsenen Organismus. Besonderheiten der
örtlichen Lage ergaben die zahllosen Variationen - das
Wesentliche, wie sich die Stadt um den Dom, das Rathaus bis zu den
Stadtmauern entwickelt, die ursprünglich , sehr weit gezogen
waren, damit sich bei Belagerungen die Landbevölkerung hierhin
flüchten kann, das bleibt immer das Gleiche. Wie mußte es sich nun plötzlich umwandeln, als sich
der wirtschaftliche Aufschwung mit dem Anwachsen des Verkehrs durch die
Eisenbahn in rauschhafter Weise vollzog! Mietskasernen, Fabriken,
Geschäftshäuser klebten sich daran und drohten den
alten Kern zu ersticken, der dennoch immer, trotz des riesenhaftesten
Maßstabes der Ausdehnung, der wahre Kern geblieben ist. Eine
Unklarheit, ein Durcheinander in den Begriffen der Stadtplanung
mußte entstehen, da ein Zusammenfassen des Alten und Neuen
nicht mehr möglich war. Schließlich aber, nach allzu
langer Zeit, erkannte man die Haltlosigkeit des chaotischen Zustandes.
Doch unmöglich, in absehbarer Zeit einen solchen Augiasstall
von Kulturlosigkeit zu säubern! Die Verwahrlosung aller
grundlegenden Begriffe über das Bauen hatte eine allzu
große Macht erhalten. »Das Paradies, die Heimat der
Kunst« verschwand und es war »die Hölle,
die Heimat der Machtsucht« (Scheerbart) gekommen. Ihre
Erscheinungsformen standen freilich in schönster
Harmonie zu ihrem Wesen, nach den Gesetzen der Natur, welche
immer die Einheit von Inhalt und Form herbeiführt. Die
wildesten Mietskasernenviertel, ja jedes einzelne Haus steht danach
immer, wie häßlich es auch sein mag, in Harmonie zu
dem Leben, das sich in ihm abspielt. Und käme nun ein Gott und
stellte plötzlich das herrlichste Viertel hin, so
würde sich nach und nach auch das Leben in solchen neuen
Häusern nach ihnen richten. Aber es gehörte wirklich
ein Gott dazu. Die wenigen Menschen, die die Trostlosigkeit und
Häßlichkeit dieses materialistischen Daseins
empfanden, konnten nur langsam schürfen und, von. einzelnen
Teilgesichtspunkten ausgehend, nach einer Neuordnung der Dinge suchen.
DIE NEUE STADT
Zunächst versenkte man sich in romantischer Liebe in die
Schönheit der alten Stadtbilder und suchte durch Studium der
einzelnen Straßen- und Platzformen eine ästhetische
Neuorientierung (Camillo Sitte). Dazu kamen Untersuchungen
über die neuen Grundlagen der Städtebildung nach der
sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Seite hin,
Untersuchungen, welche die Organisierung der Stadtviertel und
Straßenzüge, sowie die Hervorkehrung alles dessen
zum Ziele hatten, worauf sich erst die neue Stadt aufbauen kann
(Theodor Goecke), und es bildete sich eine neue Lehre, der
»Städtebau« genannt. Sie blieb zwar, von
manchen Nachbetern nur äußerlich
aufgefaßt, großenteils bis heute in formalistischen
Dingen stecken; im wesentlichen aber erwies sie sich als ein
fruchtbarer Keim. Nach und nach wurden alle guten Kräfte von
ihr mitgerissen, und die Frucht vieler Entwürfe und
theoretischer Studien ist, daß wir heute eine Vorstellung
davon haben, wie eine moderne Stadt am besten zu organisieren ist. Die
Verteilung der Wohn-, Industrie- und Geschäftsviertel im
Stadtgefilde, .die Unterbringung der öffentlichen Bauten,
Schulen, Verwaltungen usw., alles fand schließlich wenigstens
in der Theorie eine feste Form. Es blieb aber nicht allein
dabei, wie das Bestehende am besten umzugestalten und zu disziplinieren
sei. Es wurde weiter untersucht, welche neuen Formen eine neue Stadt
haben muß, damit die Einwohner in ihr glücklich sein
können. Die kritische Sichtung führte zur
theoretischen Ablehnung der Mietskaserne und zur Erkenntnis,
daß das kleine Einzelwohnhaus, in Reihen gebaut, mit eigenem
Garten wohl möglich und durchführbar sei. Die
Gartenstadtbewegung, deren Ziel die Schöpfung einer neuen
Stadt mit solchen Gartenreihenhäusern in engster Anlehnung an
Garten- und Ackerbau, mit praktisch und rentabel angelegten
Wohnstraßen, gut verteilten Parks, vernünftiger
Unterbringung der Industrie und überhaupt Disziplinierung
aller Ingredienzien unter Ausschluß der Bodenspekulation war,
- diese Bewegung wurde am kräftigsten in England propagiert
und führte dort zur Neugründung einer solchen Stadt
eine Bahnstunde von London entfernt in der »ersten
Gartenstadt Letchworth«. Viele sich an
Großstädte anlehnende Vorortsiedlungen
würden auch in Deutschland nach ähnlichen Gedanken
errichtet. Wenn man die Gartenstadtbewegung und dazu alle die
städtebaulichen Arbeiten, die im Anschluß an
bestehende Städte Erweiterungen und in diesen Städten
Verbesserungen vornahmen, ferner die vielen fruchtbaren Anregungen in
diesem Gebiete überschaut, so kann man sagen: alle diese
Arbeiten folgen einer neuen Vorstellung, die, wenn auch durch
Kompromisse vielfach verschleiert, in ihnen lebt. Eine neue Idee lenkt
alle diese Köpfe und Hände, es ist die Idee der neuen
Stadt. Eine tiefe Sehnsucht leitet uns alle: wir wollen wieder
Städte, in denen wir nach Aristoteles nicht bloß
sicher und gesund, sondern auch glücklich wohnen
können. Diese Sehnsucht sitzt so tief, daß wir nicht
mehr nach dem Alten zu schielen brauchen. Mit Stolz kennen wir unsere
eigenen, ganz von den alten Zeiten abweichenden Wünsche und
Neigungen und streben ihnen voll Hoffnung, unbeirrt durch alle
Hemmungen, zu.
RUMPF OHNE KOPF
Die Idee der neuen Stadt wird Früchte tragen und wir sollen
glücklich sein, daß wir sie haben. Sie ist uns die
sichere Verheißung, daß unsere Nachkommen besser
und schöner leben werden. Aber vergegenwärtigen wir uns einmal deutlich diese Idee:
Organisieren - Disziplinieren - Organisieren - Disziplinieren -. Es
soll nicht unterschätzt werden; aber ist das schon eine Idee,
die man bauen kann, die selber bauende Kraft hat? Wo liegt darin das
Bildhafte, ohne das es keine Kunst gibt? Welches Bild machen wir uns
danach von der neuen Stadt? Gesunde Wohnungen, Gärten, Parks,
schöne Wege, Industrie, Geschäfte - alles gut
geordnet und bequem darin zu leben. Dann hier und da eine Schule, ein
Verwaltungsgebäude, - diese schön romantisch oder
klassizistisch angelegt. Es will scheinen, als wenn Bequemlichkeit,
Behaglichkeit und Nettheit doch wohl nicht alles sein können.
Das Ganze zerfließt wie Schnee in der Sonne. Ist denn kein
Kopf da, hat dieser Rumpf keinen Kopf? Ist das unser Abbild, ist so
unsere geistige Verfassung? Wir sehen die alten Städte an und
müssen resigniert sagen: Wir haben keinen Halt. Aber wir haben doch Staatsbauten, Schulen, Bäder,
Bibliotheken, Stadtverwaltung usw.! Die können doch
dominieren! - Doch ein Teil davon wie Schulen, Bäder,
Bibliotheken (mit Ausnahme der Hauptbibliothek) muß aus
praktischen Gründen in unserer bequemen Stadt zersplittert
liegen; damit sie wirklich ihre heilsame Wirkung ausüben. Aber
die Bauten der kommunalen Verwaltung können doch in der Mitte
liegen und herrschen, wie einstmals das Rathaus! Doch das ordnete sich
früher ja unter, wie wir gesehen haben, trotzdem es damals
reiner Repräsentationsbau war. Unsere Rathäuser aber
sind Bureaus für alle die städtische
Verwaltungsarbeit. Zu ihnen kommt der Bürger, um seine Steuern
zu bezahlen, um sich an- und abzumelden usw. Außerdem
enthalten sie wohl den Versammlungssaal der Stadtverordneten,
Sitzungsräume und anderes; aber repräsentiert das so
unsere Lebensauffassung, daß es mächtig
über dem Stadtganzen thronen kann? Die opulente
Ausstattung der modernen Rathäuser mit Turm und einer schweren
Architektur wird ja neuerdings aus Gründen der Sparsamkeit
eben weil es dem inneren Wesen des Baues widerspricht, mit Recht
verworfen!.(1 Cürlis und Stephany: Irrwege unserer Baukunst.)
Die Städte haben wohl ihre eigene selbständige
Verwaltung, aber sie ist nicht so kraftvoll selbstherrlich, wie die der
alten Reichsstädte, und selbst in ihnen trat das Rathaus nicht
an die erste Spitze. Dem modernen Gefühl liegt es ganz fern,
der Stadtverwaltung eine solche Bedeutung gegen- über dem
Staatsganzen einzuräumen. Bei dem Aufflackern der nationalen Empfindungen infolge des
großen Völkermordens wäre es vielleicht der
Staatsgedanke, der geeignet wäre, Ausdruck des
höchsten Bauwillens der neuen Stadt zu sein. Im Altertum
verquickte sich der Staatsgedanke so eng mit der Religion,
daß die Akropolis oder das Forum mit Tempeln gleichzeitig
Sitz der höchsten Gerichtsbarkeit, des Areopags, der
höchsten Behörden war. Eine Nachahmung dieser
Verhältnisse würde heute aber nichts als Nachahmung
sein und unser Volksleben nur um einen weiteren Imitationsirrtum
bereichern. Überzeugt von der Bedeutung des Staatslebens
werden wir es doch nie mit sakralem Glanze umgeben können.
Unser Gefühl und unsere Dankbarkeit dem Staate
gegenüber beruht darauf, daß er es uns durch seine
gute Einrichtung möglich macht, der Vertiefung in unsere
Lebensaufgabe und Hingabe daran zu leben. Er ist der Sammelbegriff
für alle dadurch erzeugten Werte und existiert nicht
über oder außer uns, sondern in und unter uns.
Alexander von Gleichen-Rußwurm sagte am 5. Februar 1916:
»Das Ideal des deutschen Staatsbürgers bestand in
letzter Zeit immer mehr darin, den Staat für sich denken zu
lassen, dem man es wahrlich nicht verübeln kann, daß
er sich schließlich des Denkmechanismus bemächtigte.
Sollen wir aber nur für den Staat erzogen werden? Dieser
Gedanke eines. durchgreifenden Drills aller gilt der ,Welt als das
deutsche Ideal, aber er ist nicht das deutsche Ideal. Der Staat ist
nach unserer Auffassung nicht Selbstzweck, organisierte Macht, sondern
ein Gebilde mit der Aufgabe, den Interessen aller
Staatsangehörigen zu dienen, die ihrerseits das Recht haben,
über die Erfüllung dieser Aufgabe zu wachen und die
Tätigkeit der Organe zu kontrollieren.« Und
Nietzsche schreibt in »Schopenhauer als Erzieher«:
»Alle Staaten sind schlecht eingerichtet, bei denen noch
andere als die Staatsmänner sich um Politik bekümmern
müssen, und sie verdienen es, an diesen vielen Politikern
zugrunde zu gehen.«
Diese Auffassung vom Staatsbegriff findet ihren deutlichen Ausdruck
darin, wie sich die Staatsbauten in das Stadtbild einfügen.
»Die Stellung der Staatsbauten hat sich gegen früher
wesentlich geändert. Im Altertum und zum Teil noch im
Mittelalter war jede größere Stadt ein Stadtstaat.
Staatliche Bauten waren städtische Bauten.
Staatswohl war Stadtwohl. Die Eigenart der öffentlichen Bauten
war durch die örtliche Begrenzung gegeben. Seitdem der Staat
als Ganzes Hunderte von Städten umfaßt, sind die
staatlichen Bauten in den einzelnen Städten
gewissermaßen Fremdlinge. Auch ist es nicht mehr wie
früher, daß alles vor den öffentlichen
Bauten ehrerbietig Platz macht und sich ganz nach ihnen richtet. Sie
haben keine Sonderrechte mehr, ihre örtliche richtige Stellung
ist oft nur schwer zu erreichen, ihre künstlerische Gestaltung
ergibt sich nicht mehr ohne weiteres durch die eng begrenzte Eigenart
des Staatsbietgees.« So schreibt Philipp A. Rappaport im
»Städtebau«. Und weiterhin
erwähnt derselbe Verfasser, daß die Bauordnung
sowohl, wie die Aufstellung eines Bebauungsplanes Sache der
Stadtgemeinde sei, welche danach auch das Recht der Verteilung dieser
Bauten im Stadtgebiete habe, soweit nicht der Staat sich selbst
rechtzeitig Land erwirbt. Es trete eine
»Landflucht«, eine Verlegung der Staatsbauten in
die Peripherie der Stadt in die Erscheinung. - So scheint sich auch
hier äußere Form und Inhalt völlig zu
decken und wir müssen nach einem anderen Kopf für den
Rumpf suchen.
GEBT EINE FAHNE
Es muß auch heute wie beim alten Stadtbilde sein,
daß das Höchste, die Krone, sich im
religiösen Bauwerk verkörpert. Das Gotteshaus bleibt
wohl für alle Zeiten der Bau, zu dem wir immer hinstreben, der
unser tiefstes Gefühl den Menschen und der Welt
gegenüber tragen kann. Warum ist denn aber nicht in den letzten Zeiten, etwa seit der
Blütezeit des Jesuitismus, irgendwo ein großer Dom
gebaut oder wenigstens ernsthaft geplant worden? Schinkels romantischer
Zug führte ihn zu einem großen Domprojekt auf dem
Templowerberge bei Berlin, aus dem Gefühl, endlich einmal
etwas zu schaffen, was Sehnen und Hoffen der Menschen in Gemeinschaft
zusammenführt. Doch die Anregung fand keinen Nachhall. In der Idee der neuen Stadt fehlt die Kirche. Es werden zwar in den
Plänen auch Kirchen vorgesehen, doch werden sie so verteilt,
daß sie keine überragende Bedeutung finden
können. Auch die Gottesidee zerfließt, wie die neue
Stadt selbst. Es soll nicht behauptet werden, daß das
religiöse Leben an Innigkeit nachgelassen habe. Aber es
zerfließt mehr und mehr in kleine Kanäle; das
gemeinsame Gebet, die lithurgische Handlung hat an zusammenhaltender
Kraft verloren. Es ist, wie wenn eine seltsame Schamhaftigkeit im
frohen Bekennen des religiösen Glaubens eingetreten
wäre, wie wenn es sich nur auf das stille Kämmerlein
des einzelnen zurückgezogen hätte. Und die Kirche
folgt diesem Vorgang. Sie dezentralisiert, zersplittert sich und sieht
das Seelenhirtentum in der Missionstätigkeit. Fromme Vereine
mit Bethäusern, die in den Stadtteilen verstreut sind, ebenso
verstreute kleine Kirchen - sie zeigen, wie auch die Kirche konsequent
sich der allgemeinen Erscheinung des Zerfließens
anschließt. Selbst der repräsentationsstolze Klerus
der katholischen Kirche folgt ihr. Die großen alten Dome
bleiben voll Leben, wie es die Tradition gebietet. Sonst aber
verläuft die Seelenpflege in denselben Formen und kein neuer
Dom entsteht. Die religiöse Konfession hat anscheinend nicht mehr die alte
Kraft. Es treten keine Bekenner, keine Kämpfer für
sie auf und, was einstmals große Bewegungen beseelte, das
scheint heute, der Dogmen entkleidet, zum einzelnen
zurückgezogen und in einer völligen Wandlung
begriffen zu sein.
Aber ein Glaube ist sicher noch da. Es ist nicht denkbar, daß
Millionen von Menschen, ganz dem Materialismus verfallen, dahinleben,
ohne zu wissen, wofür sie da sind. Es muß etwas in
jedes Menschen Brust leben, das ihn über das Zeitliche
hinaushebt und das ihn die Gemeinschaft mit seiner Mitwelt, seiner
Nation, allen Menschen und der ganzen Welt fühlen
läßt. Wo liegt das? Zerfließt das auch so
oder ist etwas, etwas Neues in alle Menschen hineingeflossen und wartet
auf seine Auferstehung, auf seine strahlende Verklärung und
Kristallisierung in herrlichen Bauwerken? Ohne Religion gibt es keine
wahre Kultur, keine Kunst. Und sollen wir, in Teilströmungen
zerrissen, dahinvegetieren, ohne uns die wahre Schönheit des
Lebens zu schaffen?
»Die Schritte der Religion sind groß, aber langsam.
Sie braucht Jahrtausende zu einem Schritt. Der zum Fortschritt
aufgehobene Fuß schwebt schon sich senkend in der Luft; wann
wird sie ihn niedersetzen?« (Gustav Theodor Fechner in
»Tagesansicht«.)
Es gibt ein Wort, dem arm und reich folgt, das überall
nachklingt und das gleichsam ein Christentum in neuer Form
verheißt: der soziale Gedanke. Das Gefühl, irgendwie
an dem Wohl der Menschheit mithelfen zu müssen, irgendwie
für sich und damit auch für andere sein Seelenheil zu
erringen und sich eins, solidarisch mit allen Menschen zu
fühlen, - es lebt, wenigstens schlummert es in allen. Der
Sozialismus im unpolitischen, überpolitischen Sinne, fern von
jeder Herrschaftsform als die einfache schlichte Beziehung der Menschen
zu einander, schreitet über die Kluft der sich befehdenden
Stände und Nationen hinweg und verbindet den Menschen mit dem
Menschen. - Wenn etwas heute die Stadt bekrönen kann; so ist
es zunächst der Ausdruck dieses Gedankens.
Dies wird der Architekt gestalten müssen, will er sich nicht
selbst überflüssig machen und will er wissen,
wofür er lebt. Was hat es schließlich auf sich,
dieses oder jenes Häuschen oder Gebäude
hübsch zu machen, wenn wir nicht das große Element
kennen, das alle kleinen Wässerchen speist! Aus dem Fehlen
dieses Wissens entstand ganz mit Recht die geringschätzige
Anschauung über Architektur, die eingangs geschildert wurde.
Die Architekten sind daran mit schuld. Wenn sie nicht um ihr letztes
Ziel wissen, wenn sie nicht in Hoffen und Sehnen wenigstens das
Höchste ahnen, dann hat ihre Existenz keinen Wert. Dann
verliert sich ihre Begabung im gewerblichen Kampf und verzettelt sich
in ästhetelnden Kleindingen und
Überschätzung des Kleinkrams. Sie müssen
sich in Verhimmelung des Alten, in Eklektizismus oder begrifflichen
Spekulationen, wie Heimatkunst, Zweck, Material, Proportion, Raum,
Fläche, Linie usw. erschöpfen und sind
schließlich ganz und gar außerstande, etwas
Schönes zu machen, da sie sich von dem letzten
unerschöpflich sprudelnden Quell des Schönen ganz
getrennt haben. Auch alles Studium der alten Baustile hilft dann
nichts; denn sie bleiben so nur an den Einzelformen kleben, weil ihre
Augen blind sind für das Licht, das alle die herrlichen
Einzeldinge durchstrahlt. Der Architekt muß sich auf seinen
hohen, priesterhaft herrlichen, göttlichen Beruf besinnen und
den Schatz zu heben suchen, der in der Tiefe des
Menschengemüts ruht. In voller
Selbstentäußerung vertiefe er sich in die Seele des
Volksganzen und finde sich und seinen hohen Beruf, indem er, als Ziel
wenigstens, einen Materie gewordenen Ausdruck für das gibt,
was in jedem Menschen schlummert. Ein glückbringendes,
baugewordenes Ideal soll wieder erstehen und alle zum Bewußt
sein führen, daß sie Glieder einer großen
Architektur sind, wie es einst war. Dann blüht endlich wieder die Farbe auf, die farbige
Architektur, die heute nur von wenigen ersehnt wird. Die Skala der
reinen ungebrochenen Farben ergießt sich wieder über
unsere Häuser und erlöst sie von ihrem toten Grau-
in- Grau. Und die Liebe zum Glanz erwacht: der Architekt scheut nun
nicht mehr das Blanke und Glänzende: Er weiß es nun
zu verwerten und kann von seiner neuen Warte aus, fern vom alten
Vorurteil, alles und jedes zu neuer Wirkung verteilen. Wenn es nun wirklich der soziale Gedanke ist, der ans Licht strebt und
noch unter der Oberfläche vergraben ruht, ist es dann
überhaupt möglich, etwas Latentes zu gestalten? Die
Antwort lautet : die Kathedralen, die Riesentempel sind auch einmal
entstanden, einmal waren sie noch nicht da und einmal wurde ihr Gedanke
hier und da, immer in einem einzelnen Architektenkopf geboren. Was
heute prangend wie selbstverständlich dasteht, einmal wurde es
als Idee zum ersten Male aufgeworfen, geplant, als der Wunsch dazu nur
unklar im unbestimmten Sehen der Volksseele verschlossen lag. Doch wird
man sagen: da waren kleine Anfänge, schüchterne
Versuche, aus denen nach und nach der große Dom herauswuchs,
als Folge einer Tradition, die immer und immer das Gleiche bildete, bis
es dann in kühner Größe als Resultat langer
Übung sich ergab. Ich meine, es muß schon in den
kleinsten Anfängen die Idee, die Tendenz dagewesen sein, da es
doch Menschenwerk ist. Freilich war das letzte Ergebnis dann
unbegreiflich, so daß heute im Volksmunde der Inder die
Erbauung der Wundertempel den Göttern zugeschrieben wird,
obgleich selbst für ganz große Anlagen wie
Angkor-Vat (Abb. 23) der Name des Architekten (Diwakara)
überliefert ist. Haben wir nicht vielleicht solche
Anfänge? Aus dem Nichts wächst nichts. Und
Architektur entsteht nur, wenn sie von einer Handlung getragen ist. Es
ist nicht möglich, einen bloßen Gedanken ohne einen
Handlungsvorgang Architektur werden zu lassen, weshalb alle modernen
Denkmalsversuche zur Unfruchtbarkeit verurteilt sind, da nichts an und
mit ihnen geschieht und sie schon in der Absicht auf
äußerlicher Nachahmung mißverstandener
alter Werke beruhen, Der religiöse Vorgang im Tempel, das
Opfer, die Messe u. dgl. war nötig, um die großen
Bauten zu schaffen. Wenn wir im sozialen Gedanken die Möglichkeit der Stadtkrone
sehen, so müssen wir untersuchen, welcher Art die Handlungen
sind, in denen sich dieser Gedanke schon heute kund tut. Was will die
Volksmasse heute, was tut sie? Gibt es nicht Veranstaltungen, in denen
sich in verhüllter Form wenigstens die Sehnsucht der Menge
äußert? Gehen wir zu den Orten, zu denen sie sich
begibt, um abseits von materiellen Wünschen ihre
Muße zu verbringen, und wir kommen dann zu den
Vergnügungsstätten, vom Kino bis zum Theater
aufwärts, oder zu Volks- und Versammlungshäusern, zu
denen sie ein politischer Drang oder der Wunsch, die Gemeinschaft zu
empfinden, hinzieht. Es sind also zwei Triebfedern da, das
Vergnügen und der Gemeinschaftsdrang, die schon jetzt
zahlreiche Bauten ins Leben gerufen haben. Diese Instinkte sind von den
Führern klar erkannt (1- Es sei auf den neuerdings
begründeten Volkshaus-Bund hingewiesen.) und mit manchem
Glück zur Veredlung gebracht worden. Der Wunsch nach
Vergnügen, der die Menschen in solchen ungeheueren Mengen in
die Theater treibt (in Brüssel beträgt die Zahl der
Theaterbesucher nach Zeitungsberichten allabendlich 20 000 bei einer
Einwohnerzahl von rund 600 000), dieser Wunsch darf keineswegs als
roher Unterhaltungstrieb gedeutet werden, sondern es steckt in ihm der
Schrei der Seele nach dem Höheren, nach Erhebung über
das Alltagsdasein. Wird doch von Theaterleuten gerade der deutsche
Theaterbesucher als dankbar andächtiger Gast angesehen, der
mit sonntäglichen Empfindungen ins Theater geht. Die andere
Seite des Volkstriebes, die in Volkshäuser führt,
beruht ebenfalls auf einem inneren edlen Zuge. Es ist der Wille, sich
an der Gemeinsamkeit zu bilden und sich mit der Mitwelt eins, als
Mensch unter Menschen zu fühlen. Es liegen hier offensichtlich
volksethische tiefgreifende Tendenzen zugrunde, die viele Bauten,
darunter recht opulente (Volksbühne in Berlin) und
schöne (Diamantsarbeiter - Gewerkschaftshaus im Haag) erzeugt
haben. Es gilt sie zusammenzufassen, damit sie nicht zerflattern und
sich im politischen Getriebe verlieren. Es ist offenbar eine einzige
völlig homogene große Strömung, die diese
Tendenzen darstellen. Und es ist sicher die Strömung, die am
breitesten und stärksten weite, ja man kann behaupten alle
Volksteile umspannt. In ihr liegt das verhüllt, was die
Sehnsucht unserer Zeit bedeutet, ans Licht will und nach einer
sichtbaren Verklärung ruft. Das ist der bauende Wille unserer
Welt. Wir haben die Idee der neuen Stadt, zwar einer Stadt ohne Haupt. Nun
wissen wir aber, wie ihr Haupt, ihre Krone sein muß.
DIE STADTKRONE
Der nachstehend abgebildete Entwurf ist ein Versuch zu zeigen, wie
vielleicht in der neuen Stadt die Bekrönung, das
Höchste angestrebt werden könnte. Es mag nach den
hier gezeigten und erwähnten Beispielen mehr als
kühn, ja vermessen erscheinen, etwas in gleicher Richtung
Liegendes zu wagen. Einmal muß aber der Versuch gemacht
werden, auch auf die Gefahr hin, unbescheiden und utopistisch
gescholten zu werden. Er soll lediglich in konkreter Fassung die zur
Höhe drängenden Tendenzen verdeutlichen und nicht so
sehr als Selbstzweck angesehen werden wie vielmehr als Anregung, das
Erkannte der Verwicklichung und der weiteren Zielschaffung
näher zu führen. Es möge zunächst die Grundlage, dasjenige, was
bekrönt werden soll, die Stadt, erörtert werden. Es
ist hier ein Schema zugrunde gelegt (Abb. 46), nach welchem in der
Ebene eine neue Stadt anzulegen wäre. Es sind absichtlich alle
besonderen Reize, die eine bevorzugte Lage mit sich bringen, wie Meer,
Strom und Berg unberücksichtigt geblieben, um die Idee selbst,
die Theorie möglichst rein erkennen zu lassen. In Wirklichkeit
würde sich das Ganze durch alle jene Dinge viel
differenzierter geben, ohne daß es deswegen ein solches
Schema vermissen ließe, ähnlich wie auch die alte
Stadt immer irgendein Schema erkennen läßt. Das Ganze umfaßt ein Kreis von ca. 7 km Durchmesser, in
dessen Mittelpunkt sich die »Stadtkrone« befindet.
Diese, ein rechteckiges Areal von 800X500 Meter, wird durch die
Hauptverkehrsadern berührt, welche aus Verkehrs- und
Schönheitsgründen nicht auf ihre Mitte auflaufen,
sondern sie tangieren und in weiten Bögen von da ausstrahlen.
Die Bahnlinie ist im Ostteil in einem ähnlichen Bogen
vorgesehen, so daß zwischen Bahnhof und Stadtmitte sich das
Geschäftsleben entwickelt. In diesem Viertel würden
praktischerweise die Verwaltungsgebäude, das Rathaus u. dgl.
an besonderen Plätzen liegen. Weiterhin an der Bahnlinie bis
über die Peripherie hinaus die Fabriken, die, nach Osten
gelegt, die Stadt von ihren Gasen verschont lassen. Von Westen, mit der Hauptwindrichtung, kommt ein großer Park
sektorförmig bis ins Innere hinein und bringt von
Wäldern und Feldern gute Luft. Er verbindet das Herz der Stadt
mit dem freien Lande wie eine große Lebensader und soll ein
wahrer Volkspark sein mit Tummelplätzen, Spielwiesen,
Wasserbecken, botanischem Garten, Blumenplätzen, Rosarien und
einem ausgedehnten, breit in die freie Natur ausmündenden Hain
und Wald. Achsial zur Stadtmitte liegen in den Wohnvierteln drei
Hauptkirchen und sonst verstreut die Schulen, mitten im Park die
Unterrichtszentrale (Universität) und weiter draußen
die Hospitäler. Zwei Hauptstraßenlinien
führen diagonal zum Bahnhof, zur Abkürzung des Weges. Die Straßenzüge der Wohnviertel laufen im
wesentlichen von Norden nach Süden, um den beiderseitigen
Hausfronten Ost und Westsonne zu geben und windstille Straßen
und Gärten. Ihre Ausbildung selbst ist völlig im
Charakter der Gartenstadt gedacht, mit niedrigen Einzelhausreihen und
tiefen Gärten für jedes Haus, etwa im Sinne von Abb.
50 und 51, so daß das Wohngebiet selbst als Gartenbauzone
gilt und Laubenkolonien erübrigt. Außerhalb des
peripherischen Parkgürtels schließt sich die
Ackerbauzone an: Die Gesamtfläche der Stadt beträgt
38,5 qkm, die des Wohnareals etwa 20 qkm und würde bei
gartenstadtartiger Bebauung Raum für 300 000 Einwohner, d. h.
150 Seelen pro Hektar, im Erweiterungsfalle bis 500000 geben.
Dazwischen eingesprengte grüne Anlagen, Spielplätze,
Parkstreifen zur Trennung der Wohn- und Industriegebiete und sonstige
Einzelheiten sind nicht besonders gezeichnet. Die Entfernung von der
Peripherie bis zur Stadtmitte beträgt also nicht viel mehr als
3 km = 1/2 Stunde Fußweg: Die Straßen innerhalb der
Wohnviertel selbst sind so schmal (5 bis 8 Meter), wie sie gerade sein
können, um hier nicht unnötige Mittel zu
verschleudern. Die Verkehrsstraßen sind zur Aufnahme von
Straßenbahnen und reichlichem Wagenverkehr eingerichtet. Die Haushöhen der Wohnviertel bleiben nach dem Grundsatz der
Gartenstadt so niedrig wie möglich. Die Geschäfts-
und Verwaltungsbauten dürfen sie höchstens um ein
Geschoß überragen, damit mächtig und
unerreichbar die Stadtkrone über allem throne. Die Mitte, die Stadtkrone selbst (Abb. 42-48) zeigt eine Gruppierung
aller der Bauten, auf welche die vorhin erwähnten sozialen
Tendenzen zielen und welche eine Stadt dieser Größe
für künstlerische und Unterhaltungszwecke braucht. Vier große Bauten, ein streng nach der Sonne orientiertes
Kreuz bildend, bestehend aus Opernhaus, Schauspielhaus,
großem Volkshaus oder Saalbau und kleinem Saalbau,
bekrönen die Anlage und weisen mit ihren Ausgängen
nach den vier verschiedenen Richtungen, um eine rasche Zerstreuung
der Menschenmassen zu ermöglichen. Zu ihren Seiten
haben sie freie Plätze mit Rücksicht auf die Panik.
In ihrer Mitte liegt ein Hof mit Flügeln für
Kulissenmagazine, Vorrats-, Wirtschaftsräume u. dgl. Sie
werden verbunden und umfaßt von einem Säulenumgang,
der an seinen vier Ecken rechts und links vom Volkshause
Gesellschaftshäuser für kleinere intimere
Veranstaltungen (Hochzeiten und ähnliches) mit
Terrassengärten und auf der anderen Seite Aquarium und
Pflanzenhaus mit ebensolchen Gärten bildet. Dieser Umgang
ermöglicht die innigste Benutzung des Ganzen; man kann den
Nachmittag in den Terrassengärten, den Abend im Konzert, im
Theater oder in einer Versammlung zubringen.
42.
Ansicht nach Osten
Während die Ausgänge von Schauspielhaus und kleinem
Saalbau auf großen Freitreppen (besondere Auffahrtsrampen
sind nicht eingezeichnet; die Zufahrt zum Wirtschaftshof ( in der Mitte
würde durch eine tunnelförmige Auffahrt erfolgen) zu
baumbestandenen Plätzen führen, schließt
sich rechts und links der beiden großen Bauten ein
Gefüge von Höfen, Arkaden und Gebäuden an,
das je nach Lage und Bestimmung variiert. Vom Opernhause, dessen
Begleiter das Aquarium und das Pflanzenhaus mit der stillen
Schönheit der Fische, Blumen, erlesenen Gewächse und
Vögel sind, führt ein gedeckter Säulengang
mit mehrfachen Treppen über einen ebenfalls
arkadenumschlossenen Teichhof und von dort erst zum Wagenhalteplatz,
als würdiger Ausklang nach dem Kunstgenuß und
würdiger Aufklang vor ihm. Am äußeren Platz
schließen sich Museum und Zentralbibliothek an, ernste Bauten
mit zwei Obergeschossen, die nicht zu groß gehalten sind,
weil in der neuen Stadt hoffentlich nicht jene Massenaufspeicherung von
allem und jedem, was nur alt ist, und von allem möglichen
fragwürdigen Neuen stattfinden wird, wie es die heutigen
Museen leider zum Überfluß zeigen. Die lebendige Kunst
bedarf überhaupt keiner Aufstapelung; sie
soll hier nicht mehr im Museum ihr kümmerliches Dasein
fristen, sondern mitwirkend und sich einordnend das Ganze durchziehen.
Durch Kolonnaden mit Museum und Bibliothek verbunden stehen in
Gärten an Kaskadenteichen zwei Lesehäuser, deren
Gärten mit denen der Kaffees und Restaurants
zusammenhängen. Die äußersten
ausstrahlenden Ecken sollen Konsum- und Kaufhäuser enthalten,
welche auf sozial-wirtschaftlicher Grundlage beruhen und wie die
Restaurants und Kaffees nur ein Obergeschoß haben, damit sie
zu den niedrigen Wohnhäusern überleiten. Sie haben
besondere Wirtschaftshöfe. Die beiden westlichen Ecken des Areals
enthalten das Gleiche, nur sind
hier die Vorhöfe und Gärten entsprechend der
veränderten Bestimmung anders als auf der Ostseite. Vor dem
großen Saalbau oder Volkshause ist ein arkadenumschlossener
ebener baumbestandener Platz für Volksversammlungen
unmittelbar vor dem Hause. Vor einer Freitreppe ein geneigter
großer Rasenplatz, damit
bei Versammlungen im Freien die Menge sich vor dem Sprecher auf der
Kanzel an der Treppe lagern kann. Dieser Rasenplatz setzt sich
über die Straße hinweg in den Stadtpark hinein fort,
bis zu einem See mit Wasserkünsten. Rechts und links vom Rasen
steht ein Sommertheater und ein Gartenrestaurant, und jenseits im Park
könnten sich anmutige Volksbelustigungen
anschließen, etwa im Stile von Tivoli in Kopenhagen. So stuft
sich das Ganze von oben nach unten herab, ähnlich wie
sich die Menschen in ihren Neigungen und ihrer Veranlagung staffeln.
Die Architektur wird kristallisiertes Abbild der Menschenschichtung.
Alles ist für alle zugänglich; jeder geht dahin,
wohin es ihn zieht. Es gibt keine Konflikte, weil sich immer die
Gleichgestimmten zusammenfinden. Die obere Bekrönung bildet das
Massiv der vier
großen Bauten, als sichtbarer in seiner Kreuzform
symbolischer Ausdruck der Erfüllung. Die sozial gerichteten
Hoffnungen des Volkes finden hier auf der Höhe ihre
Erfüllung. Das Drama, das Musikspiel gibt den hier vereinten
Menschen den Seelenschwung, den sie im Alltagsleben ersehnten, und die
Zusammenkunft in den Volkshäusern läßt sie
fühlen, was sie als Menschen einander zu geben haben, und
führt den Herdentrieb, die Urkraft des Zusammenschlusses, zur
Veredelung. Die Bauten müssen außen und innen, in ihrer
Haltung
und ihrem Gefüge, Organismen sein, die einzig in diesem
besonderen Leben existieren können. Die Theater haben mit dem
bisherigen Abschluß der Bühne vom Zuschauerraum, mit
der Kluft zwischen Schauspieler und Genießendem endlich
gebrochen und geben den dramatischen Genuß nicht mehr als
erkaufte Handelsware, die im »eisernen Vorhang«
eingesperrt blieb, .ehe das Eintrittsgeld bezahlt war. Der Vorhang ist
nicht mehr Trennung; er ist sinnvolles Kunstmittel, und ein enges Band
umfaßt Schauspieler und Zuschauer. Ein Gegenspiel in Licht
und Farbe zwischen Bühne und Theaterraum, alles festlich und
nach dem Maßstab des einzelnen Menschen gebaut und
geschmückt, gibt den Rahmen für dramatische
Erlebnisse. Die kahle ungegliederte Wand hat hier keinen Platz. Dieses
einzigartige Gegenspiel schwingt durch den ganzen Bau und beschwingt
alle seine einzelnen Glieder, ausstrahlend von der Bühne
über den Theaterraum, die Wandelgänge, Foyers bis zur
Außenarchitektur.
43.
Ansicht nach Westen
Die Volkshäuser haben einen ähnlichen Klang, den
vollen harmonischen Ton der Menschengemeinschaft. Geist und Seele soll
in ihnen gehoben und reif werden, dem Ganzen ihr Schönstes zu
geben. Die großen und kleinen Säle für
Versammlungen, Vorträge, Konzerte und Feste, die Auditorien,
Bibliothek- und Leseräume, Unterhaltungs- und Spielzimmer,
Wandelgänge und alles andere des Volkshausprogramms zeigen
eine das häuslich Intime überwindende
architektonische Gestaltung, welche ganz auf die große
Gemeinschaft gestellt ist und sich mit einem bildnerischen und
malerischen Schmuck verbindet, der, gleichermaßen
hinausgehend über die Schranken des Alltags, des
»Natürlichen«, ihr frei und zugleich in
engster geistiger Bindung folgt. Das Kreuz dieser vier großen Bauten ist die obere
Bekrönung der gesamten Baugruppe; aber dieses Baumassiv ist
allein noch nicht die Krone. Es ist erst Sockel für ein
höchstes Bauwerk, das, ganz vom Zweck losgelöst, als
reine Architektur über dem Ganzen thront. Es ist das
Kristallhaus, das aus Glas errichtet ist, dem Baustoff, der Materie und
doch mehr als gewöhnliche Materie in seinem schimmernden,
transparenten, reflektierenden Wesen bedeutet. Eine
Eisenbetonkonstruktion hebt es über das Massiv der vier
großen Bauten heraus und bildet sein Gefüge,
zwischen dem in Prismenglasfüllungen, farbigen und
Smalten-Glastafeln die ganze reiche Skala der Glasarchitektur prangt.
Das Haus enthält nichts als einen wunderschönen Raum,
den man von Treppen und Brücken rechts und links des
Schauspielhauses und des kleinen Volkshauses erreicht. Doch wie soll
man auch nur andeutungsweise schildern, was man nur bauen kann! Alle
innigen und alle großen, Empfindungen sollen hier wach
werden, wenn das volle Sonnenlicht den hohen Raum
übergießt und sich in zahllosen feinen Reflexen
bricht, oder wenn die Abendsonne die obere Deckenwölbung
erfüllt und mit ihrem roten Schein die reiche Farbigkeit der
Glasbilder und plastischen Arbeiten vertieft. Hier wird die Architektur
ihren schönen Bund mit der Plastik und Malerei wieder
erneuern. Es wird alles ein Werk sein, in dem die Leistung des
Architekten in der Konzeption des Ganzen, die des Malers in den
Glasgemälden von entrückter weltendurchziehender
Phantasie und die des Plastikers untrennbar vom Ganzen und so mit ihm
verbunden ist, daß alles nur einen Teil der großen
Baukunst, ein Glied des hohen Gestaltungsdranges bildet, der alle
Künstler gleichmäßig erfüllt und
zum letzten Ausdruck zwingt. Kosmische überirdische Gedanken
spiegeln die Farben des Malers, »Weltgegenden«, und
eine neue plastische Formenfülle schmückt alle
architektonischen Gliederungen, Einstellungen, Verbindungen,
Stützen, Konsolen usw. und zeigt, daß die Plastik
wieder etwas mehr sein kann als Steinhauerei in Figuren u. dgl. Sie
erwache wieder und enthülle alle ihre köstlichen, ihr
so lange stiefmütterlich entzogenen Reichtümer. Die
ganze freie vom Bann der Realistik erlöste Formenwelt, das,
was in Wellen, Wolken, Bergen, allen Elementen und Lebewesen die Seele
des Künstlers weit über das bisherige Figurenhafte
und Naturgemäße hinausführt, steht auf und
glänzt und schimmert in allen Farben und Materialien,
Metallen, edlen Steinen und Glas an allen Stellen des Raumes, wo das
Spiel von Licht und Schatten dazu herausfordert. Nicht glatt und
wandhaft ist dieser Raum sondern von der Harmonie einer reichen
vollendeten Gliederung. Von seinen Emporen erklingt die große
Musik akustisch ungestört eine Musik, die, dem
Häuslichen ebenso fern wie die bildende Kunst, nur dem
Höchsten dient.
44.
Vogelschau nach Westen
Vom Licht der Sonne durchströmt thront das Kristallhaus wie
ein glitzernder Diamant über allem, der als Zeichen der
höchsten Heiterkeit, des reinsten Seelenfriedens in der Sonne
funkelt. In seinem Raum findet ein einsamer Wanderer das reine
Glück der Baukunst und; auf den Treppen im Raume zur oberen
Plattform emporsteigend, sieht er zu seinen Füßen
seine Stadt und hinter ihr die Sonne auf- und untergehen, nach der
diese Stadt und ihr Herz so streng gerichtet ist. »Das Licht will durch das ganze All und ist lebendig im
Kristall«. (1 Spruch Scheerbarts am Glashause zu
Köln 1914.) Aus der Unendlichkeit kommend fängt es
sich in der höchsten Spitze der Stadt, bricht sich und
leuchtet auf in den farbigen Tafeln, Kanten, Flächen und
Wölbungen des Kristallhauses. Dies soll Träger eines
kosmischem Empfindens werden, einer Religiösität, die
nur ehrfürchtig schweigen kann. Es steht aber nicht isoliert
da, sondern wird getragen von Bauten, welche den edleren Regungen des
Volkes dienen, und welche weiterhin in Vorhöfen wieder von dem
profaneren Getriebe getrennt sind: wie früher Jahrmarkt und
Kirchweih vor der Kirche, so hier Realistik und Lebensfreude um den
Kristall. Der Glanz, das Leuchten des Reinen, Transzendentalen
schimmert über der Festlichkeit der ungebrochen strahlenden
Farben. Und als ein Farbenmeer breitet sich der Stadtbezirk rings umher
aus, zum Zeichen des Glückes im neuen Leben. Immer ist das Letzte still und leer. Meister Eckhart sprach:
»Ich will Gott niemals bitten, daß er sich mir
hingeben soll; ich will ihn bitten, daß er mich leer und rein
mache. Denn wäre ich leer und rein, so
müßte Gott aus seiner eigenen Natur sich mir
hingeben und in mir beschlossen sein.« Der Dom war das
Gefäß aller Seelen, die so beteten. Und es bleibt
immer so - leer und rein - »tot« -, still und ganz
und gar abgewandt den Tageszwecken bleibt für alle Zeiten das
Letzte der Architektur. Hier verstummt immer der Maßstab
praktischer Forderungen - ähnlich wie bei dem
Münsterturm, der im Verhältnis zu dem ohnehin schon
»unpraktischen« Schiff noch weit
über das hinausgeht, was dieses Kristallhaus im
Vergleich zu den vielen von einer höheren
Zweckmäßigkeit gebörenen Bauten bedeutet. Sonst aber steht alles auf bekanntem sicheren Boden. Bei der
Stadtgründung wird das Areal freigelassen; dann mit der
wachsenden Ausdehnung der Stadt nach dem festen Plan nach und nach das
Notwendige errichtet, bis einmal das Letzte aufgetürmt wird.
Durch Generationen kann sich der Bau hinziehen, die Mittel finden sich
im Maße des Fortschritts, und diese Übereinstimmung
zwischen Tempo und Bedarf wird auch die Harmonie des Stils erzeugen. Es
können viele Architekten daran bauen, nur daß sie
sich einem großen Plan einfügen. Herrlich, daran
mitzuwirken ohne zu wissen, welcher glückselige Brunelleschi
einmal die höchste Krone formen wird! Die architektonischen Formen sind in diesem Entwurf natürlich
nur summarisch zu nehmen. Die Stilfrage verliert für uns
Architekten ihre Problematik, wenn wir erst einmal wissen, was unser
Ziel ist. Und es mag dieser Vorschlag selber problematisch genannt
werden. Vielleicht mit Recht - es mag die Lösung der
Stadtkrone einmal ganz anders ausfallen. Immerhin ist genug geschehen,
wenn er sein bescheidenes Teil mit dazu gegeben hat, das Suchen in
dieser Richtung anzuregen. Diese Arbeit soll bestenfalls eine Fahne
sein, eine Idee und theoretische Anregung, deren endgültige
Lösung vieltausendfältige Möglichkeiten in
sich schließt.
45.
Stadtsilhouette
46.
Stadtschema
47.
Die Stadtkrone, Bild
48.
Die Stadtkrone, Plan und Silhouette
49.
Die Stadtkrone, perspektivische Ansicht
50.
Gartenstadtsiedlung Falkenberg
51.
Straßenbild aus Falkenberg
WIRTSCHAFTLICHES ZUR STADTKRONE
Die Ausführungskosten der Stadtkrone ergeben folgendes
überschlägliche Zahlenbild:
A. Baukosten:
1.
Kristallhaus (15,0 Millionen Mark)
2.
Opernhaus (6,0 Millionen Mark)
3. Großes
Volkshaus (4,0 Millionen Mark)
4.
Schauspielhaus (4,0 Millionen Mark)
5. Kleines
Volkshaus (2,0 Millionen Mark)
6. Magazine usw. für
1-5 (0,5 Millionen Mark)
7. Gesellschaftshäuser, 2 . 0,1
= (0,2 Millionen Mark)
8. Aquarium und
Pflanzenhaus (0,2 Millionen Mark)
9. Kolonnaden, Freitreppen in Vorhöfen und Gärten von
I-8 (1,0 Millionen Mark)
10.
Bibliothek (1,0 Millionen Mark)
11.
Museum (1,0 Millionen Mark)
12.
Lesehäuser (0,1 Millionen Mark)
13.
Sommertheater (0,5 Millionen Mark)
14.
Sommerrestaurant (0,3 Millionen Mark)
15. Musikpavillons,
Kioske (0,03 Millionen Mark)
16. Restaurants, Kaffees, 4 . 0,2 -f- 2 . 0,1
= (1,0 Millionen Mark)
17. Konsume usw., 4 . 0,2
= (0,8 Millionen Mark)
18.
Abrundung (0,37 Millionen Mark)
Zusammen (38,0 Millionen Mark)
B. Erdbewegung, Planierung, Kanal-, Wasser-und Gartenanlagen, rund 20% = (7 Millionen Mark)
Ausführungskosten =
(45 Millionen Mark) insgesamt.
Die Baukosten des Kristallhauses sollen in ihrer Höhe nicht
andeuten, daß die Schönheit durch Prunken mit
teuerem Material erreicht werde. Sie sollen nur einen freien Rahmen
geben für eine Aufgabe, die die volle Hingabe der
Künstler unabhängig von Zeit und Geld erheischt.
Solche Werte lassen sich im Grunde gar nicht abschätzen. Wer
wollte heute einen festen Kostenbetrag für den Bau des
Straßburger Münsters berechnen! Dagegen
könnten öffentliche Zweckbauten, wie Markthallen;
Bahnhöfe u. dgl., auch Bureaus, Bäder, Schulen,
Rathaus, mit geringerem Aufwand für architektonische Wirkungen
gebaut werden, als es bisher geschieht, damit eine Abstufung im
Wesentlichen sichtbar wird und die höchste Schönheit
sich im Höchsten offenbaren kann.
Die Herstellungskosten der ganzen, Stadtkrone genannten Baugruppe
sollen der Stadt nicht auf einmal zur Last fallen. Im
Verhältnis zum Wachstum der Stadt und dem sich dabei
ergebenden Bedürfnis werden die notwendigen Bauten errichtet,
wobei der einzelne Bauabschnitt immer ein abgerundetes
architektonisches Bild zeigen kann. Die Kosten teilen sich dann etwa in
folgender Weise:
1. Etappe: bei einer Einwohnerzahl von rund 30000
Menschen
16 u.17.
Konsumhäuser, Restaurants usw.
halb (0,9 Millionen Mark)
13.
Sommertheater (0,5 Millionen Mark)
14.
Sommerrestaurant (0,3 Millionen Mark)
Allgemeines
25% (0,4 Millionen Mark)
Zusammen (2,1 Millionen Mark)
2. Etappe: bei rund 100000 Einwohnern
16 u.17.
Konsumhäuser, Restaurants, 2.
Hälfte (0,9 Millionen Mark)
5. Kleines
Volkshaus (2,0 Millionen Mark)
4.
Schauspielhaus (4,0 Millionen Mark)
7 u. 8: Aquarium, Pflanzenhaus und Gesellschaftshäuser (0,4 Millionen Mark)
Allgemeines
25% (2,0 Millionen Mark)
Zusammen (9,3 Millionen Mark)
9,3
+ 2,1 = (11,4 Millionen Mark)
3. Etappe: bei rund 250000 Einwohnern
10.
Bibliothek (1,0 Millionen Mark)
11.
Museum (1,0 Millionen Mark)
2.Opernhaus (6,0 Millionen Mark)
3.
Großer
Saalbau (4,0 Millionen Mark)
9.
Kolonnaden
usw. (1,0 Millionen Mark)
6,12,15 u.18.
Wirtschaftsgebäude, Magazine
usw. (1,5 Millionen Mark)
Allgemeines
25% (3,6 Millionen Mark)
Zusammen (18,1 Millionen Mark)
11,4
+ 18,1 = (29,5 Millionen Mark)
4. Etappe: bei 300000 und mehr Einwohnern
1.
Kristallhaus (15 Millionen Mark)
Allgemeines (0,5 Millionen Mark)
Zusammen (15,5 Millionen Mark)
29,5 + 15,5
= (45 Millionen Mark)
Das Gelände der Stadtkrone mit einer Größe
von 500 X 800 m = 400000 qm oder 40 ha ist in die Berechnung nicht mit
einbezogen. Bei der Gründung der Stadt nach
gemeinnützigen Grundsätzen würde das ganze
erforderliche Areal, soweit sich die Entwicklung der Stadt
vorausbestimmen läßt - in diesem Falle
38,5 qkm -, von der neuen Gemeinde belegt und Stück
für Stück aus landwirtschaftlicher Nutzung
für die Bebauung freigegeben werden. Das Bauland der
Zentralanlage würde dabei außer der Verzinsung keine
Steigerung erfahren. Welche Ursachen zur Gründung neuer Städte
führen, ob sie durch den Zusammenschluß
industrieller Werke, durch eine günstige Handelslage, durch
besondere Institute oder durch landwirtschaftlichen Absatz und
Umschlag, oder auch durch die Verbindung mehrerer von diesen und
anderer Faktoren am leichtesten geschieht, kann hier nicht untersucht
werden. Die örtlichen Voraussetzungen im Verein mit
Hauptbahnlinien, Häfen, Flußläufen usw.
werden hier entscheiden. Jedenfalls ist es sicher, daß die
wirtschaftliche Zersetzung der heutigen Großstädte
infolge planloser Bebauung, verbunden mit der Bodenspekulation und
dadurch maßlos angeschwollenen Bodenpreisen, zur
Gründung neuer großer Städte auf
jungfräulichem Gelände führen muß.
Und ebenso sicher ist es, daß diese Städte nicht
bloß baulich nach den neuen Erkenntnissen errichtet werden,
sondern auch in ihrem kommunalen Gefüge auf
gemeinnütziger Grundlage beruhen müssen. Sie werden
der deutlichste Ausdruck des sozialen Gedankens sein, und ihr
Bild, mit einer Krone an der Spitze, wird wie eine Pyramide der
Menschenschichtung Symbol und fest umrissenes Ideal für alle
praktische soziale Arbeit sein. Daß in einem solchen Stadtgebilde die absoluten Kosten der
Zentralbaugruppe geringer werden und leichter von der Gesamtheit der
Bürger zu tragen sind, ist selbstverständlich. Nicht
allein durch die Zusammenlegung der Theater, Volkshäuser usw.
werden sie geringer, als wenn diese Bauten in der Stadt zerstreut
liegen, weil damit eine große Ersparnis in Nebenanlagen und
Unterhaltungskosten eintritt; - nach der umfangreichen Literatur
über diesen Gegenstand wird die gemeinnützige
Organisierung der neuen Stadt einen so erheblich geringeren Aufwand an
Straßenbaukosten und allen anderen der Bürgerschaft
zur Last fallenden Ausgaben zur Folge haben, daß, verglichen
mit den heutigen Städten, ein Überschuß
entsteht, der weit über die Kosten der Stadtkrone hinausgeht.
An den heutigen Städten gemessen, kann man sagen, fallen sie
fort und ergeben trotz des »zwecklosen«
und kostbaren Kristallhauses keine Steuerbelastung des
Gemeinwesens.
NEUERE VERSUCHE ZU STADTBEKRÖNUNGEN
Nachwort
Sinn und Absicht dieser Arbeit ist es, nicht etwas zu geben,
das in allen Einzelheiten feststeht, sondern vielmehr allgemein
anzuregen und gerade auch dort fruchtbringend zu wirken, wo es sich
nicht um ausgesprochen neue Städte, sondern um Erweiterungen
und Umbildungen bestehender Zustände handelt. Selbst unter dem Zwange zu Kompromissen wird der Wunsch, auch in den
einzelnen Stadtteil Relief hineinzubringen, die erste Stelle eins
nehmen müssen. Natürlich ist das Ziel die
völlig neue Stadt, und es liegt vielleicht gar nicht so weit,
als man glauben möchte. Die Bildung der Gemeinde Rheinfelden,
welche ein Beispiel für das planlose Aufschießen von
Städten ist, Rüstringen bei Wilhelmshaven, das ein
Gegenbeispiel dazu darstellt, und schließlich manche in der
Öffentlichkeit erörterte Anregung zur
Gründung neuer Städte in Deutschland, sei es im
Industriegebiet Rheinland Westfalens oder an der Elbe und
ähnliches sprechen dafür. (1 Die starke von Hans Kampffmeyer ausgegangene Bewegung zur
Gründung einer »Friedensstadt« gibt
Hoffnung auf eine nicht zu ferne Erfüllung unserer
Wünsche) Es mag deshalb von Wert sein, kurz die wesentlichen Strömungen
zu kennzeichnen, welche bereits innerhalb der bestehenden
Verhältnisse auf eine solche Stadtbekrönung
hingewiesen haben und es noch tun. Im 18. Jahrhundert, der Blütezeit des fürstlichen
Absolutismus, gründeten die Landesfürsten neue
Residenzen, bewogen durch »Baugnaden« die
Bürger zur Ansiedlung und machten in hoher
Selbsteinschätzung ihres Berufes das Schloß zum
Mittelpunkt der neuen Stadt. (Abb. 54 Karlsruhe.) Die Kirche wurde in
Karlsruhe zum Pendant des Rathauses, welche beide, in der Masse gleich
und mit gleichen Türmen versehen, einander
gegenüberstehen. Es kann nicht behauptet werden, daß
hier eine große Idee im Sinne alter Städte
obgewaltet habe: »Aufklärung«. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte die bereits
erwähnten Versuche der romantischen Schule, Schinkels (Abb.
52); in verwandter Richtung liegt der Entwurf Gillys für das
Denkmal Friedrichs des Großen auf dem Leipziger Platz zu
Berlin (Abb. 53), der bereits den Keim zu der späteren
Denkmalsseuche in sich trug, so große Schönheiten
der Entwurf selbst auch hat. Nun kam das Chaos und mit ihm die
vollendete Wildheit und Planlosigkeit im Stadtbau. Erst nachdem seit
den neunziger Jahren sich die Lehre des
»Städtebaues« entwickelte, tauchte ganz
allmählich der Wunsch nach Ziel und Bekrönung auf.
Ich stelle hier das von Ebenezer Howard in seiner bahnbrechenden
Schrift »Gartenstädte in Sicht«
für das Stadtzentrum skizzierte Planschema (Abb. 56)
demjenigen der chinesischen Stadt Küfu (Abb. 58)
gegenüber, um zu zeigen, wie rein rationalistisch man vorging.
Das Zentrum der Gartenstadt Letchworth (Abb. 57) zeigt die Verbindung
von Kirche und Rathaus. Das machtvolle Areal des Konfuzius-Tempels in
Küfu (Abb. 55) spricht von einer gewaltigen, alle
Gemüter bewegenden Idee, der gegenüber unser
zerfließender Rationalismus sich nur demütig beugen
kann. Aber die Idee der Gartenstadt ist mehr als bloßes
Verstandeserzeugnis. Sie ist aus einer Sehnsucht nach Glück
geboren und wird uns dem Ziele entgegenführen. Der abgebildete Plan für Klein-Hohenheim bei Stuttgart (Abb.
63) möge als ein Beispiel dienen, daß auch bei einer
lockeren landhausmäßigen Bauweise die Schaffung
einer Krone mit Festhaus u. dgl. wohl möglich ist. Angestrengte Bemühungen setzten ein, das einmal entstandene
regellose. Großstadtbild zu ordnen und auch die öden
Mietskasernenviertel mit einem Hauche menschlichen Geistes zu
berühren. Viele Anregungen, selbst hier Halt und Kopf zu
geben, bot der Groß-Berliner Wettbewerb 1910, der noch an dem
Bilde der Reichshauptstadt retten sollte, was zu retten war. Am
auffallendsten trat die Neigung zur Spitzenbildung bei der Arbeit von
Bruno Schmitz hervor, die aber an einer künstlichen
Selbstüberbietung und Monumentalitätssucht krankte.
Es fehlte die innere Idee, ohne die solche Dinge nur im Formalen
stecken bleiben. Wie edel berührt die Bekrönung
Londons durch die St. Pauls-Kirche, die früher nach dem Willen
der Stadtschöpfer ganz gewaltig überragte (Abb. 14),
aber auch heute noch eine große Wirkung ausübt: in
der Krypta, genau im Mittelpunkt der Kuppel, der prächtig
hochgestellte Sarkophag Nelsons, darüber die Kirche mit der
gewaltigen Kuppel, die auch heute noch das Stadtbild weithin
beherrscht. Diese Prägung des Heldenkults erinnert an die
feinkultivierte und durch lange Tradition gepflegte Ehrung der Helden
im chinesischen Kultus. Schöne Arbeiten erzeugte das Bemühen Otto Wagners in
Wien, in die Mietskasernenstadt Ordnung und Klang hineinzubringen (Abb.
62), wenn es auch unter gewissen lyrischen Elementen und unter der
unmöglichen Gegenüberstellung von
selbstständigen in sich abgerundeten Bauten zu den
Baukästen der Häuserblöcke leidet. Es liegt
hier etwas den amerikanischen Bestrebungen Verwandtes vor. In Amerika hat man vielleicht am klarsten die Notwendigkeit der
Stadtbekrönung erkannt. Eine große Strömung
setzte ein, die sich zur besonderen Aufgabe die Schaffung von
Mittelpunkten im Stadtbilde machte. Der »City-
Club« in Chicago erließ einen Wettbewerb
für die Ausgestaltung von Nebenmittelpunkten im
Erweiterungsgebiete der Großstädte. Charakteristisch
für die Anschauungsweise der Amerikaner diesem Problem
gegenüber ist die Äußerung von Frederic C.
Howe: »Es gab drei große Zeitabschnitte, in denen
der Städtebau die Gedanken und Träume des Menschen
anregte: die Zeit der Antonine, in der das römische Volk mit
Begeisterung sich der Verschönerung seiner Städte
widmete; das Mittelalter in den Städten Italiens, Frankreichs,
Deutschlands und der Niederlande, deren Denkmäler die
erwachsende Liebe und den Stolz der zu junger Freiheit gelangten
Bürger bekunden, und jetzt im 20. Jahrhundert, in dem das
deutsche Volk seinen Stolz auf das Vaterland und sein
Machtgefühl in Denkmälern von demselben Sinn
für Dauer und künstlerischen Glanz
bekundet.«
Cornelius Gurlitt charakterisiert die amerikanischen Bestrebungen in
einem Literaturbericht im »Städtebau«
folgendermaßen: »Da gibt es vor allem sehr
lehrreiche Bücher, deren Ziel es ist, ein geregeltes Bauwesen
für eine Stadt vorzubereiten. Es wird zumeist darauf gesehen,
ein Civic Centre zu schaffen, d. h. für die Mitte der Stadt
eine großartige Platz- und Straßenanlage zu
entwerfen, die mit allen Mitteln der Kunst ausgestattet werden soll.
Die Größe ist das Entscheidende unter diesen
Kunstmitteln : Straßen von 100 Metern Breite,
eingefaßt von zwölfgeschossigen Häusern, in
der Mitte ein riesiges Capitol oder Municipal Building. Selten findet
man eine klare Berechnung der Kosten für Grunderwerb,
Straßenbau, Bau der öffentIichen Gebäude,
noch weniger darüber, wie diese Kosten auf die Schultern der
Steuerzahler verteilt werden sollen. Eine sichere Hoffnung auf die
Kraft der Zukunft läßt den
großartigsten Plan als den willkommensten erscheinen. Die
Städtebauausschüsse sparen nicht Vergleiche mit den
großen europäischen Städten, um das zu
zeigen, worin diese die amerikanischen übertreffen. Der
,wohlbekannte Unternehmungsgeist und hohe Bürgerstolz
berechtigt zu großen Hoffnungen für die Zukunft der
Stadt, heißt es im Bericht für Rochester.«
Wie ideal gerichtet diese Bestrebungen sind, mögen die
folgenden Worte dartun, die George B. Ford, Berater des Ausschusses
für den Stadtplan der Stadt New York am 21. April 1916 auf der
Nationalversammlung zur Schaffung von Gemeinschaftsmittelpunkten
sprach. »Es genügt nicht, die verschiedenen
Gebäude und offenen Plätze so zu gruppieren,
daß sie zusammenwirken. Wir bedürfen auch der
Schönheit - der Schönheit der Linie, der Form, der
Farbe, der Verhältnisse, der Masse, der allgemeinen
Komposition. Der geistige Mensch lechzt nach
Schönheit.« Und weiter: »Selten haben
unsere örtlichen Straßennetze irgendwo einen
Kopfpunkt. Gewöhnlich gleichen unsere Pläne
einförmigen Bratrosten ohne Abwechslung oder Betonung---.
Läßt man die Phantasie mit den
Möglichkeiten eines solchen Planes spielen, so entrollt sich
allmählich die Vision des Großstadtplanes der
Zukunft; eine Stadt aus vielen miteinander verwebten Ortschaften, jede
in sich ganz und genügend für die
gewöhnlichen Dinge des täglichen Lebens, aber
hinauslangend nach den außergewöhnlichen. So
würde eine Anzahl von Orten ihre höheren Schulen,
ihre Zentralbüchereien, Theater und großen
Hörsaal, ihre Konzertsäle, ihre Waffenkammern und
größeren Spielplätze in einer Gruppenmitte
vereinigen. Große Gemeinschaftsgruppen für die ganze
Stadt würden Universitäten, Kunstsammlungen,
Anstalten für Kranke und Bedürftige und,
schließlich, als Gipfelpunkt der ganzen Stadt, die Gruppe
für Verwaltung, Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit umfassen.---
Eine Gemeindemitte in diesem Sinne würde sehr viel dazu
beitragen, das Wachstum der Empfindungen für das Gemeinwohl zu
beschleunigen. Sobald der Mensch erst das Empfinden der Gemeinde als
solcher erlangt hat, ist er viel besser imstande, den wahren Inhalt und
die Bedeutung der verschiedenen Wechselbeziehungen zwischen den
Nachbargemeinden zu schätzen, und so aufwärts, bis
vielleicht eines Tages, wie in einer Vision, sich das ganze
große Panorama vor ihm entrollt und er in all ihrer
Herrlichkeit und Schönheit ,Die Stadt` empfindet.«
Diese Worte liegen völlig in der Richtung dessen, was auch wir
suchen. Auffallend ist daran die Tendenz zur Verkörperung des
Bürgerstolzes, die dem auf seinen jungen mächtig
aufgeblühten Staat stolzen Amerikaner besonders nahe liegt.
Das neue Munizipalgebäude in New York zeigt ein Beispiel
für die Verwirklichung dieses Gedankens (Abb. 60). Es kommt
gewaltig aus dem Stadtbilde heraus, um sich neben den Wolkenkratzern zu
behaupten. Doch wenn man sich das Stadtbild New Yorks ansieht (Abb.
61); so steht es darin nicht gewaltiger, als das herrliche Rathaus in
Augsburg (Abb. 59), das sich schließlich doch wieder der
eigentlichen Stadtkrone, der Ullrichskirche (Abb. 8) unterordnet. Jene
hohe Einschätzung des Bürgerstolzes in den alten
Städten, die Howe oben aussprach, scheint also doch auf der
Verkennung dessen zu beruhen, was wirklich als höchster
Ausdruck des höchsten Gedankens eine Stadt bekrönen
kann. Die neuen amerikanischen Stadtpläne weisen als Gipfel das
Kapitol, die Regierungsgruppe auf, wie der Plan für die
Bundeshauptstadt Australiens von W. Griffin in Chicago (Abb. 64) zeigt.
Die Kirche spielt darin nur eine sehr kümmerliche oder gar
keine Rolle. Es sind letzten Endes Erzeugnisse eines kühnen
Rationalismus, einer Art Rekordsucht, die, auch noch so schön
gestaltet, -nicht für die Dauer überzeugen werden.
Selbst das formschöne Kapitol in Washington (Abb. 68), das als
höchster Regierungssitz des großen Landes den
Staatsgedanken verkörpert, kann nicht mit der sakralen
Verquickung von Staat und Religion, wie sie sich in der Antike zeigt,
verglichen werden. Freilich mag das amerikanische Staatsgefühl
nicht allein im Organisatorischen und im Verwaltungsapparat aufgehen;
der Staat ist dort mehr als in Europa Sinnbild von Zuflucht und
Freiheit. Aber eine sakrale Bedeutung hat er auch dort ganz und gar
nicht; er ist auch dort ebenso wie anderswo Diener des Volkes, und es
will uns nicht eingehen, ihn zum Träger der letzten in
Architektur übersetzten Gedanken, des Sehnens und Glaubens
aller Menschen zu machen. Bureauräume und
Sitzungssäle mit einem riesigen die Stadt beherrschenden
Aufbau abzuschließen ist absurd, und mag von ihnen eine noch
so einschneidende Wirkung für das Wohl der Bürger
ausgehen. Mehr als Staatsbürger sein heißt Mensch
sein« (Robert Saitschik). Der Staat ist und bleibt nur das
Gehirn der Gemeinschaft, das Herz muß anderswo sitzen. Das
Gleiche gilt von dem an sich wirkungsvollen Justizpalast in
Brüssel (Abb. 67), zwar hier noch mehr im negativen Sinne. Wie
fein berührt dagegen der schlichte einstöckige Bau
des Auswärtigen Amtes in Berlin (Abb. 66), der die treffendste
Übereinstimmung von Form und Inhalt für solche Bauten
bedeutet.
Das Gebäude der Landesvertretung scheint jedoch im
höchsten Maße zur Repräsentation geschaffen
zu sein. Zunächst aber hat es wenig Beziehung zu der Stadt, in
der es gerade steht, und dann ist sein Wesen doch wohl weniger das der
Repräsentation als der angestrengten Arbeit, zu welcher sich
die Vertreter aller Volksschichten zum Heile des Ganzen vereinigen. Die
dafür gebauten Häuser zeigen aber meistens in ihrer
Architektur einen bombastischen Phrasenschwall, wie wenn die Aufgabe
der Volksvertretung in prunkenden Reden und nicht in guten Gesetzen
liegt, wofür leider unser Reichstagsgebäude trotz
seiner historischen Bedeutung ein Beispiel gibt. Es ist ein Suchen bei den Amerikanern, das wir als solches anerkennen
müssen. Fast scheint es, wie wenn die Amerikaner die
Unmöglichkeit dieses zum alleinigen Prinzip erhobenen
Rationalismus zu fühlen beginnen. Der Entwurf eines
Weltzentrums, einer Welthauptstadt (Abb. 65), von zwei Amerikanern,
Andersen und Hebrard stammend, hat im Herzen neben sonstigen der
Bildung und Kunst dienenden Gebäuden als höchste
Spitze »den Turm des Fortschritts« von 320 Metern
Höhe. »Er bildet das Zentrum einer runden
Platzanlage, um das die Paläste für wissenschaftliche
Kongresse liegen, alle ausgestattet mit Galerien, Bibliotheken,
Bureaus, Kuppeln, Türmen und Kolonnaden. Rechts und links
erheben sich die Gebäude für den internationalen
Gerichtshof und für den Tempel der Religionen. Eine
internationale Bank und eine Weltbibliothek vervollständigen
diese Baugruppe. Um dieses monumentale Herz der Stadt nun legen sich
konzentrisch die Boulevards mit den Wohnvierteln; den
äußersten Ring bildet eine Gartenzone mit
begleitendem Wasserlauf.« Es liegt hier ein Ideenbauen vor,
das zwar outriert erscheint, aber ein Loskommenwollen vom rein
Verstandesgemäßen ankündet. In eine
ähnliche Richtung weist der in den Zeitungen aufgetauchte Plan
einer Bündnisstadt an der deutsch-österreichischen
Grenze, deren Mittelpunkt verwandten Strömungen entsprechen
sollte. Als das treffendste Beispiel eines solchen Ideenbauens sei zum
Schluß der von edlem Menschentum zeugende Entwurf des
Holländers H. P. Berlage für ein
Völkerdenkmal erwähnt (Abb. 69), der ihn mit
folgenden Worten erläutert: »Dieses Pantheon habe
ich mir gedacht nach dem Krieg mitten in Europa auf einem
Hügel erbaut, der die Ebene übersieht. Acht
Heerstraßen führen von allen Himmelsrichtungen den
Pforten zu. Diese, zwischen den Türmen der Liebe und des
Mutes, der Begeisterung und der Besonnenheit, der Wissenschaft und der
Macht, der Freiheit und des Friedens gelegen, welche, Wächtern
gleich, die große runde Halle umgeben und nachts ihr Licht
weitaus in die Ferne ausstrahlen, gewähren zum Pantheon
Einlaß. An die Türme grenzen die Höfe der
stillen Betrachtung, eingefaßt durch die Galerien des
Gedächtnisses der Gefallenen aller Staaten, die Krieg
geführt haben. Durch die Galerien der Versöhnung
schreitet man in den großen Saal. Dort steht, durch die
Galerie des Gedächtnisses umschlossen, einzig durch das
Zenitlicht der Kuppel bestrahlt, das Denkmal der Menschen-Einheit.
Weiter oben liegen die Galerien der Erkenntnis, der Erhebung der Seele
und des allumfassenden Verständnisses. Sodann
schließt die Kuppel der Völkergemeinschaft den Raum
ab.«
Hiermit ist ein Ideenbauen in äußerster Fassung
ausgesprochen, ein Komplex, wenn auch schöner in der Form, so
doch nicht unähnlich dem der hoffentlich schon hinter uns
liegenden Denkmalsepidemie. Man kann nicht einfach irgendwelche
Baukörper mit sinnbildlichen Bezeichnungen schmücken.
Diese Sinnbilder müssen erst durch eine lange philosophische
und religiöse Übung Allgemeingut geworden sein, wie
beim chinesischen Tempel (Tor der Erkenntnis, der Läuterung
und ähnliches). Eine solche Ideenverbindung mit
Baukörpern erscheint uns fremd, weil wir keine Handlungen
kennen, die ihre Bezeichnung rechtfertigen. So ist es
schließlich wohl der gleiche rationalistische Boden, aus dem
dieses abstrahierende Bauen wächst.
Die Architektur ist Kunst und sollte die höchste Kunst sein.
Sie entsteht nur aus einem starken Gefühl und spricht auch nur
zum Gefühl. Der Kopf kann bestenfalls regulierend wirken, sie
selbst, ihr innerstes Wesen kann nur aus dem Herzen erblühen,
und dieses allein müssen wir sprechen lassen.
52.
Entwurf zu einem Gedächtnisdom von Schinkel
53.
Entwurf zum Denkmal Friedrichs des Großen auf dem Leipziger
Platz zu Berlin von Gilly
54.
Karlsruhe, Stadtplan
55.
Konfuziustempel in Küfu
56.
Planschema von Howard
57.
Zentrum für Letchworth
58.
Plan der Stadt Küfu
59.
Augsburg, Elias Hollplatz
60.
Munizipalgebäude für New York
61.
New York, Stadtbild
62.
XXII. Distrikt in Wien
63.
Projekt für Klein-Hohenheim
64. Plan für ein
Bundeshauptstadt
Australiens
65. Projekt für eine
Welthauptstadt
66.
Auswärtiges Amt zu Berlin
67.
Justizpalast in Brüssel
68.
Kapitol in Washington
69.
Entwurf eines Völkerdenkmals von Berlage
AUFBAU
VON ERICH BARON
Der Staatsgedanke ist die starre Klammer der
Vernunftgebändigten zur Erschaffung, Wahrung und
Stärkung von Machtgebilden, Reichen und Provinzen von
außen her. Der soziale Gedanke durchdringt von innen die
staatliche Gemeinschaft. Die sich als Kinder Gottes fühlen, es
sich in religiöser Scheu selbst nicht gestehen, die fremd dem
Walten weltlicher Macht, fromm dem Wirken inneren Gebotes hingegeben
sind, die Künstler von Gottes Gnaden, die nie und nirgends zu
Hause sind, die Nichtbeamteten, die Nichtversorgten, sie helfen auf
unpolitischem, auf überpolitischem Wege die Idee
höheren Gemeinschaftslebens verwirklichen. Wie Fernstenliebe
wahre Nächstenliebe in sich schließt, ist
Sternensehnsucht Antrieb und göttliche Entflammung zu
schönerem Aufbau dieser Welt. Wallfahrt und Schicksal,
Pilgerschaft und Verklärung sind die Hüllen, in denen
der transzendental gerichtete Mensch sein Leben geformt sieht. Nach
Kampf und Ziel, Zusammenschluß . und Gewinnvermehrung
trachtet der weltliche Sinn. Selig sind die Sanftmütigen; denn sie
werden das Erdreich
besitzen. Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes
Kinder sein. Mancher wähnt, daß der soziale Gedanke nur eine
Zeiterscheinung sei, die der Steigerung der Individualität
entgegengesetzt ist. Wenn wir uns sehnen allein zu sein, so ist es oft
nur der heimliche Wunsch, in ungetrübter Gemeinschaft mit uns
selbst oder noch lieber anders mit anderen zu sein. Die private
verheimlichte Ichheit mit dem öffentlichen Geiste zu
verknüpfen, die »neue Gemeinsamkeit der
Seelen« zu fördern, der Sehnsucht zu
genügen, »noch einmal anzufangen, ganz wo anders
anzufangen und nicht mehr so allein zu sein«, ist oft
versucht worden, im Kriege noch von modern-liberaler Seite. Und die
»Aktivisten«, die jungstürmenden
Verkünder des »tätigen Geistes«
behaupten, daß sie Politiker…..nicht
»gegen den Staat«, aber für einen
andersartigen sind. Jedes Gemeinschaftsleben fußt auf einem ,
sozialen Gebilde, dessen höhere Entwicklung auch
höhere Stufen der Gemeinsamkeit im einzelnen wie im
allgemeinen zeitigt. Der Grad der Kultur ist nicht nur zu bemessen, wie
sie in höhere Schichten steigt, sondern wo sie unterhalb
beginnt. In den Bestrebungen durch Gewerkschaften und Genossenschaften,
Volksbühnen und Volkshäuser, Gartensiedlungen und
Massenhygiene dem Ganzen zu dienen, liegt gleichzeitig das
Bemühen des einzelnen, dem einzelnen zu helfen, ihn zu
fördern und eines höheren veredelten
Genießens teilhaftig zu machen. Wir wollen nicht nur die
unentbehrlichen jungproletarischen Kräfte; die von unten
drängen, wir wissen auch um die geistigen Potenzen, die nach
oben ziehen. Es geht um die Mitarbeit der Künstler an dem
sozialen Werke. Von ihrer Mission durchdrungen, haben viele von ihnen
das Volk weder gekannt noch geliebt und sind ihm doch Förderer
oder Führer gewesen. Andere haben in glühender
Begeisterung und Erleuchtung sich ihm zugewandt. Die prophetischen
Verkünder, die leidenschaftlichen Politiker, die
visionären Dichter, sie alle verklärten im eigenen
Feuer das Volk und hoben es über sich selbst hinaus. In ihnen
war das große Mysterium, die tiefe wunderbare Kraft der
Volksseele. Fjodor Dostojewski und Leo Tolstoi, Walt Whitman, Cervantes
und Strindberg, Hamsun und Gerhart Hauptmann sind, wie alle
großen Künstler, ob sie nun Dichter oder Apostel,
Musiker oder Maler, Bildhauer oder Architekten seien, die wahren
Volksbildner, die kraft ihrer eigenen Seele aus sich heraus dem Volke
die Weihe gaben. Was sich ihnen entringt, gewinnt weiter wirkend Form
und lebendige Gestalt auch bei den Empfangenden.
Wie eng begrenzt an innerem und geringem äußerem
Wert sind heute noch die Volkshäuser und Volksheime. Dennoch
ist einem bekannten österreichischen Lyriker, der dem
Proletariat entstammt, »Volksheim: ein Wort voll donnernder
Bewegung, schöpferischer Kraft und friedlicher Ruhe der
Erkenntnis«. Das Haus selbst ist ihm mit seinem leuchtenden
Anstrich ein weißes Steingestirn in dem Grau des Verfalls und
des Elends seiner Umgebung ein Haus der Freude. Die Gasse, in der der
Name Volkshaus prangt, ist ihm als Lichtquelle heilig geworden wie
»das Mekka einer neuen Religion«. Bei der
Einweihung eines Volkshauses durch die Sozialdemokratie sprach
Sehnsucht in festlichen Worten vom »Atmen im Licht des
Geistes«, vom »Leben in seelischem
Überschwang«, und das Geständnis
überraschte, nicht an den »Grenzen dieses Baues zu
haften«, vielmehr zu glauben an »der Zukunft
Sternenhaus«. So drängt auch die Arbeit der
Gegenwart ins Weite. Nicht nur Häuser des Wissens, der
Belehrung, der kargen Freude dem Volke - die Universitäten und
Theater, alle Stätten der Weihe sollen sich denen
öffnen, die im fließenden Licht der Gottheit zu
ihnen wallen.
Aus einem Dom hören wir hohe Klänge. Von einem Turm
schwingen feierliche Töne um uns. Die Kirche als Architektur,
die Glocke als Instrument ist unserem Sinn entschwunden. Anbetung und
Verheißung rührt unser Herz.
Von welchen Wundern lacht die Morgenerde,
Als wär' ihr erster Tag?
Die Schöpfung schauert wie im Stand der Gnade.
Kein Gänger kommt des Weges, dessen Haupt
Nicht eine ungewußte Hoheit schmücke.
Ein breites Licht ist übers Land ergossen,
Heil allen, die in seinen Strahlen gehen!
Stefan George, der diese Verse im Stand der Gnade dichtete, ist unserer
Sehnsucht erlauchtester Verkünder. Nicht Verleugnung, sondern
heilige Durchglühung des Lebens ist in ihm.
Leidtragende sind wir. Mord wütete unter uns. Leichengeruch
durchdringt die Atmosphäre der Welt. Und zusammengekauert
liegen die Seelen auf dem Brachfeld. Wir tragen das Leid, aber die
Sehnsucht trägt uns
darüber empor. Erstarrt im Grauen, zerfetzt von allem
Entsetzlichen, spüren wir den Tod im Herzen. Unschuld ist
vergiftet, Reinheit befleckt. An den geschändeten
Heiligtümern knien Verworfene und Hoffnungslose. Wir richten uns
zu neuem Glauben auf. Die Erde hat Blut in Strömen getrunken.
Verrucht und kostbar
bleibt sie Grab und Wiege des Menschengeschlechts, göttlicher
Ahnung voll. Daß doch die Menschen menschlicher wären, sich
nicht
zerfleischten, dem räudigen Krieg keinen räudigen
Frieden folgen ließen. Doch dazu bedarf es aller
Läuterung, die das bisher
»Selbstverständliche« kühn
überwindet und nicht alles Weitere dem Schöpfer
überläßt. Zu unserer Schöpfung
sind wir Schöpfer und Geschöpf zugleich. Es frommt
uns nicht, vom Göttlichen zu reden, wo die Sphäre
unseres Wortes endet. Von einer Religion des großen
Schweigens sprach Paul Scheerbart, der wußte,
»daß wir alle das Bedürfnis haben, vor der
Großartigkeit der Welt in glühender Begeisterung zu
knieen«.
Er träumte von einem ganz anders gearteten Gottesdienst, als
wir ihn kennen. Seine Tempel sollten allein durch ihre erhabene
Architektur und durch die große Stille wirken, die nur von
Zeit zu Zeit von feiner Orchester- und Orgelmusik unterbrochen wird.
Nicht einmal Gesangstimmen dürften hörbar werden in
diesen Tempeln. Kosmische Gemälde und Skulpturen
dürften zuweilen in den Tempeln zu sehen sein, aber das
Sichtbarzumachende wird immer seltener gezeigt, da es nicht im Einklang
mit den überwältigenden Gefühlen der
Weltverehrung zu bringen ist, wenn zu oft auf Einzelnes und Bestimmtes
hingewiesen wird. So seelenhaft war die Religiösität
und Weltenliebe dieses Dichters, der in der Glass- und Lichtarchitektur
und in der Sternenkrone lebte und die Kämpfe
»kindliche Erziehungsmittel unintelligenter
Barbarenvölker« nannte. Vielleicht dachte er, der
den Krieg verabscheuend starb, an die Lehre des Lao-Tse: »Das
Allerweichste auf Erden überwindet das
Härteste.«
Krieg wütete. Aber bevor man Österreicher, Serbe,
Türke, Chinese ist, ist man Mensch, ein vernünftiges
liebendes Wesen, dessen Aufgabe nur darin besteht, während der
kurzen Frist, die es in dieser Welt zu leben hat, seine Bestimmung zu
erfüllen. Diese aber ist ganz klar: alle Menschen zu lieben.
So sprach Tolstoi, und er meinte, wer Sinn und Bedeutung des Lebens
versteht, könne gar nicht anders, als seine Gleichheit und
Brüderlichkeit mit allen Zugehörigen nicht nur
seines, sondern, aller Völker fühlen. Aus demselben
priesterlich-prophetischen Geiste wies Walt Whitman in seinen
»Trommelschlägen« allen Völkern
der Erde den Weg:
Seid nicht verzagt, Empfindung wird den Weg zur Freiheit bahnen jetzt;
Die sich lieben untereinander, sollen die Unbesieglichen werden.
…Dachtet ihr, Advokaten schüfen euch den
Zusammenhalt?
Oder Verträge auf einem Papier? Oder die Waffen?
Nein fürwahr, so ist weder die Welt, noch irgendein lebendes
Ding zusammengewachsen.
Hier spricht der Liebende des Lebens aus Whitman, der gestaltend
eingreift in die äußere und geistige Formung der
Welt. Der Liebende alles Lebens ist zum bewußten
Schöpfer des sozialen Lebens geworden - er ist Sozialist. Aus
der Fülle des Herzens zur geistigen Alldurchdringung zu
gelangen, ist das idealistische Ziel des romantisch-visionären
Sozialismus, der dem praktischen Sozialismus nicht entgegengesetzt zu
sein braucht. Er ist sein Vorläufer und seine letzte
Beflügelung. Tatkräftig zeugt Whitman von dem
inbrünstigen Glauben an den neuen Menschen, an das neue Volk.
»Chaos und Abgrund der Innigkeit, kosmische Liebe und
Überschwang des Gefühls« ist in Walt
Whitman; so fest und fruchtbar er im sozialen Geschehen wurzelt, so
schöpferisch reißt und hebt ihn der Genius aus der
Fülle der Erde in den leeren lichten Himmelsraum:
…Mitternacht: dies ist deine Stunde, o Seele, dein freier
Flug ins Wortlose ;
Weg von Büchern, weg von Künsten, nach getilgtem Tag,
nach getilgter Arbeit
Dich ganz und weit forthebend, schweigend, staunend, sinnend
über das, was du am meisten liebtest:
Nacht, Schlaf, Tod und die Sterne.
So wollen wir unser Leben aufbauen, von Grund auf. Die Blüte
liebend und die Frucht verehrend. Die Erde habend und den Himmel
schauend. Die Fülle gestaltend und die Leere suchend. Es ist
kein bloßer Architektentraum: der leere Glaspalast. Er ist im
Strahlenglanze Sinnbild höchster Herrlichkeit.
Weltverbesserung und Zukunftsglaube sind oft geschmäht und
mißachtet worden, als gehörten sie nicht in diese
Welt oder als seien ihre Bekenner bestenfalls den Gregers Werle zu
gesellen. Und doch hat Ibsen bei aller Inbrunst des Verneinens ihm
seine ganze positive Liebe gegeben, wie ja selbst noch im Hjalmar Ekdal
etwas von seiner ursprünglichen Brand- und Peer
Gynt. Seele flackert. Narren im guten und bösen,
Betrüger im kleinen und großen finden wir auf allen
Straßen, abwärts und aufwärts.
Unendlichkeit auch noch im allerengsten Getriebe der Welt, das Land der
Seele in der verkrümmtesten Gestalt sah mancher durch Hamsuns
Mikrokosmos. Wir wollen ohne Scheu, die heute auch Sozialisten oft nur auf allzu
bescheidene Gegenwartsziele pochen läßt, wieder
Weltverbesserer heißen, Zukunftsgläubige sein. In
aller Arbeit, die an Bestehendes und Gegebenes anknüpft, nicht
gleichgültig die alten Fäden fortspinnen, sondern
erwartungsvoll und überschwänglich stets dem Neuen,
dem Unberechneten, dem Absoluten hingegeben sein. Das gilt auf allen
Gebieten. Vergeistigung ist nicht bloß Verfeinerung des
Denkens. Internationalität ist nicht bloß
»zwischenstaatliche Verständigung«, wozu
sie während des Krieges als Friedensziel hinabgesunken
scheint. Freiheit ist nicht bloß Wahrung der
Gesetzmäßigkeit. Bei den Ideen kommt es gerade auf
das an, was jenseits ihrer Begriffsbestimmung, abseits der sie
umschreibenden, gar nichts erklärenden Worte liegt. Wir lieben
die Ideen, weil sie der Strom des Lebens , sind, der im Ewigen
mündet.
Eine vorausschauende Betrachtung des Daseins darf, die
Entwicklungsstufen übersteigend, transzendental gerichtet
sein, ja sie muß es für alle die, denen das Haben
nicht das Erhabene ist. Wenn Horaz mit der Stirn die Gestirne
berühren möchte, so haftet er nicht weniger an der
Erde, als wenn er den Wein besingt; die aber sich
entäußern, sich völlig verlieren, sich ohne
Sinn und Wollen dem Alltäglichen, Allbindenden enthaftet und
entrückt fühlen, die gleiten in die Unendlichkeit.
Erst mit den Sternen gewinnen wir das Leben ganz. Wie der Kampf um die Versorgung allein durch soziale Kultur behoben
werden kann, so müssen wir von dem zivilisierten
Geschmäcklertum zum Kultus der Kunst gelangen. Gloria mundi et
coeli.
O du mondbeschienene Stadt, o du Ferne der Welt
Wir errichten die Stadt und das Reich, aber das Sicherste und Reichste
im Menschen ist die Güte, mit der er den anderen und sich
selber hilft. Dies war auch ehedem so, aber nur wenige vermochten den
Zusammenhang ihres eigenen Lebens mit dem allgemeinen und
großen inneren Glücksgefühl zu erkennen.
Nun haben wir kraft unseres Wollens und Könnens ein
äußeres Abbild dieses Aufstiegs errichtet. Nicht die
Hütte und nicht der Palast, kein Dorf und keine Stadtanlage,
keine milde oder schroffe Herrschgewalt schließen die letzte
Bestimmung in sich. Was die Menschen nach oben ins Glück
reißt, was sie nach unten in die Verdammnis
stößt, das ist das Geheimnis, dem nur die erkennende
Güte beizukommen weiß. Heilig und schön ist
alles im Urgrund des Weltwesens, doch bedroht von Verzerrung.
Unantastbar das Nichts. Helles Land, grenzenlos offen allen
Strömen des Geistes, in Dir sind wir gekrönt, deine Sonne ist
unser nie
erlöschender Stern. Die Religion in ihrer
herkömmlichen Bedeutung als Bindung an Gegebenheiten war dem
Staate von jeher ein wertvolles Hilfsmittel für seine eigenen
Interessen. Wenn sie sich in höhere Sphären
verflüchtigte, ließen die Machthaber sie fallen. Der
Staat als personifiziertes Ordnungsgebilde hängt an dem
ausgestreckten Finger des menschenähnlichen Gottes.
Götzendienst und Untertänigkeit sind die stets
wiederkehrenden Formen der äußeren
Frömmigkeit, die keine Scheinheiligkeit, und der lieblosen
Gewalt, die keine aristokratische oder ochlokratische Tyrannis zu sein
braucht. Abkehr von den niederen Geboten der Ichsucht, Aufgabe des Ichs
in der Hingabe an die höhere Gemeinschaft sind die
Auflösung uralter politisch-religiöser Forderungen
aus ihrer zeitlichen Erstarrung in ihren ewig menschlichen Wert.
Nicht ein Programm, sondern eine Fahne soll gegeben werden; nicht ein
toter Entwurf, sondern ein lebendiges Gebilde, das die Sehnsucht des
Herzens schuf. Menschensiedelung als Seelensache. Der Verstand braucht
dabei nicht zu schweigen. Er ist die spürende Vereinzelung in
der wundervollen gesamten Unbedingtheit, die auch dort absolut
herrscht, wo alles relativ scheint.
Volksrecht, Volkswille, Volksstaat - sind aus lebenskräftigen
Tendenzen zu leeren Parlamentsformeln, Zeitungsköpfen und
Buchtiteln geworden. Volkskunst, Volkshaus, Volksschule setzt Volk und
Kunst, Haus und Schule in gleicher Weise herab. Volk ist
tätiger und leidender Inbegriff der bewohnten Erde, Kaiser,
König, Edelmann, Bauer, Bürger, Bettelmann. Der erste
Diener des Staates sein zu wollen klingt demokratisch, des
Königs Willen als oberstes Gesetz zu bestimmen klingt
autokratisch. Beides aber geht am Volke fremd vorüber.
Regieren und Regiertwerden ist die Umschreibung und Formel der
Herrschenden und Untertanen. Mehr als aus Abstimmungen und
Äußerungen einzelner spricht das Volk aus der
Gesamthöhe seines Schaffens, hier spricht es, besonders auch
in der künstlerischen Leistung, abbildlich zu uns. So gewinnen
wir den rechten Maßstab. Richtig verstanden, sind Volk und
Kunst unteilbar und untrennbar; die unterschiedlichen Stufungen gehen
nur Staat und Gesellschaft, Länder und Geschichte, Handwerk
und Unterhaltung an.
Der Beamtenstaat und der Militärstaat sind heute die
gewöhnlichen Formen des bürgerlichen Neben. und
Gegeneinanderlebens, wobei die Menschheit schlecht gedeiht. Das auf
gegenseitiger Wertschätzung begründete
Miteinandersein ist nur selten und dabei meist unglücklich
erprobt worden. Die sozialen, kulturellen und künstlerischen
Bestrebungen krankten und scheiterten vielfach an unedlen
Abhängigkeiten und kleinpersönlichen Eitelkeiten, wo
freie Selbständigkeit und überindividuelles Aufgehen
im Werke der Sache und somit der Gesamtheit genützt
hätte. Der Gedanke ,.der Gartenstadtgründungen ist
spekulativ so arg verfälscht und die damit
verbundene größere Idee so oft und so sehr
verkleinert worden, daß von der ursprünglich
geplanten Bewegung bei uns in Deutschland noch weniger als in England
übrig blieb, was sich zu fördern lohnte.
Schöpferische Ideen verdorren ohne die Macht der Empfindung,
die ihnen den Weg bereitet. Wenn man zu klein
anfängt, bleibt man leicht im Kleinlichen stecken.
Großzügige Werke müssen groß
begonnen und unbegrenzt weitergeführt werden. Das mangelnde
Vertrauen in die Größe der Zeit ist oft nicht nur
Ausgeburt, sondern auch Ursprung ihrer inneren Schwäche, die
durch brutale Kraftanstrengungen und Machtbegier nicht widerlegt,
sondern bestätigt wird.
In der Leuchtkraft des Glases ist die Architektur von ihrer Schwere
erlöst. Wie die düstere Falte den Zorn, so schafft
der lichte Anblick Heiterkeit und Harmonie. Die gutgebaute Stadt
läßt Menschen edler und besser zusammenwohnen. Das
große Wahrzeichen im Werk bringt sie dem
großen Ziele näher. Kunst und Künstler, Bau
und Mensch gestalten sich wechselseitig und neu. Weil der Stein kein gläsernes Leuchten hat, braucht der
steinerne Bau, die steinerne Stadt keine Qual zu sein.
Schönheit kennt keine Grenzen - wahrlich: man kann die
Schönheit nie zu sehr lieben. Nicht um ein
ästhetisches Prinzip, nicht um die ästhetische Form
windet sich der Kranz. Heilig ist das Evangelium der
Schönheit. Platos Idee, der kosmische Gedanke, die Weltflucht,
Gotik und Traum sind Weltenliebe und große Magie. Wie der
mittelalterliche Mensch vom Glaubensbekenntnis zu höherem
Bewußtsein schreitet, so steigt und schwillt die soziale
Sphäre zum kosmisch-göttlich-künstlerischen
All.
Im wachen Traum, in seligem Erschauern sehen wir von fern das Land der
Schönheit, wo die Menschen den Haß und die Qual
überwunden haben, wo das Neben- und Gegeneinander sich zum
Miteinander wandelt, wo der Neid und die Gier nach Besitz dem
Glück der Sanftmütigen und Friedfertigen gewichen
sind. Wie wenige wissen, daß Sanftheit nicht zag und schwach,
Friedfertigkeit nicht feig und untertan macht. Im Morgenrot der
siegenden Sonne schreitet geistig verjüngt der Mensch, der um
des Höheren willen die niederen Sphären
überwunden hat. Im Lichte des kommenden Tages leuchten uns die
Zinnen der ewigen Stadt. Sie zu bauen, sie schaffend zu erleben ist
höchste Lust.
Wir erleben den Zerfall ehemaliger großer Staatsgebilde unter
dem Jubel der bisher Bedrückten und Betrogenen, die nicht den
rückläufigen Weg von Schmerz und Wut zur Verzweiflung
einschlugen, sondern von neuer Einsicht zu neuer Tat und
Selbstsicherung schritten. In den Herzen pocht neue Zuversicht, wenn
wir das Verfallende stürzen und das Tote unbesudelt begraben;
denn kein Leben entsteht. ohne Tod. Die wahrhaft Tapferen unserer Zeit
lassen sich nicht in die Niederlage hineinreden und hineinwerfen und
ohne Triumphgeschrei sind sie die Sieger von heute und morgen, die
keinen Besiegten, sondern nur Abtrünnige und
Überwundene kennen. In der Gesundung allein liegt die
Gewähr, wenn Meinungen und Überzeugungen wechseln.
Jenseits des Krieges beginnt unser Reich, unsere Stärke ohne
Waffen. Wie unser Rausch nicht des Weines, so bedarf unsere Kraft und
Wehr nicht des Erzes, unser Sieg nicht der Ehre der Schlachten. Wir
zwingen den Geist nicht durch die barbarischen Mittel der Horde. Er
steigt empor aus der Verwesung des Krieges, aus der
Schädelstätte des Verbrechens, aus der Niederlage der
Bewaffneten. Die Menschlichkeit hebt wieder ihr Haupt, der stampfende
Haß ist zerstückt und über den Totenacker
der rohen Gewalt wölbt sich die Brücke zu neuem
Völkerglück, zur Befreiung der Welt.
70.
Kathedrale zu Rouen
WIEDERGEBURT DER BAUKUNST
VON ADOLF BEHNE
Ich möchte den Weg aufzeigen, den die Kunst seit der
Zeit der Gotik, in der sie zum letzten Male in Europa blühte,
abwärts gegangen ist, und sodann will ich versuchen, die
Kräfte an das Licht zu stellen, die, nachdem der
äußerste Tiefstand durchlitten ist, uns als
Prophezeiung eines neuen Schaffens gelten. Ich fuße bei
meiner Darstellung auf der Wahrheit, daß die Baukunst der
Träger aller bildenden Künste ist. Krankt der Stamm,
so können die Blätter nicht in Gesundheit wachsen,
und wenn die Blätter des Baumes sterben, so muß der
Stamm Schaden gelitten haben. Der Vorgang aber, daß ein
kranker Baum zu einer neuen Gesundung auflebt, kann nur der sein,
daß die Krankheit zunächst in immer fortschreitender
Lähmung vom Stamme aus Äste, Zweige, Rippen und
Blätter, schließlich bis in ihre letzten Spitzen
heranholt; daß aber dann, wenn es zur Besserung kommt, das
neue Leben, den Baum unten, an der Wurzel des Stammes ergreift. Also
keine schrittweise, an einer eindeutigen Skala abzulesende Entwicklung,
die unmerklich ihr Vorzeichen ändert, sondern ein neuer
Anfang; keine physikalisch zu erklärende
Natürlichkeit, sondern ein biologisches Phänomen -
ein Wunder. Will ich auf kurzem Raum diesen biologischen Vorgang
anschaulich machen, so fasse ich die am weitesten vorgeschrittene
Zersetzung an den letzten, Blättern und zeige, abbrechend,
dann die Kräfte, die unten am Stamm das Neue
heranführen. Das bedeutet für unsere Aufgabe,
daß ich zunächst von den
Auflösungserscheinungen des Bildes spreche, weil die Malerei
die am weitesten vorausgestreckte Entfaltung der bildenden Kunst ist.
Und ob gleich man sonst erwarten möchte, daß ich von
ihr aus nun rückwärts den Weg zum Stamm in
umgekehrter Richtung nehme, bin ich nach dem Vorausgeschickten
berechtigt, sogar gezwungen, scheinbar ohne Vermittlung zur Wurzel der
Kunst, zur Baukunst, überzugehen. Also ein Sprung. Ich glaube
aber überzeugt zu haben, daß dieser Sprung keine
Willkür, sondern sachliches Erfordernis ist. Noch eines wird aus
dem Gesagten zu folgern sein: daß
nämlich meine ,Darstellung nicht an die historische
Perspektive gebunden ist. Dort, wo ich mich vom
Auflösungsprozeß der Blätter abwende und zu
dem neuen Leben des Stammes hin, verlasse ich notwendig die historische
Abfolge. Die Zeit schafft keine Kunstwerke. Die Betrachtung der Kunst
mit dem Zeitbegriffe in Verbindung zu bringen, ist also
völlige Willkür. Indien ist nach dem modernen
Impressionismus keine tote Vergangenheit, sondern mit mehr Recht unsere
Zukunft. Wir beginnen unsere Betrachtung dort, wo die Malerei noch in
einem fruchtbaren Bunde mit der Baukunst steht. Das
Glasfenster einer gotischen Kathedrale mag als Beispiel dienen. Noch
nichts ist hier von der Isolierung einer Kunst, noch nichts von einer
Trennung des großen Wollens in besondere Fertigkeiten. Das
Auge mag beseligt auf diesem einen so reichen, so köstlichen
Fenster ruhen - es gehört zum Tiefsten dieses Genusses stets
das Bewußtsein, daß neben diesem Juwele viele
andere gleich schöne, gleich unerschöpfliche
leuchten, und daß wieder sie alle tief gefaßt sind
in dem starken, energischen und großen Körper des
Raumes, nicht nur der Fensterpfeiler mit ihren knetenden Profilen, des
herrlich in die Glaswunder schwingenden kräftigen
Maßwerks, der Gurte und der Kappen, der Statuen an den
Säulenbündeln und der Schlußsteine hoch
oben, nein, über den Kreis des Sichtbaren hinaus
fühlen wir die Einheit dieser zarten und starken, dieser
innigen und glühenden riesigen Glastafeln mit den Wimpergen
und Fialen, den Rosen und Knollen der Portale und der Fronten,
fühlen wir die Einheit bis hinauf zu den freien
aufgelösten Spitzen des Turmes. Ja, wenn von diesem in die
Luft steigenden Formenwerk durch das Läuten der Glocken die
Architektur zur Musik sich verwandelt, ist diese Einheit von den
leuchtenden Glasbildern des Fensters, die gemeinsam mit dem Dufte des
Weihrauchs den reinen, geläuterten Raum bilden, bis zu den
läuternden Tönen hoch oben in uns lebendig. Vieles wäre
noch zu sagen, um den hohen Reichtum des gotischen
Glasgemäldes zu schildern. Aber hier soll es in seiner Einheit
mit dem Bau nur am Anfange der Reihe erscheinen als die noch in Einheit
gesammelte Quelle des Schönen. Beschreibe ich nun in den
folgenden Beispielen der allmählich sinkenden Kunst die
Stellen der Verarmung, so erscheint ja von selbst dahinter immer wieder
das gotische Glasfenster, dessen Fülle hierdurch nur immer
reicher wirken kann. Wichtig scheint es mir nur, auf eines
ausdrücklich hinzuweisen, daß nämlich die
gotische Epoche neben der alles Irdische in der kristallischen Reinheit
bunten Glases verzehrenden Glut der Fensterriesen die stille, heitere,
menschennahe Erzählung in den Zeichnungen und den
Pinselmalereien der Bücher kannte. Nicht aber kannte die
gotische Blüte eine Vermischung des Monumentalen mit dem
Intimen, des Heiligen mit dem Menschlichen, des Kosmischen mit dem
Anekdotischen. Erst wenn wir beides in unser Bewußtsein
aufnehmen,
fühlen wir den vollen Reichtum dieser Zeit, die über
alle Theorien und Schlagworte erhaben ist. Sie ist ebensosehr
realistisch, wie sie unrealistisch ist, und ihr Geheimnis beruht nur
darin, daß sie jedes zu seiner Zeit und an seinem Platze ist.
Wer möchte die Miniaturen der Wenzelbibel, die Kalenderbilder
der »Tres riches heures« bis hin zum Breviarium
Grimani auch nur in einem Zuge anders wünschen als sie sind in
der unendlich liebevollen Zeichnung der feinen Sträucher,
überwelche die Schwalbenfliegen, der bläulich
spielenden Ochsenhörner, der scharfzackigen Steinkanten und
des leichten dünnen Zaunes, der vielen einzelnen Figuren in
ihren mannigfachen Beschäftigungen, der Nähe und der
helleren Ferne mit Häusern und Türmen, Burgen und
Spitzen. Unberührbar sind diese Blätter in ihrer
künstlerischen Reinheit. Und erst wenn wir sie mitbeachten,
dann erst verstehen wir ganz den Geist zu würdigen, der
völlig neu und gleichsam ohne die Darstellungen der
Bücher zu kennen - der Buchdeckel schließt
sie ein - die große fremde Form des Kathedralenfensters schuf.
Reizend sind die Miniaturen, wie ein letzter feiner Hauch von der
Schicht des Materiellen mit liebenswürdigen Händen
gelöst. Und auch von einigen der schönsten Bildwerke
dieser Zeit ließ sich das sagen. Aber alle Materie wird
für das große Werk in den heißesten
Schmelzofen geworfen, bis sich die neue unirdische Masse des Glases
gebildet hat, aus dessen körperloser reiner Farbigkeit das
Neue gebildet wird.
Einen ersten Schritt zur Mischung des Polaren könnte man schon
finden selbst im vielteiligen gotischen Altarbilde. Denn hier tritt
zuerst die Malerei aus der Einheit der Kunst heraus, und welche
Kostbarkeiten immer diese Werke sind, deren prangende Versammlung in
der Akademie zu Siena ein die Seele aufrührendes goldenes Fest
bereitet, sie sind schon mehr Wirklichkeit, Materie und Stoff als die
Täfelungen aus Glas; die das Schönste ihrer Wirkung
von draußen, vom Lichte, vom Himmel her empfingen, in denen
sich gleichsam das demütig und zaghaft als Opfer dargebrachte
Werk aus Stein mit dem Lichte, den Sonnenstrahlen vermählte.
Wenn tief und stark der lichte Äther die Scheiben durchdrang,
die Kraft der Farbe aus ihnen wie Orgelton lösend und
über Wände und Boden den bunten Widerschein breitend,
dann brachte das die Gewißheit, daß dieses
Menschenwerk der Gnade teilhaft geworden sei. Solchen mythischen
Charakter haben die Altartafeln nicht mehr, sie sind schon Dogma. Sie
haben schon einen Rahmen um sich herum. Ohne diesen vermögen
sie nicht zu stehen. Und das unendliche Licht wird in ihnen schon zum
Golde als Stoff. Aber ihre Schönheit ist noch so voller Huld und
Süße, daß sie wie ein Traum in der
Erinnerung erscheint. Sind sie nicht mehr mythisch, so weisen doch auch
sie noch den menschlichen Maßstab für sich ab. Sie
sind weniger kosmisch als die Glasfenster, aber sie sind noch immer
phantastisch. Sie haben einen Rahmen um sich, aber dieser Rahmen ist
noch immer als Formenwerk empfunden. Er ist selbst eine Architektur im
kleinen Maßstabe mit seinen gedrehten schlanken
Säule?, die die einzelnen Heiligen wohl trennen, aber doch
nicht isolieren; mit den Spitzbogen, oft mit Maßwerk
gefüllt, in dessen Schwingungen die Heiligenscheine sich
einfügen; mit den aufgesetzten Tympanonfeldern, die in ein
sprießendes Lanzenwerk aus goldenen Fialen eingereiht sind;
mit den schmäleren Flügelbildern - nicht zu vergessen
die fundamentartige Predella. Diese schönen Bilder sind in
sich eine Einheit von Darstellung und Umrahmung, beide sind zugleich
geboren, und ein Herauslösen der Heiligen, der frommen Szenen
aus dem Ganzen ist unmöglich. Die Figuren stehen auf
Goldgrund, und der Rahmen ist Gold; und wie der goldene Rahmen durch
die Profile der Säulen von der Basis bis zum zierlichen
Kapitell, durch die Krabben der Wimperge, durch das zarte Relief in den
Zwickeln liebevoll und unerschöpflich verziert ist, so nimmt
der Goldgrund der Tafeln das Spiel der Ornamentik auf in seinen fein
gepunzten, leis schimmernden Zieraten, die wie ein zartes Gewebe aus
Sonnenfäden spielen. Ein solches Werk lebt noch immer im Gefühl der Einheit mit der
Architektur, wenn es auch schon aus dem unmittelbaren Verbande
hervortrat: Dennoch: nur in dem Kirchenraume zeigt es seinen vollen
Sinn, nur dort, wo seine Spitzbögen und Säulen und
alle die sonstigen Verwandten der Baukunst in den gebauten Formen
gleicher Art ihren Rückhalt haben. Keineswegs ist es ja
selbstverständlich, daß diese Tafeln ihre einzelnen
Darstellungen in Kurven spitzbogig ausklingen lassen. Gerade dieses
gefühlsmäßige Haften an
kurvenförmiger Umgrenzung zeigt uns, daß jenes aller
wahren Kunst zugrunde liegende kosmische Empfinden hier noch nicht ganz
gebrochen ist. Gewiß, es ist die spitzbogige Endigung der
Darstellungen zunächst ein Übernehmen gewohnter und
überall ringsum geübter Formen. Aber weshalb diese
tiefe Liebe zum Schwingenden, zum Ein- und Ausbiegenden, sich
Kreuzenden allenthalben? - Es bringt der Kunst der Spitzbogen ein
Stück des Himmels, und diese Deutung ist keineswegs
willkürlich und »geistreich«, Wenn sich
wie auf Sano di Pietros schöner Ancóna in Siena
über der Madonna noch hoch und licht der Spitzbogen errichtet,
wenn Maßwerkansatz die Kurven, die nicht im Scheitelpunkt,
schnell zufriedengestellt, aufhören, sondern ins Unendliche
weiterweisen, mitspielend säumt und nun aus ihren offenen
Schwingungen strahlende Köpfe der Engel weit von oben her
jubeln - dann habe ich den Beweis gefunden. Hier ist noch in der
Malerei ein Gefühl dafür, daß aller
Maßstab der Kunst nicht der Mensch ist, sondern die Sterne.
Die Sterne aber schwingen sich, kreuzen, begegnen sich in
weitgespannten Kurven, aus der Unendlichkeit kommend, in die
Unendlichkeit gehend. Alles Kosmische ist Spirale, Kurve, Kreis. Es
gibt im Kosmischen nicht den geraden kürzesten Weg und keine
plane Fläche. Und wir sagen, daß die Baukunst, die
doch von allen menschlichen Tätigkeiten am meisten den
kosmischen Charakter sich bewahrt hat, wieder, um dem
Schöpfungsakt am nächsten kommt, wo sie sich von der
Vertikalen und der Horizontalen und von der Ebene am freiesten trennt -
dort, wo sie wölbt. Der Maler wiederum schmiegte sich mit
Dankbarkeit in die Schalen, die Kalotten, die Zwickel der
Wölbungen - kleine Stückchen Himmel, die ihm die
Baukunst schuf. Es ist nicht richtig, immer zu bedauern, daß
die Gotik der Wandmalerei so wenig Raum ließ, daß
diese sich in die geringen schmalen Zwickel der Kreuzgewölbe
habe flüchten müssen. Nein, die Zeit der Gotik kam
auch hier, in der zarten, schwierigen Rolle, die sie der Malerei in
ihren Bauten zuwies, dem Ideal am nächsten. Wie sicher waren
nicht die malerischen Gestalten in ihren schwingenden Nischen oder
Nestern, aus denen sie wie Sternbilder niedersahen! Wenden wir von
ihnen den Engeln etwa, die zu Bourges im Hause des Jacques Couer in der
Kapelle die Decke schmücken - das Auge zum Sano di Pietro
zurück, so empfinden wir wohl die starre glatte
Tafelhaftigkeit doch schon als einen recht zweifelhaften Gewinn. In den
aus Licht gewobenen bunten Glasfenstern fiel der Begriff der
Tafelhaftigkeit völlig fort. Hier aber, in dem Altarbilde, ist
ein verhängnisvoller Schritt getan zum Rationalen. Nun wird es
auf die Dauer nicht mehr abzuweisen gehen, wenn allerlei menschenhafte
Forderungen die Figuren ergreifen. In ihrer Kurvenwelt, wo sie die
geschwungene Kappe wie ein Ritterschild deckte, waren sie solchem
vorwitzigen Ansturm entrückt. Die Architektur des
Großen hielt ihnen alle Frager fern. Aber nun lassen sie sich
wehrlos leicht ergreifen. Eine flache Tafel aus Holz zu ebener Erde
leistet keinen Widerstand. Nur die schönen Spitzbogenhimmel
schützen noch eine Weile und die Einheit des Goldes in Grund
und Figur und Rahmen. Sobald freilich Betrachter und Heiliger sich gleich auf gleich nahe
gegenüberstehen, lockert sich die Einheit schnell, die alle
Späteren dann mühsam suchen müssen. Hier,
bei Sano di Pietro, bei Fiorenzo di Lorenzo, dem herrlichen
Künstler, bei Stephan Lochner, folgt aller Reichtum aus der
Einheit, die hinter und über dem Schöpfer steht. Ihr
Klang ist Gold. Sobald aber in den Goldgrund das erste Loch geschnitten
ist, sobald der blaue Tageshimmel seine klare Richtigkeit durchsetzt,
muß die verlorene natürliche Einheit von einer neuen
Basis aus künstlich gesucht werden. Bis dahin war der
schließende Riegel der Einheit außerhalb. Welche
Bedeutung es hat, daß nun die Einheit sich im Bilde
zusammenfinden muß, wird uns an einer späteren
Stelle beschäftigen. Hier werde aber doch Piero della
Francesca genannt, bei dem, eine kurze Weile, sich alles Einzelne noch
bettet in eine zarte transzendentale Einheit. Ihr Klang ist Silber.
Ihre tiefe innige Gebundenheit vermag selbst einem Bildnis - der
Battista Sforza - in einer bunten Umwelt der Zeitgenossen etwas
Übersinnliches, tief Allgemeingültiges zu verleihen.
Im übrigen sind wir hier bei Entscheidungen angelangt, von
denen aus die Frage des Gesamtkunstwerkes von neuem zu beurteilen
wäre. Trotz allen Mißverständnissen ist das
Gesamtkunstwerk das Ziel - nicht freilich das aus Teilen
zusammengesetzte, das über die Summe seiner Teile nie
hinausgelangt, sondern jenes, das, gleichgültig, welcher und
wievieler Mittel es sich bedient, doch alle Saiten zum Schwingen
bringt, weil es aus einer Höhe hergeht, in der noch alles
gesammelte Einheit ist. So kommt Webers »Oberon«
aus der Einheit, während das Werk Richard Wagners zur Einheit
will.
Bei Rogier van der Weyden hat sich das Bild nun von der Baukunst ganz
gelöst. Ich nenne diesen Namen, weil sein Triptychon mit dem
Hl. Lucas, der die Madonna malt, die Konsequenzen dieser Trennung so
besonders deutlich erkennen läßt. Rogier ist nicht
denkbar ohne die Arbeit der Brüder van Eyk, von denen die
Kunstgeschichte mit Recht lehrt, daß sie für sich
angeknüpft hätten an die kleinen und genauen,
ausführlichen und bunten Lebensdarstellungen der Buchmaler,
deren zarte Illustrationen sie zu glänzenden
Ölgemälden vergrößerten. Rechnet
aber die Kunstgeschichte ihnen dieses zum Verdienst an -
»weshalb sollten sie denn das Gute nicht nehmen, wo sie es
fanden?« - so sehen wir damit, in Konsequenz unserer
früheren Ausführungen, einen entscheidenden Schritt
der Tiefe zu getan. Jetzt erst entsteht der moderne Begriff des
»Bildes« als einer bemalten, freien, beweglichen,
gerahmten Tafel. Und wir unterstreichen es, daß es
Bücher, Bilderbücher waren, bei denen die Malerei
sich Rats erholen mußte, in dem Moment, da sie sich
endgültig von der Baukunst löste. -
»Bild«, ist das nicht zunächst, selbst
heute noch, in unserer Vorstellung die illustrierte Seite eines Buches?
Sind nicht für unser Gefühl noch immer Buch und Bild
zusammengehörige Begriffe? Wie schwach, wie bedeutungslos
mußte die Malerei geworden
sein, wenn sie, niedergestiegen aus den Wölbungen und nun
ratlos stehend, keinen anderen Weg der Fortsetzung sich fand, als die
Vergrößerung von Buchseiten! Die Kunstgeschichte
geht über diesen kritischen Zeitpunkt schlicht hinweg. Sie
sieht auch hier nur den üblichen logischen Fortschritt. Wir
aber glauben, daß zu dieser Zeit das Verhängnis der
modernen Malerei besiegelt wurde und wollen im folgenden auf einige der
Folgeerscheinungen aufmerksam machen. Von jetzt ab sieht sich die
Malerei gezwungen, gegenständlich
zu sein. Das Gegenständliche wird nun der Maßstab
der Malerei und wird der neue Boden, der sie trägt.
Die gute Malerei war nicht notwendig ungegenständlich, aber
sie blieb dem Gegenständlichen gegenüber frei, sie
bediente sich des Gegenstandes. Das Gegenständliche
berührte niemals ihren Stil, während man nun geradezu
von einem »Stil des Gegenständlichen«
sprechen kann. Bis dahin brauchte die Malerei sich nicht zu
rechtfertigen. Sie brauchte nur schön und reich zu schaffen
und zu sein. Die Rechtfertigung nahm ihr ein Anderes ab. Ihre
Rechtfertigung gab das große weitgespannte, alles in sich
tragende Werk. Durch dieses hatte sie von selbst einen Sinn. Der Sinn
war nicht in der architektonischen Form, nicht in der Plastik und nicht
in der Malerei, sondern über ihrer Gemeinsamkeit. Wenn sich
nun jetzt die Malerei von der Architektur ganz ablöste, so
mußte sie sich einen neuen Sinn, eine neue Rechtfertigung
suchen. Und ganz natürlich konnte diese Rechtfertigung nicht
mehr in einem größeren Ganzen außerhalb
der Malerei selbst sein, sondern die neue Rechtfertigung fiel als eine
Last auf ihre eigenen, bis dahin unbeschwerten Schultern. Nur noch in
sich konnte die Malerei sich rechtfertigen, und es konnte da kaum etwas
anderes sein als der Gegenstand, an dessen Deutlichkeit und allgemeinem
Anerkenntnis sie sich aufrichtete. Einstwar sie teilhaftkosmischen
Empfindens. Da breitete sie sich schmückend in die
Flügel der Baukunst. Hoch wurde sie emporgetragen, und frei,
ganz frei konnte sie bilden, nach dem wahren Worte Meister Eckharts:
»Je mehr gefangen, je mehr befreit.« Jetzt aber,
mit den Eyks, ist die Malerei irdisch geworden. Sie hat
Selbstbewußtsein, und weil sie die beruhigende Beobachtung
gemacht hat, daß kein strafender deus ex machina sie
zurückreißt, wenn sie die köstlichen feinen
Blätter der Miniaturen zu »Bildern«
vergrößert, hält sie ihre Separation, die
doch nur Verkümmerung des Gefühls für den
Zusammenhang ist, nun erst für wahre Freiheit. Aber sie merkt
es vielleicht nur nicht, daß sie eben jetzt erst in
Knechtschaft geraten ist, in den harten Zwang des
Gegenständlichen. Was waren nicht ihre Farben in dem starken
und breiten Schutz der Architektur. Was hätte dort ihr Sein
beeinträchtigen können. Je mehr sie ihre Kraft
hingaben, ihre Stärke ausströmten, desto mehr gewann
ja das Ganze. Mußte nicht der Architekt ihnen die
größte Freiheit selbst wünschen?
Heißt das nicht wahre Freiheit? Jetzt hat man die Erfahrung
gemacht, daß man die Farben auch zu etwas gebrauchen kann,
und weil nun der Maler aus allem Irdischen auswählen
kann, wozu er sie gebrauchen will, so glaubt er die Malerei befreit,
verwechselt aber seine Freiheit, die niemandem nützt und gar
nicht von Interesse ist, mit der Freiheit der Malerei. Diese existiert
nun nicht mehr. Die Malerei ist ein Mittel zum Zwecke der Nachbildung
von Gegenständen geworden, also unfrei. Einst hatten die
Farben Wirklichkeit, jetzt bedeuten sie Wirklichkeiten. Nun taucht der
Rahmen auf, wie wir ihn heute kennen: vier starre
Gerade, vier rechte Winkel. Die Kurve, der Spitzbogen, hat nun freilich
keinen Sinn mehr. Denn nichts mehr verbindet diese Tafeln mit der Welt
der Sterne, oder auch nur mit den kurvengeschwungenen
Wölbungsfeldern der Baukunst. Das »Bild«
ist eine vergrößerte Buchseite und
übernimmt bedingungslos von dorther auch die Umrandung. Wie im
Buche ein weißer Rand die Illustration auf allen vier Seiten
gleichmäßig umzieht; so umzieht das neue Bild die
schwarze, goldene, glatte oder profilierte Leiste, die nun im Laufe der
Generationen immer kräftiger, immer robuster wird. Die zum
Tafelbild vergrößerte Buchseite bedarf offenbar
eines festen Zaunes, der den Gedanken an ein Umblättern
abzuweisen hat. Nun haben wir die klanglos-neutrale, begriffliche;
nicht-seiende Bildumgrenzung fertig, die zum gegenständlichen
Inhalt gehört wie sein Schatten. - Geometrie statt Musik. Das
Triptychon des Rogier van der Weyden ist nun auch in diesem Punkte
von einer überraschenden Mitteilsamkeit. Der Maler empfand
nämlich die neue einfache und schnelle Bildherstellung so sehr
als einen herrlichen Triumph, daß er das Kunststück
im Mittelbilde noch einmal wiederholte. Er öffnet eine Wand
hinter den Figuren des Mittelbildes, und indem er in die
Öffnung zwei Säulen einstellt, gewinnt er die
Umrißlinien eines neuen kleineren Triptychons. Dahinein malt
er eine Landschaft, die man ohne Mühe sauber aus dem Ganzen
herauslösen könnte. - Aber sehen wir auch einmal in
das Nebengemach, hinter den Rücken des Hl. Lukas. Dort liegt
ein Buch auf dem Lesepult. Sind nicht seine beschriebenen Spalten,
gerade so wie sie da sichtbar werden, mit den umrahmenden
weißen Rändern, abermals der Typ des Triptychons aus
drei rechteckigen Feldern? Und noch weiter ließen sich die
psychischen Zusammenhänge ohne alle Gewaltsamkeit verfolgen.
Über dem Lesepult steht im Fenster eine schmale hohe Scheibe
offen. Wir sehen durch die gemalte Fensterrahmung in die gemalte
Landschaft, und genau wiederholt sich hier das Format des Buchspiegels.
Es erscheint also im Fensterrähmchen noch einmal ein kleiner
Ausschnitt aus der Natur, vom Maler offenbar mit Behagen als neues Bild
im Bilde empfunden, ein Ausschnitt, wie er auch außerhalb des
nur Gemalten, wie er auch in der Wirklichkeit dem Maler als Bildinhalt
fast schon genügen würde. Hier schon ganz am Anfange
der naturalistischen Entwicklung sehen wir den zufälligen
Fenster- oder Türausschnitt als bildergebendes Element, dem
Maler unbewußt, auftauchen. Die vorausgegangene Betrachtung
dürfte den Lesern selbst den
Gedanken bereits eingegeben haben, daß in dem Bilde des
Rogier eine merkwürdige Spaltung des Bewußtseins
vorliegen müsse. Und so ist es in der Tat. Nur die Benutzung
der Triptychonform, die leise Neigung über das einzelne Bild
hinaus, weist noch in etwas auf den früheren Reichtum
zurück, und in dem am Boden sich ausbreitenden Mantel der
Madonna, der einen schwebenden Bogen beschreibt, scheint noch eine
letzte Erinnerung an hoch in Zwickeln sich ausgießende
Gewandung der Göttlichen fortzuwirken. Sonst aber ist das Bild
wie ein ausführliches Programm der neuen Zeit. Keineswegs verliere
ich, wenn ich näher darauf eingehe, das
Schicksal der Baukunst aus dem Sinn. Es ist die Ermattung der Baukunst,
der wir hier folgen. Denn alle die Schwächungen, die
fortgesetzt das Bild erleidet, sind nur möglich, weil der
Stamm fortgesetzt mehr und mehr Säfte verliert. Es gibt jetzt
statt der idealen Fläche auf ihr einen Vorder-
und einen Hintergrund. Rogier malt im Vordergrunde die heilige Szene.
Noch fühlt man, ich wiederhole es, in der Gestalt der Maria
vom Zipfel des Mantels her bis zum geneigten Haupt einen Rest von
Schmiegen in den Zwickel einer Wölbung. Hier ist noch ein
wenig Schweben - genug, um uns an dieser Madonna zu erfreuen. Aber
schon das Gewand des Hl. Lukas ist unsicher. Die Falten seines roten
Mantels stocken. Sie wollen nicht mehr frei und weit schwingen, aber
der Versuch, sie gegenständlich zu konstruieren, zu
motivieren, will auch nicht glücken. Dem Maler ist unbehaglich
hier vorn zumute. Und sobald er kann, flieht er die Nähe, um
erst hinter dem zweiten Rahmen, eben dem dreifachen Fenster im
Mittelgrunde, mit freiem Aufatmen seine Malkunst auszubreiten. Und
diese Flucht in das distanzierte Fernbild wird nun allgemein. Je
kleiner und bürgerlicher die Bilder werden, in desto weitere
Fernen lassen sie verschwenderisch den Blick gehen. Als ein Mittel
dient ihnen die »Verkürzung« -
»Verkürzung« wird ihnen die Parole.
»Verkürzt« ist gegenüber dem
geschwungenen Spitzbogenrahmen schon der neue bequeme
»natürliche« Vierecksrahmen. Ein Muster
geradezu, auf dem kürzesten und schnellsten Wege
möglichst viel zu bringen, ist der Ausblick Rogiers, sein Bild
im Bilde. Irgendeine Beziehung zum Thema des Hl. Lukas hat der
Hintergrundsreichtum nicht. Die Personen, die in Verkörperung
des selbstgefälligen Schmunzelns vor der eigenen malerischen
Leistung den weiten Landschaftsblick betrachten, wenden dem heiligen
Vorgang getrost den Rücken zu. - Ein neuer Rahmen, ein neues
Bild, ein neues Publikum: Spaltung des Bewußtseins. Es verlohnt
sich, darauf noch hinzuweisen, daß die Neigung,
in das Fernbild zu fliehen, wiederum die Neigung zum
Gegenständlichen verstärken muß. Denn erst
dem distanzierenden, Abstand nehmenden Betrachter werden die
schwebenden Wunder des Auges zu Gegenstandsbegriffen.
So zieht die profane Gesinnung in die Malkunst ein, in dem gleichen
Tempo, in dem die Malerei sich an den Wänden des Gotteshauses
löst und in die Wohnungen des Bürgers einzieht. Es
beginnt die neue Errungenschaft der »Kunst im
Leben«, fortgeführt bis zu einer »Kunst in
Handel und Industrie«. Die Dome werden immer
gleichgültiger, die Wohnräume immer
künstlicher, dabei doch nicht reich an Schmuck im wahren
Sinne. Denn auch der Sinn für alles Ornament nimmt
gleichzeitig schnell ab. Der blaue Himmel der Tafeln löscht
die strahlenden, gepunzten Nimben, die Sterne, Kreuze, Rosetten und
Kristalle, alle die feinen, zierlich-zarten Muster der Grundierung aus.
Schon Rogier verzichtet auf jeden Heiligenschein, selbst auf den leisen
dünnen Kreis aus Gold. Wer weiß, ob nicht die
Figuren, die da auf der Brücke die schöne Aussicht
aus dem Bilde heraus und doch in das Bild hinein genießen, ob
sie nicht Maria und Lukas sind, die nach der Sitzung einen Spaziergang
machen. Die einzige Stelle eines Bildes, wo künftig Gold noch
erlaubt
ist, die ist außerhalb des Bildes, auf dem Rahmen. Also
Flucht vom Zentrum in den Rand, eine Tendenz, die noch ständig
wächst. Nicht einmal mehr im Stoff des Baldachins gibt Rogier
das Gold als Gold. Und es ist völlig das Nämliche, ob
er die schönen Ornamentfarben des Brokates durch seine
pfiffige Verkürzung um ihre schöne Entfaltung bringt
oder ob er statt des reinen Goldes aus Gelb und Grau den Anschein
schlecht belichteten verblichenen Goldes erweckt:
Nun sind wir mit wenigen Schritten am Ende. Bei Rogier ist noch der
heilige Vorgang als Nahbild geblieben, dahinter ein Fernbild ausgemalt.
In Hugo van der Goes »Geburt« im Berliner Museum
ist die biblische Szene in das Fernbild verlegt, und das Nahbild
schrumpft zusammen zu den zwei männlichen Gestalten, die einen
Vorhang rechts und links auseinanderziehen. Gewiß steht
dieses Bild des Goes an künstlerischer Kraftwesentlich
höher als der Rogier. Wundervoll sind die starken festen
Köpfe der Männer, die ahnungsvoll ergebene Innigkeit
der Maria, die zurückgehaltene Lieblichkeit der feinen Engel.
Die verborgene Schwermut dieses Bildes, im goldbraunen Engel mit
goldenen Flügeln fast glasartig sichtbar geworden, hebt es aus
der soviel profaneren Umgebung hoch heraus. Wir haben hier ein
Beispiel, daß fortan der wahre Künstler, gezwungen,
gegen den Strom zu schwimmen, tragisch endet. Bei alledem
läßt sich aber nicht übersehen,
daß diese »Geburt« des Goes in der
Fortsetzung des Fernbildes als der eigentlichen Bildform wieder einen
wichtigen Abschnitt bedeutet. Alsbald fallen die hier noch das Nahbild
andeutenden Vordergrundgestalten, das Bild existiert nur noch in der
ausschließlichen Form des Fernbildes, das für die
moderne Kunst sowohl der Akademiker Hildebrand wie der Impressionist
Weisbach stabilieren.
War des Künstlers van der Goes Gemälde bei
auffallender Verstärkung der Zeittendenzen in einer bestimmten
Richtung zugleich auch eine ergreifende letzte Ahnung
zurückliegender Blüte, so führt der Delfter
Vermeer mit seinem Braunschweiger Gesellschaftsbilde in den vollen,
tiefen, unaufhaltsamen Strom des allgemein Üblichen hinein.
Van der Weyden begann die Trennung von Vorder- und Hintergrund, van der
Goes gelang es fast, den Begriff des Hintergrundes noch einmal trotz
aller Widerwärtigkeiten der Zeitanschauung aufzuheben. (Die
Begriffe »Fernbild« und
»Hintergrund« sind nicht zu verwechseln.) Bei
Vermeer fällt das Bild ganz messerscharf in Vorgang und
Hintergrund auseinander. Dieser Hintergrund ist eine einfarbige Folie,
nicht gleichzeitig mit den Figuren entstanden, nicht aus einer Bewegung
mit ihnen, sondern die nachträgliche Füllung der
koloristischen Lücke. Man bewundert stets bei Vermeer mit Betonung seinen feinen Geschmack,
und niemand wird ihn leugnen. Aber diese Betonung des Geschmackes
schließt bereits das Urteil ein, daß bei Vermeer
die Kunst der Farbe, um von dieser allein zu reden, nicht mehr
Totalität ist, sondern bereits zur Proportionalität
erstarrte. Seine so überraschenden Geschmacksleistungen sind
keine Einheiten mehr im höheren Sinne. Sie ergeben sich nicht
notwendig, fertig, aus einer höheren, dahinter wirkenden
Einheit, wie wir das noch bei Piero della Francesca fanden, sondern
sind nur Beweise für das dort schon angekündigte
Suchen nach einer Einheit innerhalb des Bildes.
Rechnungsmäßig ergibt sich der eine Teil nach dem
anderen. Die Summe ist stets in allen Bildern dieser Art die
nämliche, sie wird nur immer anders aufgetrennt. Über
die menschliche natürliche Erfahrung hinaus, ins Unerforschte,
Neue, läßt sich hier kein Schritt tun. Das Bild wird
ein Rechenexempel. Daher erscheinen die Bilder auf die Dauer so leer.
Wem fiele es hier nicht auf, daß die kantischen Begriffe des
analytischen Urteils und des synthetischen Urteils a priori in dem
Gegensatz alter und neuer Bildkunst ihr reinstes, klarstes Anologon
haben? In den Bildern der alten transzendentalen Einheit gab es keine
ausgesprochenen Gegensätze. Jetzt wird der Gegensatz ein
Hauptmittel der Effektbereitung, im besprochenen Bilde z. B. der
Gegensatz des reichen, leuchtend lachsroten Kleides vor der dumpfen
komplementären Wand. Dasselbe wiederholt sich im kleinen in
dem bunten Glasfenster mit seinem Wappen. Von dem tiefen Reichtum der
Kirchenfenster blieb nichts als ein billiger Effekt. Nun sucht der Maler nach den verschiedensten Mitteln, die
schicksalhafte Leerheit seiner Bilder zu verdecken. Er liebt es,
anekdotisch-psychologische Momente einzuführen. Und damit
nähert er von neuem seine Darstellungen einer Sphäre,
der sie schon ohnehin zustrebten: dem Bühnenhaften. Hier
setzt, um eine Einzelheit herauszunehmen, der Blick des
Mädchens ganz deutlich die Beziehung auf ein Publikum vor der
Rampe voraus. Der gebildete Mensch von heute bewegt sich
überhaupt nicht in seiner »Wirkungswelt«,
wobei ich mich eines Ausdruckes Jacob von Üxkülls
bediene, sondern in der Bühnendekoration eines Theaters und
nach der Regie eines Artisten, der konsequent aus allem das Wesentliche
zu vertreiben weiß.-
Mit jener unerschütterlichen Logik, die in allem
Künstlerischen wirkt, erscheint auf dem Hintergrunde unseres
Bildes ein gemaltes Bild in seinem mitgemalten Rahmen. Wir
könnten uns kein besseres Element wünschen, um die
Auffassung festzulegen, welche diese Zeit von einem Bilde hat. Ein
Gemälde, ein Bild, das ist eine bemalte, gerahmte
Fläche aus Holz oder Leinen, die einem Objekte
ähnlich und wenn möglich auch geschmackvoll sein
soll. Man hängt solche Arbeiten in die gute Stube, sie sind
eine Art von Möbelstücken geworden. Malt nun ein
Maler eine bürgerliche gute Stube, die ein ebenso
würdiger Gegenstand der Kunst ist wie irgend etwas sonst,
weshalb soll er nicht dann auch die gute Stube in kleinerem
Maßstabe an der Wand mitmalen, die als brave Malerei eines
Kollegen in jener guten Stube als gerahmtes Bild an der Wand
hängen könnte? Es wären
schließlich unendlich viele ineinandergestellte gemalte gute
Stuben hintereinander auf einem Bilde theoretisch möglich.
Niemand stößt sich daran. Warum auch? Aber
daß niemand sich daran stößt, ist ein
Beweis, daß völlig das Gefühl
dafür erloschen ist, daß jedes Kunstwerk eine
Auseinandersetzung mit dem Sinn der Welt ist, also etwas ehrlich
Ausschließliches. Souverain tritt jedes wahr empfundene Werk
eines Künstlers in die Welt, so daß es der wahre
Künstler nur als eine Aufhebung seines ganzen Wesens empfinden
könnte, wenn man ihm zumutete, selbst, innerhalb seiner
Schöpfung, darauf anzuspielen, daß es derartige
Dinge zu Dutzenden allerorten gibt. Profanität wird hier
nahezu Frivolität. Wir haben die Fortsetzung des Rogier van der
Weyden, der zwar auch
schon ein Bild im Bilde malte, aber es doch noch nicht als isolierte,
gerahmte Leistung eines anderen motivierte. Jetzt ist selbst der
langweiligste Rahmen eines gemalten, sehr gleichgültigen
Bildnisses ein ausreichender Gegenstand der Malkunst geworden. Zugleich
aber erkennen wir noch, weshalb der banale Vierkantsrahmen zu
so unbeschränkter Geltung kommen mußte. Woher dieser
Rahmen kam, hörten wir schon. Jetzt nun als Stubenbild, als
ein Stück des Mobilars mußte sich das Bild
selbstverständlich dem Milieu anpassen, den Stühlen,
Fenstern, Tischen, Schränken und Truhen. Diese alle aber sind
aus praktischen Gründen rechtwinklig. Was blieb also dem
Gemälde übrig, als sich ebenfalls in vier rechte
Winkel einzupassen? Damit war seine Loslösung vom
Architektonischen, seine Abirrung vom Kosmischen zu Ende
geführt. Zum Gegenständlichen gezwungen,
führt das Bild in der guten Stube, im Salon, ein profanes
Dasein. Es ordnet sich zwischen Gardinen, Portieren und Nippes ein.
Daß es unter den Gebrauchsgegenständen des
bürgerlichen Daseins einen gewissen Schein des
Höheren hat, beweist nur noch das dicke, schwere Gold des
plastisch gearbeiteten Rahmens, zu dem alle Heiligenscheine und
Ornamente des Grundes von einst eingeschmolzen sind. Der Rahmen wird in
plastischer Stärke nun auch nötig, um die
Gegenstände im Bilde und die Gegenstände auf dem
Tische vor Verwechslungen zu bewahren. Die Kunst dient zwar dem
täglichen Leben des Bürgers, wird aber innerhalb der
häuslichen Kultur mit Pomp isoliert, so sehr, daß
die Rahmen immer schwerer und breiter werden. In der Betonung des
Rahmens spricht sich - man halte diese Ausführung nicht
für Spielerei mit Analogien! - die deutliche Tendenz
einer Zeit aus, die in allen Dingen, allen Fragen und Aufgaben vom
Zentrum fort und an den Rand zu fliehen gewohnt ist, weshalb man
getrost von einer Rahmenkultur sprechen könnte. Klassische
Beispiele sind in der Philosophie David Hume, in der Biologie Charles
Darwin, in der Kunst Claude Monet, in der Kunsttheorie Hippolyte Taine.
Vom Rande der Erfahrung führt kein Weg in das Zentrum der
Erkenntnis, von der Entwicklung keine Treppe zum Organischen, von der
Beobachtung keine Mühe zur Gestaltung und vom Milieu keine
Spitzfindigkeit zur Kunst. Als eine letzte Steigerung der gedachten
Tendenzen wirkt ein
Gemälde Ludwig von Hofmanns. Es ist betitelt: Bild mit Rahmen,
aber es ist in Wirklichkeit ein Rahmen ohne Bild. Sein Inhalt ist ein
Strich in der oberen Hälfte, den Horizont bezeichnend.
Darüber ist eine gleichmäßige
Fläche, darunter eine fast ganz
gleichmäßige Fläche: Himmel und Meer. Ganz
fern gesehen, ganz Begriff. Ein gangbares Vorsatzpapier ist
interessanter und gehaltreicher. Um dieses Nichts aber ist ein reicher,
belebter Rahmen, der rechts und links von einem
Beethoven-ähnlichen, geflügelten Haupte eine
männliche und eine weibliche Gestalt zeigt, darunter viele
stark geführte, zum wenigsten auffallende Ornament-Versuche. So
sind wir am Ende angelangt. Der Weg führte uns vom Bilde
ohne Rahmen zum Rahmen ohne Bild.
Was wir verfolgt haben, ist der Niedergang nicht lediglich der Malerei,
sondernaller Kunst seit der gotischen Blüte. Die historische
Feststellung von großen Leistungen einzelner, meist
tragischer Schöpferkräfte in diesen Zeitabschnitten -
Raffael, Grünewald, Breughel, Daumier, van Gogh -
ändert nichts an dem Verlaufe. Der Niedergang ist durch sie
nicht abzuändern. Und er ist so völlig, so alles
auflösend, daß die Frage nach einem neuen Beginn
sich vor dieser absoluten Zerstörung kaum hervorwagt. Und doch steht ein neuer Magnet schon über uns und
übt seine Kraft geheimnisvoller Anziehung aus. Wohin? Zu einer
neuen großen schöpferischen Baukunst. Freilich, die
Dinge bleiben hier in der Sphäre des Ahnungsvollen, und so
genau wir der Kurve folgen konnten, die abwärts zum Nullpunkt
ging, so traumhaft in vielem bleibt die stolze, lockend-schimmernde
Kurve hinauf Es ist unmöglich, hier Schritt für
Schritt den Weg der Wahrscheinlichkeit zu bereiten. Das hieße
anspringen gegen einen fernen Berg, um stets ermattet
zurückzufallen. Aber wir haben ein Versprechen: die Dichtung
Paul Scheerbarts, und wir haben die Gewißheit einer fernen
Heimat. In ihr stehen im Sonnenlichte Tempel, deren absolutes Sein uns den Atem
raubt. Es gibt keine Gebilde auf Erden, das ist nicht zuviel gesagt,
deren Abstand von uns gleich riesenhaft wäre, wie die
rätselhafte Ferne indischer Tempel. Ihr Bild wirkt
dämonisch, und es beunruhigt, seitdem wir es gesehen haben,
unser Gewissen. Die Schönheit ist vor uns aufgerichtet und
erhebt in göttlicher Ruhe, aber unerbittlich ihre ideale
Forderung an uns. Nur wenige hören sie; aber diejenigen, die
sie getroffen hat, haben keine Wahl mehr. Ungeheures an Verzicht, an
Überwindung, an Reinheit und Einfachheit verlangt das Vorbild
von ihnen. Es verlangt ein ursprüngliches,
elementar-kristallenes Menschentum; ein Menschentum, das sich vor
keinem Begriffe beugt, keine Konvention über sich ergehen
läßt, keinen Zwang von außen unbesehen
hinnimmt, nur weil er von einer Macht ausgeübt wird; ein
Menschentum, das alle Ableitungen und Brechungen unserer Kultur
enthüllend durchstrahlt, das den brennenden Trieb zur
Nacktheit hat. Dieses Ideal verlangt eine Lostrennung vom Europa unserer Zeit, wie die
Umwelt sie in ihrer Konsequenz nur lächerlich und verstiegen
nennen kann ; verlangt eine so simple und doch so schwere Umwertung
aller Werte, daß sie der Zeitgenosse nicht anders als
töricht, unlogisch und unhistorisch bezeichnen kann. Aber so
vollkommen fast jedes Teil in sein Gegenteil verwandelnd diese geistige
Erneuerung auch ist, und so mannigfaltige, komplizierte und
nützliche Errungenschaften der europäischen
Zivilisation, Kultur und Entwicklung sie auch, scheinbar für
ein lächerliches Nichts, preisgibt, der Betroffene wird sich
keiner Forderung entziehen. Sein Auge ist in Dankbarkeit auf die
Schönheit der indischen Tempel gerichtet, und er
weiß, daß diese höchste Schönheit
der Erde ein Kompaß ist, der nicht in die Irre weisen kann.
Denn in der höchsten Schönheit offenbart sich mit
Notwendigkeit der höchste Sinn. Wo aber bleibt dem, der in den
Anblick eines indischen Tempelbaues versunken ist - selbst wenn er auf
unvollkommene Abbildung der fernen Wunder angewiesen bleibt - wo bleibt
dem jenes Kapitel europäischer Malkunst, das wir nur aus
Gründen der Darstellung zuvor so wichtig genommen haben. Wo
bleibt es? Es erscheint uns nun fast lächerlich. Mit solchen
Werken gibt sich das stolze Europa ab? Mit dem Lächeln eines
jungen Mädchens in das Publikum hinein, weil ein begehrlicher
Kavalier ihm ein Glas Wein aufnötigt? Mit einem Rahmen ohne
Bild? Wir müssen bis zum Sano di Pietro, bis zum
Kathedralfenster hinaufgehen, um zu Dingen zu gelangen, die mit dem
Anblick einer indischen Architektur überhaupt nur in einem
Atem könnten genannt werden. Aber wir sahen ja, wie logisch,
wie konsequent, wie stark eingenommen von seiner Leistung Europa zum
Heutigen kam. Denn Europa ist nun einmal ein malendes Europa. Es gibt
auch Architekten in ihm. Aber die Tatsache, daß diese sich
die nämliche Bezeichnung zulegen, wie die einstigen
Schöpfer herrlicher Werke, soll uns durchaus nicht verleiten,
sie als Künstler anzunehmen. Europa ist ein malendes Europa.
Die meisten seiner heute am meisten anerkannten
»Architekten« kamen von der Malerei. Sie waren aber
zur Malerei nicht einmal begabt genug. Es reichte nur zur modernen
Baukunst. Man kann daraus entnehmen, wie schön diese sein
muß. Es gibt nur eine bildende Kunst: Bauen. Malen und Meißeln
gehören zu ihr. Nicht als Unfreie, nicht als Diener. Sondern
die sich entfaltende Baukunst trägt Malen und
Meißeln. Es ist ganz überflüssig, eine
Theorie über die Stellung der bildenden Künste
untereinander aufzustellen. Es gibt nur eine bildende Kunst: Bauen.
Außerhalb des Bauens gibt es Malerei und Plastik nur in
depravierter Form. In der Gotik hatte Europa zum letzten Male eine
bildende Kunst. Aber ist Indien nicht noch mehr als die Gotik? Zu keiner Zeit ist
Europa so nahe gekommen dem Morgenlande wie zur Gotik. Es ist auch
wahr: in einem ist sie unübertrefflich schön - die
süße strömende Innigkeit der Glasfenster
hat sie allein. Und auf diese wollen wir gewiß am
allerwenigsten verzichten. Aber als Ganzes gesehen thront Indien als
reinste Welt des Orients hoch über allem. Selbst China
verblaßt vor Indien - der feinste, geistigste Realismus vor
reinster Transzendenz. Und unsere Gotik wieder ist nichts als ein
herrlicher Traum vom Morgenland, den die Kreuzritter nach ihrer
Heimkehr träumten. Die Gotik, wie alles Schönste bei
uns, wie Venedig, ist nur zum zehnten Teile Europa - und darum so
schön. Ewig kommt das Licht aus dem Osten. Aber Europa war doch der Gotik
fähig - und sollte also unter ihrer Schönheit sich
nicht mehr zufrieden geben. Europa sollte wieder wahrhaft bilden - das
heißt: bauen. Wiedergeburt der Baukunst - sie hat mit der Zeit begonnen, in welcher
das ferne Vorbild seine magnetische Macht zu üben begann. Sie
läßt sich nicht psychologisch plausibel machen, so
wenig wie irgendeine Geburt. Sie ist ein Wunder, so gut wie jede
Geburt. Sie hat begonnen, indem sie dem Stamme neue Säfte
zuführt, die Wurzeln erneuert, während
zunächst die Blätter weiter welken und fallen
mögen. Die endliche Geburt, die völlige Erneuerung,
werden wir alle nicht mehr erleben.
71.
Palitana, der große Tempel Chamukte
DER TOTE PALAST
EIN ARCHITEKTENTRAUM
VON PAUL SCHEERBART
DER TOTE PALAST
Ein Architektentraum
Ich wußte, wo ich hin wollte.
Ich stieg daher unverdrossen die schlecht behauene Felstreppe
höher - und war bald da.
Und ich stand vor dem markigen Palast, den ich mein ganzes Leben hin-
durch haben wollte.
Aber so deutlich wie damals hab' ich ihn nie gesehen.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Der Palast sitzt auf der Bergkuppe wie ein zackiger Stachelhelm.
Ich bin sehr erstaunt.
Aber - es ist so still:
Ich habe eine so furchtbare Einöde noch niemals empfunden.
Und die Rubinsäulen stechen mir ins Auge - und die weiten
Säle der Sonnenglut brennen so stark.
Das also ist der markige Palast, den ich mein ganzes Leben hindurch
haben wollte!
Es ist alles so tot!
Und eine Stimme spricht zu mir:
»Die Kunst, die du erträumtest, ist immer tot. Die
Paläste haben kein Leben. Bäume leben - Tiere leben -
aber Paläste leben nicht.«
»Demnach«, versetz' ich, »will ich das
Tote!«
»Jawohl!« hör' ich's rufen - aber ich
weiß nicht, wer das sagt.
»Ich wollte die Ruhe - den Frieden!« schrei' ich
wild in grausigem Ekel.
»Die Ruhe«, hör` ich nun, »wirst
du schon finden - sei doch nicht so gierig!«
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Und ich wußte, was ich wollte - ich wollte die Ruhe - ohne
Lust - den Abgang ins Unendliche!!!
Der tote Palast zitterte – zitterte!
72.
Die große Pagode von Udepûr
QUELLENANGABE
Die Dichtungen »Das neue Leben« und »Der
tote Palast« sind dem phantastischen Nilpferderoman
»Immer mutig« von Paul Scheerbart, Verlag J. C. C.
Bruns, Minden i. W., mit Erlaubnis dieses Verlages und der Witwe
Scheerbarts entnommen.
Die übrigen Beiträge erscheinen zum erstenmal im
Druck.
Die Abb.1,13 und 70 nach »Gonse,1'art gothique«,
Abb. 3, 28 und 29 nach »C. Brossard; Geographie pittoresque
et monumentale de la France«, Abb. 4, 21 und 33 nach
»Braun und Hogenberg, Urbes, ca. 1700«, Abb. 9 nach
»C. H. Peters, De nederlandsche Stedenbouw«, Abb.10
und 12 nach »Perrot et Chipiez, l'art antique«,
Abb. 7 nach »Handbuch der Kunstwissenschaft, Lief.
60«, Abb.14 nach »Prospects of all the cathedral
etc. of England and Wales«, Abb. 15 und 57 nach
»Unwin, Grundlagen des Städtebaues«, Abb.
20 und 38 nach »Daniel Meißner, Politica-Politica,
1700«, Abb. 22 nach »Pinder, Deutsclie Dome im
Mittelalter«, Abb. 23 nach »Fergusson, History of
Indian architecture«, Abb. 24 und 25 nach »David
Roberts, Egypte and Nubia« und
»Holy.Land«, Abb. 26 nach »Grabar,
Russische Architektur«, Abb. 27 nach einem alten
Aquatintablatt, Abb. 30 nach »Dahlberg, Suecia«,
Abb. 32 nach »Die schöne deutsche Stadt«,
Abb. 35, 55 und 58 nach »Börschmann, Baukunst der
Chinesen«, Abb. 36 und 37 nach »Zeiller.Merian,
Topographia«, Abb. 52 nach »Schinkel,
Kriegsdenkmäler«, Abb. 53 nach
»Möller van den Bruck, Der preußische
Stil«, Abb. 66 nach »Mebes, um 1800«,
Abb. 6,11,16,17,18,19, 31, 34, 40, 41, 67, 68, 71 und 72 nach den
Mappenwerken für Einzelblätter der Bibliothek des
Kunstgewerbemuseums zu Berlin.
Aus der gleichen sowie aus der Lipperheideschen
Kostümbibliothek stammen die vorher genannten Abbildungen -
nach gütiger Genehmigung und Unterstützung durch die
Bibliotheksleitung.
Abb. 2 ist nach »Kunstwart« gedruckt, Abb. 5, 8,
54,
59, 60 und 64 nach »Städtebau«,
Abb. 61, 65 und 59 nach »Deutsche Bauzeitung« mit
gütiger Erlaubnis der Redaktionen, Abb. 62 nach
»Otto Wagner, Die Großstadt«, Abb. 50 und
51 mit Genehmigung der Bauabteilung der Deutschen
Gartenstadt-Gesellschaft.
Die übrigen Abbildungen stammen von Originalen.
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
1. St. Barbara von Jan van Eyck
2. Charles Cottet, Stadtbild
3. Mont-Saint-Michel
4. Straßburg nach Braun und Hogenberg, Urbes
5. Monte Compatri bei Rom
6. Durham
7. Selim-Moschee in Adrianopel
8. Augsburg, Ulrichskirche
9. Utrecht nach J. v. Vianen 1598
10. Assyrischer Tempel, Rekonstruktion von Perrot und Chipiez
11. Madura, große Sapura
12. Salomonischer Tempel in Jerusalem, Rekonstruktion von Perrot und
Chipiez
13. Köln
14. London
15. Selinunt, Rekonstruktion nach M. Hulot
16. Athen
17. Rangün, Shoay Dagone Pagode
18. Salamanca
19. Rangûn
20. Buarcos nach Daniel Meißner, Politica-Politica 1700
21. Tzaffin nach Braun, Urbes, ca. 1700
22. Prenzlau
23. Angkor-Vat,
Ansicht nach Fergusson
24. Kairo nach David Roberts, Egypte and Nubia
25. Hebron nach David Roberts, Holy-Land
26. Große Kathedrale im Kreml zu Moskau
27. »Vue du Kreml de Moscou prise du pont de
pierre« - Aquantintablatt
28. La Chaise-Dieu
29. Bėziers
30. Strangnäs nach Dahlberg, Suecia
31. Pisa, Piazza del Duomo
32. Danzig,
Marienkirche
33. Aden nach Braun, Urbes ca. 1700
34. Streevelliputtur
35. Miaio tai tze, Gedächtnistempel für den Kanzler
Chang:Liang
36. Paris nach Merian
37. Speier nach Merian
38. Mainz nach Meißner
39. Toledo
40. Bangkok-Siam, die große Pagode Wat Tsching
41. Tschillambaram, Schiwa.Teich
42. Stadtkrone, Ansicht nach Osten
43. Stadtkrone, Ansicht nach Westen
44. Stadtkrone, Vogelschau nach Westen
45. Stadtsilhouette mit Stadtkrone
46. Schema der neuen Stadt
47. Stadtkrone, Bild
48. Stadtkrone, Plan und Silhouette
49. Stadtkrone, Perspektivische Ansicht
50. Gartenstadtsiedelung Falkenberg bei Berlin
51. Straßenbild aus Falkenberg (Abb. 42-51 nach Zeichnungen
des Verfassers)
52. Entwurf zu einem Dom auf dem Templower Berge bei Berlin zur
Erinnerung an, den
Befreiungskrieg von Schinkel
53. Entwurf zu einem Denkmal Friedrichs des Großen auf dem
Leipziger Platz zu Berlin von Gilly
54. Karlsruhe, Stadtplan
55. Konfuziustempel in Küfu nach Börschmann, Baukunst
der Chinesen
56. Planschema nach Ebenezer Howard, »Gartenstädte
in Sicht«
57. Zentralanlage für die Gartenstadt Letchworth nach Unwiri,
Grundlagen des Städtebaues
58. Planskizze der Stadt Küfu nach Börschmann
59. Elias-Hollplatz mit Rathaus und Perlachturm zu Augsburg
nach-Zeichnung von Dr.
Former
60. Das neue Municipalgebäude in New York
61. Stadtbild von New York
62. Luftzentrum des künftigen XXII. Wiener Gemeindebezirks von
Otto Wagner
63. Siedelung Klein:Hohenheim bei Stuttgart, Projekt von Jacobus
Göttel
64. I. Preis des Wettbewerbs zu einem Bebauungsplan für die
Bundeshauptstadt Australiens von W.
Griffin.Chicago
65. Internationales Welt.Zentrum, Projekt von H. C. Andersen und
M. E. Helbrard
66. Auswärtiges Amt in Berlin
67. Justizpalast in Brüssel
68. Kapitol in Washington
69. Entwurf zu einem Völkerdenkmal, Pantheon der Menschheit
von H. P. Berlage
70. Kathedrale zu Rouen
71. Palitana, der große Tempel Chamukte
72. Udepür, die große Pagode
INHALT
Das neue Leben, architektonische Apokalypse von Paul
Scheerbart.
40 Beispiele alter Stadtbekrönungen
Die Stadtkrone
Architektur
Die alte Stadt
Das Chaos
Die neue Stadt
Rumpf ohne Kopf
Gebt eine Fahne
Die Stadtkrone
Wirtschaftliches zur Stadtkrone
Nachwort. Neuere Versuche zu Stadtbekrönungen
Aufbau von Erich Baron
Wiedergeburt der Baukunst von Adolf Behne
Der tote Palast, ein Architektentraum von Paul Scheerbart
Quellenangabe
Verzeichnis der Abbildungen
DIETSCH & BRÜCKNER IN WEIMAR DRUCKTEN DEN TEXT DIE
SPAMERSCHE BUCHDRUCKEREI IN LEIPZIG DIE TAFELN
AUS DEN ARBEITEN VON BRUNO TAUT:
EINE NOTWENDIGKEIT. »Der Sturm« 1913.
DIE VERERDUNG. »Die Tat« 1917.
ARCHITEKTONISCHES ZUM SIEDELUNGSWERK. »Der Siedler«
1918, Verlag O. Laube, Dresden.
FÜR DIE NEUE BAUKUNST. »Kunstblatt« 1919.
DIE ERDE EINE GUTE WOHNUNG. »Die Volkswohnung« 1919.
ARCHITEKTUR.PROGRAMM. Flugschrift des Arbeitsrats für Kunst,
Berlin. Weihnachten 1918.
In Vorbereitung:
HERAUSGABE DER »ALPINEN ARCHITEKTUR« EINES
UNBEKANNTEN ARCHITEKTEN in 5 Teilen und 30 Zeichnungen.
DIE AUFLÖSUNG DER STÄDTE.
ARCHITEKTONISCHE DICHTUNGEN VON PAUL SCHEERBART:
GLASARCHITEKTUR. Verlag »Der Sturm«,
Berlin.
DAS GRAUE TUCH UND 10 % WEISS. Ein Damenroman, Verlag Georg
Müller, München.
DIE SEESCHLANGE. Ein Seeroman, Verlag J. C. C. Bruns, Minden.
DAS GROSSE LICHT. Ein Münchhausen-Brevier.
MÜNCHHAUSEN UND CLARISSA. Ein Berliner Roman, Verlag Osterheld
& Co., Berlin.
AUS DEN ARBEITEN VON ADOLF BEHNE:
DIE KUNST DES ORIENTS. Eine Vortragsreihe, Verlag
»Vorwärts«, Berlin.
RUSSISCHE KUNST. Eine Aufsatzserie in den »Sozialistischen
Monatsheften«, Berlin, 1918.
ZUR NEUEN KUNST. Verlag »Der Sturm«.
ORANIENBURG. Ein Beispiel der Stadtbetrachtung, Flugschrift der
Dürerbundes.
In Vorbereitung:
DIE WIEDERKEHR DER KUNST; Verlag Kurt Wolff; Leipzig |