Positionen
1998_2

Angeli Janhsen-Vukicevic

Gottfried Böhms Wallfahrtskirche in Neviges

  1Gottfried Böhms Wallfahrtskirche „Maria Königin des Friedens" in Neviges entstand aus der Notwendigkeit, dem wachsenden Pilgerstrom der Fünfziger Jahre zu begegnen. Gegenstand der Verehrung ist ein aus einem Gebetbuch gelöster Kupferstich des 17. Jahrhunderts, durch den Maria zu einem Mönch gesprochen und Heilungen bewirkt haben soll. Das Bild wurde 1680 aus Dorsten in das bei Neviges gelegene Schloß Hardenberg gebracht und dann in der dortigen barocken Pfarr- und Klosterkirche, die der unbefleckten Empfängnis Mariens geweiht ist, aufbewahrt, bis es 1968 in die dann geweihte neue Wallfahrtskirche kam.1) Gottfried Böhm schreibt dazu: „... das Pilgern an einen Ort, wo man das religiöse Erlebnis anders, in neuer Form und vielfältg erfährt, dies müßte der Sinn der Wallfahrt sein. Das verehrte Bildchen kann dabei nur als Anhaltspunkt, nicht als anzustrebendes Ziel dienen."2) Für Böhm sind also das Gnadenbild und die damit verbundene Erwartung von Wundern weniger wichtig als das jeweilige persönliche Erlebnis, das durch die Offenheit des Pilgernden für den ihm unbekannten Ort ermöglicht ist. Er betont die Vielfältigkeit der Erfahrungen auch in seinem Wettbewerbsgrundriß, der verschiedene Nutzungsmöglichkeiten der Kirche zeigt und Regieanweisungen auch für den Außenraum gibt.

Abb. 1

Abb. 2

Böhm erfüllte mit seinem Entwurf die in der Ausschreibung festgelegten Erwartungen und bot zudem den Bau eines nicht geforderten, von ihm sogenannten „Pilgerwegs" an.

Abb. 3

2Pilger, die in der Regel vom Bahnhof oder vom Busparkplatz her kommen, gehen über die Elberfelder Straße auf die alte Kirche zu, biegen vor ihr rechts ein, gehen am Kloster vorbei und biegen dann um die ersten Pilgerhäuser herum nach links, um dann auf dem Pilgerweg bewußt zur Kirche hochzusteigen. Dieser Aufstieg ist im Osten begrenzt durch die für die Versorgung der Pilger nötigen Nebenbauten, von denen allerdings nur die der Kirche nahestehenden ausgeführt wurden. Die Westseite ist durch eine wegen der Geländeneigung nötigen Mauer begrenzt, über der sich eine wenig befahrene Straße befindet, die Böhm als Empore bezeichnet. Frühere Entwürfe zeigen, daß der Pilgerweg an beiden Seiten von Gebäuden gerahmt sein sollte, was ihn als Weg verdeutlicht hätte - daß aber auch die platzartige Ausdehnung, die ihn für Feste nutzbar macht, immer schon vorgesehen war.

Bemerkenswert dabei ist, daß der Pilgerweg nicht symmetrisch ist und daß er keine einheitliche Richtung hat. Weder der Pilgerweg noch dann das Kircheninnere folgen einer gemeinsamen Ordnung, wie sie in traditionellen Kirchen noch zu Beginn des Jahrhunderts zu erwarten gewesen wäre. Eine traditionelle Kirche wäre möglichst geostet, ein traditioneller Altar stünde symmetrisch, traditionelle Sitzreihen würden hintereinander der Richtung des Kirchenbaus entsprechend aufgereiht. Böhms Kirche ist nicht geostet, der Altar steht nicht ganz in der Mitte, und geplant waren frei versetzbare Stühle. Die Unregelmäßigkeiten des Pilgerwegs und des Kircheninneren sind nicht durch die Unregelmäßigkeiten des Baugeländes erzwungen, sie sind im Hinblick auf ein neues „religiöses Erlebnis" geplant.3)

3Die traditionelle Ordnung des Kircheninneren war in der „Liturgischen Bewegung" nach dem Ersten Weltkrieg kritisiert worden. Romano Guardini und andere hatten gefordert, daß die Gläubigen nicht, wie noch Papst Pius X meinte, Zuschauer bei der Messe sein sollten, sondern aktive Teilnehmer.4) Sie sollten nicht eine traditionelle Ordnung nur ausfüllen, sondern sich selbst eine ihnen entsprechende Ordnung suchen. Die Konsequenzen dieser Forderungen sind dann, besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, in den variabel nutzbaren und nicht gerichteten Kirchenbauten zu sehen. Diese Kirchenbauten sind innen wie außen oft unsymmetrisch, sie schreiben ihren Benutzern dabei weder einen einzigen Weg noch eine einzige Art der Nutzung vor. Der Theologe Van Acken, der die Kirchenbauten von Dominikus Böhm, dem Vater Gottfried Böhms, mitangeregt hat, beschreibt 1923 die Forderungen der „Liturgischen Bewegung" so: „Der Altar als der mystische Christus soll der Ausgangspunkt und gestaltende Mittelpunkt des Kirchenbaus sein. ... Für die heutige Baukunst gilt als erster Grundsatz: Das Bedürfnis schafft den Raum. Wenden wir das ohne weiteres auf den Kirchenraum an. Wir fordern damit auch in diesem Gedankengange für unsere Gotteshäuser Weitung des Hauptraumes, Verkürzung und Verbreiterung des Chores, Verzicht auf Säulen und Pfeiler, die den Blick hemmen, Umschaffung der Nebenschiffe, falls solche gewollt sind, in bloße Gänge und Beichtnischen."5) Für Architekten bedeutet das neue Verständnis der Liturgie größere Gestaltungsfreiheit. Böhm hätte Marienkapelle, Altar, Kanzel, Eingang usw. sehr anders gruppieren können, ohne dem neuen Verständnis der Liturgie bzw. der Ausschreibung zu widersprechen. Gleichzeitig fördert das neue Liturgieverständnis nur bestimmte nichttraditionelle Bauformen: Zentralbauten mit auffälligem, wenn nicht befremdlichem Äußeren werden bevorzugt. Wie Hugo Schnell festgestellt hat, kamen die neuen Bautechniken der Tendenz zum Zentralbau sehr entgegen.6) Mit Stahlträgern war es kein Problem, einen großen Innenraum stützenlos zu überdachen und so die Sicht freizulassen. Der Betonbau bot zudem die Möglichkeit, neue Bauformen zu erfinden. Die Kirche erlaubte ausdrücklich - auch vor der Feststellung der künstlerischen Freiheit im Zweiten Vatikanischen Konzil von 1963 - die verschiedensten Stile und Bauformen, wenn nur die liturgischen Belange respektiert wurden. Eine ausgefallene Bauform ist geradezu erwünscht, um den Sakralbau von den Profanbauten zu unterscheiden. Aus diesen kirchlichen Forderungen und aus den neuen technischen Möglichkeiten heraus entstehen die bizarrsten Kirchen. Besonders der Kirchenbau nach dem Zweiten Weltkrieg rückt weit ab von den traditionellen Formen. Mehr als Konventionen gelten nun Erlebnismöglichkeiten. Die Kirchen rechnen mehr mit der Neugier und Offenheit ihrer Besucher als mit ihrer Bildung, sie beeindrucken weniger durch den Rückgriff auf Überliefertes als durch ihre unerwartete Fremdheit.

4Böhm hat die im Kirchenbau nun möglichen Freiheiten sowohl bei der Gestaltung des Kircheninneren als auch bei der Gestaltung des Kirchenäußeren genutzt und dabei, wie zu zeigen ist, das Kircheninnere nach dem Kirchenäußeren geplant. Das Äußere ist auffällig, die Wallfahrtskirche steht als Fremdkörper aus Beton in dem durch Schieferhäuser, Fachwerkhäuser und nur wenige moderne Bauten bestimmten bergischen Städtchen.

Bei seinen Profanbauten richtet sich Böhm bekannterweise auffällig nach den Vorgaben der Umgebung.7) Er schreibt, daß Gestalt, Maßstab, Nutzung, Material und Farben der vorhandenen Häuser bei jedem - profanen - Neubau berücksichtigt werden müssen. Bei seinen Kirchenbauten nimmt Böhm diese Rücksichten nicht und entspricht damit der kirchlichen Forderung nach klarer Differenz zwischen sakralen und profanen Bauten. Die Wallfahrtskirche unterscheidet sich offensichtlich von ihrer Umgebung. Schon ihre Größe macht sie auffällig: Die Kirche ist etwa 37m breit und 50m lang, ihre Außenmauern sind zwischen 10 und 20 Metern hoch, die höchste Faltwerkspitze sogar 34m. Ihre Form ist auffällig: die Kirche hat im Gegensatz zu den Häusern der Umgebung keine rechten Winkel und keine konstanten Größen, so daß sie schwer zu messen und zu bestimmen ist. Die Kirche übersteigt das an den Häusern deutliche menschliche Maß.

5Gleichzeitig mit der kirchlichen Wertschätzung origineller Bauten bildet sich eine neue, die Originalität durch Rückgriffe auf biblische Beschreibungen des Hauses Gottes rechtfertigende Ikonografie heraus. Man könnte in Anlehnung an Juan Gris geradezu von einer „induktiven Ikonografie" sprechen. Juan Gris hatte gegenstandslose Bilder gemalt und erst im Nachhinein Gegenstände in sie hineingesehen. Ebenso sind diese Kirchen zum großen Teil als freie Formerfindungen geplant, die dann im Nachhinein durch Assoziationen und durch dazugehörige ikonografische Erklärungen entschärft werden. Neue Kirchenbauten werden immer wieder als Weg, als Zeit, als Fels, als Höhle, als Arche, als Burg usw. gedeutet.8) Daß Böhms Wallfahrtskirche (wie viele andere) einem Zelt ähnelt, ist kaum zu bestreiten. Daß sie aber als Hinweis auf das zweite Buch Mose, also als Hinweis auf das dort als Gotteswohnung gebaute Zelt gemeint ist, bestreitet Böhm selbst. Er schreibt: „Ich wollte ganz einfach eine Kirche bauen und nicht - wir mir so oft nachgesagt wird - ein Zelt Gottes auf Erden."9) Diese lakonische, betont naive Aussage ist wohl in erster Linie als Widerspruch des Künstlers zu jeder Art konventioneller Deutung zu verstehen. Tatsächlich verhindert das Verständnis der Kirche als Zelt leicht das Verständnis weiterer Zusammenhänge. Wenn man die Kirche als Zelt deutet, erkennt man am isolierten Baukörper eine bekannte Form - wie auch immer abgewandelt - wieder. Man geht von der Gesamtheit, der Gestalt aus wie beim Verständnis einer gegenständlichen Plastik.10) Diese Betrachtungsweise liegt bei einiger Bildung nahe und ist bei der Arbeit mit Plänen und Luftaufnahmen geradezu unvermeidlich. Ich möchte sie trotzdem so weit wie möglich vermeiden und hier von der Betrachtungsweise vor Ort ausgehen. Die Ansichten der Kirche, die von der Stadt aus zu haben sind, schließen ihre Deutung als Zelt zwar nicht aus, ermöglichen aber ein anderes Verständnis, das mit Luftaufnahmen und Plänen nicht zu erreichen ist. Um dem nicht in Neviges herumgehenden Leser dieses Artikels die Ansichten der Kirche aus der Stadt zu verdeutlichen, muß ich im Folgenden auf Fotos zurückgreifen.

6Schon auf Plänen ist jedoch zu sehen, daß die Kirche nicht als isolierter Baukörper zu begreifen ist. Auf den Zwerchgiebel eines bei der Kirche stehenden Hauses antwortet eine Giebelform des Kirchendachs. (Abb. 2, Pfeil A)Ein Durchblick zwischen zwei eigentlich ganz unbedeutenden Häusern ist im Kirchengrundriß insofern berücksichtigt, als eine Ecke der Sakramentskapelle direkt auf diesen Durchblick zeigt. (Abb. 2, Pfeil B) Schon diese Bezüge sind nicht zufällig und machen deutlich, wie sehr Böhm bei allem Kontrast zwischen der Betonkirche und den alten Häusern des bergischen Städtchens von den vorgegebenen Bauten ausgeht.

Spiegelungen traditioneller Bauformen bzw. Rücksicht auf Blickmöglichkeiten gibt es auch bei anderen Bauten Böhms. Die Wallfahrtskirche in Neviges nimmt aber insofern eine Sonderstellung ein, als Böhm hier ein systematisches Interesse an Durchblicken verfolgt, die sich einem in Neviges gehenden Betrachter der Kirche bieten. - Daß Böhm sich für gehende Pilger interessiert, macht schon seine Konzeption eines Pilgerweges deutlich. Auf dem Weg vom Bahnhof oder vom Parkplatz zur Kirche sieht man zunächst nichts als Teile des Kirchendachs über der Stadt.

Abb. 4

Ist man dann in der Stadt, sieht man die Kirche zunächst nicht mehr. Das erste, was auf dem Hauptweg zur Kirche von ihr wieder zu sehen ist, ist eine Dachkante mit dem Glockenaufbau.

Abb. 5 (vgl. Abb. 2 , Pfeil C)

Die Dachschräge der neuen Kirche ist genau parallel zur Dachschräge des alten Klosters, d.h. zu dem Grat des dort um 90° gewinkelten Dachs. Solange dem gehenden Betrachter beide Schrägen nahe genug beieinander erscheinen, ist ihre Parallelität auffällig - sobald der Betrachter weitergeht, entfernen sich die Parallelen voneinander, und die dann hervortretenden anderen Dachformen können gesehen werden.

Abb. 6 (vgl. Abb. 2, Pfeil D)

Der unregelmäßige Baukörper beherrscht die Wahrnehmung dann mehr als die vorher aufgeblitzte regelmäßige Entsprechung.

7Böhm leitet schon die meist in Gruppen ankommenden Pilger auf dem Pilgerweg auf einem unübersichtlichen, programmatisch nicht achsialen Weg zur Kirche. Er rechnet offenbar mehr als mit diesen Gruppen mit Einzelnen, die durch die Stadt gehen. Dort sind Parallelen wie die eben gezeigte immer wieder zu sehen. Die von den verschiedensten Standorten aus möglichen Durchblicke auf die neue Kirche sind nicht einem Pilgerweg zuzuordnen, sondern ergeben sich bei fast jedem Weg durch die Stadt. Ich beschränke mich auf wenige, mit einem Normalobjektiv leicht fotografierbare Durchblicke mit Parallelen.

Ein Betrachter, der von der Apsis der alten katholischen Kirche her zur neuen hinsieht, muß bemerken, daß die Neigung des Giebels des weißgestrichenen Hauses, eines Klosternebengebäudes, der Neigung einer Schräge im Dach der neuen Kirche entspricht: Rechts vom Giebel erscheint eine dunkle Betonpyramide, deren Umriß den des Giebels wiederholt.

Abb. 7 (vgl. Abb. 2, Pfeil E)

Bei etwas verändertem Standort bleibt diese Parallele zwischen dem Giebel und der Pyramidenform im Kirchendach. Sie wird nun durch eine weitere Schräge links im Kirchendach ergänzt, die hier so fotografiert ist, daß sie von links oben her genau auf die Giebelspitze führt.

Abb. 8 (vgl. Abb. 2, Pfeil F)

8Ein paar Schritte weiter erscheint dann auch diese Linie als Parallele. - Die beiden Parallelen bleiben parallel, auch wenn man sich vor ihnen bewegt, weil sie im Raum parallel sind. Sie lassen sich nicht anders als so, als parallel, fotografieren. Das unterscheidet sie z.B. von der nur zufällig in Abb. 8 parallel erscheinenden Traufe des links vorn stehenden Schieferhauses. Die Kante dieser Traufe steht im Raum ja nicht parallel zur Kante des Giebels, sondern orthogonal zu ihr. Nur von einem einzigen Standort erscheinen beide Kanten als Parallelen im Foto - für einen gehenden Betrachter ändert sich mit jedem Schritt der Winkel zwischen ihnen. - Die zwischen dem Giebel und dem Kirchendach gesehenen Parallelen jedoch vertragen Betrachterbewegungen.

Abb. 9

Die Parallelen entfernen oder nähern sich dann, bleiben aber parallel. Sie sind nicht für das Foto inszeniert. Sie sind ganz im Gegenteil einem sich bewegenden Betrachter auffälliger als einem, der mit einem eingefrorenen Bild vorlieb nehmen muß. Sie sind auffälliger, eben weil sie der Überprüfung durch Standortwechsel standhalten. Eine filmische Reproduktion käme der Erfahrung eines gehenden Betrachters noch näher als eine Sequenz von Fotografien. Für dokumentarische Architekturfotografien müßte man eigentlich Standorte wählen, die die räumliche Situation verdeutlichen und nicht zugunsten eine fotografischen Kompisiton, z.B. mit Parallelen, verunklären. In Neviges sind solche dokumentarisch klaren Fotos aus der Stadt heraus fast immer unmöglich, weil es von hier aus kaum möglich ist, Parallelen zu vermeiden. Die hier gezeigten Fotos sollen nicht als Kompositionen, sondern als Dokumentierung der unvermeidlich von Parallelen bestimmten Durchblicke verstanden werden. In der näheren Umgebung der Kirche sind alle Standorte in der Stadt, die überhaupt einen Blick auf die neue Kirche erlauben, immer durch solche Parallelen bestimmt.

Abb.10a

Abb. 10b

Abb. 10c

Abb. 10d

Abb. 10e

Abb. 10f

Abb. 10g

9Eine solche Wiederholung desselben, für sich schon auffälligen Prinzips, ist kein Zufall. Zum Teil entstehen die Parallelen vielleicht, weil eben viele Häuser in der Altstadt eine ähnliche Dachneigung haben. Weil aber verschiedene Winkel als Parallelen auftreten, kann diese Erklärung nicht hinreichen. Die Parallelen müssen geplant sein. Auf einem Stadtplan mußte dafür notiert werden, von welchem Standort aus welcher Winkel an den schon vorhandenen alten Häusern gesehen werden kann. Dieser Winkel mußte dann auf den Bereich übertragen werden, in dem die Kirche stehen sollte. (vgl. Abb. 2, Pfeil C) Vermessungstechniken wie diese gehören zur Ausbildung von Architekten. Wo genau im Kirchendach der Winkel dann aufgenommen wurde - ob an einer langen oder an einer kurzen Kante, ob höher oder niedriger - war relativ unwichtig, solange nur dieSchräge des Kirchendachs parallel zur Schräge eines Hauses verlief und nahe genug bei ihr gesehen werden konnte. Für die Gestaltung des natürlich durch statische Überlegungen und durch Rücksichten auf Gesamtsichten mitbestimmten Baukörpers blieb also genug Spielraum.11)

Wenn man die Bezüge der Kirche zu den einzelnen Häusern in der Stadt nicht berücksichtigt, kann man die Kirche für individualistisch geplant und für ebenso willkürlich wie viele andere Betonkirchen halten. Wenn man jedoch die Bezüge zur Stadt bemerkt, kann man die Komposition des Kirchendachs nicht als frei oder gar willkürlich bezeichnen. Es mußten enorm strenge Spielregeln berücksichtigt werden, die zwar einen gewissen Spielraum für die Gestaltung des Dachs ließen, die aber sicher keine ungehinderte spontane Komposition erlaubten. Es konnten verschiedene Kristallformen entwickelt werden, die aber jeweils durch vorausgesetzte Winkel schon bestimmt waren.

Wenn man den Kirchenbau aus seiner Umgebung isoliert, sieht man ihm die Spielregeln nicht an und kann ihn durchaus vergleichen mit expressionistischer Architektur. Das expressionistische Scalarestaurant von Würzbach und Belling beispielsweise hat ein Dach, das durchaus dem der Wallfahrtskirche ähnelt.12) Es ist aber frei komponiert und nicht etwa eine Konsequenz der äußeren Form des Daches, die ihrerseits wiederum auf die Schrägen der umliegenden Häuser zurückzuführen ist. Böhms Bau ist nicht expressionistischer Selbstausdruck des Architekten, sondern - wenn man so will: ganz im Gegenteil - Resultat einer von äußeren Gegebenheiten ausgehenden Planung. Auch irrational oder antirationalistisch und phantastisch ist der Bau, auch wenn es ihm nachgesagt wird, eigentlich nicht.13)

10Schwieriger und sinnvoller als die vorschnelle Zuordnung der Kirche zu einer ikonographischen Tradition oder zu einem Stil ist die Frage danach, wie die von Blickbezügen ausgehende Planung verstanden werden muß. Was unterscheidet sie von früheren für Blicke konzipierten Bauten? Ist die von Blickbezügen ausgehende Planung nur eine Spielart kontextbezogenen Bauens?

Als ein älteres Beispiel für die Entwicklung von Architektur aus der Umgebung heraus, aus der sie dann gesehen wird, kann der Petersplatz von Bernini dienen.14) Es ist immer wieder darauf hingewiesen worden, daß die beiden die Piazetta im Norden und im Süden begrenzenden Korridore nicht parallel zueinander sind, damit sie einem von der Stadt her kommenden Betrachter parallel erscheinen, also länger erscheinen, so daß die ganze Piazzetta länger wirkt. Bernini nutzt hier also eine optische Täuschung aus und verunkärt damit dem Ankommenden dieEntfernung zu seinem Ziel, dem Petersdom. Ähnliche optische Täuschungen interessieren Böhm nicht. Dagegen ist eine andere Planungsweise Berninis mit der Böhms verwandt. Massimo Birindelli hat gezeigt, daß die Winkel der beiden Korridore zueinander nicht allein auf eine optische Täuschung hin berechnet sind, sondern daß sie auf die damalige Umgebung Bezug nahmen.15)

Abb. 11

Bei der Planung der Anlage hat Bernini nicht nur auf die Peterskirche Rücksicht genommen, sondern auch auf einen von der Peterskirche unabhängig gebauten Palast, den Papstpalast von Sixtus V, und auf eine zur Peterskirche hinführende, aber keineswegs regelmäßig zu ihm gebaute Straße, den Borgo nuovo.

11Der nördliche Korridor setzt die Richtung der auf den Petersdom hinführenden Straße fort. (Abb. 11) Sein Winkel bestimmt sich also aus der vorhandenen Straße. Der Winkel des südlichen Korridors spiegelt dann die Richtung des nördlichen Korridors. Als die Straßenführung 1936 geändert wurde, ergab sich zwar die prächtige und im Sinne faschistischer Stadtplanung wünschenswerte Zufahrt, die heutige Via della Conciliazione - der alte Bezug zwischen der schmaleren Straße und dem sie fortsetzenden Korridor ging jedoch verloren. Zu beobachten ist heute noch der zweite von Birindelli herausgestellte Bezug: Die südliche Mauer des Papstpalastes bestimmt den Winkel der nördlichen Öffnung der Kolonnaden. (Abb. 11,3) Nur im Plan ist zu sehen, daß überdies die westliche Mauer desselben Papstpalastes genau auf den Mittelpunkt des nördlichen Kolonnadenhalbrunds trifft. (Abb. 11,2) Berninis Platzarchitektur verbindet also drei vorher nicht regelmäßig aufeinander bezogene Gegebenheiten: den Petersdom, den Papstpalast und die alte Straße.

Auch wenn es keine direkten Verbindungen zwischen Bernini und Böhm gibt, ist der Vergleich ihrer Planungsweisen doch erhellend. So wie Bernini seinen Platz von dem vollkommen unabhängig gebauten Papstpalast und von der für das persönliche Erlebnis der Pilger zwar wichtigen, offiziell aber nebensächlichen Straße abhängig macht, so nimmt Böhm die Dachschrägen der im Lauf der Jahrhunderte so gewachsenen Stadt und bestimmt aus ihnen das Dach der von ihm gebauten Kirche. Beide Architekten gehen bei der Planung kirchlicher Architektur von zufällig gegebener profaner Architektur aus. Beide binden mit ihren Bauten die Zufälligkeit der vorigen Bauten. Beide gehen von Blickbezügen aus, wenn auch der von Bernini ermöglichte Blick durch eine lange gerade Straße und einen langen geraden Korridor bzw. der Blick vor zwei parallele Fassaden

Abb. 12

anders sind als die Durchblicke auf parallele Schrägen, mit denen Böhm arbeitet. Bernini zeigt einen Weg bzw. ordnet zwei Fassaden hintereinander, die sich bei seiner Planung ergebenden Blicke gelten für einen Betrachter ein ganzes Wegstück lang. Böhm zeigt jeweils kurz aufblitzende Bilder, die nach wenigen Schritten wieder zerfallen. (Daß sie aber wenige Schritte lang halten, macht sie, wie oben erwähnt, erst eindrücklich.) Bernini nimmt die in Grundrissen notierbaren Schrägen auf. Böhm nimmt die Schrägen auf, für deren Notierung ein Grundriß nicht ausreicht, weil sie schräg im Raum stehen. Bernini entwickelt mit seinen zufälligen Vorgaben eine symmetrische Architektur, die erinnerbar ist. Böhm entwickelt eine unsymmetrische Architektur, deren Komplexität aus der Vielzahl der Vorgaben resultiert. Sie kann zwar mit Begriffen wie „Kristall", „Zelt" oder „Felsmassiv" bezeichnet, aber doch nicht wirklich erinnert werden. Während Bernini einen regelmäßigen barocken Raum schafft, beläßt Böhm die sich aus der Projektion einzelner Ansichten ergebende zersplitterte unregelmäßige Form. Bernini ordnet Zufälligkeiten, Böhm kristallisiert sie. Böhm sammelt und konzentriert die Unregelmäßigkeiten der Stadt zu einem Baukörper, der die Unregelmäßigkeit gestaltet und geradezu legitimiert - und sie nicht etwa in eine regelmäßige Ordnung überführt. Böhms Kirche muß im Gegensatz zum Platz Berninis aufgrund der zeitgenössischen liturgischen Erfordernisse nicht regelmäßig sein. Bernini und Böhm sind hier natürlich aufgrund der jeweiligen geistesgeschichtlichen Voraussetzungen und auch aufgrund der jeweiligen Bauaufgaben - Bernini baut am Zentrum der katholischen Kirche, Böhm in irgendeinem bergischen Städtchen - in verschiedenen Situationen. Aber der Vergleich verdeutlicht doch ähnliche Planungsweisen bei verschiedenen Haltungen. Böhms Haltung kann, wenn der Vergleich überhaupt so weit getrieben werden darf, als weniger autoritär und vereinnahmend, aber auch als willkürlich und zielloser bewertet werden. Böhms Haltung ist auf andere Art christlich. Er ordnet durch Blickbezüge nicht den Weg eines Gläubigen bzw. faßt seine Umwelt geordnet zusammen. Böhm ermöglicht sinnvolle Zufälle.

12Architektur, die aus Blickbezügen konzipiert ist, ist kontextbezogene Architektur. Kontextbezogenes Bauen und Stadtplanung sind erklärte Interessen Böhms, der den Lehrstuhl, den er 1964 an der Fachhochschule Aachen erhielt, von einem „Lehrstuhl für Werklehre" umwandelte in einen „Lehrstuhl für Stadtbereichsplanung und Werklehre". Böhm kennt die sozialistischen Reformer des Städtebaus der Jahrhundertwende und integriert ihre Ideen, wenn er schreibt: „Ich möchte den Einfluß der Architektur auf den Menschen nicht überschätzen, aber die Zerrissenheit unserer Städte trägt sicher dazu bei, daß wir uns daran gewöhnen, auch unsere menschlichen Zusammenhänge zu übersehen. Sicher ist es wichtig, die Einzelbedeutung eines Bauwerks im Auge zu haben, aber noch notwendiger erscheint mir heute, Rücksicht auf den Nachbarn zu zeigen und das Gemeinsame zu suchen."16) In seinen Schriften fordert er immer wieder „Verbindungen", „Verknüpfungen" und „Zuammenhänge". Er will heutige Städte „berichtigen" und schreibt, daß die Zukunft für Architekten nicht so sehr darin liege, noch immer mehr und weiter die freie Landschaft zu bebauen, sondern darin, die Städte und Dörfer wieder in Ordnung zu bringen, indem sie die Zusammenhänge in den Funktionen, Strukturen, Materialien usw. schaffen.17)

Er denkt in „Ordnungen", anders als Bernini, und schreibt ausdrücklich: „Es geht immer wieder um die Frage: Wie kann ich eine Ordnung bauen, die sich in die nächsthöhere Ordnung einbindet. Natürlich auch umgekehrt: Wie kann ich ein Ordnungssytem herstellen, das für kleinere Ordnungen geradezu einen Anreiz bildet, sich einzunisten."18) Er respektiert also bestehende Ordnungen bei seinen kleineren Bauten und plant seine größeren so, daß sie spätere Architektur geradezu einladen, sich einzufügen. Tatsächlich nimmt seine Wallfahrtskirche ja die Ordnung ihrer Umgebung, nämlich die Schrägen der Dächer, auf. Und tatsächlich fordert sie ja, daß neue Häuser sich nun nach ihr ausrichten. Streng genommen müßten jetzt ja die Dachschrägen in Neviges - der Kirche wegen! - unter Denkmalschutz gestellt werden und Baugenehmigungen nur für Häuser erteilt werden, deren Dächer die Schrägen der Kirchen aufnehmen.

13In Neviges ist, wie in anderen bergischen Städten auch, ursprünglich die Stadt um die Kirche herumgebaut worden. An der evangelischen Kirche ist diese Siedlungsform gut erhalten.

Abb. 13

Böhm hat diese Form aufgegriffen, wo es möglich war, etwa bei seinem Kinderdorf in Bergisch-Gladbach oder bei seinem Hildegardisheim in Düsseldorf.19) Aber wenn es nicht um solche geschlossenen kirchlichen Anlagen geht, werden im 20. Jahrhundert Städte nicht um Kirchen herum gebaut. Die Rolle der Kirche, die sich in dieser Siedlungsform ausdrückte, hat sich geändert. Eine neu zu bauende Kirche kann nun auf die immer schon bestehenden Häuser nur reagieren. Mit der neuen Kirche in Neviges reagiert Böhm so auf die alten Häuser, daß die Reaktion als Reaktion nicht deutlich ist. Für Betrachter, die die fertige Gesamtsituation sehen, tritt die zeitliche Logik der Bauabfolge zurück zugunsten der gleichzeitigen Erfahrung. Die Entsprechungen der Schrägen werden nicht mit dem ständigen Bewußtsein gesehen, daß sich hier die Kirche nach den Häusern gerichtet hat. Die Kirche erscheint nicht als Summe zufälliger Projektionen, sondern als ein einheitlicher, beherrschender Baukörper. Obwohl tatsächlich die Kirche aus den Hausformen heraus entwickelt und also sekundär ist, erscheint sie nun aufgrund ihrer Fremdartigkeit und Größe als das Primäre, nach dem sich die Häuser richten. Heinrich Klotz hat die Bezüge zwischen Hausdächern und Kirchendach übersehen und die Kirche als beherrschend erfahren. Er fragt, „...wie es zu dem Monument der Pilgerkirche von Neviges hat kommen können, das sich wie ein riesenhafter Gottesfelsen aus dem Boden der Stadt herauskristallisiert und das sich mit den prismatischen Brechungen seiner ungeheuerlichen Betonflächen förmlich gegen die Umwelt anschärft, so als müsse sie dazu aufgefordert werden, das ganze Städtchen aus Rücksicht auf die Kirche neu zu bauen?" Klotz fragt: „Ist soviel Kunst, auch im Namen Gottes, erlaubt?"20) Er berücksichtigt weder, daß frühere Kirchenbauten ihre Umgebung vereinnahmen und bestimmen konnten, noch, daß Böhms Kirche tatsächlich mehr Rücksichten nimmt als die meisten anderen.

Daß die Kirche auffällig ist, soll natürlich nicht bestritten werden. Trotz aller Zusammenhänge unterscheidet sie sich von ihrer Umgebung - so daß deutlich wird, daß die Alternative „kontextbezogen - herausfallend" zu einfach ist. Kontextbezogenheit hießt bei dieser aus Blickbezügen geplanten Architektur nicht Gleichartigkeit, was z.B. Materialien und Maßstab angeht. Es heißt, daß die alten Häuser und die neue Kirche - also Kontext und kontextbezogenes Bauwerk - immer wieder in einzelnen Durchblicken zusammengehören, daß immer wieder geordnete Bilder entstehend, die Kontext und kontextbezogenes Bauwerk zusammenfassen. Nicht ihre Gleichartigkeit verbindet sie, sondern allein dieser sich immer wieder ergebenden Bilder, d.h. die Wahrnehmung des Betrachters.

14Svetlozar Raèv hat darauf hingewiesen, daß Böhm Camillo Sittes 1889 veröffentlichtes Buch „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen" studiert hat.21) Tatsächlich ist Camillo Sitte in diesem Zusammenhang wichtiger als andere Stadtplaner, weil er einen malerischen Städtebau forderte. Camillo Sitte war nicht Landschaftsgärtner, sondern Architekt und veränderte den Begriff des Malerischen oder Pittoresken, der im Zusammenhang besonders mit der englischen Gartenbaukunst theoretisch behandelt worden war. Er trivialisierte den Begriff für seine Zwecke und suchte das Malerische nicht in Gärten, sondern in Städten. In seinem Buch fordert er, daß bei der Planung von Städten oder beim Umbau von Städten die Blickmöglichkeiten, die ein in der Stadt gehender Mensch hat, berücksichtigt werden. Er fordert also, Gebäude oder Ensembles von Gebäuden nicht nur im Hinblick auf ihre Benutzer zu planen - also ihnen z.B. eine gesunde Lage und eine schöne Aussicht zu bieten - sondern auch auf die Passanten und ihre Ansichten von dem Gebäude oder der Gebäudegruppe Rücksicht zu nehmen. Wie sich in einem englischen Landschaftsgarten für Spaziergänger von verschiedenen Standorten aus Sehbilder ergeben, die den Kriterien der Landschaftsmalerei entsprechen, so sollen sich in einer malerischen Stadt für Passanten Sehbilder ergeben, die ebenfalls den Kriterien der Malerei entsprechen. Bei einer auf das Malerische ausgerichteten Stadtplanung geht es also - anders als bei Bernini - nicht um die Ordnung des Zufälligen, sondern um Kompositionen, deren Schönheit eben davon abhängig ist, daß sie zufällig wirken. Daß Camillo Sitte das Vergnügen an nun positiv bewerteter Zufälligkeit und am Kulissenhaften als Heilmittel für die unerträglich gewordenen Städte der Jahrhundertwende anbietet, muß hier nicht diskutiert werden. Nicht dieser Aspekt der Forderungen Sittes ist für Neviges relevant, sondern das von ihm geweckte Bewußtsein für die in einer Stadt sich ergebenden Sehbilder und damit für die Planung von Architektur, die Blickbezüge herstellt. - Sitte fordert die Zusammenstellung von Gebäuden, die für sich betrachtet konventionell sind. Die Planung eines Bauwerks von Blickbezügen her meint er nicht. Sitte würde auch in eine an sich schon „pittoreske" Stadt wie Neviges keine derartig fremdartige Kirche stellen. Sein Buch ist hier trotzdem insofern interessant, als es um jeweilige pittoreske Ansichten in einer eben nicht überschaubaren Stadt geht und nicht um eine Stadtansicht aus der Ferne, also um ein Gesamtbild. Böhm interessiert sich ebenfalls für die Ansichten aus der Nähe. Nur wer in der Stadt steht, kann die Parallelen und damit die Zuordnung der Kirche zur Stadt sehen. Jemand, der von weither oder etwa vom Flugzeug her sieht, kann das nicht. Nicht nur das Interesse an Ansichten aus der Nähe ist vergleichbar. Sitte und Böhm interessieren sich beide für Betrachter, die gehend auf das Gesehene achten. Nur im Hinblick auf diese gehend sehenden Betrachter sind hier die Überlegungen zum Pittoresken - wie auch vorher die zur Polyperspektive bzw. zur Plastik - wichtig.22) Bei Böhm sind die jeweiligen Durchblicke nicht eigentlich malerisch, d.h. im Sinne Sittes schön und befriedigend - da täuschen die zu malerischen Fotos. Der Betrachter sieht Durchblicke auf etwas, das in diesem Stadtbild eben nicht zu erwarten war. Er sieht die Parallelen zwischen den Dachschrägen der Häuser und der Kirche aufblitzen. Nach wenigen Schritten verlieren sich die Entsprechungen wieder, werden dann verdeckt und tauchen dann an anderer Stelle verändert wieder auf. Diese jeweiligen Durchblicke ensprechen nicht wie die von Sitte geforderten Ansichten traditionellen malerischen Kompositionen. Sie sind nicht als Bilder vorherzusehen oder zu erinnern, weil die Gestalt der Kirche nicht zu erinnern oder vorherzusehen ist. Der Betrachter bemerkt aus der Nähe, also: wenn er in der Stadt ist, Ansätze für eine Ordnung, die er aber aus der Nähe niemals wirklich übersehen kann. Nicht Selbstzufriedenheit im Bekannten und Beherrschbaren wird dem Betrachter hier ermöglicht, sondern Aufmerksamkeit für Fremdes, für Unfaßbares.

15Diese Aufmerksamkeit ist im Hinblick auf das von Böhm genannte „religiöse Erlebnis", das man „in neuer Form und vielfältig erfährt", zu verstehen. Es handelt sich bei den Betrachtern der Kirche in Neviges ja nicht um Flaneure, sondern - mindestens der Intention nach - um Pilger. Sie haben mit großer Wahrscheinlichkeit zunächst die Kirche, die sie auf dem oben beschriebenen Weg erreicht hatten, besucht. Warum sie dann auch immer durch die Stadt gehen, sie gehen in dem Bewußtsein, dicht bei der imponierenden Kirche zu sein. Solchen Betrachtern (und mehr noch den Ortsansässigen) kann der Kirchenbau als Ausdruck eines bestimmten Verständnisses von Kirche und damit vom Verhältnis zwischen Mensch und Gott erscheinen. Die gängigen, von der Kirche verbreiteten Deutungen des Kirchenbaus unterbieten die Möglichkeiten des Verständnisses. Wenn beispielsweise die Kirchenzeitung des Bistums Essen, das „Ruhrwort", neben den Hinweisen auf die Zeltikonografie auch die Durchblicke mit dem Kommentar erwähnt, daß sich hier „keiner verlaufen kann", ist das zwar nicht falsch oder unangemessen, wird aber der Besonderheit dieser den Bau konstituierenden Durchblicke nicht gerecht.23)

Im Innern der Kirche zeigt sich, daß die jetzigen Benutzer der Kirche der Intention Böhms geradezu nicht folgen wollen. Die jetzige Möblierung der Kirche kommt wie die reiche Dekoration dem Bedürfnis der jetzigen Benutzer nach mehr Geborgenheit und Pracht entgegen, sie widerspricht aber der Kühnheit der Planung.

Abb. 14

Böhm hat die Kirche, wie gezeigt, sozusagen von außen nach innen geplant: Das Kirchenäußere ergibt sich aus der Stadt, das Kircheninnere ergibt sich aus dem Kirchenäußeren. Die Betondecke, die Innen und Außen trennt, ist nur 25 cm dick. Die innere Dachform ist also das Negativ der äußeren Dachform. Innen ist der außen so kompakt und fast wie eine Großplastik wirkende Bau ein sehr frei gestalteter Kultraum, der nicht als „Restraum" oder Negativform wahrgenommen wird.

16Es ist immer wieder darauf hingewiesen worden, daß dieser Innenraum eigentlich selbst ist wie ein Außenraum.24) Er ist ohne jede Treppenstufe zu betreten, die Pflasterung setzt sich fort, die rechts vom Eingang stehenden Emporen erinnern an die rechts vom Pilgerweg durch die obere Straße gebildete Empore, sie sind mit Häusern an einem Marktplatz verglichen worden. Ursprünglich setzten sich sogar die Straßenlaternen in den Innenraum, um den Altar herum, fort. Die Höhe der Kirche macht dieses Verständnis des Innenraums als Außenraum möglich, die Materialien sind innen wie außen gleich. Im Sinnen des Architekten wäre eine karge, bewegliche Ausstattung gewesen, die verschiedene Nutzungen erlaubt und den Vergleich des Kircheninnern mit einem innerstädtischen Platz gerechtfertigt hätte. Der von Böhm gezeichnete Nutzungsplan unterscheidet kaum zwischen Innen- und Außenraum. Ein Besucher dieser Kirche hätte sich einen Stuhl nehmen und sich einen Ort suchen können, so wie er sich in der Stadt einen Weg gesucht hatte. Er hätte von einem bewußt gewählten Ort aus den Innenraum frei erfahren. Ursprünglich war der Innenraum eine Fortsetzung des Außenraums und doch zugleich anders insofern, als der Betrachter hier nicht mehr weitergehen kann. Die unbestimmbaren kristallinen Formen, die monumentale Größe, das Licht, die Leere und eben die Abgeschlossenheit machten ihn als einen Sakralraum erfahrbar, der sicher nicht mit innerstädtischen Plätzen verwechselt wurde.

Im Außenraum muß der Besucher der Kirche nicht dem Pilgerweg folgen, er kann andere, persönliche Wege und Bezüge entdecken und herstellen. Im Kircheninneren setzt die Amtskirche offenbar weniger auf die unmittelbare Erfahrung von Einzelnen, sondern auf ihre Konventionen und ihre Vermittlerrolle. Sie ignoriert die Vereinzelung, von der Böhm ausgeht, und sie verhindert sie aktive Suche, die er herausfordert. Sie schreibt eine Gemeinschaft vor.

Böhm hatte eben das nicht getan. Sein Verständnis der Kirche als Institution zeigt sich im Kirchenbau, den er als Architekt handgreiflich als Ort Gottes versteht. Der Bezug des Gotteshauses zu den Häusern der Menschen kann als Analogie zum Bezug zwischen Gott und Menschen verstanden werden. Die Kirche beherrscht das Stadtbild und übersteigt das Maß der Häuser. Sie ist unverfügbar und unbeherrschbar. Die Häuser sind jeweils mit der Kirche verbunden, so daß über die Kirche ein neuer Zusammenhang zwischen ihnen besteht. Die Kirche kann auf einzelne Häuser bezogen werden, ist aber mehr als diese Bezüge und allein durch diese Bezüge nicht zu bestimmen. Sie ist keine Summe von Bezügen, sondern ein Ganzes, das unbeherrschbar bleibt. Gerade die fremdartige, unerwartbare und nicht erinnerbare Kirche kristallisiert die vertrauten Häuser. Sie macht an diesen zufällig so stehenden und so gebauten Häusern eine sie übersteigende Ordnung deutlich.

17Der Kirchenbau macht eine Gemeinschaft verständlich, die sich aus Einzelnen erst bilden muß. Er macht eine jeweilige aktive Suche nach Wegen und Zusammenhängen möglich, die ebenfalls als modellhaft verstanden werden kann. Tatsächlich ermöglicht der Kirchenbau Erlebnisse, die ihrer Struktur nach die Möglichkeit der Abstraktion beinhalten. Böhm setzt nicht auf Gewißheiten, sondern auf jeweilige persönliche Offenheit und Erlebnisfähigkeit. Indem er Besuchern räumliche und visuelle Erfahrungen ermöglicht, ermöglicht er auch deren Übertragung: immer schon sind abstrakte Sachverhalte durch den Rückgriff auf solche Erfahrungen verstanden worden bzw. durch solche Erfahrungen erst erklärt worden.25) Böhm setzt bei solchen ursprünglichen und kaum mißverständlichen Erfahrungen an. Damit begegnet er dem Mißtrauen, das konventionelle, abstrakte Vermittlungsformen heute hervorrufen. Er macht ein Verhältnis zwischen Menschen und Gott am Modell erfahrbar, das nicht gepredigt werden kann.

Anmerkungen

1 Zur Entstehungsgeschichte vgl. Gerhard Haun: Von Bergischer Synode, Wallfahrt, Dom, Papst - Die Geschichte von Neviges; in: Bergische Blätter 7, Juli 1979, S. 4-10. P.L.R.Reifenrath: Wallfahrtsstätte Neviges; München/Zürich 1983. Besonders informativ ist Veronika Darius: Der Architekt Gottfried Böhm. Bauten der sechziger Jahre; Düsseldorf 1988.

2 Zitiert nach Veronika Darius (Anm. 1), S. 67.

3 Zur Entstehung des Pilgerwegs Veronika Darius (Anm. 1), S. 55-66. Zu Böhms Deutung der Straße als Empore ebd. S. 69. - Kunibert Bering deutet den Weg als Symbol. K.B.: Gottfried Böhm: Die Wallfahrtskirche in Neviges. Sakrale Architektur als Korrektur der Moderne; in: architectura 1992. S. 74f. Ulrich Weisner betont das Erlebnishafte der Wege bei Gottfried Böhms Architektur. U.W.: Zusammenhänge in der Architektur von Gottfried Böhm; in: Zusammenhänge. Der Architekt Gottfried Böhm; hg. U.W.; Katalog Kunsthalle Bielefeld 1984, o.S. Mich interessiert hier der Pilgerweg als Indiz für Böhms Interesse an gehenden Betrachtern. Die Polyperspektivität, die sich beim Gehen immer ergibt, möchte ich im Gegensatz zu Bering nicht als Indiz für Standortlosigkeit moderner Menschen deuten, sie erscheint mir (ebenso wie die mangelnde Achsialität der Anlage) eben nicht als Mangel, sondern als Gewinn. Zur Perspektivität vgl. Gert König: Perspektive, Perspektivismus, perspektivisch; in: Historisches Wörterbuch der Philosophie; hg. von Joachim Ritter/ Karlfried Gründer; Darmstadt 1989, Bd. 7, Sp. 363-375.

4 Zur Bedeutung der Liturgischen Bewegung für den Kirchenbau Hugo Schnell: Der Kirchenbau im 20. Jahrhundert in Deutschland; Zürich/München 1973, bes. S. 8ff, 33ff. Barbara Kahle: Deutsche Kirchenbauten des 20. Jahrhunderts; Darmstadt 1990, bes. S. 1-21.

5 Zitiert nach Gesine Stalling: Studien zu Dominikus Böhm, mit besonderer Berücksichtigung seiner ‘Gotik’-Auffassung; Bern/Frankfurt 1974, S. 139.

6 1Hugo Schnell (Anm. 4), S. 197, 223.

7 Deshalb gibt es die vielen programmatischen Titel der Veröffentlichungen zu Böhms Architektur: Ulrich Weisner (Anm. 1). Bruno Kauhsen: Architektur-Zusammenhänge. Festschrift für Gottfried Böhm; München 1990. Dazu auch Svetlozar Raév: Gottfried Böhm, Bauten und Projekte 1950-1980; Köln 1982. S.R.: Gottfried Böhm, Vorträge, Bauten und Projekte; Stuttgart/Zürich 1988.
Auch bei der Wallfahrtskirche war Böhm zeitweise zu mehr Verbindungen bereit und plante ein Schieferdach. Veronika Darius (Anm. 1), S. 61.

8 Daniel Henry Kahnweiler: Der Weg zum Kubismus; Stuttgart 1958, S. 102. Dazu Max Imdahl: Gesammelte Schriften. Zur Kunst der Moderne; Hg. von Angeli Janhsen-Vukicevic; Frankfurt/Main 1996, S. 65f.
Die Offenheit der Bedeutung gilt als Kennzeichen postmoderner Architektur. Mehrdeutigkeit, selbst Widersprüchlichkeit schätzen Charles Jenks, Wolfgang Welsch und - programmatisch - Robert Venturi. R.V.: Komplexität und Widerspruch in der Architektur; Braunschweig 1978, bes. S. 23-34.
Kunibert Bering betont die Mehrdeutigkeit als Zeichen der Postmoderne. K.B.: „Postmoderne" als Korrektur der Moderne - Bemerkungen zu Bauten Gottfried Böhms und Hugo A. Aaltos; in: K.B./ W.J. Hohmann (Hg.): Wie postmodern ist die Postmoderne; Essen 1990, S.
Die Ironie der Postmoderne geht Böhm jedoch völlig ab. Er kritisiert das unbekümmerte Zitieren und Verfremden der Postmoderne. G.B.: Dankadresse anläßlich der Verleihung der Pritzker Architecture Prize; in: Der Architekt Gottfried Böhm. Zeichnungen und Modelle. Mit Beiträgen von G.B., Svetlozar Raév, Hans M. Schmidt und Rita Müllejans; Katalog Rheinisches Landesmuseum Bonn 1992, S. 20. Beliebigkeit von Bedeutungen ist nicht zu verwechseln mit komplexen Bedeutungen. Das Verständnis der Kirche als Zelt, Felsen usw. ist nicht ausgeschlossen, aber die Festlegung auf solche ikonografischen, konventionellen Deutungen verhindert ein tiefergehendes Verständnis und ist insofern ein Problem der Rezeption.
Zum Verständnis neuer Kirchenbauten mithilfe ikonografischer Muster Barbara Kahle (Anm. 4), S. 163-168.
Gerade die hier möglichen Verständnismöglichkeiten sind als moderne Symbole für verschiedene Rezipienten verschieden bedeutsam. Dazu Regine Prange: Das Kristalline als Kunstsymbol. Bruno Taut und Paul Klee; Hildesheim/ Zürich/ New York 1991.

9 Zitiert nach Manfred Sack: Entwerfen - als sei es für ihn selber, in: Zusammenhänge (Anm. 3), o.S..

10 Böhms Architektur ist immer wieder als besonders skulptural charakterisiert worden, z.B. von Hans M. Schmidt (Anm. 8), S. 25 oder Ulrich Weisner (Anm. 7), S. 32. Dazu Siegfried Giedeon 1964. Gottfried Böhm, un architecte-sculpteur; in: L’oeil 182, 1970, S. 14-25. Markus Stegmann: Architektonische Skulptur im 20. Jahrhundert; Berlin 1995.
In Neviges trifft diese Charakterisierung zu, insofern der Betrachter es mit einem einheitlichen, unkonventionellen, großen Gebilde, das als Architektur nicht gleich entschlüsselbar ist, zu tun hat. Der Hinweis auf Plastik ist aber insofern hier wichtig, als Plastik traditionellerweise die Kunstgattung ist, der Herumgehen fordert und Multiperspektivität beinhaltet. Im „Paragone" wird das immer wieder betont. Artikel „Paragone" in: Dizionario della Critica d’arte; hg. Luigi Grassi/ Mario Pepe, Turin 1978, Bd. 2, S. 387-391. Claire J. Farago Leonardo da Vincis Paragone; Leiden/New York/Kopenhagen/Köln 1992. Diesen Aspekt der Perspektivität möchte ich hier verfolgen.

11 Gottfried Böhm hat in einem Brief am 22.6.1992 auf meine Bemerkungen geantwortet: „... Ich habe mich sehr gefreut, wie Sie die Kirche im städtebaulichen Zusammenhang sehen. Wie man so etwas plant, fragen Sie. Das kann man schwer sagen. Jedenfalls macht’s viel schöne, aber manchmal auch schwere, enttäuschende Arbeit." Auf meine Frage, ob meine Annahmen zur Planung richtig sind, antwortet er also indirekt - was bei seiner Art zu schreiben jedenfalls nicht entmutigend ist. Dazu Manfred Sack (Anm. 9).

12 Abb. bei Wolfgang Pehnt: Die Architektur des Expressionismus; Stuttgart 1973. S. 39.
Böhm selbst findet sich nicht „expressionistisch", dazu bei Manfred Sack (Anm. 9), o.S. Wolfgang Pehnt dagegen charakterisiert seine Architektur der Sechziger Jahre als expressionistisch. W.P.: Selbstbewußte Nachbarschaft. Gottfried Böhms Architektur in ihrer Zeit; in: Zusammenhänge (Anm. 7), o.S. Dazu auch Günter Rombold: Das Ende des Neoexpressionismus und Brutalismus im Kirchenbau; in Kunst und Kirche 1/1980, S. 2-10.

13 Stephan Böhm z.B. nennt die Wallfahrtskirche „vom Phantastischen bestimmt". Bei Ulrich Weisner, Drei Architektengenerationen: Dominikus Böhm, Gottfried Böhm, Stephan, Peter und Paul Böhm; in: Väter und Söhne; hg. von Ulrich Weisner; Katalog der Kunsthalle Bielefeld 1994, S. 23.
Svetlozar Raév schreibt, daß in den sechziger Jahren „emotionalbestimmte Form- und Raumgedanken" dominieren, besonders in Neviges. S.R. 1982 (Anm. 7), S. 10 - Die Wirkung des Baus darf hier aber nicht mit seiner Planung verwechselt werden.

14 Dazu A.E. Brinckmann: Stadtbaukunst. Geschichtliche Querschnitte und neuzeitliche Ziele; Berlin 1920. Besonders in seinem Kapitel „Der optische Maßstab - ein Grundgesetz alter Stadtbaukunst" (ab S. 90) verfolgt Brinckmann derartige, sonst zugunsten des Einzelwerks vernachlässigte Probleme, die beim Gehen und Sehen entstehen.

15 Massimo Birindelli: Ortsbindung. Der Petersplatz des Gianlorenzo Bernini; Braunschweig 1987 (1981).

16 Gottfried Böhm: Dankadresse (Anm. 8), S. 18f. Siehe auch bei Svetlozar Raév 1982 (Anm. 7), S. 11.

17 Böhm beschreibt, wie seine Kölner Kirche St. Gertrud die Umgebung zusammenfaßt: „Ich hatte festgestellt, daß der aus der städtebaulichen Situation entstandene, unregelmäßige Grundriß mit einer einzigen Konstruktion überspannt und zusammengeführt werden konnte." Zitiert nach Svetlozar Raév, 1982, (Anm. 7), S. 16. Er erwähnt auch die Verbindung der Wallfahrtskirche mit dem bergischen Land: „Die eigenwillige Architektur der Betonkirche spiegelt die hügelige Landschaft des Bergischen Landes wider." Zitiert nach Rudolf Seibold: Dominikus Böhm. Der Mensch und sein Werk; Jettingen-Scheppach 1984, S. 83. Von den vielfältigen Verbindungsmöglichkeiten möchte ich nur die Verbindungen durch Blickbezüge behandeln, die an Fotos nachgewiesen werden können.

18 Zitiert nach Svetlozar Raév 1099 (Anm. 7), S. 45. Ordnung versteht Böhm weniger streng als der alles in einer einzigen richtigen Beziehung zusammenfassende Bernini.

19 Dazu Veronika Darius (Anm. 1), S.22-33 und 43-45.

20 Heinrich Klotz: Architektur der Bundesrepublik; Frankfurt/ M., S. 10. Dazu auch Kunibert Bering, der die Stadt als jetzt „subaltern" versteht (Anm. 3, S. 78).

21 Svetlozar Raév: Das Werk Gottfried Böhms. Eine Einführung; in: Katalog Bonn (Anm. 8), S. 9. Camillo Sitte: Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen; Wien 1889.

22 Ähnliche Rezeptionsweisen erfordern die ortsbezogenen Plastiken z.B. von Richard Serra. Dazu Yve-Alain Bois, Ein pittoresker Spaziergang um ‘Clara-Clara’ herum; in: Serra. Katalog Westfälisches Landesmuseum Münster/ Städtische Galerie im Lenbachhaus München/Kunsthalle Basel 1987, S. 44-64.

23 Kurtmartin Magiera, Neviges ‘69, in: Ruhrwort 1969, 11/21.

24 Dazu Veronika Darius (Anm. 1), S. 66f, 70.

25 „Etwas hinter sich haben", „etwas aus dieser Perspektive sehen", „etwas erfahren" usw. sind Redensarten, die dieses Verständnis ebenso widerspiegeln wie der wissenschaftliche Begriff der „Perspektive" (vgl. Anm. 3). Für Landschaften sind solche übertragbaren Verhaltensweisen eher untersucht als für Stadtlandschaften, z.B. von Bernhard Waldenfels: Gänge durch die Landschaft; in: Landschaft; hg. von Manfred Smuda; Frankfurt/M. 1986, S. 29-43.
Künstler nach der Minimal Art machen ähnliche Erfahrungen programmatisch möglich. Richard Serra etwa ermöglicht Erfahrung und Verständnis von Schwere mit seinen Plastiken und schreibt gleichzeitig zu den verschiedenen Bedeutungen von Schwere. R.S. Gewicht; in: R.S. Schriften Interviews 1970-1989, Bern 1990, S. 205-209.

 

Positionen Positions Pozicii