Vive la différence! Philip
Johnson: Architektur der offenen Bezugnahme: Ein Lernprozess für einen
methodologisch-theoretischen Ansatz innerhalb der gegenwärtigen Architekturkritik: Der
Versuch der Etablierung einer gemeinsamen Diskussionsgrundlage
Der vorliegende Text ist ein Teil der Auseinandersetzung, die ich in
meiner Dissertation führe. Die Zielsetzung diese Artikels ist es, den Umgang mit dem
Begriff der Referenz innerhalb der Architekturdiskussion zu problematisieren. Er gibt
gleichzeitig eine Anregung für einen diebezüglich differenzierteren Umgang mit dem
Begriff der Referenz. Das Glass Houses von phj und dessen architekturkritsche
Rezeptionsgeschichte dient dabei als showing example.
Key-Words: Referenzproblematik, direktes/indirektes Referenzsystem,
doppelte Referenz, architektonischer Kommunikationsprozess, pragmatisches Paradox.
Der vorliegende Text ist grob in die Abschnitte A bis G unterteilt.
A bildet den Ausgang und führt anhand eines Beispiels, des Werkes von
Sokal/Bricmont 1), die Problematik des Umgangs mit dem Begriff der Referenz
innerhalb der interdisziplinären Arbeitsweise ein.
B lenkt die Blickrichtung auf die spezifische Referenzproblematik
innerhalb der Architekturdiskussion.
In C steht dann phjs Glass House und seine architekturkritische
Rezeptionsgeschichte als Anschauungsbeispiel.
D führt den amerikanischen Philosophen Hilary Putnam ein und zeigt,
dass seine Argumentation in Bezug auf die architektonische Referenzproblematik dienlich
sein kann und dies speziell für das architektonische Werk von phj.
E knüpft dann eine Verbindungslinie zwischen Putnams Argumentation und
der architektonischen Refrenzproblematik.
F zeigt, dass der Kunsthistoriker Ernst Gombrich in Bezug auf die
Kunstgeschichte ähnliche Anregungen aus der Wissenschaftsphilosophie und
methodlogie als Ausgang seiner Untersuchungen nahm.
Schliesslich wird in G nochmals kurz der Bezug zwischen der spezifisch
architektonischen Referenzproblematik und der Argumentation von Hilary Putnam
hervorgehoben.
A
In Fashionable Nonsense wollen Sokal und Bricmont nachweisen, dass die
gegenwärtig geführten Diskussionen der Pariser Intelligentsia sowie anderer
postmoderner Denker mehrheitlich eleganter Unsinn seien, da ihren Texten bzw.
Ausführungen ein sinnergebender Inhalt gänzlich fehlt. Dies führen sie auf den
Missbrauch der aus den Naturwissenschaften entlehnten Terminologie zurück,
deren Kontext, aus dem sie entzogen wird, den Benützern unbekannt und unverständlich
ist, so die Argumentation von Sokal und Bricmont. Ihr direkt und indirekt auch in vielen
Punkten kritisierbares Werk zeigt die Problematik der gängigen interdisziplinären
Arbeitsweise auf, die ja im gewissen Sinn fashionable geworden ist..
Für die hier geführte Diskussion ist Sokals/Bricmonts neuestes Werk
in dem Sinne interessant und anregend als es in einer direkten Weise auf die Problematik
des Umgangs mit dem Begriff der Referenz hinweist. Dies tut es in einem zweifachen Sinn:
einerseits verurteilen sie gewisse postmoderne Denker und ihre Werke wegen des fälschlich
verwendeten naturwissenschaftlichen Vokabulars (das sie wohlgemerkt als das
Eigentum der Naturwissenschaften postulieren) und kritisieren so die falsche
Referenz der Autoren, anderseits sind sie selber in ihrer Argumentation fast im selben
Masse kritisierbar und dies in Bezug auf ihr Verständnis und ihre projizierten
Bezugnahmen innerhalb der von ihnen ausgewählten Ausschnitte der postmodernen Autoren.
Welches Verständnis liegt hier in welcher Form dar? Auf was beziehen sich die von
Sokal/Bricmont zitierten Autoren wirklich? Welche Bedeutung kann ihr verwendetes
naturwissenschaftliches Vokabular für wen und auf welche Weise überhaupt
erlangen? Wir sind hier mit einem gegenwärtig brisanten Problem innerhalb der
interdisziplinären Arbeitsweise und Diskussionen konfrontiert: der Fragestellung des
Umgangs mit dem Begriff der Referenz.
B
Diese Fragestellung tangiert in einer speziellen Weise die
gegenwärtigen Architekturdiskussionen, bei denen in einer äusserst grosszügigen Art und
Weise die fachinternen Auseinandersetzungen aus den Literaturwissenschaften und der
Philosophie für Deutungen der architektonischen Werke beigezogen werden. Dass dies ein
äusserst undankbares Unterfangen darstellen kann, und dass man sich so in eine meist
völlig vom Subjekt, der Architektur, entfernte und nicht zutreffende Argumentation
verstricken kann, ist auf die unterschiedliche Argumentation der verschiedenen
Fachbereiche zurückzuführen, die in ein und demselben Gleichungssystem geführt werden.
Es handelt sich innerhalb der Diskussion um ein speziell die Architektur und ihre Praxis
betreffendes Referenzproblem. Ich werde es in Folge das Problem der doppelten Referenz
(DR) nennen 2) . Mit DR meine ich folgenden Sachverhalt: ich nehme ein
Gespräch zwischen einem Literaten und einem Architekten an. Beide tauschen sich über
ihre Werke aus. Der Architekt spricht über seine neulich gebauten Wohnhäuser, der
Literat über seinen kürzlich publizierten Aufsatz. Beide benützen die gängige
Umgangssprache, nehmen wir zum Beispiel Englisch an. Der Literat kann sich in jener
Sprache mündlich ausdrücken, aus der sich auch sein Aufsatz zusammensetzt. Die
gesprochenen Wörter sind auch Elemente seines geschriebenen Textes. Durch das gleiche
Mittel (Englische Sprache), aus welchem sein Werk besteht, kommuniziert er dieses dem
Architekten. Was passiert nun aber auf der Seite des Architekten? Aus seinem Mund fallen
keine Ziegelsteine oder Betonmauern, die Teile seines Werkes sind, das er dem Literaten
kommuniziert. Er spricht auch Englisch und kommuniziert sein Werk aus Ziegelsteinen und
Betonmauern mit gesprochenen Worten, die nicht Elemente seines Werkes sind. Er benutzt
also den Umweg, eine dritte Instanz, hier die gesprochene Sprache, in diesem Fall
Englisch, um sein gebautes Werk dem Literaten zu kommunizieren. Dieses Faktum nenne ich in
meiner Arbeit DR. Sie ist es, die eine oft vorgenommene 1:1 Gleichung der Architektur mit
Fächern wie Literatur(wissenschaft) in einer direkten Weise als einen falschen Irrweg
weil nicht mit ähnlichen Bezugssystemen operierend erweist.
Die DR ist ein äusserst filigranes Netz von verschiedensten
Bezugsarten, die die architektonische Praxis als integrativen Teil mit sich führt. Warum
aber die Architektur nicht als Text anlehnend an Literatur sehen? Weil ihr eigens
Referenzsystem auf anderen Realitäten (architektonischen) aufbaut, die sich in ihrer
Eigenart gänzlich von den Bausteinen eines literarischen Textes unterscheiden und dies
vor allem auch in dem hier erwähnten wesentlichem Punkt der Kommunizierbarkeit des
spezifischen Referenzsystems und der architektonischen Arbeitspraxis.
C
Ein äusserst vielschichtiges und ergiebiges Beispiel für die
Diskussion der Eigenart des spezifisch architektonischen Referenzsystems stellt das
architektonische Werk des Nestors der amerikanischen Architektur des 20. Jahrhunderts,
Philip Johnson, dar.
Im Blickwinkel steht die von ihm erstellte architektonische Ikone des
20. Jahrhunderts, das Glass House. Hier von Interesse ist einerseits die gesamte
Anlage, anderseits die rezeptionskritische Geschichte derselben. Die auftretende
Problemstellung lässt sich hauptgewichtig auf die Problematik der divergierenden
Bezugnahmen der architektonischen Werke von phj und seinen diesbezüglich ebenfalls
divergierenden Aussagen zurückführen.
Generell haben Architekturkritiker zwei Quellenarten: erstens das
gebaute Werk und zweitens die diesbezüglichen Aussagen oder/und Schriften des
Architekten. Als Sekundärquelle dienen jeweils die Kenntnis, bzw. Wissensstand und die
Informationen der architektonischen Tradition, die der Architekt entspringt sowie andere
prägende biographische Punkte, wie dessen Studium, fachliche Orientierung, etc. Die
Rezeptionsgeschichte der Architekturkritik das Werk von phj betreffend zeigt, dass die
diesbezüglichen Ergebnisse unbefriedigend sind und dies in dem Mass als zum gleichen
gebauten Werk jeweils so unterschiedliche Analysen vorliegen, dass aus einem einzigen
gebauten Werk, ein virtueller tropischer Dschungel aus Ansichten, Meinungen und
Ergebnissen erwächst. Welches Verständnis kann so für ein architektonisches Werk
generiert werden? Wer kommuniziert hier mit wem? Welche Art der Referenzsysteme sind hier
im Spiel?
Hier stehen wir vor einer in einem speziellen Mass das architektonische
Werk von phj tangierender Problematik, die als Exemplum für eine währende Problematik
innerhalb der Architekturkritik betrachtet werden kann. Es handelt sich aber auch um jenes
Auffinden der (Aussage-und Bau-) Paradoxien, die der gegenwärtigen Diskussion um die (und
in der) Postmoderne verwandt sind.
Tritt man auf das Grundstück von phj, so bewegt man sich auf einer Art
architektonischem Monopoly, einem Spielfeld eines äusserst sensiblen philosophischen
Architekten, der mit seinem gebauten Werk zeigt, dass eine seiner Begabungen in den
formal-ästhetischen gelungenen Lösungen liegt. Der Landschaftsarchitekt, Denker und
Ästhet treten hier gemeinsam an den Tag. Das Glass House ist ein kennzeichnender Bau für
den Architekten phj und sein Verhältnis zur Architektur(geschichte) sowie seinen Umgang
mit ihr. Ein Stück angewandter, pragmatischer Architekturphilosophie wird
erlebbar.
Interessant und schlüssig erscheint phjs Begegnung mit dem
ursprünglich aus England stammenden und dann an der Universität von Harvard (USA)
lehrenden Philosophen Alfred North Whitehead, bei dem phj innerhalb seines ersten Studium
das Fach Philosophie mit einer nur durchschnittlichen Note beendete und diesen
mässigen Abschluss selbst als sein Versagen in Metaphysik postulierte, von
welcher er sich dann explizit zu distanzieren versuchte. Diese Distanzierung tritt dann
auch in einer Art Brutalität in seinen gebauten Werken an den Tag. Oft tut sie dies in
einem kennzeichnend phjschen Art und Weise, für welche ich den Begriff des pragmatischen
Paradox verwenden möchte.
Museum ist hier Architektur, Architektur Museum. Architektur und
(Bau)Kunst schmelzen zusammen, der Idealfall eines Museumsbaus gemäss der New Yorker
Architekturkritikerin Ada Louise Huxtable konstituiert sich. Sieht man auf das
architektonische Werk von phj so wirken seine Museumsbauten bestimmend auf sein
Gesamtwerk. Kennzeichnend und phj spezifisch ist sein Umgang mit dem Betrachter, das
prozessuale Element seiner Architektur, und die Lichtführung. Phj versuchte oft einer der
schwierigsten architektonischen Aufgaben zu erfüllen, nämlich: wenn möglich vermehrt
natürliches Licht in Kunstmuseen einzuführen. Mit diesem architektonischen Mittel
öffnete er dem auch nicht kunstinteressierten Publikum den Zugang zur Kunst, zu seiner
Baukunst. Ab und zu springen seine musealen Gebäude vor die Gemälde. Die
Bezugsherstellung zur Kunst wird zum Gegenstand selbst. 3)
All diese Aspekte erfüllt das Glass House in einem speziellen Mass.
Natürliches Licht ist in einer Vollkommenheit vorhanden, die die Frage nach
dem Wo des Kunstlichtes aufwirft.. Auf dem Grundstück von phj in New Canaan tritt das
für den Architekten phj kennzeichnende Element des Prozesses, einer angewandten Ästhetik
und seines spezifischen Umgangs mit historischen Formmotiven auf. Phj führt hier in einer
expliziten Art und Weise die architektonische Diskussion des Innen und Aussen- aller
Innenraum wird Aussenraum. So stimmt seine Aussage alle Architektur ist Innenraum,
zumindest für sein Glass House. Das Baumaterial Glas kann als das geistigste
(Bau)Material gesehen werden. Seine Transparenz offenbart gleichzeitig alle und keinen
Bezug im Sinne einer Referenz auf die natürliche Umgebung oder architekturgeschtliche
Formmotive.
An dieser Stelle möchte ich aber keinen Inventar des phj-Grundstückes
in New Canaan, auf dem sich das Glass House und viele andere Baukunstwerke befinden,
wiedergeben. Dies tue ich unter der Annahme, dass diese spezifisch phjsch gestaltete
Architekturlandschaftsikone wohl jenen Berühmtheitsgrad geniesst, der jede abermalige
beschreibende Aufzählung als unnötig erscheinen lässt.
Hier geht es mir vordergründig darum, anhand des Glass Houses und
seiner architekturkritischen Rezeption die Referenzproblematik der phjschen
Architektur aufzuzeigen. Mit Referenzproblematik ist hier das äusserst vielschichtige
interaktive Bezugnahmesystem gemeint, das bei der Betrachtung sowie Diskussion der
Architektur zum Vorschein tritt. Die differenzierte Betrachtung dieser
Referenzproblematik, mit der sich in einem umfassenden Sinn der Achitekturbetrachter,
-historiker, -theoretiker, kritiker sowie Architekt selbst konfrontiert sieht, ist
wichtiger Teil meiner Dissertation. An dieser Stelle will ich vordergründig auf die
verschiedenen hier aktiven Referenzsysteme hinweisen, bzw. sensibilisieren.
Ich unterschiede hier zwischen einem indirekten und einem direkten
Referenzsystem.
Als Indirekten definiere ich jenen, bei welchem innerhalb des hier
spezifisch architektonischen Kommunikationsprozesses ein Umweg über
eine vermittelnde Drittperson stattfinden muss, um diesen zu ermöglichen. Beim direkten
Referenzsystem stehen die Kommunikationspartner (z.B.: Werk-Architekt, Architekt-Welt,...)
direkt in Verbindung. Diese Art der Bezugsherstellung bedarf keiner Drittpersonen. Unter
dem Indirekten fasse ich beispielsweise den Sachverhalt, wenn ein Kritiker aus seiner
entfernten Perspektive beide, das Werk und den Architekten, zusammen als ein
Ganzes betrachtet und das so gesehene Ganze in Bezug zu anderen Ganzheiten,
d.h. Werken und Architekten stellt, zusammen. Ein direkter Bezug hingegen wäre derjenige
zwischen dem Architekten und seinem Werk. Dieser kann alleine durch den Architekten
kommuniziert werden.
In einem zweiten Schritt wird dann deutlich, dass diese Präzisierung
und Aufschlüsselung der verschiedensten oben erwähnten Bezugsysteme wichtig für den
Ausgang jeglicher Architekturkritik ist.
Von Interesse ist hier vor allem die Stellungnahme von phj zu seinem
Glass House, in der er 22 architektur- und kunsthistorische Bezüge aufzählt. Es handelt
sich hier auf den ersten Blick um einen direktes Bezugsystem: der Architekt kommuniziert
sein Werk. Auf den Inhalt der 22 aufgezählten Bezüge will ich hier nicht im Einzelnen
eingehen, unter der Annahme, dass sie auch bestens bekannt sind. Ich will lediglich einen
für die hier geführte Diskussion wichtigen Punkt hervorheben, nämlich: in 21
aufgeführten Beispielen bezieht phj das Glass House auf dieses oder jenes
architektonische Leitbild aber nur ein einziges mal bezieht er sich als Architekten
auf Theo van Doesburg und sein The Basso Continuo of Painting.4) Hier nicht
uninteressant zu erwähnen ist, dass das holländische De Stijl in Bezug auf die
amerikanische Architekturdiskussion überhaupt von Interesse ist, gab einen wichtigen
Impuls für die Begründung dieser Bewegung doch eine Ausstellung des amerikanischen
Architekten Frank Lloyd Wright und im Speziellen waren es seine Grundrisse, die den
entscheidenden Impuls gaben. Wir sehen also, dass trotzdem phj nicht sparsam bezüglich
der Benennung seiner Bezüge ist, er sich als Architekten oft bei den Bezugsherstellungen
umgeht, das heisst er nimmt eine dritte, betrachtende Person ein, und reiht sich somit
unter seine eigenen Kritiker. Es entsteht ein indirektes Bezugssystem, das eine
vermittelnde dritte Person (hier paradoxerweise phj selbst) benötigt. Damit können aber
seine diesbezüglichen Aussagen nur in einer indirekten Art als Quellen fungieren. Das
Referenzsystem, das hier betrachtet wird, erfährt eine Umwandlung, ist in Bewegung und
steht im Prozess. Wichtig hier ist das prozessuale Element, das in phjscher Architektur
von ausschlaggebender Bedeutung ist und gleichzeitig als ein ausschlaggebendes Element der
amerikanischen Denkrichtung des Pragmatismus fungiert, einer Philosophie der Bewegung und
der Handlung: des Prozesses. In diesem Zusammenhang ist auch der Philosophielehrer von phj
in Harvard (trotzdem er sich von diesem nach seinem ersten Studienabschluss distanzierte
und dies, wie bereits angetönt vor allem wegen seines Versagens in
Metaphysik), Alfred North Whitehead und sein Hauptwerk (in Metaphysik) Prozess und
Realität, interessant, mit dem er an gewissen Stellen an den französischen Philosophen
Henri Bergson und seinen élan vital gemahnt. All dies kreist in seiner
Eigenart um den Begriff des Prozesses und steht so teils näher teils entfernter in
direktem/indirektem Bezug zum architektonischen Werk von phj.
Die daraus resultierende Ausgangslage für jegliche Art der
Architekturkritik wird so zunehmend komplexer. Die verschiedenen Bezugsmöglichkeiten, die
durch das Element des Prozesses, sich noch weiter aufspalten, verunmöglichen, so mag es
scheinen, einen gemeinsamen Diskussionsausgang. Es entsteht eine Art Dschungel
aus verschiedensten Meinungen, Analysen und Betrachtungen, deren unterschiedliche
Ergebnisse/ Schlussfolgerungen vor allem auf die verschiedenen Referenzsysteme
zurückzuführen sind. Jeder Architekturkritiker, -historiker und Architekt benutzt
jeweils eines dieser ohne dasselbe besonders hervorzuheben und an den Ausgang seiner
Ausführungen zu stellen, um so eine Diskussionsgrundlage zu erstellen. Bezüglich der
unterschiedlichen Ausgangslage in Bezug auf den Umgang mit den verschiedenen
Referenzsystemen können sich keine wirklichen Diskussionsschnittpunkte ergeben. Die
Diskussionen müssen somit unwillkürlich parallel verlaufen und zwischen sich ein Vakuum
erzeugen. Als Beispiel solcher paralleler Diskussionen kann die Rezeptionsgeschichte des
Glass Houses von phj gesehen werden.
Betrachtet man die wichtigsten Stationen der architekturkritischen
Rezeption des Glass Houses, die von Whitney und Kipnis in einem Sammelband zusammengezogen
wurden, so merkt man in Kürze, dass all die unzähligen Kritiken auf keiner gemeinsamen
Diskussionsgrundlage argumentieren (können) aber auch nicht vereinzelt mit den immer
wieder anderen und neuen sichtbaren und unsichtbaren (auf
wörtlichen Äusserungen von phj fungierenden) Bezugnahmen Wesentliches zu einem weiteren
Verständnis dieser Architekturikone beitragen. Dies liegt an der eingangs erwähnten Referenzproblematik,
die ich anhand einiger baulicher Beispiele von phj, unter anderem auch anhand seines Glass
House, in meiner Dissertation differenzierter betrachte. Hier sei lediglich auf diese
spezielle Problematik hingewiesen.
Um die zusätzliche Problematik aufzuzeigen, mit welcher sich der
Architekturkritiker, -historiker, -betrachter und Architekt bei der Verwendung der
Aussagen von phj als Quelle konfrontiert sieht, will ich hier ein paar der wichtigen und
kennzeichnend phjschen Aussagen einbringen. Interessant erscheinen die Stellungnahmen von
phj in Bezug auf sein Glass House- auf irgendeine Weise widersprechen sie sich und lassen
so auch eine kennzeichnend phjsche Argumentationsweise zum Vorschein kommen, für welches
ich bereits an früherer Stelle den Begriff des pragmatischen Paradox verwendet
habe. Wie sich herausstellen soll, ist dieser Umgang mit dem Begriff des pragmatischen
Paradox für beides, das architektonische Oeuvre und die Statements von phj treffend und
weist auf die spezifisch phjsche Rhetorik hin. Sie sind alle aus dem eingangs erwähnten
Sammelband von Whitney und Kipnis entnommen und finden sich auch im Sammelband der
phjschen Writngs 6) .
"There are no rules, only facts. There is no order, only
preference. There are no imperatives, only choice; or to use a nineteenth-century word,
"taste", or a modern word, "take": What is your take on
this or that?....Architecture is built with bricks and stones, not with words" 7)
Hier legt phj unverkennbar seinen auf seine architektonische
Arbeitspraxis angewandten Pragmatismus an den Tag. Es zeichnet sich indirekt die
Problemstellung der von mir eingangs erwähnten DR ab. Indirekt klingt hier eines der
Hauptanliegen phjs, nämlich: des direkten sich Beziehens auf das Subjekt, die
Architektur. Hier reiht er sich hinter den von ihm geachteten Geoffrey Scott und sein
Werk, The Architecture of Humanism, A study in the history of taste. Die folgende
Stellungnahme phjs zu seinem Glass House lässt die Referenzproblematik, mit der ein
Architekturhistoriker, -kiritker und Architekt konfrontiert hier konfrontiert sieht, klar
an den Tag treten. "A glass box may be of our time, but it has no history." 8)
Entzieht sich bei postulierter Geschichtlosigkeit eine mögliche Bezugnahme? Neutralisiert
hier phj all seine (meist nur indirekten) diesbezüglich referentialen Aussagen? Oder
handelt es sich hier um eine Verdoppelung der an anderen Stellen erfolgten Aussage: dies
aber auch jenes ist möglich-anything. Referenz? Wir sehen, dass die Aussagen von phj als
Quellen doch sehr schwierig in einer direkten Weise zum Verständnis seines Werkes
beitragen können.
Unter den Architekturkritikern erfasste Craig Owens die
Refrenzproblematik, die sich in phjschen Werk spielgelt bezüglich der hier geführten
Diskussion am nächsten.
"Philip Johnson disregarde the most basic techniques of
historiography: chronological succession and the historical process. In Johnsons
text instead of the linearity of a unbroken chain there is a vertical system of
corespondences, a projection in depth instead of the cause and effect relationship of an
evolution or development, a set of retroactive confiscations; instead of the singularity
of an origin, a complex network of distinct and multiple elements, difficult to unravel;
instead of the objectivity of the historians discurse, the autobiographical I."
9) Da wir aber gesehen haben, dass das phjsche I, doch oft eine
indirekte Stellungnahme in sich birgt und somit den direkten Bezug zum Ich des Autors
verhindert befinden wir uns hier vor einer referentialen Knacknuss.
D
An dieser Stelle möchte ich den gegenwärtigen amerikanischen
(pragmatischen) Philosophen Hilary Putnam (1926-) einführen. Er nimmt aktiv an der
gegenwärtiger Diskussion innerhalb der amerikanischen analytischen Philosophie Teil. Sein
Werk gab Anlass nicht nur die gesamte analytische Philosophie aber auch gewisse
fundamentale Ausgänge des allgemein philosophischen Diskusrses neu zu
(über)denken. 10)
Seine Argumentation in Bezug auf seine Auseinandersetzung mit Referenz
in seinem Werk, Reason, Truth and History (RTH) ist hier von Interesse. An dieser Stelle
will ich nicht in die philosophische Diskussion bezüglich der Stellung Hillray Putnams
innerhalb der amerikanischen analytischen Philosophie oder generell einsteigen, sondern
ich nehme seine Argumentation im betreffenden Werk bezüglich der Referenz als Anregung
für das Aufzeigen der Referenzproblematik innerhalb des architektonischen Werkes von phj
und in einem weiteren, an dieser Stelle nicht diskutierten Sinn, für den Ausgang der
Legung eines gemeinsamen methodologischen sowie theoretischen Argumenatitonsfundamentes
innerhalb der Architekturkritik. Ich übernehme also nicht die philosophische
Argumentation von Putnam für die Betrachtung des Werkes von phj sondern zeige anhand der
Argumentation von Putnam die Problematik auf, mit der sich die Architekturkritik in Bezug
auf das betreffende Werk von phj und generell konfrontiert sieht. Es handelt sich in dem
Sinne um einen fächerübergreifenden Ansatz als dies beim Kunsthistoriker Ernst H.
Gombrich der Fall war, der sich auf das Hauptwerk (Logik der Forschung), hier vor allem
auf dessen methodologischen Ansatz, seines Freundes und Wissenschaftsphilosophen Karl R.
Popper anlehnte.
Hilary Putnams philosophische Auseinandersetzung kennzeichnet sich
durch ihre immens breit ausgelegte Diskussion, die sich fast über die gesamte
Philosophiegeschichte erstreckt. Wir treffen dieselbe breit ausgelegte Diskussion beim
Architekten phj, der innerhalb seines architektonischen Werkes fast die gesamte
Architekturgeschichte diskutiert. Beide wechselten innerhalb ihrer Diskussion mehrmals
ihre Ansichten/Standpunkte. Putnam tat dies indem er immer wieder gegen sich selber
argumentiert/e. Philip Johnson argumentiert indirekt, mit seinem architektonischen Werk,
gegen seine früher erstellte Werke und so gegen sein früheres Ich. Hier wichtig
erscheint Putnams neue Konzeption der Bedeutung, in der er darlegt, dass die externe
Realität, beispielsweise wovon jemand spricht, wesentlich zur Konstituierung von
Bedeutung beiträgt.
In RTH vertritt Putnam den Internen Realismus, den er begrifflich
selbst begründete, und den er später den pragmatischen Realismus nennt. Mit ihm
argumentiert er anhand modelltheoretischer Beispiele gegen die Argumentation der
metaphysischen Realisten. Im Folgenden soll gezeigt werden, in wie fern Teile seiner
Argumentation in RTH, vor allem die aufgeführten Beispiele, für die Auseinandersetzung
mit Referenz innerhalb der Architekturkritik das Werk von phj dienlich sein kann. Hier
stütze ich mich vor allem auf ein Beispiel innerhalb der Argumentation von Putnam in
seinem Werk RTH: Brains in a vat (BIV), Gehirne in einem Gefäss.
Sein Argumentationsbeispiel BIV führt Putnam mit einem bildlich
vorstellbarem Beispiel ein: eine Ameise zieht durch ihre Fortbewegung eine Spur in den
Sand. Ergebnis für den menschlichen Betrachter ist: ein Churchil verblüffend ähnliches
Abbild. Ist nun die Spur der Ameise ein Abbild von Churchil oder nicht? Die Ameise konnte
Churchil nie gesehen haben und wenn sie ihn gesehen hätte so könnte sie ihn bezüglich
ihrer viel eingeschränkteren kognitiven Möglichkeiten nie auf die uns vertraute Weise
erkennen geschweige dann noch abbilden. Sie konnte in keinem Fall eine Intention
entwickeln, Churchil abbilden zu wollen.
Putnam will mit diesem Beispiel zeigen, dass Ähnlichkeit zwischen Bild
und Gegenstand allein noch nicht hinreichend für Repräsentation oder Referenz ist.
Dieses und andere Beispiele bilden das Fundament auf dem er sein diese alle Beispiele
enthaltene Super-Beispiel, das BIV einführt. Putnams Ausgangspunkt ist das Faktum, dass
die (mögliche) Interaktion mit einer bestimmten Wirklichkeit, die diesbezüglich
mögliche Referenz der Vorstellungen und den sprachlichen Ausdruck (Wörter), bestimmt. In
BIV sind wir (Menschen) alle Gehirne in einer speziellen konservierenden Flüssigkeit in
einem Gefäss, deren Nervenden mit einem superwissenschaftlichen Computer verbunden sind.
Dieser gibt elektrische Impulse an die Gehirne ab, die alle denkbar möglichen
Lebenssituationen und damit Erfahrungen simulieren. Nun stellt sich die Frage, ob die Welt
wie wir sie nun als Gehirne in einem Tank erleben, die gleiche ist, wie jene vor unserer
Entkörperung. Putnam argumentiert in Folge einleuchtend mit nein- weil, wenn
wir Gehrine im Gefäss sind, so können wir nicht wissen, dass wir Gehirne in einem
Gefäss sind und uns die Lage vorher vorstellen
Unsere möglichen Bezugnahmen konstituieren sich mit dem Umgang mit der
Umwelt. Ein Gehirn im Gefäss weiss zum Beispiel theoretisch, was ein Baum ist, doch
würde es plötzlich vor einem wirklichem Baum stehen würde es den nicht als solchen
erkennen. Der Umgang, bzw. Kontakt mit der lediglich beschriebenen und simulierten
Realität (durch den super-wissenschaftlichen Computer), das heisst der Kontakt mit der
die Bedeutung konstituierenden externen Realität, fehlt. Das heisst, dass alleine durch
den Gebrauch des Wortes Baum sich die Gehirne nicht auf wirkliche, uns bekannte, Bäume
beziehen (können). Die logisch richtige aber mit keiner wirklichen Entsprechung
operierende Referenz der Gehirne, die oben anhand des Beispiels vom Umgang der Gehrine mit
dem Begriff des Baumes gezeigt wurde, ist gar keine sondern nur ein Aneinanderreihen von
logisch richtigen Fakten. Bedeutung und Repräsentation konstituieren sich also aus
unserem Umgang mit der Umwelt. Durch die Weiterführung und Entschlüsselung dieses
Beispiels führt Putnam noch weitere Beispiele vor, in denen er die komplexe Verflechtung
der Interaktion von Geist und Welt diskutiert und zum Schluss gelangt, dass sich beide
durch unseren Umgang mit der Welt konstituieren, Geist und Welt als ein pragmatisches
Joint-Venture. Der Geist vermag sich auf die Sache selbst zu richten. Seine
diesbezügliche Erfahrung (der Umgang mit der Umwelt) kann so nicht durch die Impulse
eines Supercomputers simuliert werden. Die Bedeutung konstituiert sich mit unserem Umgang
mit sozialer und physischer Umgebung.
E
Was kann Putnams hier kurz angeschnittenes Beispiel, das ihm als
Argumentation gegen die Sicht der metaphysischen Realisten dient, für die Fragestellung
der Referenz innerhalb einerseits des Werkes von phj und anderseits übergeordnet
innerhalb der allgemeinen Auseinandersetzung der Architekturkritik beitragen?
Hinter dem einführend dargestellten Problem der DR bezüglich der
sprachlichen Kommunizierbarkeit der Architektur steckt noch ein filigranes interaktives
Referenzsystem bezüglich dem Verhältnis Architekt- Werk- Welt, wie in der kurz
angeschnittenen Aufschlüsselung der Referenzproblematik in Bezug auf Architektur in einem
allgemeinen Sinn bereits angetönt wurde.
Bezüglich dem Werk von phj spielt das prozessuale Element seiner
Architektur eine ausschlaggebende Rolle. Dieses erschwert der Architekturkritik eine
eindeutige Referenzbestimmung und lässt alleine phj ein Art gottähnliche Perspektive zu.
Indem er seine Architektur eindeutig mit dem Betrachter konzipiert, kann sich dieser
seiner Doppelrolle, wäre er Architekturkritiker, nicht entziehen: er ist gleichzeitig
integrativer Teil desselben Objektes, das er (unter möglichst objektiven Gesichtspunkten)
erfassen sollte. Da aber die Architektur phjs, vor allem jene der ende 1970er und 1980er,
genug Diskussionspunkte bezüglich architektonischer Leitbilder und diesbezüglicher An-
sowie Entlehnungen liefert, kann ein Architekturkritiker ohne mit leeren Ergebnissen
aufwarten zu müssen, ein Referenzsystem aus sichtbaren Einflüssen in Form einer Analyse
des betreffenden Werkes vorlegen. Aus dem anfangs indirektem Referenzsystem formt sich nun
ein kompliziertes direktes mit einem indirektem Innenleben. Hier wegweisend
kann Putnams erwähnte Auseinandersetzung mit Referenz sein, um zu verhindern, dass die
Architekturkritik auf metaphysischer Argumentation ihr Fundament aufbauen muss.
Doch inwiefern sind wir hier mit einer ähnlichen Problemstellung wie
derjenigen von Churchil und der Ameise und BIV konfrontiert? Dagegen spricht die
(kognitiv) mögliche und teilweise selbst kommunizierte Intention von phj selbst. Dass er
die sehr wahrscheinlich grösst mögliche Kenntnis des historischen Sachverhaltes seiner
verwendeten architektonischen Formmotive hat, kann mit Recht angenommen werden. Doch auch
hier greifen Architekturkritiker oft zu ihrem eigenen Referenzsystem und sehen
Bezüge, an die phj nie gedacht hatte. Auf diese Tatsache hin antwortete phj einmal
ungefähr folgendermassen: "Sehen sie, an das hätte ich nicht gedacht, aber, wenn
sie es sagen,.. wird es wohl stimmen-..." Was heisst dies nun wirklich?
Es gibt mehrere mögliche Beschreibungen der Welt, um mit Putnam zu
sprechen. Da wäre also die Repräsentation (Werk von phj) und die von einem
Architekturkritiker gezogene Referenz, die möglich ist, obwohl nicht vom Architekten
intendiert. Was sie jedoch problematisiert ist, das von phj selbst stark gewichtete
prozessuale Element, das dem Putnamschen Beispiel der BIV entspricht. Hier könnte man den
Architekturkritiker, der zugleich der Betrachter und Teil der Architektur ist, als ein
solches entkörperlichtes Gehrin annehmen. Seine Nervenden sind mit dem Supercomputer,
hier phj, verknüpft, der ihm Impulse liefert, die es dann eine bestimmte Realität
(diejenige von phj) erleben lässt. Nun ist es aber wie an früherer Stelle bereits
erwähnt unmöglich, dass das Gehirn, hier der Architekturkritiker, erkennt, dass er ein
Gehirn im Gefäss ist. Seine Bezüge sind Ergebnisse elektrischer Impulse, die in einer
aussergefässlichen Wirklichkeit, hier ausserhalb der phjschen Architektur, überhaupt
keine Bezugspunkte haben, bzw. produzieren können. Mit der phjschen Architektur sieht
sich der Architekturkritiker mit einer wirklichen Referenzknacknuss
konfrontiert. Diese verkörpert aber den intelligent-verspielten Charakter phjs, dessen
grösste Momente seiner Architektur, vor allem auch auf einer geistig sehr anspruchsvollen
und verspielten Ebene liegen. Hier treten verblüffende Ähnlichkeiten mit Putnams Art des
Argumentierens auf, obwohl beide in zwei doch deutlich sich unterscheidenden Gebieten
agieren und dementsprechend andere Argumentationselemente ins Feld führen. Verblüffend
erscheint, dass sich ihre Argumentationsweise ähnelt. Beide führen äusserst
phantasie- und gehaltvolle Beispiele innerhalb ihrer Argumentation. Phj tut dies
mit seinen Bauwerken und Putnam anhand seiner publizierten Artikel, Bücher. Beide
schockieren ihre Betrachter respektive Leser auf intelligenteste Weise und lösen mit
ihren Werken Polemiken aus. Denke man hier nur etwa an das AT & T Building von phj
oder das hier zitierte Werk RTH von Putnam und die darin aufgeführten Beispiele.
Was kann aber anhand des Hinzuziehens des Putnamschen Beispiels BIV
für die Architekturpraxis und die Architekturkritik in Bezug auf das Werk von phj gesagt
werden? Doch nicht nur etwa dies, dass sich eine Betrachtung des Werkes von phj dem
Betrachter-Architekturkritiker a priori entzieht, weil er unausweichlich nur Teil der
Architektur sein kann und dementsprechend aus dieser Position kein Referenzsystem aufbauen
kann, das sich auf etwas ausserhalb der phjscher Realität abspielt beziehen könnte. In
einem solchen Fall ist der Architekturkritiker gezwungen sich mit der erwähnten
Referenzproblematik auseinanderzusetzen. So werden dann verschiedene Beschreibungen der
(architektonischen) Welt à la Putnam möglich und können zu weiterführenden Schlüssen
führen. In Putnams Werk lässt sich weniger eine Argumentationslinie festmachen als ein
offenes Argumentationsnetz. Wenn aus diesem Netz Teile herausgeschnitten werden, so sagt
dies im Sinne Putnams nichts über das Wachstum desselben Netzes aus. Putnam bietet ein
offenes System an, indem Vieles möglich ist- so auch mehrere Beschreibungen der
(architektonischen) Welt. Doch welche Beschreibungen ergeben Sinn und führen weiter?
Sicher jene, die nicht innerhalb des Modells BIV agieren aber rational akzeptierbar sind.
Für Putnam (in RTH) ist eine Tatsache jener Sachverhalt, der rational akzeptierbar ist.
Dies scheint auch für den Architekturkritiker der einzig möglich Ansatz zu sein, um aus
seiner Brain in a vat Situation herauszukommen und sich in seiner
Referenzproblematik zu orientieren. Rationale Akzeptierbarkeit ist aber für Putnam an
dieser Stelle nicht mit Wahrheit gleichzusetzen. Etwas kann zu einem bestimmten Zeitpunkt
rational akzeptierbar sein aber nicht wahr, und umgekehrt. Der Umgang mit dem Begriff der
Wahrheit ist aber innerhalb der spezifisch architektonischen Referenzproblematik von
Interesse. Innerhalb der Kunst- aber auch Architekturgeschichte ist dieser eng an den
Begriff des Stils gebunden.
Der Kunsthistoriker Ernst Gombrich geht mehrmals auf den Begriff der
Wahrheit innerhalb der kunsthistorischen Diskussion seines Werk ein. In einem besonders
prägenden Sinn tut er dies in seinem Aufsatz (1960), Truth and the Stereotype, An
Illusion Theory of Representation. Repräsentation jeglicher Art impliziert eine Art der
eingangs erwähnten Referenzproblematik.
Gombrich bezieht sich auf die Logiker, die, so Gombrich, uns sagen,
dass sich die Begriffe wahr und falsch nur auf Aussagen oder
Behauptungen beziehen können. Gombrich bemerkt in diesem Aufsatz, "...a picture is
never a statement in that sense of the term. It can no more be true or false than a
statement can be blue or green." Kann das nicht auch in Bezug auf Architektur gesagt
werden? Gombrich geht davon aus, dass bei einer künstlerischen Repräsentation der
Künstler zu aller erst ein Konzept oder eine Idee hat, und dass der Stil, wie auch das
Medium eine Art mental set erschaffen. Dieses lässt den Künstler sich auf
gewisse spezifische Aspekte in seiner Umgebung konzentrieren, die er wiederzugeben im
Stande ist. Ohne ein Konzept oder eine Idee als Ausgangspunkt, könnten wir, so Gombrich,
"never get hold of the flux of experience. Without categories we could not sort our
impressions." Konzepte wie auch Bilder können nicht wahr oder falsch sein. Sie
können entweder günstiger oder weniger günstig für Beschreibungen sein, so Gombrich.
Mit verschiedenen Bildbeispielen untermauert er seine Argumentation, dass es keine rigide
Teilung zwischen "the phantom and reality, truth and falshood" geben kann,
"at least where human purpose and human action com into their own." Am Ende
seines Artikels gelangt er dann zur Einsicht, dass "every artisitc work has ist own
code to be discovered."
Was heisst dies nun in Bezug auf die spezifisch architektonische
Referenzproblematik? Dass jedes betrachtete Objekt oder System seinen eigenen
Code hat, den es zu entschlüsseln gilt. Das heisst, man muss die
Referenzproblematik individuell immer wieder neu festlegen und so einen Ausgang bilden,
für eine mögliche Argumentation. Das Wölfflinsche nicht alles ist in jeder Epoche
möglich verliert so nicht an Bedeutung sondern wird bestätigt. Und doch kann aus
diesen einzelnen Codes ein Ansatz für ein gemeinsames Vorgehen in Bezug auf
die spezifisch architektonische Referenzproblematik entwickelt werden.
G
Putnam vertritt in RTH eine verifaktionistische Semantik. Wahrheit
steht in RTH für ideale Kohärenz der Überzeugungen. Wichtig zu sehen ist, dass der
Begriff der Wahrheit innerhalb der analytischen Philosophie ein wichtiges
Argumentationselement darstellt. Demgegenüber kann man den Begriffs des Stils innerhalb
der architekturhistorischen sowie kritischen Diskussion ebenfalls als ein wichtiges
Argumentationselement sehen. Dieser ist wichtigster Bestandteil der spezifisch phjschen
Rhetorik und seines komplexen direkten wie auch indirekten Referenzsystems. Eine
sinnergebende Argumentation innerhalb der diesbezüglichen Knacknuss phj führt zu einer
wahrheitstheoretischen Diskussion und zur Fragestellung welcher Wahrheit eine
architektonische Konstruktion entsprechen kann und will. Oder anders gefragt: welche Art
der Kohärenz kann ein architektonisches Werk mit der Welt formen? Erneut sind wir mit
einer referenzialen Fragestellung, bzw. der spezifisch architektonischen
Referenzproblematik konfrontiert.
Wenn wir Putnams unabhängige Beziehung von Geist und Welt
aus RTH ins Argumentationsfeld rücken, dann existieren mehrere architektonische
Wahrheiten, die an sich eine Putnamsche Kohärenz der Überzeugungen veranschaulichen
können. Die Unterschiede konstituieren sich durch verschiedene Bezugnahmen (direkte und
indirekte). Um aber einen Ausgang für eine Diskussion zu haben, müssen Schnittpunkte
innerhalb derselben möglich sein: es dürfen keine parallelen Argumentationslinien
entstehen. Für diese Schnittpunkte ist die klare Präzisierung der jeweiligen
Bezugsherstellung am Ausgang jeder Architekturkritik notwendig. Der Grad dieser
Präzisierung bildet dann Voraussetzung für weiterführende architekturkritische
Diskussionen.
Der vorliegende Artikel sollte als Impuls für die Sensibilisierung der
spezifisch architektonischen Referenzproblematik dienen. Die hier nur kurz angeschnittene
Argumentation des amerikanischen Philosophen Hilary Putnam in seinem Werk RTH, die ich in
meiner Dissertation genauer und differenzierter darlege, sollte an dieser Stelle vor allem
auf den Umgang mit dem Begriff der Referenz innerhalb der Architekturdiskussion
sensibilisieren und diesbezüglich die Architekturkritk des Glass House von phj sowie das
Werk selbst, in sehr groben Zügen als showing example führen. Ich
argumentiere mit Putnam gegen eine metaphysisch realistische Architekturkritik
und benutze dabei nicht seine Argumentation, um ein architektonisches Werk deutend zu
erklären aber zum Aufzeigen der spezifisch architektonischen Referenzproblematik und als
Anregung für einen gemeinsamen methodlogisch-theoretischen Ansatz innerhalb der
gegenwärtigen Architekturkritik.
In meiner Dissertation ist die diesbezügliche Argumentation
differenzierter und mit mehr architektonischen und modelltheoretischen Beispielen
untermauert. Ich differenziere und extrapoliere die verschiedenen bei der Betrachtung
eines architektonischen Werkes beteiligten Referenzsysteme. Dies tue ich anhand
ausgewählter architektonischer Werke von phj und zeige an diesen Beispielen auf, wie
brisant für ein aneinander Vorbeireden innerhalb der gegenwärtigen
Architekturdiskussionen der Umgang mit Referenz ist. Ferner diskutiere ich auch die
Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Verwendung des Begriffs Architektursprache,
der sehr stark mit dem hier geführten Begriff der Referenzproblematik zusammenhängt.
Schliessen möchte ich mit einer Aussage des Philosophielehrers von
phj, Alfred North Whitehead, die in einer übergeordneter Weise als Metapher für das
architektonische Werk von phj stehen kann.
A..N. Whitehead: 12)
In der Klarheit liegt eine gewisse Gefahr. Mit diesem Gedanken tröste
ich mich immer.
Aus der Dissertation: Nana Pernod, Universität Zürich, Schweiz:
Vive la différance! Architektur der offenen Bezugnahme
Philip Johnsons Architektur und Hilary Putnams Argumentation
Anmerkungen:
1) Sokal, Alan; Bricmont, Jean, Eleganter Unsinn, Wie die
Denker der Postmoderne die Wissenschaften missbrauchen, München: C.H. Beck 1999 (1.
Aufl.: Fashinonable Nonsense/Picador 1998)