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1) Einleitung
Für die Stadtplanung ist
die Frage, wie man Innenstädte beleben solle, durchaus
vertraut und schon vielfach und unterschiedlich
beantwortet worden. Die Frage ist nicht neu, doch in den
letzten Jahren wurde sie brennend, da unterschiedliche
Tendenzen die Existenz belebter Innenstädte in
ernstzunehmendem Maße gefährden können.
Einerseits ermöglichen die neuen Medien in Zukunft eine
ganz neue Verortung von Stadt als öffentlichen Raum im
Computernetz und dementsprechend wird sich die Frage nach
der Lebendigkeit, der Heterogenität oder den
Möglichkeiten des Austausches auf ganz anderer Ebene
stellen, jedenfalls nicht auf der Ebene einer Innenstadt
im herkömmlichen stadtplanerischen Sinne (Mitchell, W.J.
1996; Rötzer, F. 1995).
Andererseits entstehen immer häufiger belebte
´städtische Räume´ auf der ´grünen Wiese´ wo nie
Stadt war und im herkömmlichen stadtplanerischen Sinne
auch nie hin sollte. Inzwischen ist dies nicht mehr nur
ein nordamerikanisches, sondern auch für Deutschland ein
vertrautes Phänomen.
Warum macht man aus den Innenstädten nicht riesige Malls
oder Themenparks und übernimmt damit einfach dieses
offensichtlich erfolgreiche Konzept, um auch den
innerstädtischen Raum zu beleben? Wäre das nicht die
zeitgemäße Lösung? Was läßt die Verantwortlichen
davor zurückschrecken? Was steht dagegen?
Andererseits könnte man fragen, warum man überhaupt mit
aller Gewalt die Innenstädte revitalisieren
will? Ist das nicht reaktionär, konservativ,
nostalgisch und obsolet?
Oder ist es gar doch wahrhaft progressiv?
Das Stadtzentrum ist
historisch der Ort, wo das meiste Leben ist, und das
meiste Leben ist dort, wo die entscheidenden
Einflußfaktoren für das öffentliche Leben
repräsentiert sind: Historisch wäre dies der
Marktplatz, der Brunnen, die Kirche, das Rathaus, der
Park (vgl. z.B. Führ, E. 1989). Heute, so mag man
argumentieren, ist dies die ´Shopping Mall´ mit
kombiniertem Vergnügungsareal - und die liegt nun eben
historisch betrachtet am Stadtrand. Warum fällt es so
schwer, dieses neue Zentrum des öffentlichen Lebens zu
akzeptieren?
Im Folgenden soll dieses Phänomen genauer betrachtet und
im Zusammenhang mit ´neuer Urbanität´ und
Beteiligungsverfahren diskutiert werden.
2) Shopping
Malls
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Abb 1: City Mall
´Eaton Center´, Toronto, Kanada;
(Zeidler & Partnership) |
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Abb 2: Mega Mall
´West Edmonton Mall´ (WEM), Edmonton,
Kanada (Maurice Sunderland) |
Malls, d.h.
überdachte Einkaufszentren, werden im allgemeinen rege
besucht und funktionieren gut. Sie ziehen an, da sie
stimulieren, ´alles Mögliche´ anbieten und geschützt,
pragmatisch und bequem sind. Sie bieten ein soziales
Umfeld, das von manchen Autoren mit der Funktion der
Agora in der Antike und anderen historischen Orten
städtischen öffentlichen Lebens verglichen wird. (vgl.
Kowinski 1985, Gruen 1964, Fowler 1988).
Alle Altersstufen kommen in Malls zusammen und
verschiedene Umfragen legen nahe, daß z.B. heute in
Kanada, abgesehen von der Wohnung, der Arbeitsstätte und
der Ausbildung, in der Mall die meiste Zeit verbracht
wird. Die älteren Menschen fühlen sich dort sicher und
für die jüngeren Menschen ist immer etwas los. Man
spricht von ´mall rats´ oder ´mall walkers´, sogar
von ´mall junkies´ (Kowinski 1985, Jacobs 1984) - diese
Begriffe sind Teil des Alltagsvokabulars.
Die Tatsache, daß v.a. auch die jüngeren Menschen gerne
ihre Zeit in den Malls verbringen, hat inzwischen dazu
geführt, daß diese ganz selbstverständlich die Mall zu
ihrem sozialen und öffentlichen Leben, zu ihrer
Lebenswelt, hinzuzählen und ihr zudem einen wichtigen
Stellenwert beimessen (Shields, R. 1989).
Shopping Malls haben sich v.a. in Nordamerika seit den
60er Jahren entwickelt und seitdem ausdifferenziert.
Zunächst als Versorgung für Vororte geplant, wurden sie
in ihren möglichen Funktionen weiterentwickelt bis hin
zu kompakten vertikalen Strukturen der innerstädtischen
City Malls (wie z.B. das Eaton Center in Toronto,
Kanada), zu Partnerschaften mit Sanierungsträgern, die
somit eine Umgestaltung innerstädtischer
sanierungswürdiger Bezirke bzw. Gebäude zu Malls
ermöglichen, zu Mega Malls, einer Kombination von
Shopping und Amusement (z.B. die West Edmonton Mall
-WEM-, Kanada), oder zu Omni Centern inklusive Hotel,
Wohnen und Büro.
Aktuelle Entwicklungen
beinhalten u.a. die Tendenz, die Einrichtungen noch mehr
zu spezialisieren und durch flexiblere Flächennutzung
und erhöhte Authentizität und Exklusivität auch
anspruchsvollere Kunden anzusprechen oder auch einzelne
größere Anbieter, wie z.B. IKEA, mit Komplettversorgung
für einen langen Kundenaufenthalt mitten auf die
´grüne Wiese´ zu setzen. Für diese Unternehmen sind
die räumlichen Begrenzungen innerhalb der Malls schon
nicht mehr ausreichend. IKEA war z.B. anfangs eines der
Ankerkaufhäuser in der derzeit noch größten Mega Mall,
der West Edmonton Mall, ist aber schon nach kurzer Zeit
in einen eigenen Gebäudekomplex umgesiedelt.
Das Konzept der Mall sieht vor, Kaufhäuser als Anker (je
nach gewünschtem Mall-Image, bzw. vorausgegangener
Standortanalyse und Marktforschung) und daneben
Ladenmieter in spezifischer Mischung zu beherbergen.
Pachtpreise sind mit System berechnet z.B. kürzere
Vertragsdauer und höheren Mieten für kleinere Läden,
um somit das Angebot, vergleichbar einem Fernsehkanal,
beständig den Verbraucherwünschen und dem aktuellen
Käuferprofil optimal anzupassen (vgl. dazu Crawford, M.
1992).
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Dies führt dazu,
daß Ladenbesitzer zunächst die Preise ihrer
Produkte erhöhen und daraufhin
wieder mit Sonderangeboten versehen, um so bei
den Käufern das Gefühl zu wecken,
hier Schnäppchen machen zu können. |
Abb 3 : Beispiele
für Sonderangebote in kanadischen Shopping Malls
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Elemente, die sich in der Gestaltung immer wieder
wiederholen, sind z.B. große Spiegelflächen,
Perspektivenwechsel durch unterschiedliche
Geschoßebenen, Atrien, immer neue Gänge mit
vielfältigen Warenangeboten, Brunnen und Bänke zum
Ausruhen.
Abb 4: Beispiele
für Spiegelflächen, Perspektivenwechsel, Atrien,
Warengänge, Brunnen und Bänke zum Ausruhen in
kanadischen Malls
Je mehr
Bedürfnisse in der Mall befriedigt werden können, desto
länger bleiben die Besucher. Je länger sie bleiben,
desto mehr entstehen auch Bedürfnisse nach Unterhaltung
zusätzlich zum Shopping.
Und so verbringen immer mehr Menschen selbstverständlich
einen großen Teil ihrer Zeit in diesen geschlossenen
privaten ´öffentlichen´ Räumen, isoliert von Raum und
Zeit und Klima.
Der Erfolg solcher Malls und Einkaufszentren kommt mit
daher, daß hier das Management die interdisziplinäre
Zusammenarbeit zwischen neusten Erkenntnissen und
Methoden von Immobilienmaklern, Finanz- und
Marktanalysten, Ökonomen, Werbefachleuten, Architekten,
Ingenieuren, Verkehrsplanern, Landschaftsplanern,
Innenarchitekten und Sozialwissenschaftlern ermöglicht.
Die privat geführten Unternehmen arbeiten ökonomisch,
schnell und effektiv (vgl. Finn, A. 1986; Crawford, M.
1992) .
Shopping
Malls, zunehmend auch in ihrer Kombination mit
Vergnügungseinrichtungen sind spätestens seit der Wende
nicht mehr ein nur nordamerikanisches Phänomen. Shopping
Malls werden auch in Deutschland zur vertrauten
alltäglichen Lebenswelt am Rande der Städte.
Wie beeinflussen sie das öffentliche und städtische
Leben?
Die Vergleichbarkeit der USA mit europäischen
Bedingungen ist vielfach in Frage gestellt oder zumindest
problematisiert worden (vgl. Hassenpflug, D. 1998;
Hoffman-Axthelm, D. 1992). Jedoch ist z.B. Kanada
politisch, sozial, ökonomisch und kulturell nicht mit
den USA gleichzusetzen und lebt doch ebenfalls seit
Jahrzehnten selbstverständlich mit Malls. Kanada als
junges Einwandererland, ohne jedoch ´melting pot´ sein
zu wollen, ist dominiert durch die Extreme ihrer
Metropolen im Süden und der räumlichen Weite und Natur
im Norden. Vielleicht ist es einmal ganz interessant,
kanadische Beispiele zu Rate zu ziehen. Zudem befindet
sich in Edmonton, Kanada, die derzeit noch größte Mega
Mall. Ihre Besitzer, die Brüder Ghermezian, betreiben in
Minnesota ein vergleichbar großes Unternehmen und planen
auch für die Zukunft auf diesem Sektor weitere
Großprojekte, z.B. eine kleine Stadt für sich.
Wie wirkt
sich die inzwischen mehrjährige Erfahrung mit
verschiedenen Malltypen und -größen auf die
Alltagserfahrung und auf die Vorstellung von städtischem
Leben aus?
Am Beispiel eigener Untersuchungen in Edmonton im Sommer
1998 (dabei wurden Beobachtungen und freie Interviews
innerhalb und außerhalb der West Edmonton Mall und
anderen Malls durchgeführt) möchte ich die Auswirkungen
von Shopping Malls und Vergnügungsparks für die Stadt
und insbesondere für die Innenstadt genauer betrachten
und auf dem Hintergrund der aktuellen Situation in
Deutschland diskutieren.
3) Die
West Edmonton Mall
Im Westen
Kanada´s, inmitten der Provinz Alberta, gibt es die
derzeit größte Shopping Mall mit Vergnügungspark, die
´West Edmonton Mall´ (WEM). Sie liegt etwa 9 km
westlich des Geschäftszentrums der Stadt Edmonton, der
nördlichsten Großstadt in Kanada.
1981 wurde der erste von drei Bauabschnitten unter
Leitung des kanadischen Architekten Maurice Sunderland
aus Calgary abgeschlossen, 1986 der dritte, und im
Augenblick wird noch ein vierter Bauabschnitt begonnen.
1987 kamen dort täglich (die WEM hat an 365 Tagen im
Jahr geöffnet) im Schnitt 45 000 Menschen zusammen (R.W.
Consultants, 1987). Im Gegensatz zu saisonalen
Themenparks oder punktuellen Weltausstellungen mit
vergleichbaren Besuchermengen ist diese Mega Mall -wie
Malls im allgemeinen- inzwischen Teil der alltäglichen
Lebenswelt in Edmonton.

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Die Stadt
Edmonton im Nordwesten der Prärieprovinz Alberta
ist relativ jung, schnell gewachsen (inzwischen
auf 635 000 Einwohnern in Edmonton Stadt) und
weist eine moderne Aufteilung in Geschäfts- und
Kulturzentrum, Wohngebiete, Versorgungsgebiete
und Industriegebiete auf.
Das Klima in Edmonton ist extrem, mit warmen
Sommern, kalten Wintern und schnellen
Wetterumschwüngen innerhalb eines Tages. Da
Edmonton von Prärie umgeben ist, gehören starke
Winde zum Alltag. Somit bestimmt eine schützende
Architektur vor Wind und Wetter entscheidend die
Lebensqualität. Öl, Landwirtschaft und
Viehzucht sind die Haupteinnahmequellen.
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Abb
5: Die Lage von Edmonton in Nordamerika (Visitor
Information, City of Edmonton 1998)
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Billigbauweise ermöglicht einem hohen
Anteil der Bevölkerung den Besitz eines Eigenheimes,
wodurch sich die Vororte von anderen nordamerikanischen
Städten kaum unterscheiden. Die nächste größere Stadt
ist Calgary, mehrere hundert Kilometer südlich gelegen,
ansonsten ist Edmonton räumlich isoliert und die
Infrastruktur wird in Richtung Norden zunehmend
schwächer. Somit bestimmt eine gute Versorgung mit
unterschiedlichsten Kulturgütern und Produkten ebenfalls
entscheidend die Lebensqualität. Das Bevölkerungsprofil
ist zwar ethnisch durchmischt, jedoch im Gegensatz zu den
klassischen Immigrationsstädten Toronto und Vancouver,
v.a. mit europäischer Abstammung, d.h.
Kanadaeinwanderern der inzwischen 2. oder sogar 3.
Generation. Somit haben sich die meisten Familien
inzwischen etabliert, ein ´kanadisches´ Leben aufgebaut
und wollen selbstverständlich an den Produkten
teilhaben. (Da fügt es sich gut, daß in der Provinz
Alberta keine Mehrwertsteuer auf den Produkten liegt).
Die WEM ist
nicht die einzige größere Mall in Edmonton, Edmonton
ist flächendeckend mit Malls versehen. Das war vor 1981
so und auch heute wächst der Bestand an größeren und
kleineren Einkaufszentren weiter an (City of Edmonton,
1988) .
Mit 483 000 qm erstreckt sich die WEM völlig überdacht
in zwei und teilweise mehr Etagen über ein beachtliches
Stück Land (ca. 8 Häuserblöcke lang und 3
Häuserblöcke breit), umgeben von zweistöckigen
Parkmöglichkeiten für inzwischen ca. 20 000 Fahrzeuge.
Die Höhe ist gerade so geplant, um z.B. eine Achterbahn
mit dreifachem Louping, die größte Wasserrutschbahn der
Welt oder ein Hotel mit 360 Zimmern zu beherbergen.
Die WEM
enthält neben 3 größeren Warenhäusern (von denen in
einem zukünftig ein IMAX Kino zu finden sein wird),
über 800 Läden, 19 Kinos, 110 Eßgelegenheiten, ein
Kasino, eine Bingo Halle, eine Kapelle, Bungy Jumping,
ein Dinner Theater, Nachtklubs, einen Vergnügungspark
´Galaxyland´ mit verschiedenen Attraktionen und vielen
Geschicklichkeitsspielen, einen Wasserpark im Miami Beach
Ambiente, eine Eisbahn, geeignet für Eishockey-Spiele,
eine Kopie des historischen Segelschiffes St. Maria, ein
Unterwasserparadies mit echten Delphinen und falschen
Haien und der Möglichkeit, diese Gewässer zu
durchtauchen, sowie einer Kopie der Bourbon Street in New
Orleans und dem Hotel ´Fantasyland´, deren Zimmer zu
einem Drittel nach Themen ausgestattet sind. Die
verschiedenen Anker und Attraktionen sind durch Einkaufsstraßen
verknüpft, die wiederum im europäischen Stil kopiert
sind.

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Abb 7:
Galaxyland, Rollercoaster und
Geschicklichkeitsspiel, WEM |
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Abb 8: St. Maria und Unterwasserabenteuer, WEM
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Abb 9:
Delphinshow,
WEM |
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Abb 11: Europäische Boulevards, WEM |
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Abb 12:
Fantasyland-Hotel, Themenzimmer Igloo, WEM
(Fantasyland Hotel Werbebroschüre, 1998) |

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Abb 13: Wasser
Park, Riesenrutschbahn, WEM |
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Abb 14: Wasser
Park, , WEM |
Hierüber
ist schon einiges geschrieben worden und meist wurde
diese Mega Mall sowohl in ihrem Konzept als auch in ihrer
Erscheinung kritisiert.
Hopkins z.B. schreibt 1990 im Canadian Geographer, daß
mit Hilfe der Strategie der Mallbetreiber, solche
besetzten Symbole wie Florida Strände, europäische
Boulevards, New Orleans Kneipen, chinesischen Pagoden
etc. zu verwenden, ein Gefühl des ´elsewhere´, des
´wo-anders-seins´ erzeugt werden soll. Die reale Welt
soll draußen bleiben und wie im Film soll man sich durch
eine andere mythische Welt unbegrenzter Möglichkeiten
bewegen können, ohne tatsächlich an diese erträumten
Ort reisen zu müssen. Es geht nicht nur um das
´Shoppen´, sondern um das Erlebnis, an diesem Ort zu
sein. Die Brüder Ghermezian haben es geschafft, aus
verfügbaren positiv besetzten Settings so auszuwählen,
daß diese mit dem weit verbreiteten Wissen und den
Erwartungen auch einfacherer Bevölkerungsschichten
übereinstimmt. Auch wenn nicht bei allen Settings ein
Erkennen stattfindet, so findet dennoch jeder Besucher
etwas.
Eine solche Vereinfachung stößt in intellektuelleren
Kreisen auf Ablehnung. Die meisten Autoren beklagen sich,
daß dieser Ort kaum zu ertragen wäre, weder ästhetisch
noch psychisch. Die Kopien wären geschmacklos und das
Bombardement mit unterschiedlichen Eindrücken würde
einen förmlich erschlagen (vgl. dazu: Hopkins, J.S.P.
1990; Wawrowsky, H.G. 1990; Blomeyer, G.R. 1988; Wiebe,
R. 1988; Hemmingway, P. 1986; Kowinski, W.S., 1986).
Die WEM ist
von außen weder schön, noch sieht man ihr direkt an,
was sich in ihr verbirgt. Im Vorbeifahren unterscheidet
sie sich nicht von anderen Malls. Sicherlich verhindert
eine großzügige Beschilderung, daß man sie übersieht.
Auch sonst ist sie nachdrücklich vermarktet und man kann
Edmonton nicht besuchen, ohne "die Mall" zu
sehen: "The wonder of it all"! Das 8.
Weltwunder! Entweder kommt man eben wegen jener
Kuriosität oder man erfährt spätestens dort davon. 25
% des Verkaufsumsatzes in Edmonton und Umgebung gehen auf
die WEM zurück (Government of Alberta, 1993).
Familien verbringen dort z.T. eine Woche ihrer Ferien,
bevorzugt im Winter, wenn es draußen extrem kalt ist und
Tagespässe für die Vergnügungsareale zu vergünstigten
Tarifen, z.T. auch in Kombination mit Unterbringung im
Fantasyland-Hotel, zu erhalten sind.
Die
Edmontoner selbst haben zur WEM ein ambivalentes
Verhältnis.
Die WEM zieht Touristen nach Edmonton wie nie zuvor und
sie bietet Arbeitsplätze: 15 000 Personen werden in der
Mall beschäftigt, 300 Personen sind für Reparaturen
zuständig, 50 Sicherheitsbeamte, 300 sind im Hauptbüro
und weitere 2000 in anderen Büros eingesetzt und die
indirekten Arbeitsplätze durch die Mall werden auf 72
000 geschätzt (Government of Alberta, 1993). Für
Schüler und Studenten ist die Arbeit in der WEM ein
begehrter Job; ihnen macht der relativ laute Arbeitsplatz
in den Vergnügungszonen nicht so viel aus und die
Arbeitszeiten sind flexibel, so daß sie auch während
der Schulzeit oder dem Studium dort arbeiten können.
Eine der befragten Personen kann sogar eine kleine
Karriere in der WEM aufweisen: von der Kassiererin über
Ladenverkäuferin zur Personalabteilung. Für ältere
Ungelernte oder ´frische´ Immigranten kommen v.a.
Reinigungsaufgaben in Frage. Auch diese werden mit viel
Lärm konfrontiert, und manche Angestellte sagte, daß
ihr das nicht unbedingt gut tun würde, jedoch sei sie
froh, überhaupt Arbeit zu haben. Grundsätzlich jedoch
ist die Bezahlung recht gering. Z.B. war im August 1998
der am besten bezahlte freie Job die Animation von
Besuchern und wurde mit 9 Can$ Brutto (ca. 10,80 DEM) in
der Stunde entlohnt.
Auf der
anderen Seite gab es in der Vergangenheit immer wieder
Klagen: z.B. von Nachtklubbesitzern (Mayer 1987),
trauernden Zurückgebliebenen eines Rollercoaster
Unfalles (Edmonton Journal, 1988), Greenpeace (Edmonton
Journal, 1988, Edmonton Journal, 1983), oder
Gewerkschaften (Edmonton Journal, 1987).
Aktuell liegt eine Klage des Alberta Treasury Branch
(ATB) vor, die anstrebt, der Triple Five Corporation der
Ghermezians die Besitzrechte auf die WEM abzusprechen und
daraufhin die WEM zu verkaufen. Die Ghermezians
ihrerseits haben mit einer Gegenklage gedroht.
Der Hintergrund dazu: Die ATB verwaltet Gelder der
Bewohner Albertas, indem sie Kredite an in Alberta
ansässige oder anzusiedelnde Unternehmen vergibt. So
auch an die Triple Five. Nun wird jedoch der Vertrag
angefochten, wegen vermeintlich unlauterer Machenschaften
und Bestechungen durch die Ghermezians zur Zeit der
Vertragsabwicklung und wegen vermeintlich nicht
nachgekommenen Instandhaltungsarbeiten laut Vertrag.
Die Ghermezians wiederum leugnen dies alles vollständig
ab und werfen der ATB vor, daß sie interne Probleme auf
dem Rücken der Triple Five und der WEM austragen und
lösen wollen (The Edmonton Journal, 1998; the Edmonton
Sun, 1998). Eine brisante Situation, bei der es um viel
Geld (das Geld der Alberta Bürger) und die Besitzrechte
auf die WEM geht. Es ist noch nichts entschieden. Klar
wird hierbei jedoch, daß sich nicht nur der Clan der
Ghermezians auf Grund ihrer ökonomischen Macht erlauben
kann, Regeln zu überschreiten, sondern daß auch die
öffentliche Hand die Bürger enttäuscht hat. Dies alles
tut der WEM bislang nicht weh, es läuft ´business as
usual´.
Der größte
Vorwurf gegen die WEM ist sicherlich der, daß diese Mall
dem Geschäftszentrum, der klassischen Downtown, den Rang
abgelaufen hat. Sie bietet den Edmontonern und den
Touristen das ganze Jahr über ein urbanes Ambiente mit
internationalem Flair, wo man hingeht, um zu sehen und
gesehen zu werden, Spaß zu haben und etwas besonderes zu
kaufen. (Für die alltäglichen Dinge haben sich die
anderen Malls weitgehend spezialisiert.)
Die Stadtverwaltung hat zunächst versucht, sämtlichen
Entwicklungen in und um die WEM Widerstand zu leisten,
ist jedoch gescheitert. (Den Ghermezians wird eine
gehörige Portion Penetranz nachgesagt, bzw. würden sie
das Wort "nein" nicht kennen). So hat sich der
Stadtrat zumindest bemüht, ein alternatives Konzept für
Downtown zu entwickeln. (Man sagt, auch dabei hätten
sich die Ghermezians erfolgreich eingemischt).
Inzwischen ist das Stadtzentrum, bestehend aus
Bürohochhäusern und Kultureinrichtungen, weitgehend
durch ein sogenanntes Pedway (Fußgänger)-System vernetzt, d.h. die
einzelnen Gebäude dort sind in den ersten Etagen meist
durch überdachte Fußgängerwege miteinander verbunden.
Man kann so bei jedem Wetter und jeder Verkehrslage zu
Fuß vom Klima unbelästigt von Gebäude zu Gebäude
gelangen.
Abb
15: Downtown Edmonton, Pedway (Fußgänger-)
System
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Die
oberen Etagen beherbergen Büros, die unteren 2 oder 3
Etagen sind City Malls mit Vergnügungsinputs, z.B. einem
Minigolfplatz. Im Vergleich zu den anderen Malls der
Stadt sind sie eher auf ein exklusiveres
Geschäftspublikum eingestellt. Die akustische
Berieselung ist dezenter, die Auslagen nicht so schrill.
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Abb 16: Downtown
Mall, Edmonton, mit Piano Musik |
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Abb 16: Downtown
Mall, Edmonton, mit Minigolfplatz |
Das
Konzept scheint unter der Woche insoweit zu
funktionieren, daß sich diejenigen, die in Downtown zu
tun haben, gut und gerne dort aufhalten können, und daß
auch Touristen einen neugierigen Blick nach Downtown
werfen, bevor sie dann nicht gelangweilt, aber
auch nicht ausgefüllt doch wieder in die WEM
gehen.
Dieses zusätzliche Angebot, den Städtern bei jeder
Wetterlage ein angenehmes Einkaufen und Flanieren im
Zentrum zu ermöglichen, reicht nicht, um die Innenstadt
tatsächlich mit städtischem Treiben zu beleben,
"...und am Wochenende ist dort ohnehin nichts
los" (Edmontoner Bürger).
Wenn man tagsüber 1 oder 2 Stunden Zeit hat, so einige
Befragte, dann geht man in die WEM, "weil da was los
ist und weil man da immer was machen kann"
(Edmontoner Bürger).
Wenn man Lust auf Stadt hat, wenn man Lust hat, zu
flanieren und sich für Geschenke inspirieren zu lassen,
dann ist die WEM der richtige Ort. In Downtown wäre das
theoretisch auch möglich, doch nicht so
abwechslungsreich und aufregend. Wenn Gäste kommen, dann
bringt oder schickt man sie in "die Mall". Will
man schlendern und Leute sehen, dann geht man in
"die Mall".
Man kann Besucher beobachten, die zunächst
Vergnügungseinrichtungen aufsuchen und am Nachmittag
doch noch bei der Gelegenheit durch die
Läden schlendern.
Man kann mühelos eine Woche dort verbringen: ein Tag
Vergnügungspark, ein Tag Wasser-Park, ein Tag
Unterwasserwelt, ein Tag Shopping und Eislaufen, ein Tag
Kasino und Bourbon Street...
Manche der Befragten in der WEM gaben an, daß sie gerade
eine Woche Ferien haben und aus einer anderen kanadischen
Provinz extra für die WEM nach Edmonton reisen, und dies
nicht zum ersten Mal.
Großstadtleben wird von vielen Befragten als etwas für
junge Leute, d.h. gleichbedeutend mit Nachtleben gesehen
und selbst das gibt es in der WEM (bis ca. 2 Uhr
morgens) und wird einhellig gelobt.
Die Tatsache, daß die Mall Privatbesitz ist und private
Sicherheitskräfte für Ordnung sorgen, interessiert
keinen. "Hier gelten dieselben Regeln wie draußen:
wer sich nicht benimmt, fliegt raus" (Mann in der
WEM, ca. 35 Jahre).
Nebeneffekte
von Mallaufenthalten gibt es für Besucher wie auch für
die Angestellten.
Die beständige visuelle und akustische Stimulation
stumpft langfristig die Sinne ab. Dies formuliert selbst
eine Angestellte, als sie erklärt, wie sie es in diesem
beständigen Lärmpegel aushalten kann. Die Mall
strapaziert die Sinne, doch die Stimulation ist
kontinuierlich, vorhersehbar und somit leichter zu
kontrollieren. Im Gegensatz dazu: Vor einiger Zeit wurden
Papageien in den Einkaufsstraßen aufgestellt, woraufhin
sich die Ladenbesitzer wegen des penetranten spontanen
(und unvorhersehbaren) Lärms beschwerten. Jetzt stehen
die Papageien im Wasser-Park.
Bewußtheit über die permanente Berieselung erhält man
v.a. dann, wenn man die Mall verläßt.
Ein langer Aufenthalt in solch künstlich belüfteten
Räumen wirkt sich auf die Haut aus, d.h. der Bedarf an
Cremes nimmt zu. Doch solche und ähnliche Nebeneffekte
sind nicht spezifisch für die WEM, sie gelten m.E. auch für andere Formen
künstlicher Umwelten.
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Die langen
Fußwege, die man in der WEM zurücklegen
muß/kann, können zwar ermüden nicht
zuletzt ist man dies in Edmonton kaum mehr
gewohnt, weil praktisch alles bequem mit dem Auto
zu erledigen ist- doch selbst dafür werden
Scooter, d.h. fahrbare Sitze, angeboten,
die man sich stunden- oder tageweise mieten kann
es wird an möglichst alles gedacht. |
Abb 16:
Scooterverleih (WEM) |
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In Edmonton gibt es auch einen
Straßenabschnitt, wo sich kunsthandwerkliche Läden und
Cafes befinden - dies ist ´Scona´ kurz für
´Strathcona´ ehemals ein eigenständiger Ort,
bevor Edmonton zur Großstadt anwuchs. Politische Parolen
oder zumindest ein spürbares Umweltbewußtsein ist dort
zu finden, jedoch nicht in den Malls.
Andererseits finden sich dort weder viele Touristen noch
viele Edmontoner; das Publikum ist studentisch, jung und
relativ homogen. Neben den Läden und Cafes an der
Straße gibt es in Durchmischung in den Seitenstraßen
Wohnen. Nur in ´Scona´ sind mir in Edmonton Menschen
aufgefallen, die auf den Gehwegen saßen.
Scona ist ein Ort für die Szene und eine Abwechslung zur
Mall-Landschaft, aber keine echte städtische
Alternative. Scona ist exotisch, weil es aus dem Rahmen
fällt, aber nicht tragfähig für sich genommen.
Die West
Edmonton Mall ist durch die Kombination von Vergnügen
und Shopping in der Lage, ein Forum bzw. ein Zentrum für
städtisches Leben abseits dem klassischen Stadtzentrum
zu bieten. Für die Edmontoner ist es kein Ort für jeden
Tag wie z.B. ihre Mall für alltägliche Einkäufe
nahe der Wohnung- dafür ist es zu sehr Spektakel.
Dennoch ist die WEM für viele ´Stadt´, sie steht mit
für Edmonton.
Sie könnte zwar theoretisch überall sein, doch sie
steht in Edmonton. Man findet dort neben den
internationalen Anspielungen, Inszenierungen und Kopien
auch regionale Symbole, welche die Identität der
Edmontoner mit ´ihrer´ WEM stärken und diese Mega Mall
in Edmonton lokal verankern.
Was kann man
nun aus diesen Beobachtungen in Kanada für die Situation
in Deutschland schließen?
Je attraktiver die Mall z.B. durch die Kombination
von Einkaufen und Unterhaltung , desto länger die
Mall-Zeit 1960 waren es im Schnitt 20 min, heute
sind es durchschnittlich ca. 3 Stunden- (Didion, J. 1979)
und desto größer der Einfluß dieser Umwelt auf die
Lebenswelt, und damit auf die Umweltwahrnehmung und das
Selbstbild (vgl. Sommer, A. 1996a).
Die unmittelbare Erfahrungswelt ist somit dominiert durch
Simulationen und Simulacren aller Art und dies wird
zunehmend zur Alltagsrealität (vgl. dazu Baudrillard, J.
1995), die man selbstverständlich mit dem sozial
relevanten Umfeld teilt. Dies bedeutet, daß andere
Konzepte von Realität bzw. die Identität mit anderen
Realitäten nachlassen und zunehmend bedeutungslos
werden. Dem wird nichts entgegengesetzt, im Gegenteil:
Die Eindrücke in den Malls und Vergnügungsparks sind
kompatibel mit den Eindrücken aus dem Fernsehen und dem
Surfen im Internet, d.h. der Versorgung mit Bildern,
Eindrücken, Produkten und Informationen, je nach Wunsch
und Bedarf.
Die
derzeitigen und zukünftigen Umwelterfahrungen werden
zunehmend bei jungen Menschen ein konsistentes Weltbild
ergeben, welches suggeriert,
- daß fast alles bequem möglich und erreichbar ist,
- daß man optimal durch die unterschiedlichen privaten
Anbieter versorgt wird
- daß für alles gesorgt wird
- daß Probleme und Sorgen nicht so wichtig sind und
nicht so viel Raum einnehmen müssen
- daß man selbst in diesem `Schlaraffenland´ nur noch
auswählen muß, was man gerne für sich hätte.
- daß man auf nichts verzichten muß.
- daß man optimierte Mensch-Umwelt-Schnittstellen
erwarten kann und selbst dazu nichts beitragen muß, als
diese zu nutzen.
´Sit back
and relax. Enjoy your flight´. (Doch auch Flugzeuge
stürzen ab).
4)
Demokratie als Fluch oder als Chance?
Wenn anfangs
gesagt wurde, daß das Stadtzentrum der Ort ist, wo das
meiste Leben ist, und das meiste Leben dort ist, wo die
entscheidenden Einflußfaktoren für das öffentliche
Leben repräsentiert sind, dann kann man nicht umhin
zuzugestehen, daß dies derzeit solche Phänomene sind,
wie z.B. die WEM und nicht die historische
Innenstadt.
Wenn man satt und zufrieden ist, rücken politische
Debatten und Veränderungswünsche in den Hintergrund
bzw. richten sich auf die Dinge, welche die Welt zu
bieten hat und an denen man bisher noch nicht
bequem teilhaben kann.
Die Individualität bildet sich aus der Notwendigkeit,
die permanente Stimulation zu verarbeiten und somit aus
den Produkten und deren Image auszuwählen und gegenüber
anderen Eindrücken, die einem nicht passen, mit
Blasiertheit zu reagieren - Simmel revisited, sozusagen
(Simmel, G. 1903).
Eine belebte Innenstadt als Ziel allein scheint nicht zu
reichen. Das Ziel könnte verfehlt werden. Es könnte
damit enden, daß die Innenstadt in Form einer Mega Mall
belebt wird - Löst dies das eigentliche Problem bzw.
macht es die Mega Mall besser, wenn sie statt an der
Peripherie im historischen Zentrum zu finden ist (z.B.
Potsdamer Platz, Berlin)?
Alarmierend
bei den neuen städtischen Zentren scheint insbesondere
die Tatsache, daß diese quasi ´öffentliche Räume´
schaffen, die zwar in vielerlei Hinsicht öffentlich
erscheinen sie sind frei zugänglich für alle,
die konsumieren wollen und können-, aber nach tradierten
Vorstellungen von öffentlichem Raum den Kriterien nicht
ganz genügen: Sie sind rechtlich in Privatbesitz, die
öffentliche Kontrolle ist drastisch eingeschränkt und
es soll kein Podium für politische Versammlungen
geschaffen werden (vgl. Carr, S., Francis, M., Rivlin, L.
G. &. Stone, A. M. 1992). Diese ´privaten
öffentlichen Räume´ garantieren jedoch weitgehend
optimale Versorgung und potentielle Teilhabe an
sämtlichen Produkten der Gesellschaft für alle
Besucher. Man muß sich nur entscheiden und auswählen
und partizipiert so auf Konsumebene. Die Betreiber haben
an alles gedacht, haben ´alles unter Kontrolle´, wissen
was für das mittlere Kundenprofil gut ist und passen
sich beständig evtl. veränderten Wünschen an - sie
handeln, sie befriedigen Verzicht ist, wenn
überhaupt, eine persönliche Entscheidung und keine
offizielle Forderung.
So schaffen die Mallbetreiber, vergleichbar mit den
feudalen Gutsbesitzern vergangener Zeiten, für ihre
in diesem Falle Kunden eine möglichst
optimale Versorgung nicht aus ethischen oder
humanistischen Zielsetzungen heraus, sondern aus rein
ökonomischen.
Alarmierend also für die politisch Verantwortlichen, die
sich ihrerseits mit demokratischen Entscheidungswegen
konfrontiert sehen, die zäh und langwierig sein können.
Zielsetzungen müssen immer unterschiedlichsten
nicht nur ökonomischen Ansprüchen genügen und
werden ansonsten von Vertretern anderer Interessengruppen
in Frage gestellt. Auf Grund knapper Kassen wird Verzicht
gepredigt, die Hierarchie der Bürgerbedürfnisse und
Notwendigkeiten ist schwerlich objektiv zu bewerten, es
gibt immer Vertreter, die es besser zu wissen scheinen.
In der Konkurrenz zu Zielfindung und
Entscheidungsprozessen bei Betreibern von Einkaufszentren
und Vergnügungsparks zeigt sich hier die Demokratie
derzeit eher als Fluch. Dementsprechend häufen sich
Umfrageergebnisse, in denen die allgemeine
Systemverdrossenheit obenansteht, und andererseits
feierliche Beschlüsse und verzweifelte Erklärungen
kommunaler, nationaler und internationaler politischer
Gruppierungen, die mehr Bürgernähe fordern.
Wenn es um
die Frage der Revitalisierung von Innenstädten geht,
werden Shopping Malls und Vergnügungseinrichtungen am
Stadtrand generell als Gefahren und Konkurrenten für die
traditionellen Zentren städtischen Lebens eingestuft.
Aber beherbergt heute der Anspruch, belebte Innenstädte
aufweisen zu können, nicht vielmehr den Wunsch nach
Aufrechterhaltung demokratischer Strukturen im
Gegensatz zu eher patriarchalen, aber erfolgreichen
Strukturen, z.B. des Mallmanagements-, in der Hoffnung,
noch nicht zu spät zu kommen?
Sind in
diesem Zusammenhang belebte Innenstädte nicht eher als
ein Symbol zu verstehen für funktionierende
demokratische Strukturen, für politische Öffentlichkeit
und ein gesundes Gemeinwesen in Konkurrenz zu belebten
Shopping Malls und Vergnügungseinrichtungen am Rande der
Stadt, die wiederum als Symbol verstanden werden
können für passive Versorgungshaltung, politisches
Desinteresse und Abwendung von Umweltverantwortung?
Man experimentiert mit Konzepten, die ´neue-alte
Urbanität´ schaffen wollen, man experimentiert mit
unterschiedlichsten Bügerbeteiligungsverfahren, man
versucht Elemente aus funktionierenden Städten zu
kopieren und man wartet noch immer auf den Effekt.
Ist jedoch der Wunsch nach belebten Innenstädten
vielleicht schon obsolet und nicht mehr zeitgemäß?
Entspricht doch das städtische Leben heute viel eher
einer konsumorientierten und nicht mehr einer politischen
Öffentlichkeit.
Und wäre denn eine gestylte re-vitalisierte historische
Innenstadt letztlich nicht anders als eine Art Themenpark
zu verstehen und zu bewerten?
Selbstverständlich
lehnt man die Erscheinungen an den Stadträndern
zumindest im intellektuellen und professionellen Diskurs
ab. Man hofft einmal mehr auf Aufklärung, auf
Verantwortlichkeit der Bürger auch in Bezug auf
weiterreichende Umweltfragen, auf das demokratische
Konzept, auf Partizipation am Gemeinwesen und
wendet dementsprechend zunehmend die unterschiedlichsten
Verfahren an.
In den 70er Jahren wurde viel über politische
Konsequenzen eines partizipatorischen Planungsansatzes
geschrieben, doch dabei ist es im Wesentlichen auch
geblieben. Dienel (1972) z.B. forderte
bildungsplanerische Konsequenzen auf unterschiedlichen
Ebenen, Joedicke (1969) und Throll (1980) machten sich
Gedanken über die Einbettung entsprechender
Ausbildungsinhalte in Planer- und Architektenausbildung,
Dietze (1972) wies auf die unterschiedlichen Gefahren
bzw. potentiellen Fehlfunktionen einer
Institutionalisierung von Planung hin, Lauritzen (1972)
betonte die Notwendigkeit aktiver und vielschichtiger
Motivationsarbeit, Joerges (1972) wies auf das politische
Dilemma hin, daß grundsätzlich partizipatorische
Planung, soll sie denn nicht nur Entscheidungen festigen
und vermarkten, politisch eher Unsicherheiten maximiert
denn minimiert und somit grundsätzliche, paradigmatische
Änderungen einfordert, usw.
Betrachtet man sich die Landschaft, so scheinen diese
Autoren heute so aktuell wie damals. Der Boden für
partizipatorische Planung wurde (noch) nicht entsprechend
den Anregungen und Forderungen der genannten
spezialisierten Autoren gelegt.
Vielleicht wäre es tatsächlich progressiv, dies in
aller Konsequenz in Anbetracht eines neuen Jahrhunderts
anzugehen und umzusetzen. Vielleicht wären dann belebte
Innenstädte, symbolisch gesehen, wieder zeitgemäß?
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