From Outer Space: |
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10.
Jg., Heft 1 September 2006 |
___Heidi
Helmhold Köln |
Beau désordre – Raum und Begehren in der Libertinage |
Der
herrschaftsarchitektonische Diskurs des 18. Jahrhunderts ist getragen von
virtuos inszenierten „Behälterräumen“[1],
die containerartig aufgefüllt werden mit immer schon signierten Dingen und
immer schon signierten Menschen. Die Figuren der libertinären Phantasie
hingegen produzieren (den amourösen) Raum[2],
in dem sie agieren und sie produzieren (die sexuellen) Körper, mit
den sie agieren. Das heißt: Sie produzieren einen situativen,
nicht-euklidischen Raum IM gegebenen, euklidischen Raum. Sie
überwinden den disziplinierten gesellschaftlichen Körper durch Öffnung des
affektiv- aufgeladenen sexuellen Körper.[3]
Eine affektprogrammierte Gesamtsituation von Akteuren und Raum ‚baut’ dem
euklidisch-homogenen Raum eine eigene Architektur ‚ein’ und produziert damit
eine sinnlich-fassbare Gegen-Architektur.[4]
Zeitlichkeit, Materialität und emotionale Färbung ändern sich in diesen
affektmodellierten Gegen-Architekturen.
„En effect considérons une belle femme ... Nous ne pouvons donner un meilleur exemple ... C’est ici que l’ ´àme jout d’elle-même, se sensations tiennet de l’extase,[7]
„>Um den Begriff bildete sich eine kleine pornographische Legende< mokiert sich Henry Harvard anderthalb Jahrhunderte später und wirft den Romanciers vor, aus dem Boudoir >eine Art Schlachtfeld< gemacht zu haben.“[12]
„ The space of the eighteenth century, already politicized, already visual-geometric in character, and buttressed by painting and by monumental architecture (Versailles), thus suffered the onslaught of music. The onslaught stood also for the revenge of the body and the signs of the body upon the non-body and its signs...“[16]
„ ... wird der Habitus genannt, jenem Triebe nachzugeben, der uns die Sinnenlust verschafft; die Libertinage kennt keine Achtung vor den Sitten, doch ohne den Anschein zu geben, sich über sie hinwegzusetzen; ... sie ist ein Mittelding zwischen Wollust und Ausschweifung; ...“[22].
„Beau désordre there is analogous to erotic négligence where a suggestive but delicate indecency of pose or dress disguises itself as inattention. Such ‚negligence`was represented by novelists and playwrights throughout the eighteenth century. For example, the hero in Lamorlière’s 1746 play ‚Angola, histoire indienne ouvrage sans vraisemblance’ (einem der Haupttexte libertinärer Literatur, erg. H. H.) describes how his beloved received him in a fetching posture: she lounged carelessly, her coy dishabille allowing him to see some of her charms while increasing desire by hiding the others“[28]
„In pornography – with graphs of language – violence and eroticism are presented; in pornology – with the acts of speech – violence and eroticism are performed.“[32]
„Ausschweifung, Grausamkeit und Gewalt, sexuelle Tyrannei, Inzest und Folter, ... Perversion, vor allem mit Exkrementen. Die vier Helden weisen die für den Sadeschen Libertin so typischen Züge auf: sie sind kalt, zynisch, abgestumpft und ... manisch besessen vom Gedanken an den Plan, der bürokratischen Ordnung.“[35]
Der planhaften, bürokratischen Ordnung entsprechen die
Funktionen der einzelnen Raumkompartimete des Schlosses Silliny, in denen
die „120 Tage“ spielen. Die Räume dürfen nur zu bestimmten Zeiten für
bestimmte sexuelle Handlungen genutzt
werden. Zusammen mit dem Zeitplan war dies in den „Bestimmungen“
niedergelegt, gegen die nicht verstoßen werden durfte: „... und die vier
Freunde arbeiten ein Gesetzbuch aus, das nach Fertigstellung von ihnen
unterschrieben und den subjekten alsbald bekannt gemacht wurde.“[36]
Zeit und Raum wurden in einem bürokratischen Kontrollakt verwaltet[37]
und die eigentliche Ausschweifung findet innerhalb dieser gesetzten Grenzen
statt. Die Erzählung ihrerseits unterliegt in Anzahl der Personen,
Handlungen und Tagen einem festen Zahlenschema.[38]
Die Orte der Handlungen, die „sexuell Topographie“ verlagern sich dabei mehr
und mehr unter die Erde: „Das von der Außenwelt vollständig abgeschnittene Schloß Silliny – Sade legt Durcets Schloß in den tiefsten Schwarzwald, umgeben von einer 30 Fuß hohen Mauer und unüberwindlichen Schneemassen – ist voller Kammern, Nischen und dunkler Kabinette. Die Kapelle dient als Abort... Je heftiger die Demütigungen und Qual, umso tiefer runter in die Dunkelheit der Gruft, in die Erde. Diese symbolische Ambientation im Unterirdischen läßt sich in den meisten Texten Sades wieder finden ... in den 120 Tagen hat die Festungsvision besonderes Gewicht: die Handlung spielt nur an einem Ort, eben in dieser, einem Verließ gleichenden Todeszelle.“[39]
„... der Hauptort der wollüstigen Versammlungen ... verdient ... eine besondere kleine Beschreibung. Er war halbkreisförmig; im runden Teil befanden sich vier geräumige Nischen mit Spiegelwänden ... An der Wand, ..., war ein Thron... Er war für die Erzählerin, ... Zu Füßen des Throns waren Stufen, auf welchen sich die Objekte der Wollust aufhalten mussten, die man beizog, um zur Beruhigung der durch die Erzählungen hervorgerufenen Sinnesaufregungen zu dienen. Die Stufen des Thrones waren mit schwarzen, mit Goldfransen geschmückten Samtteppichen belegt...“[41]
„Aber die Verderbtheit, die Grausamkeit, der Abscheu, die Bosheit, alle diese voraussichtlichen oder bereits lebendigen Laster hatten einen andren Ort geschaffen, ... Ein fataler Stein ließ sich kunstvoll aus dem Boden des Altars jenes kleinen christlichen Tempels heben; ... man entdeckte hier eine sehr enge, steile Wendeltreppe, die auf dreihundert Stufen in die Eingeweide der Erde führte, in eine Art gewölbten, durch drei Eisentüren verschlossenen Kerker, in welchem sich alles befand, was die grausamste Kunst und die raffinierteste Barbarei an Schrecklichstem erfinden konnte, ...“[43]
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Abbildung 1: Jean-Honoré Fragonard, Die Schaukel, 1790, The Trustees of the Wallace Collection, London |
Der französische Genremaler Jean-Honoré Fragonard (1732-1806)[67]
referiert in seiner „Schaukel“ von 1790 eine solcherart Bemühen, visuell zum
begehrten Körperteil vorzudringen: In einer dichten Baumlandschaft sitzt die
à la mode–gekleidete Dame auf einer Schaukel, auf der sie soviel Schwung
bekommen hat, dass die Rockkaskaden einen luftigen Blicktunnel bilden.
Dessen Schneise vergrößert sie durch Hochwerfen des rechten Beines – das
Pantöffelchen fliegt durch die Luft. Der Galant liegt unter ihr im Gebüsch
und ist vom Einblick, ergriffen und errötet, bildwörtlich „umgehauen“ – die
Bekleidungsgewohnheit dieser Zeit sieht Unterwäsche, wie wir sie heute
kennen, noch nicht vor. Dieses Motiv wurde vom Auftraggeber, einem anonymen
Höfling, genauestens vorgegeben, er wollte die Beine seiner Mätresse sehen „und
gar mehr, wenn Sie ihr Bild noch anregender gestalten wollen“[68]
Der begehrte Körper wird nicht in delikater Nudität in Auftrag gegeben,
sondern erscheint in einem fragilen textilen Gehäuse. Dieses ist bewegt und
vor allem: bewegbar. Öffnungen und Zugänge zum Körper sind ermöglicht
– ein Hinweis auf verzögertes und inszeniertes Liebesspiel mit dem
Instrument eines textilen Körperraumes. „The decorative presentation of the body and the symbolizing of its sexual parts also subverts the superiority of the male generative principle posited in the phallocentric message ... Men and women together are ornamentalized abstractions to be enjoyed by the viewer. Their sexual organs are emphasized, multiplied, offered to the audience, but this imaginary dismemberment is enacted through the manipulation of symbols. Thus the beholder concentrates attention not on penises and vaginas but on grapes and baskets.“[70]
„... die Kleiderfalten (gewinnen) nicht durch ein einfaches Bemühen um Dekoration Autonomie und Weite, sondern dadurch, daß sie die Intensität einer ... Kraft ausdrücken, die auf den Körper wirkt, ... um ihn umzudrehen und das Innere daran zur Geltung zu bringen.“[71]
„... a body which coincides with the „shape“ and space of a psyche, a body whose epidermic surface bounds a pysical unity, a body which thereby defines the limits of experience and subjectivity, ...“[75]
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Abbildung 2: Jean-Honoré Fragonard (1732-1806) Das Blinde-Kuh-Spiel, Toledo Museum of Art, Ohio |
Ein verliebtes Paar mit sich und einem tändelnden Spiel beschäftigt, ist
keineswegs das, wofür man es auf den ersten Blick halten möchte: rein
dekorative Malerei einer belanglosen Thematik. Fragonard kennzeichnet mit
dem „Blinde-Kuh-Spiel“ nach Thomas Gaehtgens eine Neufassung des pastoralen
Schäfer-Schäferinnen-Spiels: Kein ideales Arkadien und kostbar gekleidete
Figuren in einem erträumten Arkadien. „Die Figuren scheinen von größerer Natürlichkeit und Lebendigkeit. Die Schäferinnen und Gärtner ... werden genrehaft alltäglich aufgefasst. Nicht Kostbarkeit und galantes Verhalten, sondern Zärtlichkeit und Liebesglück ... Die bukolisch literarische Gattung ist in eine jugendliche, heitere Scheinwelt gewandelt, die gleichwohl deutliche Züge gegenwärtigen Lebens trägt.“[78]
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Abbildung 3: Jean-Honoré Fragonard, Der Riegel, 1776/1779, Paris, Musée de Louvre |
Fragile Architekturen Ein Liebespaar – vor oder nach der Liebe: Der Mann zieht mit seiner Linken die Frau an sich und verriegelt mit der Rechten die Türe. Die Frau wehrt mit ihrer Rechten den Mann ab oder hält ihn zurück, während ihr rechter Fuß die Decken eines hinteren Bettes berühren, „ein Bett“, so in zeitgenössischer Beschreibung“, „dessen Unordnung auf das Resultat des Geschehens deutet“[80] Beau desordrè im gesamten Bildgeschehen: „ein zerwühltes Bett, ein umgestürzter Stuhl mit abgelegten Kleidern, eine umgefallene Vase, ein Rosenstrauß der auf dem Boden liegt“ [81] Das
Derangierte (künstlerisch in Achsen und Proportionen allerdings wohl
Komponierte) der Gegenstände wird verstärkt durch die verdrehte Draperie
über dem Bett, die wiederum ein Geschehen
schildert, das sich der Visualität entzieht: „In ‚The Lock’ the ‚beau
désordre`entices the viewer to imagine what is not seen and cannot be seen:
the preliminary events, the causes of the upheaval“[82] „Gegenüber diesen Heterotopien, die an die Speicherung von Zeit gebunden sind, gibt es Heterotopien, die im Gegenteil an das Flüchtigste, an das Vorübergehenste, an das Prekärste der Zeit geknüpft sind: In der Weise des Festes. Das sind nicht mehr ewigkeitliche, sondern absolut chronische Heterotopien. So die Festwiesen, diese wundersamen leeren Plätze an Rand der Städte, die sich ein- oder zweimal jährlich mit Baracken, Schaustellungen, heterogensten Objekten ... bevölkern“.[87]
„Am Anfang des sechsten Buches stellt Alberti dem Substanzbegriff des Schönen-Gerechten den ornamentum-Begriff zur Seite; er sagt: „Die Schönheit ist dem schönen Körper gleichsam zu eigen, und eingeboren ist sie ganz über ihn gebreitet. Das ornamentum aber hat eher die Natur eines von außen Angebrachtem und Hinzugefügten als die von etwas Eingeborenem.“ Das ornamentum ist ein vom Schönen verschiedener Begriff. Es befindet sich durch den Umstand, dass es von außen her zum Körper dazukommt, in einem theoretischen Gegensatz zum Schönen.“[90]
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Zajac, Marta,
The Feminine of Difference, Gilles Deleuze, Hélène Cixous and Contemporary
Critique of the Marquis de Sade, in: Kalaga, Wojcieh H. (Hg), Literary and
Cultural Theory, Vol.12, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2002 Abbildungsnachweis Abb. 1 Jean-Honoré Fragonard, Die Schaukel, 1790, The Trustees of the Wallace Collection, London, aus: Bailey, Conisbee, Gaehtgens, 2004, 17 Abb. 2 Jean-Honoré Fragonard (1732-1806), Das Blinde-Kuh-Spiel, Toledo Museum of Art, Ohio, aus: Bailey, Conisbee, Gaehtgens, 2004, 294 Abb. 3 Jean-Honoré Fragonard, Der Riegel, 1776/1779, Paris, Musée de Louvre, aus: Bailey, Conisbee, Gaehtgens, 2004, 313 [1] wie dieser bereits im 17. Jahrhundert mit Newton zur abstrakt-selbstständigen Größe erklärt worden ist. Löw 2001b, 214-215 [2] Der Begriff des Raumes ist im Folgenden unscharf und alternativ in drei Konnotationen verwendet. Erstens: Raum als homogene, einheitliche Größe, unveränderbar, statisch leer. Dies ist der Raum der euklidischen Geometrie – Dinge und Menschen befinden sich IN ihm. S. dazu Löw 2001a, 24-26 und 108-115. Zweitens: Der konstruierte Raum, in dem Menschen und Objekte in der Art ihrer Positionierung ein bestimmtes und aussagendes Gefüge bilden. S. dazu Lefebvre 1991, 169-228. Drittens: Raum als (Leib)-Körper, der in seinem Potential kultureller und sozialer Konstruktion ausgesetzt ist: „The body becomes a human body , a body which coincides with the „shape“ and space of a psyche ... that it becomes an integral part of or position within a social network, links to other bodies and objects“ Grosz 1992, 243-244 [3] Strategien von Körperinvestigationen sind wesentlicher Teil der libertinären Phantasie – der Körper will geöffnet und in seiner Affektmaskierung aufgebrochen werden. Siehe dazu Löw 2001b, 212 [4] Löw 2001a, 24-25 und 140-144 [5] Bezogen auf: „Ragionamenti“ (1534/38) oder den „I Modi“ (1525) des Pietro Aretino, de Sades „Justine, Die Philosophie des Boudoir“, „Die hundertzwanzig Tage von Sodom oder die Schule der Ausschweifung“, Jean-Charles Gervaise de Latouche „Geschichte des Dom Bougre“ (1740/1741), Jean-Baptiste d’Argens’ „Thérèse philosophe“ (1748), Memoirs of a Woman of Pleasure(1749), Honoré-Gabriel Riquetti Comte de Mirabeaus „Le Rideau levé, ou l’Education de Laure“, Michel Houellebecqs’ „Ausweitung der Kampfzone“ (1994) oder „Elementarteilchen“ (2000) und „Plattform (2001) Catherine Millets „Das sexuelle Leben der Catherine M.“ (2001) [6] Prange 1990, 156 [7] zitiert nach Prange 1990,156 [8] Böhme/Böhme, 1996, 17: „Indem Vernunft sich als Maß des Menschen setzt, bestimmt sie die Unvernunft als das Anormale. Ist sie das Medium der Gesundheit, so jene das der Krankheit; ist sie das Bild männlicher Beherrschtheit, so jene die Figur weiblichen Chaos;...“ „... von der Vernunft her gesehen ist es das Irrationale, ontologisch das Irreale, moralisch das Unschickliche, logisch das Alogische. Das Andere der Vernunft, das ist inhaltlich die Natur, der menschliche Leib, die Phantasie, das Begehren, die Gefühle – oder besser: all dieses, insoweit es sich die Vernunft nicht hat aneignen können.“ Böhme/Böhme 1996, 23 [9] Nierhaus1999, resp. 87-137 [10] Rossberg 1993, [11] s. dazu Kantorowicz 1994 [12] Rossberg 1993, 2. Wenn im textilintensiven Boudoir des 18. Jahrhunderts Mann und Frau gemeinsam Strategien der Liebeskunst ausbildeten, sie sich darin Partner von gesellschaftlicher Relevanz waren, dann wurde jetzt das Boudoir zu einem verdächtigen Ort der Sünde. Zunächst wurde das Möbel im Boudoir des 2. Rokoko monströs. Eine ‚wahre Flut von Draperien, Steppereien, Quasten, Fransen und dicken Polstern, ergießt sich nun über die konstruktive Form der Möbel und weichen diese regelrecht auf. (Rossberg, Bd. 2, 20-24) Das Boudoir wird voluminös und üppig, - es gab Riesenbetten, Riesenbouquets, Riesenlüster und der ganze Raum erhielt die Signatur von Undurchdringlichkeit, Geheimnis und Abgründigkeit. Das Boudoir wurde die nicht zu ergründende Liebesmuschel, die die Männer fängt, die mit sexuellen Ausschweifungen lockt, die sie anlockt und sie gleichzeitig darin aber auch verdirbt. Balzac spricht vom „Schlupfwinkel, für die Liebe“ (Rossberg 21-22), Baudelaire vom „Schlummer im Treibhaus“ und einem „Verlieren in der Höhle“ (Rossberg 23) In dem Maße, wie der Raum zum Schlund der Sexualität wird, in dem Maße wird die Frau zum Objekt der Betrachtung: Auf überdimensionalem Pouf in der Mitte des Raumes saß die Frau exponiert. Sie konnte zur Begutachtung umlaufen und von allen Seiten taxiert werden – Frau und Möbel werden eins, werden gemeinsam zum Objekt und konstruieren das ‚Andere‘ zum Mann, als das Objekt seiner Begierde. [13] „The 1780s and 1790s in France, later periods throughout Europe, witnessed the gradual demise of royal and aristocratic courts modeled on house-holds – in which female rulers, relatives, and mistresses played a recognized (if often limited) role – and the ascendancy of entirely masculine representative bodies. In other words, the male-female world of familial and sexual bonds represented by Versailles was overpowered by the all-male contractual universe of the revolutionary assemblies.“ Maza 1992, 64 [14] „Die Schaukel“, 1790, „Das Blinde-Kuh-Spiel“, 1750-1755, „Der Riegel“, 1776/1779 [15] Burke, Frankfurt 1995 [16] Henri Lefebvre, 1998, 284 [17] Norbert Elias,1990, 364-393 [18] Norbert Elias, ebd. 366 [19] Norbert Elias, ebd. 367 [20] Kein in der kunsthistorischen Fachliteratur geführter Terminus [21] Prange,1990, 15 [22] zitiert nach Prange, 1990, 11 [23] Prange 1990, 104 [24] Robert Darnton 1996, 8-9 [25] Sheriff 1990, 3 [26] Sheriff 1990, 5-6 [27] Gaehtgens 2004, 78-89 [28] Sheriff 1990, 129 [29] Hesse 1995, 402 [30] Zajac, 2002, 19 [31] s. zur feministischen Pornographie-Kritik: Darnton 1996, 20-28 [32] Zajac 2002, 19 [33] de Sade (1785), 1995 [34] Zajac 2002, 20-21 [35] Hesse 1995, 398 [36] de Sade (1785), 1990, 74 [37] de Sade (1785), 1995, 74-90 [38] Luckow 1990, 553-554. Siehe auch Cryle 1994 [39] Hesse 1995, 399 [40] de Sade (1785), 1995, 69 [41] de Sade (1785), 1990, 70 [42] de Sade (1785), 1990. 72-73 [43] de Sade (1785), 1990, 72-73 [44] Prange 1990, 108 [45] de Sade, (1785), 1990, 76 [46] Hier den Titel einer Rezension von Claus Pias zu einem Aufsatz von Jennifer Milam über Jean-Honoré Fragonard beleihend „Versuchsanordnung der Sinnlichkeit“, FAZ, 22.12.1998 [47] Houellebecq,1999, 48 [48] Hettche 2003, 106 [49] ders. a. a. O. 106 [50] ders, a. a. O Vom Anfang und Ende der Pornographie, 103-114 [51] a. a. O.,107 [52] ebda [53] Millet 2001, 115-161, 165-219 [54] Millet 2001, 188-189 [55] Millet 2001, 175 [56] Houellebecq 2002, 182 [57] de Sade, (1797), 1995, 401 [58] Darnton 1996, 29 [59] Löw 2001b, 212 [60] Prange 1990, 40-53 [61] zitiert nach Prange 44 [62] Honorè-Gabriel Riquetti Comte de Mirabeau, Der gelüftete Vorhang oder Lauras Erziehung, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1971, 40-41 [63] cf. Prange 1990, 57 zu Nicolas Choriers „L’academie des Dames. Die Intensität von Lust, so das Ergebnis einer zeitgenössischen Untersuchung des Chirurgen de Lignac, sind allerdings beim Mann aufgrund des langen „Gefäßes“ seines Sexualorganes ungleich größer als bei der Frau. S. dazu Prange 1990, 45 [64] Deleuze 1995, 197 [65] Latouche (1740/1741)1996, 123/124 [66] Cleland, (1749), 1980,156 [67] wie mit ihm Boucher, Watteau und Chardin, s. dazu Bailey 2004a [68] Bailey 2004b 16 [69] Sheriff 1990, 1-9, 50-54, 65-73 [70] Sheriff 1990, 112 [71] Deleuze 1995, 198-199 [72] so werden ab 1800 geschlechtsspezifische Rollenzuweisungen mit Begründungen von männlich-weiblichen Eigenschaften konstruiert. Darin ist die Frau für das ‚Interieur’, für die Ausschmückung des Innenraumes zuständig – (Raum hier verstanden als der zu füllende Behälterraum. Anm. H. H.). siehe dazu Rossberg, 1998, 163-169 [73] siehe dazu: Tisseron-Papetti, 1988, 84 [74] Grosz 1992, 85 [75] Grosz 1992, 244 [76] Deleuze 1995, 141 [77] Deleuze 1995, 142 [78] Gaethgens, in: Bailey 2004, 294 [79] Grosz 1992, 85 [80] Schieder 2004, 310 [81] Schieder 2004, 310 [82] Sheriff 1990, 130 [83] Beatriz Colomina beschreibt solcherart kontrollierende Sichtschneisen für das Haus Müller von Adolf Loos: „In the Müller house, for instance, the sequence of spaces, articulated around the staircase, follows an increasing sense of privacy from the drawing room, to the dining room and study, to the „Lady’s Room (Zimmer der Dame“) with its raised sitting area, which occupies the center, or “heart,” of the house. But the window of this space looks onto the living space. Here, too, the most intimate room is like a theater box, placed just over the entrance to the social spaces in this house, so that any intruder could easily be seen. … Suspended in the middle of the house, this space assumes both the character of a “sacred” space and of a point of control”. In: Beatriz Colomina, Sexuality & Space, [83] Beatriz Colomina beschreibt diese kontrollierenden Sichtschneisen für das Haus Müller von Adolf Loos: „In the Müller house, for instance, the sequence of spaces, articulated around the staircase, follows an increasing sense of privacy from the drawing room, to the dining room and study, to the „Lady’s Room (Zimmer der Dame“) with its raised sitting area, which occupies the center, or “heart,” of the house. But the window of this space looks onto the living space. Here, too, the most intimate room is like a theater box, placed just over the entrance to the social spaces in this house, so that any intruder could easily be seen. … Suspended in the middle of the house, this space assumes both the character of a “sacred” space and of a point of control”. In: Colombina 1992, 79 [84] hierauf gibt die Ikonographie der Baumaterialien aufschlussreiche Hinweise. S. dazu: Raff, 1994 [85] Michel Foucault, 1990 [86] Foucault, 1990, 38-41 [87] Foucault 1990, 44 [88] eine ebenfalls affektgenerierte Erscheinung, die eigene Formen von Architektur in der Urbanität ausbildete. Die Verfasserin bereitet dazu eine Publikation „Emotionengenerierte Raumgefüge – zu einer Architektur der Schwäche“ vor. [89] So schreibt Heiner Mühlmann in seiner Abhandlung zur ästhetischen Theorie Albertis in Kap. 9 zur ‘Inventio und die ästhetische Wirkung der Rede, das ornamentum’’: „Gegenstand der inventio ist nicht nur das dialektische Problem der Rede, sondern ebenso deren ästhetische Außenseite. Wie schon erwähnt ist das Stichwort elocutio, unter dem die Sprachästhetik in der Rhetorik behandelt wird, und innerhalb der elocutio ist es insbesondere das decorum-Prinzip, unter das die sprachliche Wirkungsregel eingeordnet wweswn. Decorum bzw. aptum, „prepon“, fragt nach der Angemessenheit der sprachlichen Schmuckmittel (ornamenta), die dem Redeinhalt schmückend hinzugefügt werden.“ Mühlmann, 1981, 67 [90] Mühlmann 1981, 37, darin das Zitat aus Alberti in: Leon Battista Alberti, De re aedificatoria libri decem, Erstdruck Florenz 1485, zitiert nach der kritischen Ausgabe von Giovanni Orlando, Milano 1966, f93v: ... arbitror, pulchritudinem quasi suum atque innatum toto esse perfusum corpore, quod pulchrum sit: ornamentum autem afficiti et compacti naturam sapere magis quam innati. (Hier zitiert nach Mühlmann 1981, 80, Anm. 1 [91] „Die Projekte von Herzog et de Meuron zeugen von einem ungeheuren Bemühen ... um die Konstruktion von Oberflächen als herausragenden Elementen der Architektur. Über jede konstruktive oder räumliche Gestaltung hinaus wir die Hülle ihr Hauptforschungsgebiet“ Zaera, 1995, 98 [92] s. dazu Harather, 1995 [93] s. dazu: Gottfried Semper, Das Prinzip der Bekleidung in der Baukunst, in: Gottfried Semper, Der Stil, 1, Textile Kunst, Frankfurt 1860, faksimilierter Nachdruck: Mittenwald 1977, Viertes Hauptstück, § 59, 217-231; Gottfried Semper, Die Vier Elemente der Baukunst, Ein Beitrag zur vergleichenden Baukunde, Braunschweig, 1851, in: Heinz Quitzsch, Gottfried Semper – Praktische Ästhetik und politischer Kampf, Braunschweig/Wiesbaden, 1981, 119-228 (als faksimilierter Nachdruck der Vieweg-Fassung von 1851), resp. 176-182; zum Funktionalismus: Sebastian Müller, Kunst und Industrie, Ideologie und Organisation des Funktionalismus in der Architektur, München 1974 (=Kunstwissenschaftliche Untersuchungen des Ulmer Vereins für Kunstwissenschaft 2, Hg. Bredekamp u. a.), resp. 17-27
[94]
Derrida 1988, 223-224 |
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