From Outer Space:
Architekturtheorie außerhalb der Disziplin

10. Jg., Heft 1
September 2006
   

 

___Heidi Helmhold
Köln
  Beau désordre
Raum und Begehren in der Libertinage

 

   

Der herrschaftsarchitektonische Diskurs des 18. Jahrhunderts ist getragen von virtuos inszenierten „Behälterräumen“[1], die containerartig aufgefüllt werden mit immer schon signierten Dingen und immer schon signierten Menschen. Die Figuren der libertinären Phantasie hingegen produzieren (den amourösen) Raum[2], in dem sie agieren und sie produzieren (die sexuellen) Körper, mit den sie agieren. Das heißt: Sie produzieren einen situativen, nicht-euklidischen Raum IM gegebenen, euklidischen Raum. Sie überwinden den disziplinierten gesellschaftlichen Körper durch Öffnung des affektiv- aufgeladenen sexuellen Körper.[3] Eine affektprogrammierte Gesamtsituation von Akteuren und Raum ‚baut’ dem euklidisch-homogenen Raum eine eigene Architektur ‚ein’ und produziert damit eine sinnlich-fassbare Gegen-Architektur.[4] Zeitlichkeit, Materialität und emotionale Färbung ändern sich in diesen affektmodellierten Gegen-Architekturen.

Dem repräsentativen hochkulturellen Raumdiktat des 18. Jahrhunderts werden Gegenräume eingeschrieben:

  • Körperraum: Leib-Körper, die erkundet und liebestechnisch instrumentiert werden.
  • Un-Orte: Niederkulturell konnotierende Orte von Schmutz, verweilunfreudige Passagen.
  • Schwache Architektur: Textilintensive Räume, deren Materialien statisch nicht verlässlich und nicht geschichtsfähig sind.


Das Boudoir

Bei der Sichtung der von mir ausgewählten Literatur[5] ist auffällig, dass die Figuren sich mehr für die Choreographie ihres Settings und für die sexuellen Körper selbst interessieren als dass die Gestaltung des Raumes, in dem sich diese Settings vollziehen – zum Beispiel das Boudoir – Beschreibung finden würden. Damit ist nicht gemeint, dass es im historischen wie zeitgenössischen Roman libertin überhaupt keine Hinweise auf Raumgestaltung geben würde. Im  zeitgenössischen Roman libertin – etwa bei Catherine Millet – sind diese in Hinsicht auf Raumproduktion aussagelos – das heißt: die beschriebenen Interieurs schildern Raum ausschliesslich als Behälter von Dingen. Im historischen Roman libertin konkordieren diese Hinweise prototypisch mit „Schöner-Wohnen-Ratgebern“ zur Ausstattung von Boudoirs, wie sie etwa vom zeitgenössischen Architekten Le Camus de Mézieres in seinem Werk Le génie de l’architecture ou l’analogie de cet art avec nos sensations“ gemacht worden sind und wie sie ebenfalls den Containerrraum mit Dingen, resp. Nuditäten, anfüllen[6]. De Méziere geht in seinem Ratgeber so weit, das Boudoir als Analogon zum Körper der Frau zu beschreiben:
 

En effect considérons une belle femme ... Nous ne pouvons donner un meilleur exemple ... C’est ici que l’ ´àme jout d’elle-même, se sensations tiennet de l’extase,[7]


Diese Konstruktion von Weiblichkeit, worin die Frau eine geschlechtsspezifische Zuständigkeit für  Verführungskunst und den ‚Dekor’ für Liebe erfährt – als Erscheinungsformen des Irrationalen innerhalb der ‚Demarkierungsprozesse’ (Böhme/Böhme) dessen, als was (männliche) Vernunft sich nicht versteht[8] -  findet endgültig im 19. Jahrhundert ihre determinierte Verräumlichung, wie Irene Nierhaus[9] und Anne Katrin Rossberg[10] gezeigt haben.

Im 17. Jahrhundert hingegen gibt es in der Feudalarchitektur männliche und weibliche Wohntrakte, die dem Rang nach gesellschaftlich gleichwertig waren. Das Boudoir ist darin nicht das Schlafzimmer und nicht der Salon, sondern zu dieser Zeit eine Zwischengestalt von beidem. Zwischen Intimität und Öffentlichkeit empfängt hier die Erste Dame des Hofes oder der Aristokratie die Society und vollzieht damit das Ankleiden als öffentlichen Akt – ein tägliches Ritual zur Re-Konstituierung der Macht – wie es am Königshof zur zweimal täglichen Routine gehört [11] – flankiert von Gesprächen zur gesellschaftlichen und politischen Lage. Die Kultur dieses Ortes mag an die wenigen Quadratmeter des realen Raumes des Boudoirs gebunden gewesen sein, in ihrer Wirkung jedoch bestimmte sie Politik und Geschichte. Der Eros von Macht führte über den Eros des Boudoirs, die ‚Fabrication‘ von beiden fand im Frauenzimmer statt: Ankleiden, Schminken, Frisieren, Baden, Beduften waren ein quasi-öffentlicher Akt, bei dem die Frau Zuschauer hatte, bzw. haben musste, weil Machtkonstellationen hier angebahnt und ausgehandelt werden wollten. Die sexuell-verführende Konnotation des Boudoirs ist weitestgehend in der literarischen Produktion des 19. Jahrhunderts konstruiert worden:
 

>Um den Begriff bildete sich eine kleine pornographische Legende< mokiert sich Henry Harvard anderthalb Jahrhunderte später und wirft den Romanciers vor, aus dem Boudoir >eine Art Schlachtfeld< gemacht zu haben.“[12]


Die hier verfolgte Fragestellung richtet sich jedoch weder auf den Dekor noch auf die geschlechtsspezifische Gestaltung eines gesellschaftlichen Boudoirs im Ancien Régime. Letztere Fragestellung würde auch nur bedingt greifen, da erst nach der Französischen Revolution die Zuschreibungen an diesen Ort als einen explizit ‚weiblichen’ gemacht werden.[13] Vielmehr werden die drei Beschreibungen von Gegenräumlichkeit – Un-Ort, KörperRaum und Schwache Architektur – aufgesucht und in ihrem ästhetischen Potential an „gegenkultureller Reizbarkeit“ beschrieben. Als Quellen dienen dabei die unter Fußnote 5 befragten Beispiele des Roman libertin so wie drei Bildbeispiele aus dem Oevre von Jean-Honoré Fragonard.[14]

Visualität und Affektmaskierung
Architektonischer Raum wird im 18. Jahrhundert von einem geometrisch-abstrakten Herrschaftsdiskurs geprägt, in dem die Visualität vorherrschend ist. Mittels dieses Diskurses wird Raum als Herrschaft in gigantischen multi-medialen Inszenierungen zelebriert und darin als Instrument sozialer und politischer Zweckmäßigkeit aufgebaut und verfestigt.[15] Als künstlerisches Ausdrucksmedium innerhalb der Repräsentationskultur, der ‚fabrication’ von Macht wie Peter Burke sie nennt, gewinnt in dieser Zeit die Musik an Bedeutung, die auf  Basis physikalischer und mathematischer Erkenntnissen zu einer komplexen Disziplin entwickelt worden ist.

Henri Lefebvre nun stellt in „Production de l’espace“ die Dominanz von Visualität in einen markanten Zusammenhang mit der Musik, „the pilot of the arts“:
 

„ The space of the eighteenth century, already politicized, already visual-geometric in character, and buttressed by painting and by monumental architecture (Versailles), thus suffered the onslaught of music. The onslaught stood also for the revenge of the body and the signs of the body upon the non-body and its signs...“[16]


Determinierung des gesellschaftlichen Körpers, wie er von jedem Mitglied des Hofes und der Aristokratie im vestimentären wie gestischen Habitus artikuliert wurde, ist schon von Elias als „Affektmaskierung“[17] bezeichnet worden. Er bezieht dies auf Liebesbeziehungen, wie sie im höfischen 18. Jahrhundert in hohem Maße durch gesellschaftliche Normativität bestimmt waren.[18] Elias zeigt das Bemühen der höfischen Gesellschaft um gesteigerte Selbstkontrolle paradigmatisch am Roman  „L’Astrée“, der in den ersten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts bereits in die höfischen Zirkel Eingang fand und in der Folgezeit ein höfisches Bedürfnis nachhaltig prägte: Das der  Affektmaskierung.
Der Verfasser des Romanes „L’Astrée“, Honoré d’Urfé, beschreibt im Stile eines ‚roman sentimentale’ als Beteiligter im Umbildungsprozess des Adels – von einem naturalwirtschaftlichen Krieger- und Gutsherren-Adel zu einem geldwirtschaftlichen höfischen Adel – das Konfliktpotential dieser Entwicklung: Einübung von Selbstdisziplinierung und kultureller Verfeinerung bei gleichzeitiger Überwindung von Herrschaftskontrolle und höfischer Fremdüberwachung.[19]

Roman libertin – Peinture erotique[20]
Affektmaskierung, Selbst- und Fremdkontrolle wie Körpernegierung in der christlichen Sexualethik haben im 18. Jahrhundert zur Ausbildung einer Literatur der erotischen Aufklärung geführt: Dem Roman libertin. Peter Prange bezeichnet diese als „Wirklichkeit einer Fiktion“[21] und in der Tat ist sie nicht zu verwechseln mit der gelebten Realität des höfischen 18. Jahrhunderts. Als Fiktion schildert sie Sehnsüchte und Glücksvorstellungen.

Libertinage, so eine enzyklopädische Definition von 1765:
 

„ ... wird der Habitus genannt, jenem Triebe nachzugeben, der uns die Sinnenlust verschafft; die Libertinage kennt keine Achtung vor den Sitten, doch ohne den Anschein zu geben, sich über sie hinwegzusetzen; ... sie ist ein Mittelding zwischen Wollust und Ausschweifung; ...“[22].


Der extremste Vertreter des Roman libertin ist Marqis de Sade – extrem im „Ersetzen der Nächstenliebe durch den Nächstenmord“[23] – aber das Genre der erotisch-pornographischen Literatur eine ältere und damit reiche Gattung. Es kann mit Aretinos „Ragionamenti“ von 1536 in seinem Bemühen, gegen konventionelle Moral zu verstoßen, bereits ins 16. Jahrhundert datiert werden und hat in der Sammlung pornographischer Werke in der Pariser Bibliothèque Nationale Mitte des 19. Jahrhunderts eine eigene Abteilung erhalten – „Enfer“ (Hölle) – die im Jahre 1978 insgesamt 1730 Titel listete, woran zu ermessen ist, welch eine Produktion so genannt anstößiger Werke über die Jahrhunderte bestanden haben muss.[24]

In der Malerei des Franzosen Jean-Honoré Fragonard (1732-1806) ist ein Oevre frivoler Bildthemen entstanden, dessen ‚Liebesszenen á la mode’ für ein galantes Genre von Malerei stehen. Zu Lebzeiten darin nicht immer un-umstritten, wurde Fragonard in Nachrufen gewürdigt: Berühmt im anmutigen und erotischen Genre, erfolgreich in eleganten und erotischen Genre und assoziiert mit der Erscheinung von Anmut.[25] Im kunsttheoretischen Diskurs seiner Zeit fand seine Kunst wenig Gnade: Diderot lehnte sie als manieriertes, die Moral korrumpierendes Vergnügen ab und für Rousseau war diese ‚Kunst des Luxus’ moralisch verwerflich, falsch im Sinne eines naturhaft ‚Wahren’.[26] Die heutige Forschung hingegen würdigt die Genremalerei des 18. Jahrhunderts, weil diese das Interesse der Zeit an sozialer Wirklichkeit zeigt: Einfache Bildthemen, Gesellschaften, Feste in der Landschaft, aber auch Liebe, Leidenschaft und Eifersucht wurden in den Salons in ihrer Lebensbejahung geschätzt und als Sammlerstück den pädagogisierenden Historienbildern vorgezogen.[27] Mary D. Sheriff hat in ihrer Studie zu Fragonard die Kategorien ‚beau désordre’ und ‚négligence’ herausgearbeitet. Diese beziehen sich auf die bildliche Gestaltung des Sujets wie auf den malerischen Stil – eine arrangierte Unordnung der Bildgegenstände, das Ungefähre an Haltung und Zweideutigkeit wie ein ‚schneller’ nachlässiger Pinsel konkordieren mit der Affektgeladenheit der Bildthemen. Béau désordre bezieht sich auch auf den affektmodellierten Raum, wie zu zeigen sein wird, ganz allgemein aber folgert Mary D. Sheriff:
 

„Beau désordre there is analogous to erotic négligence where a suggestive but delicate indecency of pose or dress disguises itself as inattention. Such ‚negligence`was represented by novelists and playwrights throughout the eighteenth century. For example, the hero in Lamorlière’s 1746 play ‚Angola, histoire indienne ouvrage sans vraisemblance’ (einem der Haupttexte libertinärer Literatur, erg. H. H.) describes how his beloved received him in a fetching posture: she lounged carelessly, her coy dishabille allowing him to see some of her charms while increasing desire by hiding the others“[28]



Un-Orte
Das Boudoir als Gegenraum wird in den von mir gesichteten Lektüren des Roman libertin bis auf eine Ausnahme nicht konstruiert: ln de Sades „Philosophie im Boudoir“ spielt es eine prominente Rolle. Hier ist es das pädagogische Zimmer für eine Liebeskunst, die von Frauen für Frauen choreographiert wird. In diesem – einen – Raum werden sexuelle Phantasien geboren und umgesetzt: „Die Dimensionen weiten sich ... die Phantasie triumphiert[29] Ein wesentliches Merkmal der Libertinage wird hier deutlich: Ihr bühnenhafter Charakter: Fiktionen, die den Liebesakt im Sinne einer Performance Art vollziehen lassen, dem ein Regelwerk, eine bedingte Öffentlichkeit und Maitre de plasir eigen sind. Marta Zajac markiert in ihrer Arbeit „The Feminine of Difference“ mit Gilles Deleuze das Denken de Sades als ‚Pornology’, dies in Absetzung zur Pornogaphie.[30] Auch wenn sie darin letztlich männliches Dominanzverhalten als „omnipotence of the word and its potential for a mastery over the body“[31] entlarvt sieht, analysiert sie eine wesentliche Unterscheidung zwischen beiden:
 

„In pornography – with graphs of language – violence and eroticism are presented; in pornology – with the acts of speech – violence and eroticism are performed.“[32]


Libertinäre Imagination ist immer auch Bühnenraum, worin das immergleiche Begehren in immer wieder neuen Choreographien als Erzählung zur Umsetzung kommt. So grausam die sexuellen Praktiken, Folterungen und Erniedrigungen in de Sades „120 Tage von Sodom – die Schule der Ausschweifung“[33] auch sind – die Opfer selbst bleiben stumm und Sprache, Erzählung übernimmt die (porno)logische Rede: „Language itself becomes the site of erotic power“, das heißt nach Zajac, dass die Opfer sadistischer Gewalt und „the eloquent master“ in Polarität zueinander geraten.[34] In diesem Werk, während langjähriger Haftzeit verfasst, ist der Sadismus von de Sade ausgeformt:
 

„Ausschweifung, Grausamkeit und Gewalt, sexuelle Tyrannei, Inzest und Folter, ... Perversion, vor allem mit Exkrementen. Die vier Helden weisen die für den Sadeschen Libertin so typischen Züge auf: sie sind kalt, zynisch, abgestumpft und ...  manisch besessen vom Gedanken an den Plan, der bürokratischen Ordnung.“[35]

 

Der planhaften, bürokratischen Ordnung entsprechen die Funktionen der einzelnen Raumkompartimete des Schlosses Silliny, in denen die „120 Tage“ spielen. Die Räume dürfen nur zu bestimmten Zeiten für bestimmte sexuelle Handlungen genutzt werden. Zusammen mit dem Zeitplan war dies in den „Bestimmungen“ niedergelegt, gegen die nicht verstoßen werden durfte: „... und die vier Freunde arbeiten ein Gesetzbuch aus, das nach Fertigstellung von ihnen unterschrieben und den subjekten alsbald bekannt gemacht wurde.[36] Zeit und Raum wurden in einem bürokratischen Kontrollakt verwaltet[37] und die eigentliche Ausschweifung findet innerhalb dieser gesetzten Grenzen statt. Die Erzählung ihrerseits unterliegt in Anzahl der Personen, Handlungen und Tagen einem festen Zahlenschema.[38] Die Orte der Handlungen, die „sexuell Topographie“ verlagern sich dabei mehr und mehr unter die Erde:
 

„Das von der Außenwelt vollständig abgeschnittene Schloß Silliny – Sade legt Durcets Schloß in den tiefsten Schwarzwald, umgeben von einer 30 Fuß hohen Mauer und unüberwindlichen Schneemassen – ist voller Kammern, Nischen und dunkler Kabinette. Die Kapelle dient als Abort... Je heftiger die Demütigungen und Qual, umso tiefer runter in die Dunkelheit der Gruft, in die Erde. Diese symbolische Ambientation im Unterirdischen läßt sich in den meisten Texten Sades wieder finden ... in den 120 Tagen hat die Festungsvision besonderes Gewicht: die Handlung spielt nur an einem Ort, eben in dieser, einem Verließ gleichenden Todeszelle.“[39]


Der Hermetik des Ortes entspricht die ‚Verlorenheit’ des Ortes – nachdem alle Beteiligten am Schloss eingetroffen waren, wurden die Brücken abgeschlagen und Fenster wie Türen vermauert – in der jede sexuelle Handlung einem determinierten Raum zugeschrieben war, dessen Lokalisierung für die Opfer schwieriger, dessen Ausstattung kruder und unwürdiger wurden. Zunächst wurden die Phantasien, die jeweiligen Settings der Ausschweifungen, jedoch von einer thronenden Erzählerin vorgetragen. Dies geschah in einem Versammlungszimmer „das war sozusagen das Schlachtfeld der projektierten Kämpfe, der Hauptort der wollüstigen Versammlung“[40] Die Erzählerin ist kraft des Textes die erotische Akteurin – die Ausstattung des Versammlungszimmers boudoirartig:
 

„... der Hauptort der wollüstigen Versammlungen ... verdient ... eine besondere kleine Beschreibung. Er war halbkreisförmig; im runden Teil befanden sich vier geräumige Nischen mit Spiegelwänden ... An der Wand, ..., war ein Thron... Er war für die Erzählerin, ... Zu Füßen des Throns waren Stufen, auf welchen sich die Objekte der Wollust aufhalten mussten, die man beizog, um zur Beruhigung der durch die Erzählungen hervorgerufenen Sinnesaufregungen zu dienen. Die Stufen des Thrones waren mit schwarzen, mit Goldfransen geschmückten Samtteppichen belegt...“[41]


De Sade lässt seine Schilderungen in einem Ambiente beginnen, das den schon erwähnten Einrichtungsempfehlungen eines lustbetonten Raumes styleguide-artig entsprechen könnte. Interessanterweise platziert er in eben diesem Raum die „Rede“, den erzählten Text dessen, was als körperschindende libertinäre Praxis folgen soll. Diese führt in gradueller De-Ästhetisierung der Räume – über eine „sehr enge, steile Wendeltreppe“ [42] ins Kryptische, ins Unterbewusstsein christlich-kultureller Architektur – unter den Boden des Altarraumes der Schlossraumes – und damit zeichenhaft in die Gegen-Architektur einer glänzenden, oberflächenintensiven Architektur des Ancien Régime:
 

„Aber die Verderbtheit, die Grausamkeit, der Abscheu, die Bosheit, alle diese voraussichtlichen oder bereits lebendigen Laster hatten einen andren Ort geschaffen, ... Ein fataler Stein ließ sich kunstvoll aus dem Boden des Altars jenes kleinen christlichen Tempels heben; ... man entdeckte hier eine sehr enge, steile Wendeltreppe, die auf dreihundert Stufen in die Eingeweide der Erde führte, in eine Art gewölbten, durch drei Eisentüren verschlossenen Kerker, in welchem sich alles befand, was die grausamste Kunst und die raffinierteste Barbarei an Schrecklichstem erfinden konnte, ...“[43]


Dem repräsentativen Architekturdiskurs des Ancien Régimes wird hier ein dunkler, verworren-bedrohlicher Raum- und Architekturdiskurs entgegengesetzt. In den euklidischen Behälterräumen des Schlosses Silliny werden (libidinös-gewalthafte) chaotische Raumsituationen produziert, mit denen de Sade den „kleinen Tod“ des Orgasmus in den „großen Tod“ einer Selbstexekutierung von Lust münden lässt. Was im Subtext eine beißende Kritik am politischen und theologischen Regime am Vorabend der Revolution ist – „Der sexuelle Höhepunkt wird zum Ausdruck der Wut des in den Ketten der Zivilisation gefangenen Individuums, Orgasmus und Kulturkritik sind zwei Symptome desselben Leidens“[44] markiert jedoch schon in den Bestimmungen des Settings ein Merkmal von Gegenräumlichkeit: Die „Überschreibung“ eines mit hochkulturellen Zeichen besetzten Raumes, der Kapelle des Schlosses, mit der niederkulturellen Nutzung als Kloake: „Ebenso ist es streng verboten, anderswohin zur Seite zu gehen, als in der Kapelle, die für diesen Zweck bestimmt und hergerichtet ist ...“[45] Der Gegenraum der Ausschweifung ist zwar der euklidisch „Behälterraum“, seine Topographie jedoch ist nach unten gebaut und zum kulturellen Un-Ort umgeformt worden.



Räumliche Versuchsanordnungen von Sinnlichkeit[46] – Raum im zeitgenössischen Roman libertin

Es gibt eine zeitgenössische libertinär-analoge Literatur, die sowohl die „Criticality“ eines de Sade in die heutige Zeit umformt (Houellebecq) wie aber auch Merkmale libertinärer Raumwahrnehmung perpetuiert (Millet). Folgt man Michel Houellebecqs Analyse, dass das sexuelle Begehren in einer Zeit des unendlich anpassungsfähigen Individuums zu einem ökonomischen Tauschwertfaktor geworden ist –
 

 „...was das Liebesleben betrifft, waren die Parameter des sexuellen Austauschs lange Zeit dem System einer lyrischen, impressionistischen, unzuverlässigen Beschreibung verpflichtet. Auch hier waren es die USA, die den ersten ernsthaften Versuch unternahmen, Standards zu definieren (Alter, Größe, Gewicht, Taille, Hüft-, und Brustumfang bei der Frau; Alter, Größe, Gewicht, Umfang des erigierten Gliedes beim Mann) wurde zunächst durch die Pornoindustrie unters Volk gebracht ... Während die vereinfachte ökonomische Hierarchie lange Zeit auf sporadischen Widerstand stieß (Bewegungen zugunsten „sozialer Gerechtigkeit“), wurde die als natürlicher empfundene erotische Hierarchie bemerkenswert schnell verinnerlicht und war von vornherein Gegenstand eines breiten Konsens“[47]


dann wird Erotik als eine Kunst des Begehrens verdrängt von Sexualität als Währung in einem System von  Marktwerten: „Es bleibt die sexuelle Gier die Münze, in die alle Gefühle konvertiert werden“[48]. Die „unzuverlässigen Beschreibungen“, wie Houellebecq die historischen Ausdrucksformen von Lust, Begehren und sexueller Sehnsucht bezeichnet, werden in warentaugliche Bilder umgesetzt und in visuellen Konkretionen vermarktet.

Die Kunst der erotisch-libertinären Phantasie mit all ihren Ambivalenzen – einschließlich dem Erfinden von Wort- und Blickchoreographien oder von Spielregeln der Liebesakte – war als literarische Gattung kaum noch anzutreffen.[49] Thomas Hettche listet jedoch im Anhang der von ihm 2003 neu edierten „Modi“ von Pietro Aretino eine Reihe neuerer französischer Romane zur „literarischen Verhandlung des sexualisierten Körpers“[50] auf und in der Tat kann man hier davon sprechen, dass Sexualität nicht mehr dargestellt wird als der „utopische Fixpunkt“ als „dem großen Versprechen, das sich nicht erfüllen darf[51] sondern Körper und Sexualität werden selbst in ihrer Existenz dargestellt[52]. Das bedeutet auch – so am Beispiel von Catherine Millets Roman „Das sexuelle Leben der Catherine M.“, der im Jahre 2001 mit hohem Skandalwert erschienen ist – dass die jeweiligen sexuellen Erlebnisse als Text, als Erzählung mitgeteilt, aufgelistet, ausgewertet wird. Sexuellen Phantasien fungieren als eine Art Drehbuch für jeweilige Arrangement, sie werden performt und reflektiert.

Damit knüpft diese neuere Veröffentlichung an die Tradition des Roman libertin, dem literarischen Instrument der erotischen Aufklärung im Frankreich des 18. Jahrhunderts an. In ihr wird rauschhafter, ungezügelter wie geplanter, bühnenhaft entworfener Sex reflektiert. Catherine Millet ist darin präzise in ihren Beobachtungen zum Raum. Zwei Kapitel – „Der Raum“ und „Der geschlossene Raum“ – schildern öffentliche und nichtöffentliche Plätze und Orte, an denen Settings von heftigen und ausgiebigen Sex stattfinden.[53] Aber es sind gerade die nicht und erotisch „dekorierten“ boudoirartigen Räume, mit denen gemeinhin der intime Ort von Sexualität assoziiert wird. Es sind Parks, Ausfallstraßen, an denen bspw. eine Gruppe von Männern, mit denen Catherine M. Sex hat, grell von den Autos beleuchtet wird. Es sind Büro oder Archivräume, Fahrerkabinen von Lastwagenfahrern, oder die vermüllte und verschmutzte Wohnung eines Mannes, mit dem sie Sex hat – inspiriert von einer kindlichen Phantasie:
 

„Eine Bedeutung des Wortes „Raum“ ist Leere. Verwendet man das Wort ohne Zusatz, weckt es vorrangig die Vorstellung eines Himmels oder einer Wüste, der enge Raum hingegen ist fast automatisch ein voller Raum. Wenn ich Verlangen habe, den weiten Horizont zu schauen, versetze ich mich in meiner Fantasie gerne in die Kammer für die Mülleimer, meist jenes Hauses, wo ich als Kind wohnte. Mit dem Rücken an der Wand lasse ich mich zwischen Mülleimern aus geriffeltem Blech von einem Mann nehmen, der aus diesem Anlass gerade einen Eimer voller Abfälle herunterbringt. Ich habe diese Fantasie noch nie ausgelebt, aber ich besuche regelmäßig einen Mann, der in einer solchen Rumpelkammer und in einem solchen Dreck lebte, dass die Vorstellung des Mülleimers sicherlich einen Platz in seinem Unterbewusstsein einnahm. Er war ein Schöngeist, ein klar denkender und gesetzter Theoretiker mit gepflegter Ausdrucksweise“[54]


Nicht alle koitalen Räume der Catherine M. haben eine Affinität zum Schmutz und zum geruchsintensiven Müll, entscheidend an dieser und anderen Beschreibungen aber ist der Bezug zum Un-Ort, zur Heterotopie, quer zu ihrer gemeinten Funktion und darin das Verlangen stillend „einen weiten Horizont“ zu schauen, den gegeben Raum im sexuellen Erleben affekthaft zu sprengen und in der Phantasie neu zu besetzen.

Den Un-Ort erster sexueller Erfahrung beschreibt Millet in der Betonung des Exterritorialen und Passagenhaften, hierin der traditionellen bürgerlichen Hochzeitsreise nicht unähnlich, die erste Sexualität (und damit traditionell die Entjungferung) an einen anderen Ort exterritorialisierte.
 

„Wer hat keine Erinnerungen an Knutschen ...? Fanden diese Szenen nicht in einer Tür statt, am Fuß einer Treppe oder in der Enge eines Hauseinganges, ... In der Jugend, wenn man selten einen Raum für sich hat, muss man sich dem fleischlichen Genuss in halböffentlichen Räumen wie Torwegen, Treppenhäusern und Treppenabsätzen hingeben. ... Der Sexualtrieb, den die Zivilisation ins stille Kämmerchen verbannt hat, verschafft sich zunächst nicht hinter einer Schlafzimmertür spontan und offen sein Recht, sondern an Durchgangsorten, die für alle da sind und wo höfliche Zurückhaltung ihre höchste Ausformung erlebt.“[55]



Körper als Behälter – Der leere Raum

Der vermessene und vermarktete Körper des 20. und 21. Jahrhunderts wird zur Ware, der zur dinghaften Münze im Verrechnungssystem von Libido und sexueller Befriedung mutieren kann. Die Abtrennung vom Körper als emotional-seelischen Erlebensmedium mag dabei eine zeitgenössische Variante von Affektmaskierung darstellen. SM-Praktiken öffnen den Körper, Lust-Schmerz-Empfinden werden im Stile de Sadescher Sexualpraktiken in Ambivalenz zueinander gebracht. Michel Houellebecq kennzeichnet diese in „Plattform“ als Gespräch zwischen den Protagonisten – Körper scheint darin zum Behälterraum geworden zu sein:
 

 „>Eine  Sache macht mir dabei angst< fuhr sie fort, >und zwar, daß es überhaupt keinen körperlichen Kontakt mehr gibt. Die Leute tragen alle Handschuhe und benutzen irgendwelche Geräte. Nie kommt die Haut des einen mit der des anderen in Berührung, sie küssen sich nicht, sie streifen sich nicht, sie streicheln sich nicht. Für mich ist es das genaue Gegenteil von Sexualität.< Sie hatte recht, aber ich nehme an, daß die SM-Adepten in ihren Praktiken die Krönung, die höchste Form der Sexualität sahen. Jeder blieb in seiner Haut und konnte sich ganz dem Gefühl überlassen, einmalig zu sein; zumindest war das eine Möglichkeit, die Dinge zu sehen. ... Ich konnte mir gut vorstellen, daß junge Frauen ... sie (die Clubs, erg. H. H.) besuchten, während ich mir nur schlecht vorstellen konnte, daß sie die Fähigkeit der Selbstaufgabe besaßen, die für eine Penetration oder für jede Art des Geschlechtsverkehres notwendig ist.“[56]


Die Abtrennung der seelisch-emotionalen Erlebensfähigkeit vom der komplexen Sinneninstrument des Körpers perpetuiert sich in den sadistischen Praktiken: Der Körper wird symbolisch ausgelöscht, vernichtet, um zu einem irgendwie gearteten ‚Innen’ vorzudringen, was aber nur noch als Leer-Raum eines Körperbehälters anzutreffen ist – wie eine von vielen Stellen aus de Sades „Juliette – oder die Wonnen des Lasters“ beschreibt:

„Ein dritter hatte sein Opfer an einem Fuße aufgehängt. Es war ein Genuß, sie so hängen zu sehen. Achtzehn Jahre schien sie alt, ein schöner Körper. Durch diese Lage war ihre Scheide weit aufgespreizt. Das Scheusal vergnügte sich, einen Godmiché (eine Art Dildo, erg. H. H.) mit eiserner Spitze hineinzubohren. Als er uns sah, sagte er zu Clairwil, sie solle an dem hängendem Fuß des Opfers ziehen, um ihn so die Scheide noch weiter zu öffnen.“[57]

KörperRaum

Im Roman libertin des Ancien régime – wovon die Gewaltintensität eines de Sade nur eine und darin extreme Form darstellt – wird der Leib selbst zum rauschhaften, körperhaft-räumlichen Handlungsfeld seiner Akteure. Die Nacktheit herzustellen, die Körperlichkeit des Geschlechtsaktes zu beschreiben, Körperteile zu rühmen, Haut und Körperform zu bejubeln machen einen großen Teil dieser libertinären Literatur aus. Dabei ist das Morphing der begehrten Körper ein Aphrodisiaka der befeuernden Rede:
 

„... die Figuren in der frühneuzeitlichen Pornographie (haben, erg. H. H.) eine Vorliebe für Körperfülle – Fülle im allgemeinen und auch an besonderen Stellen, an den Armen etwa oder an den Hüften. Üppige Hüften führten zu den Grübchen an der chute de reins, einem sensiblen Punkt direkt über den Gesäßhälften, den Boucher in Portraits seines berühmten Modells, der Mademoiselle O’Murphy, unsterblich gemacht hat“[58]


Analog zum Raum als Behälter wird der Leib im 18. Jahrhundert als Körper-Behälter verstanden[59]. Der Körper Gegenstand wissenschaftlich-medizinischer Forschungen, dabei auch im Stile gelehrter Traktakte nach den Bedingungen von Lust und Lusterzeugung, ihren Anomalien, Gefährdungen, Krankheiten fragend, aber auch die Instrumentarien virtuoser Liebestechniken erkundend[60]: Wo ist der Sitz der Wolllust zu lokalisieren? Bienville hat diese Frage in seinem Traktat „Nymphomanie oder Abhandlung über die Mutterwuth“ (1771) die Frage beantwortet: „Das Schamzüngel ... welches nach der Meinung aller Leute der Sitz der feinsten Wollust ist. Daher wird es Vortrefflichkeit halber der Thron der Liebe genannt“[61] Klitorale und vaginale Orgasmen werden der wissenschaftlichen Betrachtung unterzogen, aber im Fazit wird die Größe des „Schamzüngels“, dem Thron der Liebe, zum entscheidenden Faktor in der Intensität der weiblichen Wolllust erklärt. Um diesen Thron sind die Liebenden bemüht – die anatomische Bedeutung dieses Ortes zur Lusterzeugung macht ihn nobilitierten Ort einem erhabenen Möbel – dem Thron – oder zu einer erhabenen Landschaftsmarkierung, dem Hügel. Entscheidend ist, dass seine Topologie kennen gelernt und erkundet wird. Lusterzeugung ist an Körper-Kenntnis und Körper-Erfahrung geknüpft, sein Gehäuse will erkundet sein, um instrumentiert zum Ort der Liebeskunst werden zu können. So erkundet die kleine Laure unter Anleitung ihres Vaters in Mirabeaus „Education de Laure“[62] die Scham ihrer Erzieherin, ertastet sie mit ihren Fingern nicht nur die ‚Architektur’ dieses anatomischen Ortes, sondern lernt ebenso sein luststeigerndes Instrumentarium kennen.[63]

Teil der Dramaturgie im libertinären Setting ist der Weg zum erhabenen Ort. „Die bekleidete Materie“ wie Deleuze mit Leibniz den vestimentären Körper des 18. Jahrhunderts bezeichnet[64], will erlangt sein. Listige, eruptive oder zelebrierte Weisen in die textilen Architekturen von Unterröcken und Überkleidern vorzudringen werden geschildert, tastend in der Hand, tastend im Blick:
 

„Kühner geworden, änderte ich meine Stellung, und vom Anblick der Brüste zu weiteren Entdeckungen angeregt, wollten meine Augen tiefer hinabgleiten: ich legte den Kopf zu Füßen meiner Dame, presste mein Gesicht auf die Erde und versuchte, ins dunkle Reich der Liebe einzudringen. Aber ich sah nichts: ihre Beine waren übereinandergeschlagen, und der rechte Schenkel, der sich auf den linken preßte, versperrte meinem Blick die Aussicht. Nun wollte ich wenigstens berühren, was zu sehen mir verwehrt war: ich schob meine Hand den Schenkel hinauf und näherte mich langsam dem Fuß des Hügels. Schon berührte ich mit den Fingerspitzen den Eingang der Grotte ... Ich kehrte auf meinen unteren Posten zurück und hob, von der Hoffnung auf Straflosigkeit beflügelt, so sachte wie möglich ihre Unterröcke hoch. ... Ich glaubte, nur dem Zufall für die glückliche Situation danken zu müssen, ... ihr rechtes Knie war aufgerichtet, und die nun auf ihren Bauch gerutschten Röcke entblößten ihre Schenkel, ihre Beine, ihren Hügel, ihre Möse. Ich berauschte mich an diesem Anblick; ...“[65]


Interessanterweise werden die Kleider dabei seltener ausgezogen als vielmehr über den Kopf oder die Hüfte zurückgeschlagen[66], d. h. die entblößten Partien sind von Stoffkumulationen gerahmt. Insbesondere die Kleidung der Frauen erscheint dabei in ihrer Textilintensität diffus zeltartig, eine nicht klar umrissene Silhouettierung, vielfach gefältet auf ihrer Oberfläche wie in ihrem Inneren. Visuell ist in diese Art der „Soft Architecture“ kaum vorzudringen und gerade in diesem visuellen Entzug liegt die situative Intensität:
 

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Abbildung 1:
Jean-Honoré Fragonard,
Die Schaukel, 1790,
The Trustees of the Wallace Collection, London
 
 

Der französische Genremaler Jean-Honoré Fragonard (1732-1806)[67] referiert in seiner „Schaukel“ von 1790 eine solcherart Bemühen, visuell zum begehrten Körperteil vorzudringen: In einer dichten Baumlandschaft sitzt die à la mode–gekleidete Dame auf einer Schaukel, auf der sie soviel Schwung bekommen hat, dass die Rockkaskaden einen luftigen Blicktunnel bilden. Dessen Schneise vergrößert sie durch Hochwerfen des rechten Beines – das Pantöffelchen fliegt durch die Luft. Der Galant liegt unter ihr im Gebüsch und ist vom Einblick, ergriffen und errötet, bildwörtlich „umgehauen“ – die Bekleidungsgewohnheit dieser Zeit sieht Unterwäsche, wie wir sie heute kennen, noch nicht vor. Dieses Motiv wurde vom Auftraggeber, einem anonymen Höfling, genauestens vorgegeben, er wollte die Beine seiner Mätresse sehen „und gar mehr, wenn Sie ihr Bild noch anregender gestalten wollen“[68] Der begehrte Körper wird nicht in delikater Nudität in Auftrag gegeben, sondern erscheint in einem fragilen textilen Gehäuse. Dieses ist bewegt und vor allem: bewegbar. Öffnungen und Zugänge zum Körper sind ermöglicht – ein Hinweis auf verzögertes und inszeniertes Liebesspiel mit dem Instrument eines textilen Körperraumes.

Vestimentärer KörperRaum
Fragonard setzt in seinen Arbeiten keinen libertinären Text ins Genre des Bildes um. Aber in seinen Kompositionen sind analoge Elemente anzutreffen: amouröse Themen, Inszenierung von Liebesbegehren in theatralisch-dramatische Szenen, prozesshafte Erzählung[69], vergleichbar in der Symmetrie der geschlechtsspezifischen Rollen, aber subtiler im Hinweis auf den sexuellen Körper:
 

„The decorative presentation of the body and the symbolizing of its sexual parts also subverts the superiority of the male generative principle posited in the phallocentric message ... Men and women together are ornamentalized abstractions to be enjoyed by the viewer. Their sexual organs are emphasized, multiplied, offered to the audience, but this imaginary dismemberment is enacted through the manipulation of symbols. Thus the beholder concentrates attention not on penises and vaginas but on grapes and baskets.“[70]


Die Repräsentation des sexuellen Körpers in Fragonards Bildern erfolgt durch symbolhafte Interaktion von Gegenständen. Die Affektprogrammierung der Situation hingegen erscheint im Medium architekturanaloger Textilität. Gilles Deleuze beschreibt eine solche in „Le Pli“, hier bezogen auf Werke von Innocenzo Spinazzi und Antonio Corradini, doch übertragbar:
 

„... die Kleiderfalten (gewinnen) nicht durch ein einfaches Bemühen um Dekoration Autonomie und Weite, sondern dadurch, daß sie die Intensität einer ... Kraft ausdrücken, die auf den Körper wirkt, ... um ihn umzudrehen und das Innere daran zur Geltung zu bringen.“[71]


Eine oberflächenintensive Textilität generiert hier Zeichen für einen inneren Körper  und leistet damit mehr als Dekor, Schmuck, Aufputz – textile Eigenschaften die seit dem 18. Jahrhundert gern an die existentielle Arbeitsplatzbeschreibung von ‚Frau’ geheftet werden[72]. De Clérambault war es, der als klinischer Psychologe Textilität – Stoffe, Kleider, Drapierungen – aus dem Kontext von Tändel und kosmetischer Marginalität befreite: Ohne hier die Diskussion um die medizinische Haltbarkeit seine Studie „Passion érotique des étoffes chez la femme[73] aufrollen zu wollen, seine Berichte zeigen eines: Textiles Material ist nicht nur Teil des repräsentativen Habitus sondern ein Tableau psychischer Artikulationen. Der nach außen gewendete affektive Körper – Stoffe haben ‚Körper’, das heißt, sie sind konkret, materiell, wahrnehmbar. Dies in Analogie zum menschlichen Körper, wie Elisabeth Grosz diesen in ihren Fragen zum „turning inside out and outside in of the sexed body“[74] definiert:
 

 „... a body which coincides with the „shape“ and space of a psyche, a body whose epidermic surface bounds a pysical unity, a body which thereby defines the limits of experience and subjectivity, ...“[75]


Der durch gefaltete, gebauschte, mehrlagig bedeckte Körper entspricht einem durch Lust und Begehren verschobenen, instabilen Raum. Mit jeder Körperbewegung verändert sich die textile Topographie der Kleiderschichten und entspricht darin dem Fluidalem der Situation – den „kleinen Falten in allen Richtungen“[76] wie sie Leibniz für die barock-monadische Welt-Repräsentation als psychologisch motivierte Perzeption konstruiert, den „Stacheln der Unruhe, die die Instabilität jeder Perzeption ausmachen. Es sind
>Stacheln<, kleine Knicke, die in der Lust ebenso wie im Schmerz gegenwärtig sind“.[77]
 

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Abbildung 2:
Jean-Honoré Fragonard (1732-1806)
Das Blinde-Kuh-Spiel,
Toledo Museum of Art, Ohio
 
 

Ein verliebtes Paar mit sich und einem tändelnden Spiel beschäftigt, ist keineswegs das, wofür man es auf den ersten Blick halten möchte: rein dekorative Malerei einer belanglosen Thematik. Fragonard kennzeichnet mit dem „Blinde-Kuh-Spiel“ nach Thomas Gaehtgens eine Neufassung des pastoralen Schäfer-Schäferinnen-Spiels: Kein ideales Arkadien und kostbar gekleidete Figuren in einem erträumten Arkadien.
 

„Die Figuren scheinen von größerer Natürlichkeit und Lebendigkeit. Die Schäferinnen und Gärtner ... werden genrehaft alltäglich aufgefasst. Nicht Kostbarkeit und galantes Verhalten, sondern Zärtlichkeit und Liebesglück ... Die bukolisch literarische Gattung ist in eine jugendliche, heitere Scheinwelt gewandelt, die gleichwohl deutliche Züge gegenwärtigen Lebens trägt.“[78]


Der Bildraum changiert zwischen natürlichem und architektonischem Raum. Letzter hat die Signatur eines Beau désordre, wie Mary Sheriff ihn kennzeichnet: Gegenstände stehen und liegen disparat herum, ein bauliches Ganzes ist nicht auszumachen. Tuch, Tauwerk, Gefäße, Blüten, Früchte (allesamt von sexueller Konnotation) und Reiserwerk liegen auf den Stufen. Der Frau sind mit einem sublimen Tuch – es könnte ein Brusttuch sein – die Augen verbunden. Des Sehsinns beraubt navigiert sie mit den ihren ausgestreckten Armen und tastet mit den Füßen den Weg. Ein junger Mann kitzelt sie mit einem Grashalm am Ohr, ein ihr zur Seite liegendes Kind berührt mit einem Stock ihre rechte Handinnenfläche. Innerhalb des architektonischen Raumes ist der Frau die visuelle Kontrolle genommen und sie wird durch Kind und Jungen weiter irritiert. Möglicherweise stolpert sie an der Stufe, an de sie sich gerade befindet. Aber dem architektonischen Raum ist ein affektgenerierter Raum eingeschrieben, in dem Begehren, Lust und Heiterkeit eine körperanaloge textile Sprache ausbilden – „turning inside out and outside in of the sexed body“[79] die als Echo vom natürlichen Raum zurückgegeben wird: Das rote Überkleid ist pyramidal vorn hochgezogen und bauscht nach hinten, die Brüste sprengen die textile Schatulle – das Dekolleté, das Tuch vorn rechts bildet eine dunkle Öffnung. (Die Blumengirlanden im Vordergrund und die Bäume im Hintergrund und die Wolken wiederholen die Pyramidenform.) Der vestimentäre Körper wird zum Mitteilungsmedium des eigentlichen Geschehens: aufgewühltes Begehren in lustvoller Billigung der visuellen und affektiven Kontrolle über Körper und Raum.
 

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Abbildung 3:
Jean-Honoré Fragonard,
Der Riegel, 1776/1779,
Paris, Musée de Louvre
 
 

Fragile Architekturen

Ein Liebespaar – vor oder nach der Liebe: Der Mann zieht mit seiner Linken die Frau an sich und verriegelt mit der Rechten die Türe. Die Frau wehrt mit ihrer Rechten den Mann ab oder hält ihn zurück, während ihr rechter Fuß die Decken eines hinteren Bettes berühren, „ein Bett“, so in zeitgenössischer Beschreibung“, „dessen Unordnung auf das Resultat des Geschehens deutet[80] Beau desordrè im gesamten Bildgeschehen: „ein zerwühltes Bett, ein umgestürzter Stuhl mit abgelegten Kleidern, eine umgefallene Vase, ein Rosenstrauß der auf dem Boden liegt“ [81]

Das Derangierte (künstlerisch in Achsen und Proportionen allerdings wohl Komponierte) der Gegenstände wird verstärkt durch die verdrehte Draperie über dem Bett, die wiederum ein Geschehen schildert, das sich der Visualität entzieht: „In ‚The Lock’ the ‚beau désordre`entices the viewer to imagine what is not seen and cannot be seen: the preliminary events, the causes of the upheaval“[82]

Fragonard schildert mit diesem Bild einen Umbau von Behälterraum in einen affektprogrammierten Raum: Die Dramatik schreitet von rechts nach links voran: Die rechtwinklige Tür mit Schloss und Riegel korrespondiert noch mit der aufrechten Körperlinie des Mannes – nach links übernehmen kurvige Faltenlinien bewegter Textilität das Raumreferat, beginnend im Kleid der Frau bis zu getürmten Kissen in der linken hinteren Bildhälfte. Sie sind nicht mehr Teil einer (dekorativen) Möblierung des (euklidischen) Raumes. Sie produzieren einen anderen, einen eigenen Raum: Beau désordre, fragilité, und négligence. Beau désorde: Euklidische Raumordnungen und Raumzuordnungen werden im Raumempfinden außer Kraft gesetzt, Fragilitè: die Statik biegeschlaffer Textilien ist fragil, das heißt unzuverlässig, Négligence: die im Raum gestaffelte Textilintensität verhindert verlässliche Raumkontrolle, wie sie selbst wenig kontrollierbar ist.

Fragile Architektur und Textilität
Der affektive Raum leiblicher Sensation: Sichtbare und ahnbare Räume spielen ineinander. Sichtbare Raumabschlüsse werden dabei nicht durch definierte Wandzonen gebildet, sondern durch Drapierungen, Vorhänge (und Paravents als bewegliche wandanaloge Elemente). Diese textilen, architekturanalogen Medien umspielen einen (schwingenden) Raum, sie ‚umfalten ihn’ ohne dabei die Eindeutigkeit einer Wand zu besitzen. Sie reagieren auf Umfeldbewegungen, indem sie auf Luftzug reagieren. Sie können mit der Hand zur Seite geschoben werden und sind dann nicht mehr Raumabschluss, sondern Raumverheißung. Etwas oder jemand kann verborgen werden – Räume können entfaltet und wieder zugefaltet werden. Faltung von Stoffen zu Vorhängen, Draperien und Wandkleidern. Faltung von Räumen und RaumesRäumen als eine Gesamtinstallation des vorgegebenen Raumes. Und die Faltung des Blickes in der Umlenkung durch Spiegel und dadurch entstehenden Mehrfachperspektiven auf die begehrten Körper. Textile Raumkörper wie Polster, Kissen, Decken lagern den Körper, ohne ihm Positur zu geben.

Textile Räume sind zeitlich fragil und können jäh von einem zum anderen Stadium umbrechen, indem schlicht an einer Vorhangsschnur gezogen wird. Sie können augenblicklich zur Verfügung stehen wie sie lange verborgen werden können. Ein sublimes Reservoir an jeweiligen Raumsituationen. Die Fragilität von Textilien ist prädestiniert auf die Fragilität der Situation zu reagieren. Der Gedanke der Raumkontrolle – wie in der Moderne repräsentiert durch Sichtschneisen, die vom Zimmer der Dame ausgehend die Bewegungen im Hause kontrollieren helfen[83]– ist hier konzeptuell nicht vorgesehen. Der räumliche Modifikationsfaktor ist hoch, der räumliche Kontrollfaktor für den Besucher hingegen niedrig.

Beau désordre – Revenge of the body
Mary D. Sheriff entwickelt den Begriff der Beau désordre zusammen mit der négligence zur Kennzeichnung erotischer Genremalerei. Ihn auf die Kennzeichnung affektmodulierter Raumproduktion zu übertragen betont deren Leistung: Es sind Umschlagphänomene von situativer Konstellationen, worin sich die Vorzeichen von Raum in ihr Gegenteil verändern: Dauer wird zur Ambulanz, Statik zum Ephemeren, zeitresistentes Material (Stein) zum zeitanfälligen Material (Textil). Diese polare Konstruktion übergeht ambivalente Zwischenzustände, aber bezogen auf exzessive sexuelle Körpererfahrung in den Figuren des Roman libertin interessiert vor allem die Ausbildung von Gegenraum. In diesem wird der Körper zum Raum. Der Raum zum Un-Ort. Der euklidische Raum zum fragilen Raum. In den jeweiligen situativen Konstellationen wird der ‚andere’ Raum produziert, der – um im Bild des Lefebvre-Zitates zu bleiben – darin das Potential an Revanche am gesellschaftlichen Körper darstellt:

Unorte: Am überdeterminierte gesellschaftliche (euklidische) Raum wird Rache genommen im Weiterbau des euklidisch – hochkulturellen – Raumes nach unten, in die Niederkulturalität, wie de Sade es in den 120 Tagen beschrieben hat: Unter dem Altar der Kapelle – im Setting der alleinige Abort aller Beteiligten – wird der religiös-kulturell determinierte Raum geöffnet und in die Eingeweide der Erde hinein weitergebaut. Das heißt: Damit wird er eigentlich abgeschafft. Hinter drei Türen aus Eisen liegt der Kerker, der Ort, in welchem die finale sexuelle Phantasie – Foltern und Töten – seinen Höhepunkt erreicht: Die Rache des determinierten gesellschaftlichen Körpers ist in diesem Fall seine Eliminierung.

Raumkörper: Das Erkunden des Leibes als Raum mit dem Ziel einer luststeigernden Sexualität schafft den gesellschaftlichen Körper nicht ab, sondern visitiert ihn von unten. Zum einen wird Lust nicht dem (natürlichen) Zufall überlassen, sondern die lust-steigernden körperlichen Instrumentarien werden mit Körperwissen bedient und manipuliert. Und zum anderen ist der vestimentäre Kleidkörper nicht mehr nur das Instrument der Affektmaskierung – als das es in der höfischen Kultur in hohem Maße fungiert – sondern erfährt einen subtileren ‚Missbrauch’: Er wird zum ‚Bildschirm’, zur zeigenden Oberfläche aufgewühlter Leidenschaft. In diesem richtet sich die Rache gegen den affektmaskierten vestimentären Körper, denn Affekte als Äußerung von Innerlichkeit werden hier gerade nicht zurückgehalten, sondern als nach außen gestülpte Affekte sichtbar gemacht – auf den Oberflächen der Kleider, ihren Drapierungen und Falten.

Fragile Architektur: Die nachhaltige Verwaltung von Raum ist an bestimmte Medien geknüpft. Das sind feste, dauerhafte Materialien, die ‚das Zeug‘ dazu besitzen, zeitlich verlässlich  zum Ausdruck zu bringen, dass dieses Territorium als dieser Raum zukunftssicher verwaltet wird.[84] In der Hauptsache wird diese Art der Raumbesetzung durch massive, sich der Utopie von Hochkultur verschriebenen Architektur geleistet. Es sind Monumente oder mit Bedeutung aufgeladene Plätze, die ideell und von allgemeiner Bedeutung sind. Neben diesen zeichenbesetzten Behälterräumen bildet sich, wie Michel Foucault gezeigt hat, der ‚andere‘ Raum (Des Espace Autres)[85]. Der andere Raum ist dem allgemeinen (utopischen) Raum als Heterotopie eingeschrieben, aber als Ort ausgelagert. Die Heterotopie ist abweichend von der Norm der Utopie. Seine Orte sind von kulturell differentem Potential, an ihm finden sich Menschen die aus der normativen Utopie herausfallen.[86].

Eine der Heterotopien beschreibt Foucault für das Fest, worin Raum und Zeit „anders“ besetzt werden:
 

„Gegenüber diesen Heterotopien, die an die Speicherung von Zeit gebunden sind, gibt es Heterotopien, die im Gegenteil an das Flüchtigste, an das Vorübergehenste, an das Prekärste der Zeit geknüpft sind: In der Weise des Festes. Das sind nicht mehr ewigkeitliche, sondern absolut chronische Heterotopien. So die Festwiesen, diese wundersamen leeren Plätze an Rand der Städte, die sich ein- oder zweimal jährlich mit Baracken, Schaustellungen, heterogensten Objekten ... bevölkern“.[87]


Wenn wir Foucaults Kriterien für eine Heterotopie des Festes[88] auf die fragile Architektur affektgenerierter textiler Liebesräume anlegen, dann erscheint dieser als der ‚andere’ Raum zur Utopie eines idealen Boudoirs. Er ist different zum herrschenden Architekturdiskurs. Als ‚private’ Festarchitektur bespielt er den Un-Ort und die Un-Zeit. Als Heterotopie ist er innerhalb der (euklidischen) Herrschaftsarchitektur ein flüchtiger, instabiler und situativ gebundener Raum. Textile Architekturen sind schwache Architekturen. Ihre Fragilität ist ihre Untauglichkeit zur Geschichtsfähigkeit und ihre Untauglichkeit zur Repräsentation. Und eben hierin liegt das Potential von Revanche fragiler Architektur am determinierten gesellschaftlichen Körper des 18. Jahrhunderts: Der kolossalen, geschichtsfähigen Architektur wird eine fragile – unzuverlässige und nicht geschichtsfähige – Architektur eingeschrieben.

Beau désordre / fragilité und Architektur
Der Begriff der Beau desordré kommt gefällig daher und doch scheint er nicht untauglich, um ihn mit Schönheit, pulchrum, des Architekturschönen im architekturtheoretischen Diskurs – zum Beispiel Alberti – zu konfrontieren. So wenig geschichtsfähig eine fragile Architektur ist, so wenig theoriefähig ist sie in der klassischen Lehre vom Bauen.

Aus der Sicht einer auf Massivarchitektur ausgerichteten Architekturtheorie gehört sie mit Alberti zur schmückenden Rhetorik des Bauwerkes, dies unter der Kategorie des ‚Decorum’[89], der an die Fassaden und zwischen die Häuserfronten als „szenische Architekturmotive“ gewissermaßen angeheftet wurde – in Stein oder Stuck nachempfundene textile Bänder, Drapierungen, Baldachine. Aber: das Decorum als Teil des Ornamentum ist dem (Bau-)Körper nur hinzugefügt und damit nicht Teil dessen, was die Schönheit, das pulchrum eines Baues ausmacht:
 

„Am Anfang des sechsten Buches stellt Alberti dem Substanzbegriff des Schönen-Gerechten den ornamentum-Begriff zur Seite; er sagt: „Die Schönheit ist dem schönen Körper gleichsam zu eigen, und eingeboren ist sie ganz über ihn gebreitet. Das ornamentum aber hat eher die Natur eines von außen Angebrachtem und Hinzugefügten als die von etwas Eingeborenem.“ Das ornamentum ist ein vom Schönen verschiedener Begriff. Es befindet sich durch den Umstand, dass es von außen her zum Körper dazukommt, in einem theoretischen Gegensatz zum Schönen.“[90]


Diesen ‚Beigeordnetenstatus’ wird das decorum erst mit den Bauten von bspw. den Architekten Herzog et de Meuron im Sinne einer oberflächenintensiven Architektur der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts wieder los[91]. Bis dahin ist alles, was nicht zum Kern einer Architektur und damit substanzenontologisch zum Kern seiner ‚Schönheit’ gehört in die, salopp formuliert, untergeordnete ‚schmückende Kiste’ des Akzidentiellen sortiert, das heißt, der statische Raum wird ‚angezogen’, das Textile in seiner Lieblingsrolle bemüht: Kleidend, putzend, schmückend.[92]

Die ephemeren textilen fragilen Architekturen, wie sie bis in das 18. Jahrhundert auch Teil der urbanen Festarchitektur waren – Fahnen, Sonnensegeln, Behängen, Fuß- und Wandteppichen sowie Tapisserien – sind damit kein Konstitutivum von Raum und sie bilden keine architektonische Kategorie. Die Bekleidungstheorie von Gottfried Semper im 19. Jahrhundert bestätigt ein weiteres Mal die textilen und textilanalogen Schmuckelemente als dienende Untergattung der massiven gebauten Architektur, auch wenn das Ornament hier Anteil an der Idee des Bauwerkes gewinnt, letztlich aber, um mit der Aufwertung der Bauornamentik die Architektur vor einer rein funktionalen Zuschreibung zu retten.[93]

Insofern könnte mit dem Hinweis auf einen anderen Schönheitsbegriff – der zugegeben sein eigentliches begriffliches Potential eher im „désordre“ und in der „Fragilität“ denn im „Beau“ hätte, ein erstes Dispositiv von affektprogrammierter Architektur beschrieben sein. Affekte bauen Räume, diese haben Gestalt und eine eigene Ästhetik. Oder, mit Derrida:
[Consigne][contre-signe]: „ ...läßt eine narrative Montage von großer Komplexität die Erzählung im Außen explodieren, ... auf jeden Fall immer in einer Szenographie der Passage mobilisiert ... Überschreitung [transgression] von einem Ort zum anderen, ... Kreuzung [hybridation]. ... Sie setzt sich mit dem Ereignis auseinander, sie bietet ihr Werk nicht Benutzern, Getreuen oder Bewohnern, Betrachtern, Ästheten oder Verbrauchern an, sie beruft sich auf das andere, damit es seinerseits das Ereignis, Zeichen, Pfandzeichen [consigne] oder Gegenzeichen [contre-signe] erfindet: Sie ist um die Avance avanciert, die sie dem anderen macht...“[94]
 


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Abbildungsnachweis

Abb. 1   Jean-Honoré Fragonard, Die Schaukel, 1790, The Trustees of the Wallace Collection, London, aus: Bailey, Conisbee, Gaehtgens, 2004, 17

Abb. 2   Jean-Honoré Fragonard (1732-1806), Das Blinde-Kuh-Spiel, Toledo Museum of Art, Ohio, aus: Bailey, Conisbee, Gaehtgens, 2004, 294

Abb. 3   Jean-Honoré Fragonard, Der Riegel, 1776/1779, Paris, Musée de Louvre, aus: Bailey, Conisbee, Gaehtgens, 2004, 313


 

[1] wie dieser bereits im 17. Jahrhundert mit Newton zur abstrakt-selbstständigen Größe erklärt worden ist. Löw 2001b, 214-215

[2] Der Begriff des Raumes ist im Folgenden unscharf und alternativ in drei  Konnotationen verwendet. Erstens: Raum als homogene, einheitliche Größe, unveränderbar, statisch leer. Dies ist der Raum der euklidischen Geometrie – Dinge und Menschen befinden sich IN ihm. S. dazu Löw 2001a, 24-26 und 108-115. Zweitens: Der konstruierte Raum, in dem Menschen und Objekte in der Art ihrer Positionierung ein bestimmtes und aussagendes Gefüge bilden. S. dazu Lefebvre 1991, 169-228. Drittens: Raum als (Leib)-Körper, der in seinem Potential kultureller und sozialer Konstruktion ausgesetzt ist: „The body becomes a human body , a body which coincides with the „shape“ and space of a psyche ... that it becomes an integral part of or position within a social network, links to other bodies and objects“ Grosz 1992, 243-244

[3] Strategien von Körperinvestigationen sind wesentlicher Teil der libertinären Phantasie – der Körper will geöffnet und in seiner Affektmaskierung aufgebrochen werden. Siehe dazu Löw 2001b, 212

[4] Löw 2001a, 24-25 und 140-144

[5] Bezogen auf: „Ragionamenti“ (1534/38) oder den „I Modi“ (1525) des Pietro Aretino, de Sades „Justine, Die Philosophie des Boudoir“, „Die hundertzwanzig Tage von Sodom oder die Schule der Ausschweifung“, Jean-Charles Gervaise de Latouche „Geschichte des Dom Bougre“ (1740/1741), Jean-Baptiste d’Argens’  „Thérèse philosophe“ (1748), Memoirs of a Woman of Pleasure(1749), Honoré-Gabriel Riquetti Comte de Mirabeaus „Le Rideau levé, ou l’Education de Laure“, Michel Houellebecqs’ „Ausweitung der Kampfzone“ (1994) oder „Elementarteilchen“ (2000) und „Plattform (2001) Catherine Millets „Das sexuelle Leben der Catherine M.“ (2001)

[6] Prange 1990, 156

[7] zitiert nach Prange 1990,156

[8] Böhme/Böhme, 1996, 17: „Indem Vernunft sich als Maß des Menschen setzt, bestimmt sie die Unvernunft als das Anormale. Ist sie das Medium der Gesundheit, so jene das der Krankheit; ist sie das Bild männlicher Beherrschtheit, so jene die Figur weiblichen Chaos;...“ „... von der Vernunft her gesehen ist es das Irrationale, ontologisch das Irreale, moralisch das Unschickliche, logisch das Alogische. Das Andere der Vernunft, das ist inhaltlich die Natur, der menschliche Leib, die Phantasie, das Begehren, die Gefühle – oder besser: all dieses, insoweit es sich die Vernunft nicht hat aneignen können.“ Böhme/Böhme 1996, 23

[9] Nierhaus1999, resp. 87-137

[10] Rossberg 1993,

[11] s. dazu Kantorowicz 1994

[12] Rossberg 1993, 2. Wenn im textilintensiven Boudoir des 18. Jahrhunderts Mann und Frau gemeinsam Strategien der Liebeskunst ausbildeten, sie sich darin Partner von gesellschaftlicher Relevanz waren, dann wurde jetzt das Boudoir zu einem verdächtigen Ort der Sünde. Zunächst wurde das Möbel im Boudoir des 2. Rokoko monströs. Eine ‚wahre Flut von Draperien, Steppereien, Quasten, Fransen und dicken Polstern, ergießt sich nun über die konstruktive Form der Möbel und weichen diese regelrecht auf. (Rossberg, Bd. 2, 20-24) Das Boudoir wird voluminös und üppig, - es gab Riesenbetten, Riesenbouquets, Riesenlüster und der ganze Raum erhielt die Signatur von Undurchdringlichkeit, Geheimnis und Abgründigkeit. Das Boudoir wurde die nicht zu ergründende Liebesmuschel, die die Männer fängt, die mit sexuellen Ausschweifungen lockt, die sie anlockt und sie gleichzeitig darin aber auch verdirbt. Balzac spricht vom „Schlupfwinkel, für die Liebe“ (Rossberg 21-22), Baudelaire vom „Schlummer im Treibhaus“ und einem „Verlieren in der Höhle“ (Rossberg 23) In dem Maße, wie der Raum zum Schlund der Sexualität wird, in dem Maße wird die Frau zum Objekt der Betrachtung: Auf überdimensionalem Pouf in der Mitte des Raumes saß die Frau exponiert. Sie konnte zur Begutachtung umlaufen und von allen Seiten taxiert werden – Frau und Möbel werden eins, werden gemeinsam zum Objekt und konstruieren das ‚Andere‘ zum Mann, als das Objekt seiner Begierde.

[13] „The 1780s and 1790s in France, later periods throughout Europe, witnessed the gradual demise of royal and aristocratic courts modeled on house-holds – in which female rulers, relatives, and mistresses played a recognized (if often limited) role – and the ascendancy of entirely masculine representative bodies. In other words, the male-female world of familial and sexual bonds represented by Versailles was overpowered by the all-male contractual universe of the revolutionary assemblies.“ Maza 1992, 64

[14] „Die Schaukel“, 1790, „Das Blinde-Kuh-Spiel“, 1750-1755, „Der Riegel“, 1776/1779

[15] Burke, Frankfurt 1995

[16] Henri Lefebvre, 1998, 284

[17] Norbert Elias,1990, 364-393

[18] Norbert Elias, ebd. 366

[19] Norbert Elias, ebd. 367

[20] Kein in der kunsthistorischen Fachliteratur geführter Terminus

[21] Prange,1990, 15

[22] zitiert nach Prange, 1990, 11

[23] Prange 1990, 104

[24] Robert Darnton 1996, 8-9

[25] Sheriff 1990, 3

[26] Sheriff 1990, 5-6

[27] Gaehtgens 2004, 78-89

[28] Sheriff 1990, 129

[29] Hesse 1995, 402

[30] Zajac, 2002, 19

[31] s. zur feministischen Pornographie-Kritik: Darnton 1996, 20-28

[32] Zajac 2002, 19

[33] de Sade (1785), 1995

[34] Zajac 2002, 20-21

[35] Hesse 1995, 398

[36] de Sade (1785), 1990, 74

[37] de Sade (1785), 1995, 74-90

[38] Luckow 1990, 553-554. Siehe auch Cryle 1994

[39] Hesse 1995, 399

[40] de Sade (1785), 1995, 69

[41] de Sade (1785), 1990, 70

[42] de Sade (1785), 1990. 72-73

[43] de Sade (1785), 1990, 72-73

[44] Prange 1990, 108

[45] de Sade, (1785), 1990, 76

[46] Hier den Titel einer Rezension von Claus Pias zu einem Aufsatz von Jennifer Milam über Jean-Honoré Fragonard beleihend „Versuchsanordnung der Sinnlichkeit“, FAZ, 22.12.1998

[47] Houellebecq,1999, 48

[48] Hettche 2003, 106

[49] ders. a. a. O. 106

[50] ders, a. a. O Vom Anfang und Ende der Pornographie, 103-114

[51] a. a. O.,107

[52] ebda

[53] Millet 2001, 115-161, 165-219

[54] Millet 2001, 188-189

[55] Millet 2001, 175

[56] Houellebecq 2002, 182

[57] de Sade, (1797), 1995, 401

[58] Darnton 1996, 29

[59] Löw 2001b, 212

[60] Prange 1990, 40-53

[61] zitiert nach Prange 44

[62] Honorè-Gabriel Riquetti Comte de Mirabeau, Der gelüftete Vorhang oder Lauras Erziehung, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1971, 40-41

[63] cf. Prange 1990, 57 zu Nicolas Choriers „L’academie des Dames. Die Intensität von Lust, so das Ergebnis einer zeitgenössischen Untersuchung des Chirurgen de Lignac, sind allerdings beim Mann aufgrund des langen „Gefäßes“ seines Sexualorganes ungleich größer als bei der Frau. S. dazu Prange 1990, 45

[64] Deleuze 1995, 197

[65] Latouche (1740/1741)1996, 123/124

[66] Cleland, (1749), 1980,156

[67] wie mit ihm Boucher, Watteau und Chardin, s. dazu Bailey 2004a

[68] Bailey 2004b 16

[69] Sheriff 1990, 1-9, 50-54, 65-73

[70] Sheriff 1990, 112

[71] Deleuze 1995, 198-199

[72] so werden ab 1800 geschlechtsspezifische Rollenzuweisungen mit Begründungen von männlich-weiblichen Eigenschaften konstruiert. Darin ist die Frau für das ‚Interieur’, für die Ausschmückung des Innenraumes zuständig – (Raum hier verstanden als der zu füllende Behälterraum. Anm. H. H.). siehe dazu Rossberg, 1998, 163-169

[73] siehe dazu: Tisseron-Papetti, 1988, 84

[74] Grosz 1992, 85

[75] Grosz 1992, 244

[76] Deleuze 1995, 141

[77] Deleuze 1995, 142

[78] Gaethgens, in: Bailey 2004, 294

[79] Grosz 1992, 85

[80] Schieder 2004, 310

[81] Schieder 2004, 310

[82] Sheriff 1990, 130

[83] Beatriz Colomina beschreibt solcherart kontrollierende Sichtschneisen für das Haus Müller von Adolf Loos: „In the Müller house, for instance, the sequence of spaces, articulated around the staircase, follows an increasing sense of privacy from the drawing room, to the dining room and study, to the „Lady’s Room (Zimmer der Dame“) with its raised sitting area, which occupies the center, or “heart,” of the house. But the window of this space looks onto the living space. Here, too, the most intimate room is like a theater box, placed just over the entrance to the social spaces in this house, so that any intruder could easily be seen. … Suspended in the middle of the house, this space assumes both the character of a “sacred” space and of a point of control”. In: Beatriz Colomina, Sexuality & Space,

[83] Beatriz Colomina beschreibt diese kontrollierenden Sichtschneisen für das Haus Müller von Adolf Loos: „In the Müller house, for instance, the sequence of spaces, articulated around the staircase, follows an increasing sense of privacy from the drawing room, to the dining room and study, to the „Lady’s Room (Zimmer der Dame“) with its raised sitting area, which occupies the center, or “heart,” of the house. But the window of this space looks onto the living space. Here, too, the most intimate room is like a theater box, placed just over the entrance to the social spaces in this house, so that any intruder could easily be seen. … Suspended in the middle of the house, this space assumes both the character of a “sacred” space and of a point of control”. In: Colombina 1992, 79

[84] hierauf gibt die Ikonographie der Baumaterialien aufschlussreiche Hinweise. S. dazu: Raff, 1994

[85] Michel Foucault, 1990

[86] Foucault, 1990, 38-41

[87] Foucault 1990, 44

[88] eine ebenfalls affektgenerierte Erscheinung, die eigene Formen von Architektur in der Urbanität ausbildete. Die Verfasserin bereitet dazu eine Publikation „Emotionengenerierte Raumgefüge – zu einer Architektur der Schwäche“ vor.

[89] So schreibt Heiner Mühlmann in seiner Abhandlung zur ästhetischen Theorie Albertis in Kap. 9 zur ‘Inventio und die ästhetische Wirkung der Rede, das ornamentum’’: „Gegenstand der inventio ist nicht nur das dialektische Problem der Rede, sondern ebenso deren ästhetische Außenseite. Wie schon erwähnt ist das Stichwort elocutio, unter dem die Sprachästhetik in der Rhetorik behandelt wird, und innerhalb der elocutio ist es insbesondere das decorum-Prinzip, unter das die sprachliche Wirkungsregel eingeordnet wweswn. Decorum bzw. aptum, „prepon“, fragt nach der Angemessenheit der sprachlichen Schmuckmittel (ornamenta), die dem Redeinhalt schmückend hinzugefügt werden.“ Mühlmann, 1981, 67

[90] Mühlmann 1981, 37, darin das Zitat aus Alberti in: Leon Battista Alberti, De re aedificatoria libri decem, Erstdruck Florenz 1485, zitiert nach der kritischen Ausgabe von Giovanni Orlando, Milano 1966, f93v: ... arbitror, pulchritudinem quasi suum atque innatum toto esse perfusum corpore, quod pulchrum sit: ornamentum autem afficiti et compacti naturam sapere magis quam innati. (Hier zitiert nach Mühlmann 1981, 80, Anm. 1

[91] „Die Projekte von Herzog et de Meuron zeugen von einem ungeheuren Bemühen ... um die Konstruktion von Oberflächen als herausragenden Elementen der Architektur. Über jede konstruktive oder räumliche Gestaltung hinaus wir die Hülle ihr Hauptforschungsgebiet“ Zaera, 1995, 98

[92] s. dazu Harather, 1995

[93] s. dazu: Gottfried Semper, Das Prinzip der Bekleidung in der Baukunst, in: Gottfried Semper, Der Stil, 1, Textile Kunst, Frankfurt 1860, faksimilierter Nachdruck: Mittenwald 1977, Viertes Hauptstück, § 59, 217-231; Gottfried Semper, Die Vier Elemente der Baukunst, Ein Beitrag zur vergleichenden Baukunde, Braunschweig, 1851, in: Heinz Quitzsch, Gottfried Semper – Praktische Ästhetik und politischer Kampf, Braunschweig/Wiesbaden, 1981, 119-228 (als faksimilierter Nachdruck der Vieweg-Fassung von 1851), resp. 176-182; zum Funktionalismus: Sebastian Müller, Kunst und Industrie, Ideologie und Organisation des Funktionalismus in der Architektur, München 1974 (=Kunstwissenschaftliche Untersuchungen des Ulmer Vereins für Kunstwissenschaft 2, Hg. Bredekamp u. a.), resp. 17-27

[94] Derrida 1988, 223-224
 


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10. Jg., Heft 1
September 2006