Die Zukunft
der Architekturvermittlung

11. Jahrgang
Doppelheft 1-2
Februar 2007
   

 

___Claudia Schwalfenberg
Berlin
  Der Baukünstler ist tot. Es lebe der Baukünstler?
Zur Professionalisierung der Architekturvermittlung
   

Totgesagte leben länger. Da geht es der Literatur nicht anders als der Geschichte, und jetzt eben auch der Architektur, um nicht zu sagen, und jetzt eben wieder auch der Architektur.
Nach dem Erscheinen des legendären „Kursbuch 15“ im November 1968 war der „Tod der Literatur“ zumindest für einen Teil des deutschen Literaturbetriebs eine gemachte Sache. 24 Jahre später, also nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, erregte der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama internationales Aufsehen mit seinem Buch „The End of History and the Last Man“. Das sind zwei Beispiele für die offenbar immer wiederkehrende Prophezeiung, eine Disziplin, ob künstlerisch oder nicht-künstlerisch, sei „tot und zu Ende“, eine These, die bereits Hegel zugeschrieben worden ist.
Da nimmt es kein Wunder, dass auch die Architektur stets aufs Neue Unkenrufen trotzen muss. Schon Victor Hugo leitete in seinem Buch „Notre Dame de Paris“ (erschienen 1832) den Tod der Architektur aus der Erfindung des Buchdrucks ab.
In letzter Zeit verdichten sich die Stimmen der Totengräber wieder. Da heißt es zum Beispiel: „Bedingt durch Globalisierung, Digitalisierung und Liberalisierung des architektonischen Wirkungsfeldes, werden alle bewährten Sicherheiten hinsichtlich der Konzeption, Produktion und Rezeption von Architektur in einer existenziellen Weise in Frage gestellt, und dies gilt auch für den Beruf des Architekten. Die Entwicklung geschieht mit einer solchen Rigorosität, dass man durchaus dramatisch formulieren darf: Entweder erfindet die Architektur sich neu oder sie geht unter.“ (Sokratis Georgiadis 2005)
Was die kurz angerissenen Beispiele aus anderen Disziplinen und der Geschichte der Architekturtheorie zeigen sollen: Die Rede von Tod und Ende gehört zu Entwicklungsprozessen dazu, sie tritt vor allem in Umbruchsituationen auf und wirkt häufig als Katalysator für eine Neubestimmung der eigenen Position.
Wahr ist: Spätestens seit dem Ende des Baubooms im Zuge der Wiedervereinigung befinden sich die Architekten in Deutschland in einer ernsten Krise. Schönreden hilft da wenig, überdramatisieren aber auch nicht. Im Gegenteil: Von der Überdramatisierung zur Überreaktion ist es oft nur ein kurzer Schritt. Und die Architekten sind gut beraten, sich nicht selbst zu einer aussterbenden Spezies zu machen.
Gerhard Matzig hat es in der Süddeutschen Zeitung vom 8. März 2006 auf den Punkt gebracht. Zwar hebt auch Matzig auf die notwendigen Veränderungen im Berufsbild der Architekten ab:
„…weil die Architektenschaft die Kommunikation mit der Gesellschaft so lange und so gründlich verweigert hat, und weil daraufhin das Produkt Baukultur auch nicht mehr im Zuständigkeitsbereich der Architekten nachgefragt wurde – deshalb besteht jetzt dieser enorme Nachholbedarf nach betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen, der das Image der Architekten mit Gewalt verschiebt.
Tatsächlich verändern sich Bild und Selbstbild der Architekten seit einigen Jahren dramatisch: weg vom autonomen Baukünstler – hin zum kommunizierenden, werbenden Baumanager. Weg vom theoretischen Entwurf als zentrales Element der Architektur – hin zur Baupraxis. Weg von Fragen der Ästhetik – hin zu Fragen der Technik, der Termine und der Kosten.
Noch nie zuvor ist das Jahrtausende gewachsene Berufsbild der Architekten derart heftigen Veränderungen ausgesetzt gewesen.“
Matzig warnt aber zugleich davor, den Wandel des Berufsbilds zum „Selbstbild des Architekten als ‚Dienstleister’“ zu überziehen: „Das Pendel schlägt zurück. Und zwar abermals viel zu heftig.“ Ähnliche Einschätzungen mehren sich. Wolfgang Bachmann hat in der Mai-Ausgabe des ‚Baumeister’ gar den „Kampf der Baukulturen“ ausgerufen.
Wenn die Architekten und mit ihnen die Architektenkammern an einer strategischen Neuausrichtung arbeiten – das ist übrigens ein permanenter Prozess, ohne den eine erfolgreiche Vertretung des Berufsstands nicht funktionieren kann – ist es wichtig, sich immer wieder klar zu machen, wohin die Reise eigentlich gehen soll.
Schon lange versuchen die Architektenkammern, nicht nur ihre Mitglieder zu animieren, sich von einer einseitigen Fixierung auf das Bild des Baukünstlers zu lösen und ihre Kompetenzen als Dienstleister zu erweitern. So hat Peter Conradi, der damalige Präsident der Bundesarchitektenkammer, bereits vor fünf Jahren auch die Hochschulen dazu aufgerufen, „ihr Bild vom Architekten (zu) revidieren“: „Wollen die Hochschulen ihren Absolventen beim Übergang in die Berufspraxis künftig eine Zerreißprobe zwischen Baukünstler und Dienstleister ersparen, müssen sie eine marktgerechte Balance im Lehrangebot finden.“ Als ein Desiderat hat Conradi damals die Qualifikation in Sachen PR benannt: „Für den Architekten ist Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache unverzichtbar. Deshalb sollten die Hochschulen ihre Absolventen zu offensiver und professioneller Kommunikation befähigen.“
In dieser Hinsicht hat sich inzwischen viel getan, wie unter anderem der Studiengang Architekturvermittlung zeigt, zu dem ich der BTU Cottbus nur gratulieren kann. Besonders wichtig scheint mir zu sein, dass auch Absolventen der grundständigen Studiengänge Architektur, Stadt- und Regionalplanung von dem Angebot profitieren können. Denn zumindest ein allgemeines Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit ist für jeden Architekten, Stadt- und Regionalplaner unerlässlich.
Die Architektenkammern sind aber nicht nur mit Forderungen an andere herangetreten, sondern haben auch konkrete Maßnahmen ergriffen, um ihre Mitglieder stärker im Bereich Öffentlichkeitsarbeit zu qualifizieren. Ein Beispiel ist die Broschüre „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Architekten und Stadtplaner“, die die Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen im Dezember 2002 herausgegeben hat, ein praktisches handliches Instrument mit vielen Checklisten.
Die Architekten zu einer besseren Vermittlung ihrer Arbeit zu ermuntern, ist das Eine. Wie werben die Architektenkammern aber für den Berufsstand als Ganzes? Und was ist, um noch einmal auf die Ausgangsfrage zurückzukommen, ihre Zielrichtung? Sollten Sie einfach das 1x1 des Produkt-PRs und -Marketings auf die Architekten anwenden, und alles wird gut? Sollten sie gar ihr bisher starkes Engagement für die Baukultur als Sonntagsrednerei hinter sich lassen?
Eindeutig erkennbar ist eine zunehmende Tendenz unter den Architektenkammern, stärker als bisher unmittelbar für die Leistung von Architekten zu werben, zum Beispiel die Ansprache von Bauwilligen zu intensivieren oder Absatzmärkte im Ausland zu erschließen.
Die Architektenkammern stehen mit diesem Anliegen nicht alleine da. Sie bewegen sich in einem gesellschaftlichen Umfeld, für das offensive Wirtschaftsförderung auch für Kulturwaren kein Tabu-Thema mehr ist – auch Dank eines neu gewonnenen nationalen Selbstbewusstseins.
Die Förderung der Baukultur wird aber weiterhin einen wichtigen Stellenwert bei den Architektenkammern haben, und das nicht nur, weil das Teil ihres gesetzlichen Auftrags ist.
Architektur ist ein öffentliches Gut. Sie ist eine wesentliche Voraussetzung für eine lebenswerte Umwelt und ein gelingendes Gemeinwesen. Wenn die Architektenkammern das gegenüber der Öffentlichkeit nicht auch zukünftig klar machen, wird niemand mehr verstehen, warum Planung eine besondere Dienstleistung ist, und warum ein Haus kein Auto ist. Es liegt im ureigensten auch wirtschaftlichen Interesse der Architekten, den Sonderstatus von Architektur immer wieder zu verdeutlichen.
Auch rein werblich betrachtet, ist der Doppelcharakter von Architektur als Wirtschafts- und Kulturgut ein Glücksfall. Schon seit Langem zielt Werbung für seriell hergestellte Produkte immer weniger auf einzelne Produkteigenschaften ab, weil die Produkteigenschaften sich immer weniger unterscheiden, dafür aber immer mehr auf die Schaffung eines unverwechselbaren Images. Große Konzerne geben deshalb viel Geld für Sport oder Kultur aus, um das gute Image von Sport oder Kultur auf ihr Produkt zu übertragen. Architektur kann darauf verzichten. Denn Architektur ist Kultur. Die Architekten und ihre Kammern müssen mit diesem Pfund wuchern – einem Mehrwert, den gerade große Autokonzerne strategisch für ihre Markenbildung einsetzen.
Ähnlich wie Architekten aber gelernt haben, nicht nur Baukünstler, sondern auch Dienstleister zu sein, werden die Architektenkammern neben der Baukultur zunehmend die konkreten Leistungen der Architekten hervorheben. Als Vorbilder wirken unter anderem die Imagekampagnen anderer Freier Berufe wie der Apotheker oder Rechtsanwälte, die allerdings mit erheblich höheren Budgets arbeiten können.
Fazit: Die Zukunft der Architekturvermittlung liegt nicht in Marketing statt Baukultur. Verstärkte Anstrengungen der Architektenkammern, sich zu Marketingagenturen für Architekten zu entwickeln, sind sinnvoll und richtig. Architektenkammern sind und bleiben aber genauso gut Sachwalter der Baukultur.

Was heißt vor diesem Hintergrund Professionalisierung der Architekturvermittlung? Oder, um es anders zu formulieren, wer sind eigentlich die Profis? Oder die Noch-Nicht-Profis, die zu Profis werden sollen? Und Profis worin?
Die Vermittlung von Architektur wird von zwei großen Gruppen getragen: Architekturprofis (sprich Architekten), die keine Profis in der Vermittlung sind, einerseits, Vermittlungsprofis (sprich Lehrer, Journalisten, PR-Fachleute etc), die keine Profis in der Architekturvermittlung sind, andererseits. Zwischen beiden Gruppen gibt es fließende Übergänge. Die Unterscheidung ist aber keineswegs banal.
Die erste Gruppe, die Architekten, galten lange Zeit als „kommunikationsgestörte Autisten“, so der Chefredakteur des Deutschen Architektenblatts Oliver Hamm 2002 in der Süddeutschen Zeitung.
Inwiefern Hamm eine Tatsache und nicht nur ein Klischee auf den Punkt gebracht hat, ist fraglich. Wolfgang Pehnt weist in seinem Buch „Deutsche Architektur seit 1900“ zum Beispiel darauf hin, dass die Moderne zwar „keine alleinige Leistung der Bauhäusler“ (S. 123) war, ihr Ruhm jedoch „alles und alle“ (S. 124) überstrahlt. Pehnt hat eine einleuchtende Erklärung für den Siegeszug des Bauhauses: „Der ausgeprägte Sinn der Bauhausleute für Selbstdarstellung hatte Teil daran. Es gab Bauhaus-Ausstellungen, Bauhaus-Mappen, Bauhaus-Bücher, Bauhaus-Postkarten und Bauhaus-Feste, an denen das avantgardistische Berlin teilnahm“ (S. 124). Mit anderen Worten: Die Bauhäusler setzen schon in den 20er Jahren Kommunikationsinstrumente ein, die nach wie vor aktuell sind. Hatten sie vielleicht einen Studiengang Architekturvermittlung absolviert? Oder waren sie einfach Naturtalente? So oder so: Sie nahmen die Vermittlung jedenfalls ernst.
Das scheint mir der entscheidende Schritt: Vermittlung überhaupt als Aufgabe wahrzunehmen und ihr Gewicht zu geben.
Das Beispiel zeigt: Die Architekten müssen nicht bei null anfangen. Sie können auf eine eigene Tradition der Architekturvermittlung zurückgreifen. Sie müssen sich nicht fragen: Bin ich noch Baukünstler, wenn ich für mich selbst werbe?
Die neue Herausforderung der Architekturvermittlung liegt meiner Ansicht nach darin, dass sie nicht mehr die Angelegenheit einer herausgehobenen Gruppe von Architekten ist, sondern mehr und mehr von allen Architekten gefordert wird.
Wie Architekturvermittlung von einzelnen Architekten umgesetzt werden kann, hängt sicherlich von den jeweiligen Gegebenheiten ab: Ist der betreffende Architekt tatsächlich ein Naturtalent? Hat er entsprechende Fähigkeiten während seiner Ausbildung erwerben können? Kann er es sich leisten, einen Spezialisten für Kommunikation anzustellen? Greift er lieber auf externe Dienstleister zurück?
Wie auch immer: Die Vermittlung der eigenen Leistung muss als strategische Aufgabe begriffen und angegangen werden. In einem immer stärker umkämpften Markt wird ein Architekturbüro sonst kaum noch eine Chance haben.
Die Architekturvermittlung der Zukunft wird außerdem mit stark ausdifferenzierten Zielgruppen rechnen müssen: mit immer besser informierten und kritischeren Bürgern und Verbrauchern einerseits, angesichts des allgemeinen Auseinanderdriftens von Bildungsniveaus realistischerweise aber andererseits auch mit immer ignoranteren Bürgern und Verbrauchern. Schon heute sind kompetente Auftraggeber sowohl bei den Gemeinden als auch bei privaten Firmen ein Auslaufmodell. Die Architekturvermittlung der Zukunft wird also keinem abstrakten Vermittlungsgedanken folgen können, sondern muss sich auf einen echten Dialog und die Interessen des Zielpublikums einlassen. Die eigentliche Herausforderung scheinen mir übrigens nicht aufgeklärte mündige Laien zu sein, sondern Bauherren, die immer anonymer und dadurch immer weniger greifbar werden.
Genauso gut wie die Architekturvermittlung der Zukunft mit stark ausdifferenzierten Zielgruppen wird rechnen müssen, wird sie sich in einem immer schärferen Konkurrenzkampf um Aufmerksamkeit behaupten müssen. Je weniger sie mit großen Budgets auftrumpfen kann, desto pfiffiger und individueller muss sie sein, und desto mehr muss sie auf Multiplikatoren setzen.
Deshalb ist die zweite Gruppe von Architekturvermittlern auch so wichtig, es sind die Vermittlungsprofis, unter ihnen insbesondere die Lehrer, stellvertretend auch für andere Pädagogen.
Da Architektur kein eigenes Schulfach ist, haben Lehrer in den wenigsten Fällen Erfahrung in der Vermittlung von Architektur. In einem Alltag, der von zunehmender Verdichtung geprägt ist, von größeren Klassen bei einem gleichzeitig höheren Lehrdeputat, von immer neuen inhaltlichen, vor allem aber auch erzieherischen Herausforderungen, dürfte die natürliche Neugier, sich an ein neues Thema heranzuwagen, deshalb eher gering sein.
Wenn die Lehrer also als Architekturvermittler gewonnen werden sollen, muss es ihnen so leicht wie möglich gemacht werden.
So leicht wie möglich heißt unter anderem, dass sie auf fertige Materialien zurückgreifen können. Ein gutes Beispiel ist das kürzlich erschienene Heft „Baukultur und Schlossgespenster“, das die Bundeszentrale für politische Bildung in der Reihe „Themenblätter im Unterricht“ herausgegeben hat. Eine Ausgabe mit 15.000 Klassensätzen hat allein 400.000 Arbeitsblätter. Einen vergleichbaren Sprung der Architekturvermittlung in eine größere Masse von Schulen hat es in Deutschland bisher nicht gegeben.
Die Idee zu dem Heft ging aus einer gemeinsamen Veranstaltung der Bundesarchitektenkammer und des Rates für Baukultur hervor. Architekturvermittlung hieß in diesem Fall also, einen Dritten, nämlich die Bundeszentrale, zu gewinnen, Lehrern etwas zum Thema Architektur anzubieten.
Idealerweise sollte Lehrern ein Angebot zur Architektur aber nicht erst während der Berufsausübung begegnen, sondern bereits während der Berufsausbildung, sprich an der Hochschule oder im Referendariat. Auch hier hieße Architekturvermittlung wieder, Dritte zu gewinnen, damit die Architektur dahin kommt, wo wir sie haben möchten.
Ob das Hineinwirken in andere Bereiche auch bei der eigenen Community ankommt, ist allerdings fraglich – dazu ein ganz konkretes Beispiel aus der Praxis. Um Missverständnissen vorzubeugen: Mir geht es nicht um eine Kritik der Medien, sie dienen mir vielmehr als Spiegel des unterstellten Publikumsinteresses.
Wenn die Bundesarchitektenkammer eine Pressemitteilung herausgibt, prüfen wir immer, ob und wie die Meldung aufgegriffen wird, um zu sehen, ob ein Thema interessiert und die Botschaft ankommt. Persönlich gucke ich auch, was ich bei der Formulierung künftiger Pressemitteilungen noch besser machen kann.
Dieses Korrektiv hat mich zum Beispiel zu der Erkenntnis gebracht, dass beim Thema Architekturvermittlung in der Schule die allgemeine Debatte um die kulturelle Bildung von Journalisten als irrelevant fürs Fachpublikum eingeschätzt wird. Die Akzente, die bei der Verarbeitung einer Pressemitteilung der Bundesarchitektenkammer vom 14. März von unterschiedlichen Journalisten gesetzt worden sind, zeigen dies ziemlich deutlich.
Die Pressemitteilung jedenfalls hebt hervor, dass die Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder Isabell Pfeiffer-Poensgen, der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung Thomas Krüger und der Vorsitzende des Deutschen Kulturrates Max Fuchs bei der Veranstaltung „Architektur macht Schule“ auftreten.
Das BauNetz übernahm am 6. April große Teile der Meldung ließ jedoch die Namen und Funktionen der genannten Personen weg und ergänzte dafür eine Information, die der Pressemitteilung gar nicht zu entnehmen war, wohl aber der Einladungskarte, deren Cover das BauNetz zur Illustration des Textes verwendete: „Auf der Veranstaltung sprechen unter anderem Arno Sighart Schmid, Hartmut Miksch, Gert Kähler und Nina Nedelykov.“ Mit Ausnahme des Architekturpublizisten Kähler handelt es sich allesamt um Präsidiumsmitglieder der Architektenkammern. Sie scheinen zum Thema „Architektur macht Schule“ interessant zu sein, namhafte Spieler auf dem Feld kultureller Bildung aber nicht. Auch das BundesBauBlatt übernahm die Pressemitteilung im April fast komplett, ließ die Namen der fraglichen Personen aber weg.
Gerade die Diskussion mit den Vertretern der Kulturstiftung der Länder, der Bundeszentrale für politische Bildung und des Deutschen Kulturrates machte die Veranstaltung für DeutschlandRadio Kultur wiederum interessant. Der Sender zeichnete die Diskussion auf, sodass Architektur dort im Kontext kultureller Bildung vorkommen wird.
Das skizzierte Medieninteresse ist für mich ein Indiz, dass innerhalb der Architekturszene viele Diskussionen zu stark rein architekturbezogen geführt werden, bei denen es auch darauf ankäme, in andere Bereiche vorzudringen, um etwas für die Vermittlung von Architektur zu bewegen. Doch wo, oder vielleicht besser wann sollte Architekturvermittlung ansetzen? Die Architektenkammern der Länder und die Bundesarchitektenkammer haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Initiativen ergriffen, um Kindern und Jugendlichen einen Zugang zu architektonischer Bildung zu ermöglichen. Herzstück aller Aktivitäten sind Schulprojekte der Länderkammern, die Kinder und Jugendliche unmittelbar erreichen. Sie gehen von Architekten-Besuchen in der Schule und der Einbindung von Architekten als „außerschulische Partner“ im Nachmittagsunterricht von Ganztagsschulen über Rundgänge im eigenen Stadtumfeld und Schüler-Praktika in Architekturbüros bis hin zur Umgestaltung von Schulhöfen.
Darüber hinaus regen die Architektenkammern zur Architekturvermittlung an, indem sie Lehrmaterialien produzieren, Projekte dokumentieren, Lehrerfortbildungen anbieten, Ausstellungen organisieren, Netzwerke knüpfen und vieles andere mehr.
Mit diesen Aktivitäten ist es den Architektenkammern gelungen, Architekturvermittlung in der Schule zum Thema zu machen. Für diese Leistung gebührt ihnen großer Respekt. Denn anders als zum Beispiel die Musik kann sich Architektur nicht auf ein etabliertes Vermittlungssystem wie die Musikschulen stützen. Architektenkammern sind nicht in erster Linie Bildungsinstitutionen, sondern dienen der Selbstverwaltung des Berufsstandes. Deshalb kann ihre Funktion nur sein, beispielhafte Projekte anzustoßen und dafür zu werben, dass andere die Idee aufgreifen und weitertragen.
Ein Bereich, der künftig sicherlich an Bedeutung gewinnen wird, ist die frühkindliche Bildung, die immer stärker in den Blick der aktuellen Bildungsdebatte rückt. Entsprechend wird der Ruf lauter, die Ausbildung von Erzieherinnen aufzuwerten. So bietet die Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim zum Beispiel den neuen Studiengang Bildung und Erziehung im Kindesalter an, der unter anderem darauf abzielt, in der Ausbildung von Erzieherinnen neue Standards zu setzen. Allgemein wandelt sich das Selbstverständnis des Kindergartens von einem Ort der Betreuung zu einem Ort der Bildung. Gleichzeitig wächst innerhalb der Diskussion um die frühkindliche Bildung die Bedeutung von bildender Kunst und Kultur. Das Thema „Architektur in der frühkindlichen Bildung“ ist in Deutschland aber fast noch ein unbeschriebenes Blatt.
Mit anderen Worten: Die frühkindliche Bildung befindet sich im Umbruch. Wenn es eine Chance gibt, dort neue Inhalte zu verankern, dann jetzt. Auf diesem Gebiet gäbe es also viel zu tun, zum Beispiel eine Recherche, wo und wie findet Architektur schon heute im Vorschulalter statt, ob nun im Kindergarten oder darüber hinaus in Kultur- und Freizeitinstitutionen, – sowohl national als auch international. Ziel wäre zu definieren, welche Architektur-Standards in allgemeine Standards für Erzieherinnen und Kindergärten einfließen sollten.
Frühkindliche Bildung fängt aber nicht erst im Kindergarten an. In Bereich der Musik sind bereits Gruppen von Eltern mit Kindern im Alter von 0 bis 18 Monaten auf dem Weg.
Angesichts des demographischen Wandels – alternde Gesellschaft einerseits, Migrationsgesellschaft andererseits – wäre außerdem zu überlegen, welchen Beitrag Architekturvermittlung zu diesem Transformationsprozess leisten kann.
Ein weiteres lohnendes Projekt wäre schließlich eine Website speziell für Kinder und Jugendliche, zu der es bereits erste Überlegungen gibt. Da das Internet bei Kindern und Jugendlichen ein außerordentlich beliebtes Medium ist, könnte ein auf ihre Wahrnehmungsweisen zugeschnittenes Angebot sie spielerisch an das komplexe Thema Architektur heranführen. Die Vorteile einer solchen Seite liegen auf der Hand: Gemessen am Wirkungsgrad wären die Investitionskosten vergleichsweise gering, für die Kinder und Jugendlichen selbst entstünden keine Kosten außer der Online-Verbindung und zumindest im fortgeschritteneren Alter könnten sie die Seite unabhängig davon nutzen, ob die Auseinandersetzung mit Architektur von Elternhaus oder Schule angeregt wird. Eine Architekturseite für Kinder und Jugendliche könnte nicht nur einen entscheidenden Beitrag zur Architekturvermittlung an und für sich leisten, sondern auch zur dringend notwendigen Qualitätssicherung.
Das Angebot an deutschsprachigen Kinderseiten im Internet ist inzwischen enorm, wie Suchmaschinen für Kinder zeigen (zum Beispiel www.blinde-kuh.de , www.multikids.de , www.milkmoon.de , www.trampeltier.de oder www.seitenstark.de). Selbst der
Bundespräsident und die Bundeskanzlerin haben eigene Rubriken für Kinder auf ihrer Homepage, auch wenn die textlastige und schematische Ansprache unter www.bundeskanzlerin.de ihr Ziel kaum erreichen dürfte.
Bisher gibt es aber nur wenige Angebote zur kulturellen Bildung im Internet, wie zum Beispiel www.notenmax.de, eine virtuelle Musikschule. Eine Website zum Thema Architektur, die sich gezielt an Kinder und Jugendliche richtet, fehlt völlig. Wenn sie nach Denkmalschutz suchen, werden sie zwar unter www.denkmal-mit-pfiff.de fündig (laut Aussage der Deutschen Stiftung Denkmalschutz 300 Zugriffe pro Tag). Die Kinderseite des SWR hält außerdem das Thema „Bauwerke“ bereit. Und auch in anderen europäischen Ländern werden kindgerechte Angebote zur Architekturvermittlung erprobt (unter anderem www.buildingconnections.co.uk). Diese Ansätze sind aber zu begrenzt, um ein umfassendes Verständnis für die gebaute Umwelt zu wecken.
 

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