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Unser Thema, „Die Zukunft der Architekturvermittlung“, ist gekennzeichnet
von vielen offenen Fragen: Was soll hier überhaupt vermittelt werden? Was
genau verstehen wir eigentlich unter Architektur oder Baukultur? Wie kann
und könnte man Architektur und Baukultur vermitteln? Welche Kompetenzen und
Fähigkeiten brauchen wir dafür?
Warum eigentlich so viele Fragen? Warum eigentlich so vorsichtig? Warum so
verhalten?
Warum arbeitet man, wenn es um Architektur und Baukultur geht, nicht mit den
in der Kommunikationsbranche völlig selbstverständlichen Begriffen und Tools
wie „Kommunikationsstrategie“, „Steuerung“, „Setzung“, „Programmatik“,
„Botschaften“, „Identitätsentwicklung“ und „Identitätsstiftung“, warum
sprechen wir hier nicht von „Werten“, von „mind of share“, „Branding“,
„Markentechnik“, und „Marke“? Warum will man nicht einfach nur und auch
überzeugen? – also das, was heute in allen anderen Bereichen unseres Lebens,
ob in Wirtschaft, Politik oder Kultur, selbstverständlich ist.
Planer und Architekten gestalten maßgeblich unsere Welt: Städte, Räume,
Plätze, Gebäude sind wesentlicher Teil unserer täglichen Wahrnehmung. Und
dennoch spricht kaum jemand, schreibt kaum jemand darüber. Die Medien sind
voll von Zukunftsszenarien und Prognosen: Geburten, Ausbildung, Arbeit,
Alter, Rente, Technologien. Aber das, was uns täglich umgibt – und wenn es
nur das Dach über unserem Kopf ist – das findet kaum Beachtung und nur
selten tiefere Reflexion, wie beispielsweise bei Richard Sennett: „Ich habe
dieses Buch (Fleisch und Stein) geschrieben, weil mich ein Problem unserer
Zeit vor ein Rätsel stellte: die Verarmung der Sinne, die das moderne Bauen
wie ein Fluch zu verfolgen scheint“ (Sennett, 1997, S. 21). Oder bei Mark
Augé, der die Hypothese entwickelt, dass die „Übermoderne“ nur noch
„Nicht-Orte hervorbringt“ (Augé, 1994, S. 92f.).
Architektur, eines der spannendsten Themen, eine der Gestaltungskräfte
unserer modernen Welt, ist von der Kommunikation bis heute fast unentdeckt.
Eine der spannendsten Berufszweige und Branchen - man möchte fast sagen –
„ignoriert“ beharrlich all das, was für andere selbstverständlich ist:
Offensive Kommunikation.
Jedes erfolgreiche Großunternehmen verfügt heute über einen
Kommunikationsfachmann auf Vorstandsebene. Und das ist schon seit vielen
Jahren so. In Planung und Architektur ist das anders. Warum? Weil
Kommunikations-Profis „alles verkaufen“, von der Seife bis hin zum Auto?
Weil dieses sehr verkürzte Bild des „Verkäufers“ so gar nicht zusammenpasst
mit dem künstlerischen und wissenschaftlichen Selbstverständnis der
Architekten und Planer? Weil Stadtplanung und Architektur angeblich so
schwer zu verstehen sind? Weil das eine nicht zum anderen passt? Weil die
Charaktere der unterschiedlichen Berufszweige nicht zusammenpassen? Oder
weil Planer und Architekten es gewohnt sind, vieles, wenn nicht alles,
selber machen zu wollen?
Hier bedarf es noch der Annäherung und Vermittlung zweier Disziplinen – und
wie weit diese zuweilen noch voneinander entfernt sind, soll im Folgenden
exemplarisch gemacht werden:
Was heißt eigentlich „Architekturvermittlung“ genau?
Bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen zum Beispiel wird auf der
Internetseite unter dem Stichwort „Architekturvermittlung“ ein ganzes
Programm von Forderungen und Maßnahmen erläutert – leider ohne den Begriff
der „Architekturvermittlung“ selbst genauer zu definieren (AK NRW, Juni
2006).
Auf der Internetseite zum Studiengang „Architekturvermittlung“ der BTU
Cottbus (BTU Cottbus. Juni 2006) kommen wir schon einen guten Schritt
weiter. Hier heißt es: “Architekturvermittlung findet überall da statt, wo
Schnittstellen zwischen Fachleuten und der Öffentlichkeit bestehen.
Architekturvermittlung kann viele Formen annehmen: Journalismus,
Ausstellungsgestaltung, Eventmanagement, PR-Arbeit, Moderation und Mediation
von Planungsprozessen, Gestaltung von Internetportalen, Konzeption von
Fortbildungsveranstaltungen, Führungen oder Unterrichtseinheiten, etc. Ihre
Zielgruppen sind Bauherren, Planungsbetroffene, interessierte Bürger,
Nutzer, Kinder, Jugendliche, usw. Im Studiengang Architekturvermittlung
lernen Sie, für bestimmte Aufgaben und bestimmte Zielgruppen das richtige
Kommunikationskonzept zu entwickeln und mit den richtigen Medien umzusetzen.
Dabei ist es uns besonders wichtig, dass die Vermittlungsarbeit immer auf
einer verlässlichen wissenschaftlichen Grundlage erfolgt. Deswegen steht am
Anfang jeder Praxis die gründliche Analyse und Interpretation des
Gegenstands.“
Das ist alles richtig und sauber formuliert. Aber – die Pointierung sei
gestattet – wo und in welchen anderen Bereichen unseres ökonomischen, aber
auch sozialen, gesellschaftlichen und politischen Lebens ist das nicht so?
Denken wir beispielsweise an die Kommunikationsvorstände in unserer
Wirtschaft. Könnte die oben zitierte Beschreibung von Architekturvermittlung
übertragbar sein auf andere Aufgaben oder Bereiche? Zum Beispiel auf den
eines Kommunikationsvorstands, den einer großen Krankenkasse, auf ein im
sozialen Bereich engagiertes Unternehmen?
Ich halte einmal dagegen eine beliebige, aber auch klassische Stellenanzeige
einer deutschen Werbeagentur, die einen Senior Consultant sucht: “Sie
verfügen über mindestens zwei Jahre Berufserfahrung bei einer
marketingorientierten Unternehmensberatung und/oder über Erfahrungen in
einem Industrie-/Dienstleistungsunternehmen. Im Rahmen Ihrer bisherigen
Tätigkeiten im Marketingbereich haben Sie fundiertes Wissen zu den Themen
Branding, CRM, Preis- oder Vertriebsmanagement aufgebaut. Ferner haben Sie
insbesondere Erfahrungen im Management unterschiedlicher interner und
externer Schnittstellen gesammelt und Agenturen bzw. Dienstleister
selbständig gebrieft und gesteuert. Wenn Sie darüber hinaus ausgeprägte
analytische und konzeptionelle Fähigkeiten besitzen, die Sie idealerweise
bereits durch die Erstellung und Kalkulation von Business-Plänen unter
Beweis stellen konnten, dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung. Ihre
Perspektiven bei uns: Als Senior Consultant arbeiten Sie eigenverantwortlich
an Projekten zur Steigerung des Marken- und Kundenwerts und an der
Konzeption und Implementierung von Lösungen für unsere nationalen und
internationalen Klienten. Ein dynamisches, junges Team bietet Ihnen die
Chance …“.
Was ist hier anders? Von „Vermittlung“ im weitesten Sinne ist in beiden
Fällen die Rede. Im zweiten Beispiel der Werbeagentur aber stehen
Positionierung und Markenbildung – wenn man so möchte: der absolute
Überzeugungswille! – als Basis und Maximen für jede Form der Kommunikation
im Vordergrund!
Warum tut sich sie Architektur so schwer mit moderner (Marketing)-Kommunikation?
Was ist das für ein Selbstverständnis, das sich hinter dem Wort
Architektur-Vermittlung verbirgt? Was bedeutet eigentlich das Wort
„Vermittlung“? Ein kurzer Seitenblick ins Lexikon: Meyers
Großes Taschenlexikon bezeichnet „Vermittlung“ als
Begriff des Völkerrechts, als Verfahren der friedlichen Streitbeilegung
durch einen unbeteiligten Dritten ohne bindende Wirkung zum Ausgleich des
Interessenkonflikts (Meyers Großes Taschenlexikon, 1993, S. 146). Bei
Wikipedia steht „Vermittlung“ für den Versuch, eine Einigung zwischen
unterschiedlichen Ansichten und Interessen herzustellen im Sinne der
Mediation (Wikipedia, Juni 2006). Halten wir fest: Vermittlung ist ein
Verfahren, ein Versuch, um einen Ausgleich, eine Einigung verschiedener
Interessen unterschiedlicher Parteien herzustellen.
Mein Eindruck: Begriff und Selbstverständnis der Architektur-Vermittlung
sind heute immer noch sehr stark geprägt von der Programmatik
basisdemokratischen Denkens und Handelns. Das heißt einerseits: geprägt von
der Idee der Öffentlichkeitsbeteiligung (Bürgerbeteiligung), also des breit
angelegten Diskurses und der Partizipation, der rechtlich verbürgten
Mitsprache des Bürgers bei der Gestaltung seiner gebauten Umwelt im Sinne
der res publica, der öffentlichen Sache. Das heißt andererseits: geprägt von
dem Bestreben, Architektur im Sinne eines Kunstverständnisses einer
möglichst breiten Zielgruppe zu vermitteln. Also Aufklärung,
Wissensvermittlung auf breiter Basis zu betreiben, Verständnis zu schaffen.
Auch dies geschieht im Sinne der res publica, der öffentlichen Sache.
Beide Aspekte sind natürlich richtig und wichtig! Aber: Dass
Architekturvermittlung unter diesen Vorzeichen eine mitunter schwierige
Aufgabe ist, zeigt die Praxis. Das ist nicht nur in der Architektur, das ist
auch in der Stadtplanung, das ist im gesamten politischen Bereich so: Viele
reden mit, nur einige haben das richtige Mitverständnis, wenige machen mit
und engagieren sich, und ganz wenige setzen schließlich und in der Regel
ihre persönliche Meinung – ob mit oder ohne Sachverstand – durch. Und diese
letztlich durchgesetzte persönliche Meinung muss mit der eigentlichen Sache
gar nichts mehr zu tun haben. Das ist die Praxis, die uns allzu oft
begegnet: Ob im Rahmen der Bürgerbeteiligung oder im Rahmen der Präsentation
von städtebaulichen Vorhaben auf städtischer oder kommunaler Ebene (Selle,
2005, S. 405 ff.). So verstandene „Architekturvermittlung“ nimmt sich viel
vor und stellt sich schwierigen – und so gesehen fast unlösbaren – Aufgaben.
Diese Vorsichtigkeit selbst wird zur Programmatik. Und über Architektur zu
sprechen heißt heute noch: leise sprechen, vorsichtig sprechen, verhalten
sprechen.
Kommt man damit weiter? Reicht das? Kann Architekturvermittlung mit einem
solch vorsichtigen, verhaltenen Selbstverständnis Dinge bewegen, etwas
bewirken? Mitreißen? Begeistern? Überzeugen?
Politische Prozesse und Vorhaben sind auch von Partizipation, Aufklärung und
Wissensvermittlung geprägt und auf Verständnis auf breitester Ebene
angewiesen. Und bedienen sich dennoch eines ganz anderen kommunikativen
Selbstverständnisses und Instrumentariums.
Die zweifache Herausforderung
Um Architektur-Vermittlung im Sinne moderner Kommunikation zu betreiben,
müssen wir zwei Herausforderungen annehmen. Einerseits: Die
Architekturvermittlung muss sich aus ihrem verhaltenen Selbstverständnis
herausbewegen, um in der nun einmal schnellen, pragmatischen und die Dinge
akzentuierenden Welt der Kommunikation und Medien stärkeres Gehör zu finden
und für sich Aufmerksamkeit zu schaffen. In dieser Welt geht es weniger um
Vermittlung als um Setzung, weniger um Vorsicht als um proaktives
kommunikatives Handeln. Andererseits geht es – natürlich – auch um die
Architektur (die übrigens, schon heute erkennbar, einen Wandel vom Zeichen
und Wahrzeichen in Richtung Markenzeichen vollzieht).
Das heutige Selbstverständnis der Architekturvermittlung steht zu großen
Teilen in Kontrast zu Selbstverständnis und Methodik moderner Kommunikation
und modernen Marketings. Manche werden bei dieser These erschrecken. Aber:
Denken Sie beispielsweise an die Veränderungen in der Gestaltung des
Bundestagswahlkampfs. Als im Wahlkampf vor neun Jahren – natürlich
importiert als US-amerikanische Erfindung - sich die großen deutschen
Volksparteien erstmalig so genannter „Spin Doctors“ bedienten, war die
Begeisterung in Teilen der Öffentlichkeit nicht gerade groß (Schneider,
2002, S. 354f.).
Was macht ein „Spin Doctor“? Als solchen bezeichnet man einen
Verantwortlichen für
Public Relations bzw. Öffentlichkeitsarbeit. Die Bezeichnung wird von
den
Medien besonders im Bereich der
Politik benutzt und hat mitunter einen abwertenden
Unterton, da sie andeutet, dass der so Bezeichnete Ereignisse und deren
Darstellung mit dem richtigen Dreh (engl. spin) versieht, also manipuliert.
Dem Spin Doctor geht es darum, seinen Auftraggeber, dessen Politik oder
andere Personen oder Ereignisse in einem möglichst positiven (oder auch
negativen) Licht darzustellen. Er arbeitet mit Bildern und Inszenierungen
und nutzt die Medien für seine Ziele (z. B. das Agenda-Setting).
Meinungsmanipulation in einem Wahlkampf. Im basisdemokratischen Deutschland.
In dem jeder Bürger dachte, dass Politiker von heute doch grundsätzlich der
Wahrheit verpflichtet sind! Das Ende der wahren Partizipation des Bürgers an
der Besetzung des Deutschen Bundestages wurde schnell prognostiziert!
Und was ist heute? Der Einsatz von Spin Doctors ist zur
Selbstverständlichkeit geworden. Und die größten Werbeagenturen Deutschlands
veranstalten wahre Werbeschlachten um die Gunst des Wählers. Wahlkämpfe sind
auch heute noch „basisdemokratisch“ und um politische Aufklärung und
Beteiligung bemüht. Aber sie sind auch extrem kommunikationsgesteuert. Hier
macht man Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Dialogmarketing mit nur einem
Ziel: Verstanden zu werden, „rüber zu kommen“ für das eigene Anliegen, für
die vermeintlich bessere Idee zu stehen.
Solche Formen der Kommunikation sind der Architekturvermittlung heute noch
völlig fremd.
Und wie entwickelt sich die Architektur, die da vermittelt werden soll?
Wenden wir kurz den Blick auf das, worum es hier auch geht: den umbauten
Raum – womit wir bei der zweiten Herausforderung wären, die mit dem Begriff
der Architekturvermittlung verbunden ist:
Unter der Überschrift „Überdachte Geschichte“ beschreibt Georg Diez im
Magazin der ZEIT, was die Fußball-Arenen in Berlin und München über
Deutschland zwischen 1936 und 2006 erzählen (Diez, 2006, Seite 18f.). Die
Allianz-Arena in München hat für Furore gesorgt. Rezeptionen und
Interpretationen über dieses Gebäude sind bekannt. Aber – und dieser Aspekt
fand in der Rezeption bislang weniger Beachtung: Dieses Gebäude zeigt auch,
wie Architektur einerseits und Markenmacht von Unternehmen andererseits
zunehmend ineinander spielen. Georg Diez bezeichnet die Arena „in ihrer
Ästhetik (als) mehr (als) ein Produkt der Unterhaltungsindustrie und der
Arzneimittelforschung, (als) eine Glückpille aus Beton und Plastik.“ Es
sind, so Georg Diez weiter, „eben nicht mehr die transparenten
Stahlstrukturen und das luftig geschwungene Dach von Günter Behnisch und
Frei Otto, die das Münchener Olympiastadion für die Spiele 1972 entworfen
haben, Abbild einer Zeit, die das Heil in der Lichtdurchdrungenheit suchte,
in der Klarheit, vielleicht sogar in der Wahrheit, politisch mit Brandts
Kniefall, ästhetisch mit einer radikalen Modernität, die den Deutschen half,
sich neu zu erfinden, neu zu sehen, neu zu präsentieren. Und so wurden die
Zeichen und das Design der Spiele von 1972 zu Ikonen dieses lichten
Lebensgefühls. (…)“. Im Jahr 2006, so schlussfolgert Diez, „gibt es keine
Ikonen mehr, es gibt nur noch Marken.“
War das alte Münchener Olympiastation noch Wahrzeichen einer Stadt, so ist
die neue Allianz-Arena – nicht allein durch ihren Namens-Appendix „Allianz“
– zum gebauten Markenzeichen geworden, eine Marke mit dem Potential zum
„Mythos-Status“, wie man es entsprechend moderner Markenmodelle bezeichnet (Klein-Bölting
& Murad Aga, 2004, S. 90ff.). Und die Basler Architekten Jacques Herzog und
Pierre de Meuron agieren heute nicht mehr allein als Architekten und damit
auch als Künstler, sondern schon längst auch als Designer global agierender
Marken. Das Bauwerk als solches tritt in der Wahrnehmung des Besuchers –
oder besser gesagt, des Verbrauchers – zurück und wird verdeckt von der
Markenstärke des Unternehmens Allianz.
Was heißt das für die Zukunft der Architektur? Aufsehen erregende
Architektur wird in Zukunft sehr viel stärker an starke Marken gekoppelt
sein, wird von ihnen „okkupiert“ werden. Umgekehrt heißt dies, dass
Architektur selbst sehr viel „mutiger“ sein muss, um für starke Marken
interessant zu sein, um vermarktungsfähig zu sein, letztlich, um markenfähig
zu sein: Das, was wir heute als Corporate Architecture bezeichnen, also die
Widerspiegelung von Unternehmensselbstverständnis und -philosophie in
umbautem Raum, wird sich in Zukunft sehr viel stärker in Richtung „Brand
Architecture“ wandeln: Architektur für Marken. (Zu denken ist hier
beispielsweise an die kürzlich in New York eröffneten neuen Apple-Stores.)
Was heißt das für die Architekturvermittlung? Auch die
Architekturvermittlung muss „mutiger“ sein. Architekturvermittlung muss sich
künftig sehr viel stärker – ähnlich den erfolgreichen Regionenmarken (Kirchgeorg,
2002) – an „moderner“ Kommunikation orientieren, um sich im Meinungsmarkt
durchsetzen zu können, um Herausforderungen und Handlungsdruck von Bund,
Ländern, Städten und privaten Investoren (Schrumpfung, Leerstände,
Privatisierung, PPP, Immobilienfonds etc.) entsprechen zu können.
Architekturvermittlung muss in Zukunft professionelle, selbstbewusste,
kreative, meinungsbildende und ergebnisorientierte Kommunikation mit
spezifischen Zielgruppen sein. Dieser erforderliche „Entwicklungsschritt“
wird nicht ohne Folgen bleiben:
Für die Ausbildung heißt das: Es werden
„Architekturvermittlungs-Spezialisten“ benötigt, die sich auch das Know-how
und die operativen Tools von Kommunikationsagenturen (u. a. Markenbildung,
Werbung, Public Relations) zueigen machen. Die Kommunikationsbranche ist
schon heute eine Branche der Spezialisten: Beispielsweise in den Bereichen
Corporate und Marketing Communications, der Internen Kommunikation,
Markenentwicklung, Dialogkommunikation, Personalen Kommunikation –
beispielsweise für Branchen wie Konsumgüter, IT, Automobil.
Interdisziplinäres Zusammenarbeiten ist dabei heute eine absolute
Selbstverständlichkeit und für die erfolgreiche Positionierung im Markt
unabdingbar. Auch die Architektur wird sich innerhalb der
Kommunikationsbranche einen festen Platz verschaffen. Im Bereich des
Stadtmarketings hat sich das in den letzen Jahren bereits deutlich gezeigt:
Städte werden heute zunehmend selbstverständlich als „Produkte“ verstanden
und entsprechend positioniert und vermarktet. Ihre Marken werden
professionell aufgebaut. Denken wir beispielsweise an die Erfindung der
„Kulturhauptstadt“. Und dennoch wird das Wort „Marke“, wie Wally Olins
treffend bemerkt, in diesem Zusammenhang nur selten gebraucht: „Keine
einzige Stadt, die an diesen Wettbewerben teilnimmt, nimmt das schmutzige
Wort ‚Marke’ in den Mund, doch natürlich dreht sich alles genau darum.“ (Olins,
2004, S. 207) Gleiches bzw. Ähnliches wird in Zukunft für die Architektur
gelten.
Für die Praxis der Architekturvermittlung heißt das: Hier werden sehr viel
stärker als heute Teams benötigt werden, die sich aus Spezialisten der
Bereiche Kommunikation, Architektur, Planung und Stadtplanung, Moderation
und Mediation zusammensetzten.
Für die Forschung heißt das: Stärkere Fokussierung auf die Themen
Markenbildung und Marketing. Sonja Beeck hat hier erste Ansätze aufgezeigt (Beeck,
2003). Das Thema Architektur und Marke ist aber – so scheint mir – noch
längst nicht erschlossen.
Und für die Architektur selbst heißt das, dass sie damit – auch – Teil
moderner Marketingstrategien werden wird. Brand-Architecture wird in der
künftigen Markenbildung und -kommunikation von Unternehmen eine wesentlich
größere Rolle spielen als heute.
Spätestens damit wird sich die Architekturvermittlung als eigene Disziplin
innerhalb der Kommunikationsbranche fest etablieren. Wenn sich denn aber die
Architekturvermittlung – im Sinne einer Architekturkommunikation – stärker
an modernen Selbstverständnissen und Tools der Kommunikation und des
Marketings orientiert, dann werden gebauter Raum und Architektur
mittelfristig auch zwangsläufig stärker als „Marken“ herausgestellt werden.
Das eine wird also das andere bedingen; beides wird sich gegenseitig
forcieren und beeinflussen.
Literatur:
Augé, M. (1994). Orte und
Nicht-Orte. Vorüberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit. Frankfurt:
Fischer.
Beeck, S. (2003).
Parallele Welten. Theming: Analyse einer Methode aus dem Bereich der
visuellen Kommunikation zur semantischen Programmierung, bezogen auf den
Kontext von Architektur und Städtebau im 21. Jahrhundert. Universität
Karlsruhe, Fak. für Architektur. Dissertation.
Diez, G. (2006).
Überdachte Geschichte. Die Stadien. Was die WM-Arenen in Berlin und München
über Deutschland zwischen 1936 und 2006 erzählen. ZEIT-LEBEN, Nr. 23, Juni
2006 (Sonderbeilage), Seite 18-19.
Kirchgeorg, M. (2002).
Aufbau und Gestaltung von Regionenmarken. In H. Meffert, C. Burmann & M.
Koes (Hrsg.), Markenmanagement. Grundfragen der identitätsorientierten
Markenführung (S. 376-400). Wiesbaden: Gabler.
Klein-Bölting, U. & Murad
Aga, T. (2004). Anlass-spezifische Markenbewertung mit dem BBDO Brand Equity
Evaluator. In A. Schimansky (Hrsg.), Der Wert der Marke.
Markenbewertungsverfahren für ein erfolgreiches Management (S. 86-99).
München: Vahlen.
Meyers großes
Taschenlexikon in 24 Bänden. Hrsg. und bearbeitet von Meyers
Lexikonredaktion. Band 23, 1993. Seite 146.
Schneider, H. (2002).
Identitätsorientierte Markenführung in der Politik. In H. Meffert, C.
Burmann & M. Koes (Hrsg.), Markenmanagement. Grundfragen der
identitätsorientierten Markenführung (S. 354-373). Wiesbaden: Gabler.
Selle, K. (2005). Planen.
Steuern. Entwickeln. Über den Beitrag öffentlicher Akteure zur Entwicklung
von Stadt und Land. Dortmund: edition stadt entwicklung.
Sennett, R. (1997).
Fleisch und Stein. Der Körper und die Stadt in der Westlichen Zivilisation.
Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Olins, W. (2004). Marke,
Marke, Marke. Den Brand stärken. Frankfurt/Main: Campus.
Internet-Quellen:
http://www.aknw.de/wir_ueber_uns/haus_der_architekten/architekturvermittlung.htm
http://www.tu-cottbus.de/fakultaet2/de/studium/fak2-studiengaenge/architekturvermittlung-master-of-science/
http://de.wikipedia.org/wiki/Vermittlung
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