Die Zukunft
der Architekturvermittlung

11. Jahrgang
Doppelheft 1-2
Februar 2007
   

 

___Norbert Fiebig
Düsseldorf
  Architekturvermittlung – Wege zu einem neuen Selbstverständnis
   



Unser Thema, „Die Zukunft der Architekturvermittlung“, ist gekennzeichnet von vielen offenen Fragen: Was soll hier überhaupt vermittelt werden? Was genau verstehen wir eigentlich unter Architektur oder Baukultur? Wie kann und könnte man Architektur und Baukultur vermitteln? Welche Kompetenzen und Fähigkeiten brauchen wir dafür?
Warum eigentlich so viele Fragen? Warum eigentlich so vorsichtig? Warum so verhalten?

Warum arbeitet man, wenn es um Architektur und Baukultur geht, nicht mit den in der Kommunikationsbranche völlig selbstverständlichen Begriffen und Tools wie „Kommunikationsstrategie“, „Steuerung“, „Setzung“, „Programmatik“, „Botschaften“, „Identitätsentwicklung“ und „Identitätsstiftung“, warum sprechen wir hier nicht von „Werten“, von „mind of share“, „Branding“, „Markentechnik“, und „Marke“? Warum will man nicht einfach nur und auch überzeugen? – also das, was heute in allen anderen Bereichen unseres Lebens, ob in Wirtschaft, Politik oder Kultur, selbstverständlich ist.

Planer und Architekten gestalten maßgeblich unsere Welt: Städte, Räume, Plätze, Gebäude sind wesentlicher Teil unserer täglichen Wahrnehmung. Und dennoch spricht kaum jemand, schreibt kaum jemand darüber. Die Medien sind voll von Zukunftsszenarien und Prognosen: Geburten, Ausbildung, Arbeit, Alter, Rente, Technologien. Aber das, was uns täglich umgibt – und wenn es nur das Dach über unserem Kopf ist – das findet kaum Beachtung und nur selten tiefere Reflexion, wie beispielsweise bei Richard Sennett: „Ich habe dieses Buch (Fleisch und Stein) geschrieben, weil mich ein Problem unserer Zeit vor ein Rätsel stellte: die Verarmung der Sinne, die das moderne Bauen wie ein Fluch zu verfolgen scheint“ (Sennett, 1997, S. 21). Oder bei Mark Augé, der die Hypothese entwickelt, dass die „Übermoderne“ nur noch „Nicht-Orte hervorbringt“ (Augé, 1994, S. 92f.).

Architektur, eines der spannendsten Themen, eine der Gestaltungskräfte unserer modernen Welt, ist von der Kommunikation bis heute fast unentdeckt. Eine der spannendsten Berufszweige und Branchen - man möchte fast sagen – „ignoriert“ beharrlich all das, was für andere selbstverständlich ist: Offensive Kommunikation.

Jedes erfolgreiche Großunternehmen verfügt heute über einen Kommunikationsfachmann auf Vorstandsebene. Und das ist schon seit vielen Jahren so. In Planung und Architektur ist das anders. Warum? Weil Kommunikations-Profis „alles verkaufen“, von der Seife bis hin zum Auto? Weil dieses sehr verkürzte Bild des „Verkäufers“ so gar nicht zusammenpasst mit dem künstlerischen und wissenschaftlichen Selbstverständnis der Architekten und Planer? Weil Stadtplanung und Architektur angeblich so schwer zu verstehen sind? Weil das eine nicht zum anderen passt? Weil die Charaktere der unterschiedlichen Berufszweige nicht zusammenpassen? Oder weil Planer und Architekten es gewohnt sind, vieles, wenn nicht alles, selber machen zu wollen?

Hier bedarf es noch der Annäherung und Vermittlung zweier Disziplinen – und wie weit diese zuweilen noch voneinander entfernt sind, soll im Folgenden exemplarisch gemacht werden:

Was heißt eigentlich „Architekturvermittlung“ genau?
Bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen zum Beispiel wird auf der Internetseite unter dem Stichwort „Architekturvermittlung“ ein ganzes Programm von Forderungen und Maßnahmen erläutert – leider ohne den Begriff der „Architekturvermittlung“ selbst genauer zu definieren (AK NRW, Juni 2006).

Auf der Internetseite zum Studiengang „Architekturvermittlung“ der BTU Cottbus (BTU Cottbus. Juni 2006) kommen wir schon einen guten Schritt weiter. Hier heißt es: “Architekturvermittlung findet überall da statt, wo Schnittstellen zwischen Fachleuten und der Öffentlichkeit bestehen. Architekturvermittlung kann viele Formen annehmen: Journalismus, Ausstellungsgestaltung, Eventmanagement, PR-Arbeit, Moderation und Mediation von Planungsprozessen, Gestaltung von Internetportalen, Konzeption von Fortbildungsveranstaltungen, Führungen oder Unterrichtseinheiten, etc. Ihre Zielgruppen sind Bauherren, Planungsbetroffene, interessierte Bürger, Nutzer, Kinder, Jugendliche, usw. Im Studiengang Architekturvermittlung lernen Sie, für bestimmte Aufgaben und bestimmte Zielgruppen das richtige Kommunikationskonzept zu entwickeln und mit den richtigen Medien umzusetzen. Dabei ist es uns besonders wichtig, dass die Vermittlungsarbeit immer auf einer verlässlichen wissenschaftlichen Grundlage erfolgt. Deswegen steht am Anfang jeder Praxis die gründliche Analyse und Interpretation des Gegenstands.“

Das ist alles richtig und sauber formuliert. Aber – die Pointierung sei gestattet – wo und in welchen anderen Bereichen unseres ökonomischen, aber auch sozialen, gesellschaftlichen und politischen Lebens ist das nicht so? Denken wir beispielsweise an die  Kommunikationsvorstände in unserer Wirtschaft. Könnte die oben zitierte Beschreibung von Architekturvermittlung übertragbar sein auf andere Aufgaben oder Bereiche? Zum Beispiel auf den eines Kommunikationsvorstands, den einer großen Krankenkasse, auf ein im sozialen Bereich engagiertes Unternehmen?

Ich halte einmal dagegen eine beliebige, aber auch klassische Stellenanzeige einer deutschen Werbeagentur, die einen Senior Consultant sucht: “Sie verfügen über mindestens zwei Jahre Berufserfahrung bei einer marketingorientierten Unternehmensberatung und/oder über Erfahrungen in einem Industrie-/Dienstleistungsunternehmen. Im Rahmen Ihrer bisherigen Tätigkeiten im Marketingbereich haben Sie fundiertes Wissen zu den Themen Branding, CRM, Preis- oder Vertriebsmanagement aufgebaut. Ferner haben Sie insbesondere Erfahrungen im Management unterschiedlicher interner und externer Schnittstellen gesammelt und Agenturen bzw. Dienstleister selbständig gebrieft und gesteuert. Wenn Sie darüber hinaus ausgeprägte analytische und konzeptionelle Fähigkeiten besitzen, die Sie idealerweise bereits durch die Erstellung und Kalkulation von Business-Plänen unter Beweis stellen konnten, dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung. Ihre Perspektiven bei uns: Als Senior Consultant arbeiten Sie eigenverantwortlich an Projekten zur Steigerung des Marken- und Kundenwerts und an der Konzeption und Implementierung von Lösungen für unsere nationalen und internationalen Klienten. Ein dynamisches, junges Team bietet Ihnen die Chance …“.

Was ist hier anders? Von „Vermittlung“ im weitesten Sinne ist in beiden Fällen die Rede. Im zweiten Beispiel der Werbeagentur aber stehen Positionierung und Markenbildung – wenn man so möchte: der absolute Überzeugungswille! – als Basis und Maximen für jede Form der Kommunikation im Vordergrund!

Warum tut sich sie Architektur so schwer mit moderner (Marketing)-Kommunikation? Was ist das für ein Selbstverständnis, das sich hinter dem Wort Architektur-Vermittlung verbirgt? Was bedeutet eigentlich das Wort „Vermittlung“? Ein kurzer Seitenblick ins Lexikon: Meyers Großes Taschenlexikon bezeichnet „Vermittlung“ als Begriff des Völkerrechts, als Verfahren der friedlichen Streitbeilegung durch einen unbeteiligten Dritten ohne bindende Wirkung zum Ausgleich des Interessenkonflikts (Meyers Großes Taschenlexikon, 1993, S. 146). Bei Wikipedia steht „Vermittlung“ für den Versuch, eine Einigung zwischen unterschiedlichen Ansichten und Interessen herzustellen im Sinne der Mediation (Wikipedia, Juni 2006). Halten wir fest: Vermittlung ist ein Verfahren, ein Versuch, um einen Ausgleich, eine Einigung verschiedener Interessen unterschiedlicher Parteien herzustellen.

Mein Eindruck: Begriff und Selbstverständnis der Architektur-Vermittlung sind heute immer noch sehr stark geprägt von der Programmatik basisdemokratischen Denkens und Handelns. Das heißt einerseits: geprägt von der Idee der Öffentlichkeitsbeteiligung (Bürgerbeteiligung), also des breit angelegten Diskurses und der Partizipation, der rechtlich verbürgten Mitsprache des Bürgers bei der Gestaltung seiner gebauten Umwelt im Sinne der res publica, der öffentlichen Sache. Das heißt andererseits: geprägt von dem Bestreben, Architektur im Sinne eines Kunstverständnisses einer möglichst breiten Zielgruppe zu vermitteln. Also Aufklärung, Wissensvermittlung auf breiter Basis zu betreiben, Verständnis zu schaffen. Auch dies geschieht im Sinne der res publica, der öffentlichen Sache.

Beide Aspekte sind natürlich richtig und wichtig! Aber: Dass Architekturvermittlung unter diesen Vorzeichen eine mitunter schwierige Aufgabe ist, zeigt die Praxis. Das ist nicht nur in der Architektur, das ist auch in der Stadtplanung, das ist im gesamten politischen Bereich so: Viele reden mit, nur einige haben das richtige Mitverständnis, wenige machen mit und engagieren sich, und ganz wenige setzen schließlich und in der Regel ihre persönliche Meinung – ob mit oder ohne Sachverstand – durch. Und diese letztlich durchgesetzte persönliche Meinung muss mit der eigentlichen Sache gar nichts mehr zu tun haben. Das ist die Praxis, die uns allzu oft begegnet: Ob im Rahmen der Bürgerbeteiligung oder im Rahmen der Präsentation von städtebaulichen Vorhaben auf städtischer oder kommunaler Ebene (Selle, 2005, S. 405 ff.). So verstandene „Architekturvermittlung“ nimmt sich viel vor und stellt sich schwierigen – und so gesehen fast unlösbaren – Aufgaben. Diese Vorsichtigkeit selbst wird zur Programmatik. Und über Architektur zu sprechen heißt heute noch: leise sprechen, vorsichtig sprechen, verhalten sprechen.

Kommt man damit weiter? Reicht das? Kann Architekturvermittlung mit einem solch vorsichtigen, verhaltenen Selbstverständnis Dinge bewegen, etwas bewirken? Mitreißen? Begeistern? Überzeugen?

Politische Prozesse und Vorhaben sind auch von Partizipation, Aufklärung und Wissensvermittlung geprägt und auf Verständnis auf breitester Ebene angewiesen. Und bedienen sich dennoch eines ganz anderen kommunikativen Selbstverständnisses und Instrumentariums.


Die zweifache Herausforderung

Um Architektur-Vermittlung im Sinne moderner Kommunikation zu betreiben, müssen wir zwei Herausforderungen annehmen. Einerseits: Die Architekturvermittlung muss sich aus ihrem verhaltenen Selbstverständnis herausbewegen, um in der nun einmal schnellen, pragmatischen und die Dinge akzentuierenden Welt der Kommunikation und Medien stärkeres Gehör zu finden und für sich Aufmerksamkeit zu schaffen. In dieser Welt geht es weniger um Vermittlung als um Setzung, weniger um Vorsicht als um proaktives kommunikatives Handeln. Andererseits geht es – natürlich – auch um die Architektur (die übrigens, schon heute erkennbar, einen Wandel vom Zeichen und Wahrzeichen in Richtung Markenzeichen vollzieht).

Das heutige Selbstverständnis der Architekturvermittlung steht zu großen Teilen in Kontrast zu Selbstverständnis und Methodik moderner Kommunikation und modernen Marketings. Manche werden bei dieser These erschrecken. Aber: Denken Sie beispielsweise an die Veränderungen in der Gestaltung des Bundestagswahlkampfs. Als im Wahlkampf vor neun Jahren – natürlich importiert als US-amerikanische Erfindung - sich die großen deutschen Volksparteien erstmalig so genannter „Spin Doctors“ bedienten, war die Begeisterung in Teilen der Öffentlichkeit nicht gerade groß (Schneider, 2002, S. 354f.).

Was macht ein „Spin Doctor“? Als solchen bezeichnet man einen Verantwortlichen für Public Relations bzw. Öffentlichkeitsarbeit. Die Bezeichnung wird von den Medien besonders im Bereich der Politik benutzt und hat mitunter einen abwertenden Unterton, da sie andeutet, dass der so Bezeichnete Ereignisse und deren Darstellung mit dem richtigen Dreh (engl. spin) versieht, also manipuliert. Dem Spin Doctor geht es darum, seinen Auftraggeber, dessen Politik oder andere Personen oder Ereignisse in einem möglichst positiven (oder auch negativen) Licht darzustellen. Er arbeitet mit Bildern und Inszenierungen und nutzt die Medien für seine Ziele (z. B. das Agenda-Setting).

Meinungsmanipulation in einem Wahlkampf. Im basisdemokratischen Deutschland. In dem jeder Bürger dachte, dass Politiker von heute doch grundsätzlich der Wahrheit verpflichtet sind! Das Ende der wahren Partizipation des Bürgers an der Besetzung des Deutschen Bundestages wurde schnell prognostiziert!

Und was ist heute? Der Einsatz von Spin Doctors ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Und die größten Werbeagenturen Deutschlands veranstalten wahre Werbeschlachten um die Gunst des Wählers. Wahlkämpfe sind auch heute noch „basisdemokratisch“ und um politische Aufklärung und Beteiligung bemüht. Aber sie sind auch extrem kommunikationsgesteuert. Hier macht man Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Dialogmarketing mit nur einem Ziel: Verstanden zu werden, „rüber zu kommen“ für das eigene Anliegen, für die vermeintlich bessere Idee zu stehen.

Solche Formen der Kommunikation sind der Architekturvermittlung heute noch völlig fremd.

Und wie entwickelt sich die Architektur, die da vermittelt werden soll? Wenden wir kurz den Blick auf das, worum es hier auch geht: den umbauten Raum – womit wir bei der zweiten Herausforderung wären, die mit dem Begriff der Architekturvermittlung verbunden ist:
Unter der Überschrift „Überdachte Geschichte“ beschreibt Georg Diez im Magazin der ZEIT, was die Fußball-Arenen in Berlin und München über Deutschland zwischen 1936 und 2006 erzählen (Diez, 2006, Seite 18f.). Die Allianz-Arena in München hat für Furore gesorgt. Rezeptionen und Interpretationen über dieses Gebäude sind bekannt. Aber – und dieser Aspekt fand in der Rezeption bislang weniger Beachtung: Dieses Gebäude zeigt auch, wie Architektur einerseits und Markenmacht von Unternehmen andererseits zunehmend ineinander spielen. Georg Diez bezeichnet die Arena „in ihrer Ästhetik (als) mehr (als) ein Produkt der Unterhaltungsindustrie und der Arzneimittelforschung, (als) eine Glückpille aus Beton und Plastik.“ Es sind, so Georg Diez weiter, „eben nicht mehr die transparenten Stahlstrukturen und das luftig geschwungene Dach von Günter Behnisch und Frei Otto, die das Münchener Olympiastadion für die Spiele 1972 entworfen haben, Abbild einer Zeit, die das Heil in der Lichtdurchdrungenheit suchte, in der Klarheit, vielleicht sogar in der Wahrheit, politisch mit Brandts Kniefall, ästhetisch mit einer radikalen Modernität, die den Deutschen half, sich neu zu erfinden, neu zu sehen, neu zu präsentieren. Und so wurden die Zeichen und das Design der Spiele von 1972 zu Ikonen dieses lichten Lebensgefühls. (…)“. Im Jahr 2006, so schlussfolgert Diez, „gibt es keine Ikonen mehr, es gibt nur noch Marken.“

War das alte Münchener Olympiastation noch Wahrzeichen einer Stadt, so ist die neue Allianz-Arena – nicht allein durch ihren Namens-Appendix „Allianz“ – zum gebauten Markenzeichen geworden, eine Marke mit dem Potential zum  „Mythos-Status“, wie man es entsprechend moderner Markenmodelle bezeichnet (Klein-Bölting & Murad Aga, 2004, S. 90ff.). Und die Basler Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron agieren heute nicht mehr allein als Architekten und damit auch als Künstler, sondern schon längst auch als Designer global agierender Marken. Das Bauwerk als solches tritt in der Wahrnehmung des Besuchers – oder besser gesagt, des Verbrauchers – zurück und wird verdeckt von der Markenstärke des Unternehmens Allianz.

Was heißt das für die Zukunft der Architektur? Aufsehen erregende Architektur wird in Zukunft sehr viel stärker an starke Marken gekoppelt sein, wird von ihnen „okkupiert“ werden. Umgekehrt heißt dies, dass Architektur selbst sehr viel „mutiger“ sein muss, um für starke Marken interessant zu sein, um vermarktungsfähig zu sein, letztlich, um markenfähig zu sein: Das, was wir heute als Corporate Architecture bezeichnen, also die Widerspiegelung von Unternehmensselbstverständnis und -philosophie in umbautem Raum, wird sich in Zukunft sehr viel stärker in Richtung „Brand Architecture“ wandeln: Architektur für Marken. (Zu denken ist hier beispielsweise an die kürzlich in New York eröffneten neuen Apple-Stores.)

Was heißt das für die Architekturvermittlung? Auch die Architekturvermittlung muss „mutiger“ sein. Architekturvermittlung muss sich künftig sehr viel stärker – ähnlich den erfolgreichen Regionenmarken (Kirchgeorg, 2002) – an „moderner“ Kommunikation orientieren, um sich im Meinungsmarkt durchsetzen zu können, um Herausforderungen und Handlungsdruck von Bund, Ländern, Städten und privaten Investoren (Schrumpfung, Leerstände, Privatisierung, PPP, Immobilienfonds etc.) entsprechen zu können. Architekturvermittlung muss in Zukunft professionelle, selbstbewusste, kreative, meinungsbildende und ergebnisorientierte Kommunikation mit spezifischen Zielgruppen sein. Dieser erforderliche „Entwicklungsschritt“ wird nicht ohne Folgen bleiben:

Für die Ausbildung heißt das: Es werden „Architekturvermittlungs-Spezialisten“ benötigt, die sich auch das Know-how und die operativen Tools von Kommunikationsagenturen (u. a. Markenbildung, Werbung, Public Relations) zueigen machen. Die Kommunikationsbranche ist schon heute eine Branche der Spezialisten: Beispielsweise in den Bereichen Corporate und Marketing Communications, der Internen Kommunikation, Markenentwicklung, Dialogkommunikation, Personalen Kommunikation – beispielsweise für Branchen wie Konsumgüter, IT, Automobil. Interdisziplinäres Zusammenarbeiten ist dabei heute eine absolute Selbstverständlichkeit und für die erfolgreiche Positionierung im Markt unabdingbar. Auch die Architektur wird sich innerhalb der Kommunikationsbranche einen festen Platz verschaffen. Im Bereich des Stadtmarketings hat sich das in den letzen Jahren bereits deutlich gezeigt: Städte werden heute zunehmend selbstverständlich als „Produkte“ verstanden und entsprechend positioniert und vermarktet. Ihre Marken werden professionell aufgebaut. Denken wir beispielsweise an die Erfindung der „Kulturhauptstadt“. Und dennoch wird das Wort „Marke“, wie Wally Olins treffend bemerkt, in diesem Zusammenhang nur selten gebraucht: „Keine einzige Stadt, die an diesen Wettbewerben teilnimmt, nimmt das schmutzige Wort ‚Marke’ in den Mund, doch natürlich dreht sich alles genau darum.“ (Olins, 2004, S. 207) Gleiches bzw. Ähnliches wird in Zukunft für die Architektur gelten.

Für die Praxis der Architekturvermittlung heißt das: Hier werden sehr viel stärker als heute Teams benötigt werden, die sich aus Spezialisten der Bereiche Kommunikation, Architektur, Planung und Stadtplanung, Moderation und Mediation zusammensetzten.

Für die Forschung heißt das: Stärkere Fokussierung auf die Themen Markenbildung und Marketing. Sonja Beeck hat hier erste Ansätze aufgezeigt (Beeck, 2003). Das Thema Architektur und Marke ist aber – so scheint mir – noch längst nicht erschlossen.

Und für die Architektur selbst heißt das, dass sie damit – auch – Teil moderner Marketingstrategien werden wird. Brand-Architecture wird in der künftigen Markenbildung und -kommunikation von Unternehmen eine wesentlich größere Rolle spielen als heute.

Spätestens damit wird sich die Architekturvermittlung als eigene Disziplin innerhalb der Kommunikationsbranche fest etablieren. Wenn sich denn aber die Architekturvermittlung – im Sinne einer Architekturkommunikation – stärker an modernen Selbstverständnissen und Tools der Kommunikation und des Marketings orientiert, dann werden gebauter Raum und Architektur mittelfristig auch zwangsläufig stärker als „Marken“ herausgestellt werden. Das eine wird also das andere bedingen; beides wird sich gegenseitig forcieren und beeinflussen.



 


Literatur:
 

Augé, M. (1994). Orte und Nicht-Orte. Vorüberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit. Frankfurt: Fischer.

Beeck, S. (2003). Parallele Welten. Theming: Analyse einer Methode aus dem Bereich der visuellen Kommunikation zur semantischen Programmierung, bezogen auf den Kontext von Architektur und Städtebau im 21. Jahrhundert. Universität Karlsruhe, Fak. für Architektur. Dissertation.

Diez, G. (2006). Überdachte Geschichte. Die Stadien. Was die WM-Arenen in Berlin und München über Deutschland zwischen 1936 und 2006 erzählen. ZEIT-LEBEN, Nr. 23, Juni 2006 (Sonderbeilage), Seite 18-19.

Kirchgeorg, M. (2002). Aufbau und Gestaltung von Regionenmarken. In H. Meffert, C. Burmann & M. Koes (Hrsg.), Markenmanagement. Grundfragen der identitätsorientierten Markenführung (S. 376-400). Wiesbaden: Gabler.

Klein-Bölting, U. & Murad Aga, T. (2004). Anlass-spezifische Markenbewertung mit dem BBDO Brand Equity Evaluator. In A. Schimansky (Hrsg.), Der Wert der Marke. Markenbewertungsverfahren für ein erfolgreiches Management (S. 86-99). München: Vahlen.

Meyers großes Taschenlexikon in 24 Bänden. Hrsg. und bearbeitet von Meyers Lexikonredaktion. Band 23, 1993. Seite 146.

Schneider, H. (2002). Identitätsorientierte Markenführung in der Politik. In H. Meffert, C. Burmann & M. Koes (Hrsg.), Markenmanagement. Grundfragen der identitätsorientierten Markenführung (S. 354-373). Wiesbaden: Gabler.

Selle, K. (2005). Planen. Steuern. Entwickeln. Über den Beitrag öffentlicher Akteure zur Entwicklung von Stadt und Land. Dortmund: edition stadt entwicklung.

Sennett, R. (1997). Fleisch und Stein. Der Körper und die Stadt in der Westlichen Zivilisation. Frankfurt/Main: Suhrkamp.

Olins, W. (2004). Marke, Marke, Marke. Den Brand stärken. Frankfurt/Main: Campus.
 


Internet-Quellen:

http://www.aknw.de/wir_ueber_uns/haus_der_architekten/architekturvermittlung.htm
http://www.tu-cottbus.de/fakultaet2/de/studium/fak2-studiengaenge/architekturvermittlung-master-of-science/
http://de.wikipedia.org/wiki/Vermittlung

 


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