Die Zukunft
der Architekturvermittlung

11. Jahrgang
Doppelheft 1-2
Februar 2007
   

 

___Tanja S. Flemmig
Regensburg
  Baukultur als Standortfaktor der Regensburger Gestaltungsbeirat
   

Einführung

Mit der Novellierung des Baugesetzbuches im Jahr 2004 hat die Bundesregierung die Berücksichtigung der „Belange der Baukultur“ als ernst zu nehmendes Thema mit in das Gesetz aufgenommen[1]. Im zweiten Bericht zur Baukultur, den das Ministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen herausgegeben hat, ist von „mehr Lebensqualität“ die Rede, davon, dass die Menschen sich mit ihrem Wohn- und Arbeitsumfeld stärker identifizieren, sich wohl fühlen und ihre Stadt „schätzen“ sollen. Kurz, es geht um langfristige Werte! Die Realität sieht in vielen Städten leider anders aus. Bauen ist eine politische Angelegenheit, bei der eine möglichst günstige Finanzierung und die damit verbundene rasche Zeitschiene im Vordergrund stehen. Nicht selten werden Politik und Verwaltung mit Argumenten wie „dann bauen wir woanders“ oder „das Projekt ist nur so finanzierbar“ stark unter Druck gesetzt. Hier geht es rein um die kurzfristigen Interessen einzelner. Für eine Diskussion über qualitätsvolles Bauen bleibt unter solchen Voraussetzungen kein Spielraum.

Durch die zunehmenden Strukturveränderungen in den Städten und dem damit verbundenen stärkeren Wettbewerb der Städte untereinander, wird eine Qualitätssicherung in Architektur und Städtebau aber immer wichtiger. Sie trägt entscheidend dazu bei, eine Stadt als Wohn-, Arbeits- und Wirtschaftsstandort attraktiv und konkurrenzfähig zu gestalten. Die Stadt Regensburg betrachtet daher die Frage nach der Qualität seit Jahren als diskussionswürdiges Anliegen und hat im Jahr 1998 die Einrichtung eines Gestaltungsbeirates beschlossen. Die Vertreter der politischen Gremien haben weit gehend erkannt, welche Rolle Qualität als so genannter weicher Standortfaktor heute spielt.


„Entstehung“

Der Wunsch nach einer Qualitätssicherung für das gesamte Stadtgebiet kam in Regensburg jedoch nicht von einem Tag auf den anderen auf. Einen Ursprung kann man vielleicht in der Entwicklung der Altstadtsanierung sehen. Im zweiten Weltkrieg nahezu unzerstört geblieben, war die gesamte Altstadt Regensburgs in den 50er Jahren baufällig, und es kamen Überlegungen auf, großflächige Teile abzureißen. Innerhalb weniger Jahre entstanden ambitionierte Neubauprojekte, die das Bild der Altstadt zu verändern begannen und noch heute als Fremdkörper im Ensemble erkennbar sind. Gerade noch rechtzeitig fand ein Umdenken statt, unter anderem ausgelöst durch die Einführung des Denkmalschutzgesetzes im Jahre 1973. So begann Anfang der 70er Jahre eine intensive Sanierungstätigkeit, bei der das  Bewahren im Vordergrund stand. Dazu wurden in Form einer Altstadtschutzsatzung strenge Regeln verfasst, wie im Altstadtbereich gebaut werden durfte. Außerhalb der Altstadt führte die Stadt bei öffentlichen Bauvorhaben sowie bei der Gestaltung von Straßen und Plätzen ab den 80er Jahren verstärkt Wettbewerbe durch. Mit beratenden Beiräten machte man bereits Anfang der 90er Jahre erste gute Erfahrungen bei der Realisierung verschiedener Stadtquartiere, zum Beispiel in Burgweinting Mitte und bei der Bebauung am Rennplatz.

Ein weiterer Baustein zur Förderung der Baukultur war die Gründung eines Architekturkreises im Jahre 1992, der Vorträge, Diskussionen sowie Fachexkursionen durchführt. Aus den Reihen dieses Architekturkreises kam auch der Vorschlag zur Einrichtung eines Gestaltungsbeirates. Die Frage nach Qualität sollte künftig beim Bauen wieder eine übergeordnete Rolle spielen. Ein weiteres Anliegen war, die Diskussion über Architektur innerhalb der Bevölkerung verstärkt anzuregen.

Bei der Frage „Wie kann ein Gestaltungsbeirat aussehen?“, fiel der Blick sehr schnell auf das benachbarte Österreich. Dort scheint die Position eines Architekten noch besser zu sein als in Deutschland. Die Kette „Mpreis“ zeigt seit Jahren, dass auch ein Lebensmittelladen der im mittleren bis niedrigen Preissektor einzustufen ist, nicht in einer „billigen Baracke“ untergebracht sein muss. Hier wird für jede Filiale ein anderer Architekt beauftragt, der einen auf den Ort abgestimmten Entwurf fertigt. Das Durchführen kleinerer Architekturwettbewerbe scheint in den unterschiedlichsten Bereichen ein anerkanntes Mittel zur Qualitätssicherung. Im benachbarten Vorarlberg gibt es selbst in kleineren Gemeinden Gestaltungsbeiräte oder ähnliche Gremien, welche die Stadt in Fragen der Baugestaltung unterstützen. Für Regensburg wurde das Linzer Modell zum Vorbild.

Zunächst galt es jedoch die politische Spitze von der Notwendigkeit eines Beratergremiums zu Gestaltungsfragen zu überzeugen. Dies war kein leichtes Unterfangen, schließlich bedeutete der Gestaltungsbeirat zunächst einmal Kosten für die Stadt (zurzeit 65 000 Euro pro Jahr) und in gewisser Hinsicht auch einen Machtverlust der Politiker. Ein Gestaltungsbeirat muss sich also „lohnen“ und zwar für alle Beteiligten. Zahlreiche Gespräche mit der Stadtspitze, der Verwaltung, den Berufsverbänden, den ortsansässigen Architekten und schlussendlich ein Besuch beim Linzer Gestaltungsbeirat mit der politischen Führungsspitze brachten den Erfolg. 1998 wurde die Einrichtung eines Beratergremiums vom Stadtrat beschlossen.


Der Gestaltungsbeirat

Der Regensburger Gestaltungsbeirat setzt sich heute aus fünf Architekten oder Stadtplanern zusammen, die für maximal vier Jahre berufen werden. Die Mitglieder dürfen nicht aus Regensburg und Umgebung kommen und während ihrer Beiratstätigkeit sowie eine Zeit davor und danach nicht in Regensburg planen und bauen. Voraussetzung für die Berufung als Beiratsmitglied sind herausragende Fähigkeiten im Bereich von Architektur und Städtebau, eine Befähigung zum Preisrichter und didaktische Fähigkeiten im Bereich der Architekturvermittlung. Ziel des Gestaltungsbeirates ist es, auf Grundlage einer Architekturdiskussion unter Fachleuten die bestmögliche Lösung für die jeweilige städtebauliche Situation zu finden und den Entwurf des jeweiligen Architekten in Bezug auf die Gestaltung weitestgehend zu optimieren. Den Bauherren entstehen durch die Beiratssitzung keine zusätzlichen Kosten. Um eventuelle Zeitverluste, die durch die Architekturdiskussion entstanden sind, weitgehend kompensieren zu können, haben diese Projekte in der Bauantragsphase absolute Priorität. Die Erfahrung hat darüber hinaus gezeigt, dass ein gut durchgeplantes städtebauliches Konzept in der späteren Genehmigungsphase deutlich weniger Probleme aufwirft.


Politik und Presse

Damit auch die politische Führungsspitze der Stadt über die Empfehlungen des Beirates aus erster Hand informiert ist, nimmt jeweils ein Vertreter aus den Fraktionen als Zuhörer an der Sitzung teil. Der Oberbürgermeister selbst besucht die Sitzungen bewusst nicht, um auf keiner Seite den Eindruck einer Beeinflussung zu erwecken. An dieser Stelle muss noch erwähnt werden, dass ein Gestaltungsbeirat nur funktionieren kann, wenn die politische Führungsspitze auch dahinter steht und die Entscheidung in Baugestaltungsfragen einer Expertenkommission überträgt.

Über jede Sitzung wird vorab und im Nachgang in den örtlichen Medien berichtet. So wird die Öffentlichkeit stärker in das örtliche Baugeschehen eingebunden und die Menschen nehmen bewusster wahr, was in ihrem unmittelbaren Umfeld neu entsteht. Dabei ist weniger wichtig, dass alle die in der Diskussion mit dem Beirat entstandene Lösung für gut befinden, als vielmehr, dass über Qualität nachgedacht und geredet wird.

Auch die Sitzungen selbst sind in der Regel öffentlich. Die öffentliche Diskussion eines Bauvorhabens wird allerdings bis heute sehr kontrovers gesehen. Offensichtlich ist es für viele Architekten schwieriger, während der Entwurfsphase mit Kritik konfrontiert zu werden, als beim realisierten Objekt, das dann für jedermann ersichtlich und somit öffentlich ist. So fühlen sich viele Bauherren und Architekten bloßgestellt, wenn Ihr Entwurf vom Beirat hinterfragt wird und anschließend als Negativschlagzeile in der Presse auftaucht. Ein Lob hingegen wird natürlich gerne angenommen. Viele Architekten haben allerdings zwischenzeitlich auch erkannt, dass gerade diese Öffentlichkeit, wenn sich ihr Projekt positiv entwickelt, ihre Position als Architekt stärkt und eine sehr gute Werbung darstellt.


Rechtmäßigkeit

Ist ein Gestaltungsbeirat im Sinne der Baufreiheit gem. Art. 14 Grundgesetz überhaupt rechtmäßig? Eine Frage die immer wieder gestellt wird. Anders als in vielen Bauordnungen anderer Bundesländer ist in der Bayerischen Bauordnung die Baugestaltung noch Bestandteil des Prüfumfangs[2]. Darüber hinaus können die Bauaufsichtsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben und Befugnisse Sachverständige und sachverständige Stellen heranziehen[3]. In den führenden Kommentierungen zur Bayerischen Bauordnung sind Gestaltungsbeiräte ausdrücklich ausgeführt[4]. Ein Gestaltungsbeirat ersetzt auch nicht die Baugenehmigungsbehörde oder den Stadtrat. Er berät in gleicher Weise Bauherren, Investoren, Verwaltung und Stadtrat. Wesentlich ist dabei, dass das Baurecht selbst, insbesondere Art der baulichen Nutzung, Abstandsflächen und die Berücksichtigung ortsrechtlicher Vorschriften von der Genehmigungsbehörde vorab geprüft und als Rahmen vorgegeben werden. Im Gestaltungsbeirat wird „lediglich“ über Qualität, d. h. Einfügen in das städtebauliche Umfeld, Gestaltung der Freiräume, Baugestaltung und Detailfragen etc. diskutiert. Die aus der Gestaltungsberatung resultierenden Empfehlungen des Beirates sieht die Stadt dann als für sich bindend an. Diese Auffassung der Stadt ist juristisch allerdings nicht unumstritten. Dennoch kam es seit Einrichtung des Beirates vor nunmehr acht Jahren zu keiner gerichtlichen Auseinandersetzung. Fragen der Gestaltung unter Berücksichtigung ökonomischer Aspekte konnten stets im Konsens geklärt werden.

Stellt man die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines Beratergremiums, muss man auch die Frage nach der Verantwortung des Bauherrn gegenüber der Allgemeinheit stellen. Was darf man der Öffentlichkeit „zumuten“? Bauen ist immer öffentlich! Die Gebäude prägen ihr Umfeld und das Stadtbild über Jahrzehnte hinweg maßgeblich. Sie tragen dazu bei, unsere Straßen und Plätze attraktiv zu gestalten und das Stadtbild zu beleben, andererseits können sie ihre Umgebung auch stark negativ beeinflussen. Daher lohnt es sich, frühzeitig über Qualität der künftig entstehenden Bauten zu reden, um diese so weit wie möglich zu verbessern. Baufreiheit bedeutet nämlich in erster Linie auch Verantwortung!


Wettbewerbskultur

Nicht selten findet man im Stadtgebiet Baulücken, bei denen ein überzeugendes städtebauliches Konzept vor der Umsetzung einer Baumaßnahme wichtig wäre. Auch bei der Umstrukturierung größerer Grundstücke wäre vorab die Aufstellung einer städtebaulichen Planung oder ein Bebauungsplan wünschenswert. Für all diese vergleichsweise kleinen Areale hat eine Stadt selten die notwendigen Kapazitäten um in jedem Einzelfall einen Bebauungsplan aufzustellen. Auch die Zeitschiene der Antragsteller ist bei derartigen Projekten in der Regel so kurz bemessen, dass ein Bebauungsplanverfahren das Vorhaben unter Umständen verhindern würde. Durch den Gestaltungsbeirat kann das Verfahren vereinfacht und gleichzeitig eine städtebauliche Planung kurzfristig auf eine breitere Basis gestellt werden. In der Regel werden bei solchen Planungen verschiedene Architekturbüros mit der Erstellung vergleichender Gutachten beauftragt, die dann im Beirat diskutiert werden. So kann schnell eine überzeugende Lösung gefunden werden, die weitaus detaillierter ist, als die Festsetzungen in einem Bebauungsplan. Seit Bestehen des Gestaltungsbeirates werden im privaten Bereich deutlich mehr Wettbewerbe und vergleichende Gutachten durchgeführt als vorher. Ein derartiges konkurrierendes Verfahren und die anschließende Diskussion der einzelnen Projekte im Beirat bringen noch einen zusätzlichen positiven Effekt: Die Entwurfsleistung bekommt gegenüber den rein kommerziellen Aspekten bei der Beauftragung eines Architekturbüros wieder einen deutlich höheren Stellenwert. Für einen so genannten Miniwettbewerb ist die Wohnbebauung an der Hemauer Straße ein gutes Beispiel: Im Umfeld einer gründerzeitlichen Wohnbebauung sollte eine neue Wohnanlage entstehen. Ohne Beirat hätte man die vorgelegte Planung wohl nur über die „Drohung“ Bebauungsplan verhindern können. So empfahl der Beirat die Beauftragung mehrerer Architekturbüros, wodurch die Planung wesentlich verbessert werden konnte.
 
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Abbildung 1

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Abbildung 5

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Abbildung 6
 
  (s. Abb. 1 und 2: Wohnbebauung an der Hemauer Straße in Regensburg – Erstplanung und realisierter Entwurf (Architekturbüro Walzl und Huber, Passau), Fotos: Stadt Regensburg)


Projekte

Die Aufgaben des Gestaltungsgremiums erstrecken sich über das gesamte Stadtgebiet und sind sehr vielfältig. Sie reichen von der Bebauung größerer Areale über kleinere Vorhaben mit Stadtbild prägender Funktion, bis zum Einfamilienwohnhaus. Auch so genannte Zweckbauten werden beraten. Dadurch konnte erreicht werden, dass die Betreiber von Verbrauchermärkten und Fast Food Ketten auf ihre „Einheitskiste“ verzichtet haben und einen eigenen Bautypus entwickeln ließen. Die realisierten Projekte beziehen sich stärker auf ihre Umgebung und stellen eine gute „Alltagsarchitektur“ dar, wie zum Beispiel das Lokal von Kentucky Fried Chicken.

(s. Abb. 3 und 4: Kentucky Fried Chicken, wie überall im Lande (hier Pulheim) und die mit dem Beirat abgestimmte Sondervariante für Regensburg (Architekturbüro Wittmann, Regensburg), Fotos: Bauherr und Stadt Regensburg)

In der ensemblegeschützten Regensburger Altstadt, die sich seit kurzem auch mit dem Titel Weltkulturerbe schmücken darf, werden nahezu alle Vorhaben bereits in einem sehr frühen Stadium dem Beirat vorgestellt. Das städtebauliche Umfeld ist hier besonders sensibel und Baumaßnahmen werden ohnehin von Bauherren, Architekten, Bauverwaltung und Denkmalpflege sehr kontrovers diskutiert. Die Frage, wie ein Neubau aussehen muss, der sich als Zeichen seiner Zeit in das historische Umfeld einfügt, wird man wohl nie eindeutig beantworten können. Zwar hilft die Altstadtschutzsatzung einen gestalterischen Mindeststandard sicher zu stellen, sorgt damit jedoch nicht automatisch für eine gute Lösung. Auch die Gestaltungsbeiräte zaubern nicht die einzig richtige Lösung aus dem Hut, doch der Meinungs- und Erfahrungsaustausch mit erfahrenen Architekten bringt immer eine Verbesserung. Die neu errichtete H&M Filiale ist dafür ein gutes Beispiel. Nachdem die Erstvorlage rundweg abgelehnt wurde, startete der Bauherr einen kleinen Wettbewerb, der allerdings auch nicht die optimale Lösung brachte. Das realisierte Projekt entstand in enger Zusammenarbeit mit zwei Beiratsmitgliedern, die eine Art Tutorenfunktion übernahmen.

(s. Abb. 5 und 6: Neubau einer H&M Filiale in der Regensburger Altstadt, Erstplanung und Realisierung „Ein Bau, der mittelalterliche Trutzigkeit  in einer zeitgemäßen Architektursprache ausstrahlt“ (Zitat aus der Beiratssitzung) (Architekten Mahler/Günster/Fuchs, Stuttgart), Fotos: Stadt Regensburg)

Gelegentlich kommt dem Beirat auch eine Art „Schiedsrichterfunktion“ zu. Wenn zwischen Bauherren und Verwaltung in Bezug auf die Baugestaltung keine Einigung erzielt werden kann, besteht die Möglichkeit, sogar mit einem Einfamilienwohnhaus in die Sitzung zu gehen.


Auswirkungen

Die aufgezählten Beispiele zeigen wie vielschichtig und wichtig die Arbeit eines Gestaltungsbeirates ist. Nach nunmehr acht Erfahrungsjahren läst sich das Fazit ziehen, dass die Einrichtung eines solchen Gremiums sicher ein Schritt in die richtige Richtung war, der sich für die verschiedensten Interessengruppen „gelohnt“ hat:

Für die Stadt lohnt sich der Beirat u. a. dadurch, dass in vielen Fällen, in denen die Aufstellung eines Bebauungsplanes notwendig geworden wäre, mit Hilfe einer Mehrfachbeauftragung und der Behandlung im Beirat gute Lösungen gefunden werden konnten. So ist die Chance, schnell zu einer überzeugenden Lösung zu kommen, grundsätzlich besser. Ein Bebauungsplan kann lediglich einen Mindestqualitätsstandard sicherstellen. Dazu muss man jedoch einiges an Regelungen in das Gesetz packen, was wiederum wirklich innovative Lösungen häufig verhindert.

Für den Bauherren bietet der Beirat eine Art kostenlose Qualitätskontrolle. Schon oft konnte überzeugend verdeutlicht werden, dass qualitätsvolles Bauen nicht zwangsläufig mit ‚teuer Bauen’ gleichzusetzen ist. Die Bauherren wurden ebenso vor allzu ambitionierten Kollegen „gerettet“ wie darin bestärkt, „auf ihren Architekten zu hören“.

Auch viele Investoren haben den Mehrwert einer Mehrfachbeauftragung bereits erkannt. Zahlreiche Beispiele belegen, dass ein gut durchdachtes überzeugendes städtebauliches Konzept auch in der späteren Ausarbeitung weniger Probleme aufwirft. So dient der Gestaltungsbeirat zahlreichen Investoren zwischenzeitlich auch als Marketingeffekt:
„Wurde im Beirat positiv beraten“. In diesem Bereich steht die Verwaltung allerdings mit der Qualitätssicherung erst am Anfang. Vor allem im Wohnungsbau wird ein Großteil des Bauvolumens über Investoren abgedeckt. Insgesamt wird der Beirat mittlerweile gut angenommen und es werden sehr viele innovative Projekte vorgestellt. In der Detailplanung wird allerdings häufig wieder versucht, durch Einsparungen Kosten zu senken, was dazu führt, dass das ursprüngliche Qualitätsniveau nicht mehr gehalten werden kann. Es kommt sogar vor, dass nach dem Bauantrag der Architekt „eingespart wird. Von Seiten der Verwaltung versucht man dem entgegen zu steuern, indem Details, Materialien und Farben abgestimmt werden müssen. Im Einzelfall werden auch die Details nochmals im Gestaltungsbeirat diskutiert. Dennoch muss langfristiges Ziel sein, die Investoren davon zu überzeugen, dass eine vom Architekten „durchgeplante Lösung“ langfristig mehr Qualität bringt.

Die Architekten selber sind heute so vielen Zwängen ausgesetzt, dass das Entwerfen häufig in die zweite Reihe verdrängt wird. Mit dem Beirat bietet sich die Möglichkeit, den Entwurf lediglich in punkto Gestaltung mit Fachkollegen zu diskutieren. Dadurch wird auch die Position des jeweiligen Architekten gestärkt, und nicht selten hört man von den Beiräten die Worte: „Hören Sie auf Ihren Architekten!“. Wie bereits erwähnt, ist eine öffentliche Sitzung auch eine gute kostenlose Werbung für gute Architekturbüros.

Durch die Beiratssitzungen und die regelmäßig stattfindende Berichterstattung in den örtlichen Medien interessiert sich die Öffentlichkeit auch wieder verstärkt dafür, was in ihrem Umfeld neu entsteht. Das Thema Architektur und Städtebau wird jetzt auch vom Bürger wieder als wichtiges und diskussionswürdiges Anliegen empfunden. Die vom Architekturkreis immer wieder angebotenen Führungen mit dem „Architektourbus“ sind stets ausgebucht.

Im gesamten Stadtbild hat sich die Qualität der Bauten deutlich gebessert. Der Beratungserfolg ist bei den einzelnen Vorhaben zwar sehr unterschiedlich und auch nicht alle Neubauten sind nach der Beratung durch den Beirat Architekturpreis-verdächtig, dennoch stellen sie eine gute Alltagsarchitektur dar. Sicher könnten viele Projekte noch besser gestaltet sein. Die kontinuierliche Qualitätssteigerung kann allerdings nur ein langfristiges Ziel sein. Wichtig ist zunächst, das Bewusstsein für Qualität in den Köpfen aller Beteiligten zu stärken. Und das Bewusstsein, dass genau diese Qualität entscheidend zur Attraktivität einer Stadt als Wirtschafts-, Arbeits-, Wohn- und Freizeitstandort beiträgt.

Zu diesem Schluss ist nicht nur die Stadt Regensburg gekommen. Der Regensburger Gestaltungsbeirat hat mittlerweile bundesweit eine Vorbildfunktion. Zahlreiche Vertreter anderer Städte, sei es aus dem politischen Bereich, der Administration oder der örtlichen Architektenschaft haben sich für das „Regensburger Modell“ interessiert. Darunter sind zum Beispiel Städte wie Karlsruhe, Hannover, Kaiserslautern oder Lindau. Städte wie Halle, Tübingen, Lübeck, Augsburg, Ingolstadt und Trier haben sogar einen Gestaltungsbeirat nach Regensburger Vorbild eingerichtet.

Das breite Interesse zeigt, dass die Belange der Baukultur in der Konkurrenz der Städte untereinander langfristig eine bedeutende Rolle spielen werden. Ein wesentlicher Baustein zur Umsetzung ist dabei der Gestaltungsbeirat.


 


 

Weiterführende Literatur:

 

Stadt Regensburg (2002). Gestaltungsbeirat – Zwischenbericht In: Regensburg Plant und Baut, 7.

Verlagsgruppe Wiederspahn (2003). Regensburg, Bauen in einer 2000 Jahre alten Stadt In: Umrisse, Zeitschrift für Baukultur, 1.

Stadt Regensburg (2004). Gestaltungsbeirat Werkbericht In: Regensburg Plant und Baut, 10.

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen (Hg.) (2005). Baukultur! Informationen – Argumente – Konzepte. Zweiter Bericht zur Baukultur in Deutschland. Hamburg: Junius-Verlag.

 



Anmerkungen:
 

[1] vgl. dazu Baugesetzbuch BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004, §1,  Abs. 6, Satz 5.

[2] siehe Art. 11,  Abs.1 und Art. 73 Bayerische Bauordnung (BayBO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 04. Aug. 1997.

[3] siehe Art. 60 Abs. 4 Bayerische Bauordnung (BayBO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 04. Aug. 1997.

[4] siehe zum Beispiel Kommentar zur Bayerischen Bauordnung von Simon/Busse (2006), Art. 60 Rdnr. 202.

 


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