Die
Zukunft |
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11. Jahrgang Doppelheft 1-2 Februar 2007 |
___Jan
R. Krause Bochum |
Architekturvermittlung
im Spannungsfeld zwischen Erzählkunst und Kommunikationsstrategie Plädoyer für ein Pflichtfach in der Architekturausbildung |
Architekturvermittlung: das ist nicht nur ein schönes Wort, sondern auch eine wunderbare Aufgabe – wenn auch keine ganz einfache. Als ich selbst an der TU Braunschweig vor zehn Jahren mein Architekturdiplom erhielt, begegnete ich Manfred Sack, dem großen alten Mann der Architekturkritik in der Wochenzeitung DIE ZEIT. Er erläuterte sein Selbstverständnis und erklärte einen kleinen, aber feinen Unterschied, der mich seitdem immer wieder bewegt hat. Er verstehe sich nicht als Architekturkritiker, erklärte Manfred Sack, sondern als Architekturvermittler. Das hatte mich auf Anhieb überzeugt. Zehn Jahre bin ich nun selbst als Architekturvermittler unterwegs. Und ich habe mehr denn je den Eindruck, es liegt in der Hand der Architekten, die mit ihrem Werk verbundenen Qualitäten und Ideen zielgruppengerecht zu vermitteln. Andernfalls kratzt die öffentliche Debatte nur an der Oberfläche von Form, Material, Kosten und Terminen. Seit drei Jahren leite ich als Professor einen artverwandten Masterstudiengang an der Fachhochschule Bochum. Wir übersetzen „Architekturvermittlung“ dort mit dem Titel „Architektur und Media Management - AMM“: www.amm-bochum.de. Wozu brauchen wir solche Masterstudiengänge wie AMM in Bochum oder Architekturvermittlung in Cottbus? „Architekten sind kommunikationsgestörte Autisten“: Das schrieb der Chefredakteur des Deutschen Architektenblattes – allerdings nicht in seiner eigenen Zeitung, sondern viel öffentlichkeitswirksamer in der Süddeutschen Zeitung vor einigen Jahren, als der BDA zum großen internationalen UIA-Architekturkongress in Berlin lud. Medienkompetenz und Medienmanagement gehören zu den neuen Schlüsselqualifikationen im gewandelten Berufsbild des Architekten. Dies bedeutet keineswegs, alles selbst zu machen, sondern sich ebenso selbstverständlich mit Medienfachleuten zu umgeben, wie im Planungs- und Bauprozess mit anderen Fachingenieuren. Mein Grundsatzbeitrag mit dem Doppeltitel „Architekturvermittlung im Spannungsfeld zwischen Erzählkunst und Kommunikationsstrategie“ ist ein Plädoyer dafür, das, was wir den Architekten nun neuerdings in Masterstudiengängen vermitteln, bereits im Grundstudium als selbstverständliches Pflichtfach in die Architekturausbildung zu integrieren. Und es ist auch ein Plädoyer für lange Studienzeiten. Denn für die Architektur gilt wie für die Erzählkunst: diese Fächer sind lernbar, aber kaum lehrbar. Beides reift im Dialog. Und dafür muss man sich Zeit nehmen und Zeit bekommen! Kommunikationsstrategien sind schon eher lehrbar. Deshalb teile ich den Vortrag in diese beiden Kapitel, um sie abschließend wieder zusammen zu führen. Denn das eine bedingt das andere, und das andere braucht das eine. Wenn wir uns mit dem Thema der Architekturvermittlung befassen, dann kommen wir an einem Mann nicht vorbei: Julius Posener. Posener lehrte Architekturgeschichte, und er lebte Architekturvermittlung. Als er 1961 – ausgerechnet am Tag des Mauerbaus – aus der Emigration: Paris, Palästina, London, Kuala Lumpur – wieder in seine Heimatstadt Berlin zurückkehrte, veränderte er die Architekturgeschichtsdarstellung an deutschen Hochschulen. Er war kein sturer Daten- und Fakten-Sammler, sondern ein großer Erzähler. Er stellte überraschende Zusammenhänge her und weckte beim Zuhörer schlummernde Assoziationen. Im Gespräch mit Manfred Sack bekannte dieser große Mann einmal „Ich war Dilettant“. Und das war wohl seine große Stärke. Nämlich im besten Sinne des lateinischen Wortes „dilectare – sich an etwas erfreuen“. Ein Dilettant ist ein Liebhaber eines bestimmten Metiers. Mit Leidenschaft hat er sich der Architektur gewidmet. Und er hatte eine besondere Gabe: Er sprach und schrieb für jedermann. Immer auf Augenhöhe. Posener hat geschrieben, gedacht, erzählt und – das ist sehr wichtig – er hat zugehört. Er hat das Denken erlaubt, er hat es sogar erwartet. Er hat nicht immer nach einer gefügten Meinung etwas behauptet. Er hat die Suche nach der Meinung anderer, aber auch der Selbstzweifler vorgelebt. Er war nicht nur der Kämpfer, sondern er war der Suchende. Posener war – wie Zeitzeugen berichten – wohl weder ein besonders wissenschaftlich arbeitender Mensch im engeren Sinne, noch ein Forscher. Er war ein Mensch, der über universelles Wissen verfügte, im besten Sinne des Begriffes, über Bildung verfügte. Und mit Hilfe dieser Bildung und diesem Wissen konnte er unendlich viel kompensieren, was er in Archiven niemals gesucht hätte. Er konnte wunderbar für Dinge begeistern, von denen er vor allem selbst begeistert war. Das war eines seiner Geheimnisse. Und das ist sicher auch ein Geheimnis des Erfolgs in der Architekturvermittlung – was Architekten übrigens allzu oft vermissen lassen. Das scheint zunächst widersprüchlich. Wissen wir doch: Architektur ist mehr als ein Beruf. Einige sprechen von Berufung. Ich spreche lieber von Lebensgefühl. Doch wer konfrontiert wird mit den spröden Erläuterungstexten vieler Architekten, die beim Städtebau beginnen und mit dem Satz enden, „hinten rechts liegen die WCs“, der ist verwundert. Der spürt nichts von dem Esprit, von der Leidenschaft, mit der die Architekten den Entwurf ursprünglich entwickelt haben. Architekturvermittlung ist eine Einladung zum Perspektivwechsel. Architekturvermittlung ist Architekturverführung: und da sind wir wieder bei Posener: Ulrich Conrads, der langjährige Chefredakteur der Bauwelt berichtete, Posener habe Architektur besprochen, wie man sonst nur „Warzen bespricht: ganz ungeheuer überzeugend, mit dieser unaufgeregten und dennoch akzentuierten Betonung dessen, worauf es ankommt.“ Der Text zum Entwurf, die verbale Beschreibung der Idee ist so außerordentlich wichtig. Das geschriebene Wort ist meines Erachtens kein lästiges notwendiges Übel als Anhängsel zum Entwurf, sondern muss am Anfang stehen, muss parallel entwickelt werden. Architektur ist mehr als nur ein Raum oder ein Bild vom Raum. Architektur ist vor allem eine Idee. Architekturvermittlung ist also Ideenvermittlung und Wertevermittlung. Dies müssen viele Architekten erst wieder lernen. Einer, der seine Ideen immer auch verbalisiert hat, ist Wolf Prix von Coop Himmelblau. Er hat nicht nur Manifeste verfasst wie „Architektur muss brennen“, sondern er hat die Textarbeit zum Entwurfsprinzip erhoben. Über die Bedeutung des Wortes und des Gesprächs für den Entwurf schreibt er in dem lesenswerten Buch „get off of my cloud“ ( – runter von meiner Wolke – ):
1)
„Coop
Himmelblau ist ein Team. Während des Zeichnens wird die Architektur in Worte
gefaßt, dem anderen die Zeichnung erzählt, das Projekt erlebbar gemacht, der
erlebte Entwurfsmoment vermittelt. (Beweisen können wir es nicht, aber wir
vermuten sehr stark, daß je intensiver der Entwurf vom Entwerfer erlebt
wird, umso erlebbarer wird der gebaute Raum.)“
2)
„Die
Zeichnung ist uns wichtig. Sie ersetzt zwar oft – gezwungenermaßen – das
Gebaute. Es gibt aber bei uns keine Zeichnung um der Zeichnung willen. Sie
ist vielmehr das „Bauen der Ideen auf Papier. Die erste emotionelle
Auseinandersetzung mit den psychischen Räumen des Projekts.“
3)
„Im letzten
Jahr bemerkten wir, daß wir allmählich begannen, das Beschreiben des
Entwurfs durch Worte mit Gesten unserer Hände zu unterstreichen. Und bei
Projekten für Paris und Wien war die Sprache des Körpers die bessere
Zeichnung und das erste Modell.“ Wir
verlassen die Bühne des Entwerfens und widmen uns der Vermittlung der
gebauten Ideen, zum Beispiel in der Zeitung. - Nachrichtendienste, - PR- und Bildagenturen, - freie Autoren, - Bürgerinformationen - und natürlich die Informationen durch Architekten.
- Theater, - Konzert, - Literatur - und Kunst. Alle
haben meist größere Tagesaktualität und größere Stars zu bieten. Die
Architektur vergeht ja nicht. Sie muss halt warten. - Immobilien, - Reise und - natürlich Lokales.
- Kunst-, - Geschichts-, - Literatur-, - oder Musikstudium Berührung mit zeitgenössischer Architektur gehabt. Es gibt hier auch eine gewisse Scheu vor dem Thema.
- einen Skandal oder eine Sensation, - brennende Aktualität, - ein menschliches Ereignis, - ein Thema mit gesellschaftlicher Relevanz, - etwas, das Emotionen auslöst, - und vor allem eine echte Story.
- Werte statt Skandal oder Sensation, - Zeitlosigkeit statt Aktualität, - ein Gebäude, das für sich sprechen soll, statt ein menschliches Ereignis, - architektonische statt gesellschaftliche Relevanz, - Sachlichkeit statt Emotion, - und – Höchststrafe ! – einen Erläuterungsbericht statt einer Story.
1. Anlässe schaffen, 2. über Ereignisse berichten, 3. den Prozess dokumentieren: Architektur lebendig machen mit all den Überlegungen und Entscheidungen und Entscheidungskriterien, 4. die Erfindung und Innovation darstellen, 5. die Komplexität beleuchten, 6. eine Meldung mit echtem Nachrichtenwert produzieren, 7. einen gewissen Unterhaltungswert berücksichtigen, 8. bei aller Sachlichkeit auch mit Emotionen arbeiten, die eigene Architektur maßvoll würdigen, 9. ggf. mit dem einen oder anderen Satz auch provozieren, 10. und vor allem den Leser (und auch den Redakteur!) überraschen, 11. Persönlichkeit ins Spiel bringen: Berufsbild des Architekten, Leistungsprofil des eigenen Büros darstellen, 12. besondere Leistungen hervorheben, 13. gesellschaftliche Bedeutung beschreiben, 14. kulturelle Bedeutung feiern.
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