Abbildung 1
Abbildung 2
Abbildung 3
Abbildung 4
Abbildung 5 |
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1.
Farbe ist relativ
Beim Betrachten des grünen Quadrates auf schwarzem Grund (ca. 30 sec) und
anschließendem Blickwechsel auf den weißen Grund erscheint ein rötlich
schimmerndes Quadrat.
[Abbildung 1]
2. Helligkeiten sind relativ
Das Feld A auf dem Schachbrett ist schwarz, das Feld B weiß. Wirklich?
[Abbildung 2]
Auf dem unteren Bild zeigt die Animation, dass beide Felder den gleichen
Grauwert haben.
[Abbildung 3]
3. Kontraste werden überbetont
Zwischen den schwarzen Quadraten schimmern graue kreisförmige Flecken, die
allerdings dort nicht gezeichnet sind.
[Abbildung 4]
4. Illusion der Bewegung
Fixiert man mit den Augen den schwarzen Punkt in der Mitte und bewegt
dabei den Kopf vor und zurück, beginnen die beiden Kreise sich gegenläufig
zu bewegen.
[Abbildung 5]
Beim gemeinsamen Austausch über die gemachten Erfahrungen zeigte sich, dass
in dieser doch relativ übersichtlichen Gruppe von 28 Personen die
individuellen Erfahrungen zwar ähnlich, aber eben nicht identisch sind.
Gerade bei der Farbwahrnehmung gab es anstelle des roten Quadrates auf
weißem Grund Abwandlungen über violett bis rosa. Ebenso führte die Täuschung
über die Helligkeitswerte beim Schachbrett zu Erstaunen.
Zum einen zeigt dies, dass die beiden dahinter stehenden „Urtheorien“ (Rock,
1985) zur Farbwahrnehmung, die Dreifarbentheorie von Helmholtz und die
Gegenfarbentheorie von Hering, keine umfassende Erklärung bieten. Viel
wichtiger im Seminarzusammenhang ist aber die Erfahrung der Studierenden,
dass jeder und jede von ihnen bei identischer Vorlage unterschiedliche
Sinneseindrücke und Assoziationen hat, die – so wird an dieser Stelle
bereits zu recht vermutet – wohl auch mit den eigenen gemachten Erfahrungen
(Hüther, 2001) zu tun haben. Diese Erkenntnis hat etliche TeilnehmerInnen
verblüfft.
In einer weiteren Übung befasste ich mich in Anlehnung an die Studie „Man
sieht nur, was man weiß“ (Bromme/Rambow, 1995) mit den Zusammensetzungen
klassischer Baumaterialien unserer Umgebung. Auch hier waren die Kenntnisse
der Studierenden erstaunlich gering. Keiner der Studierenden konnte auch nur
eines der Materialien – gefragt war nach den Merkmalen und der
Zusammensetzung von Ziegel, Beton, Zement, Waschbeton und Sichtbeton –
sicher erläutern. Die größte Annäherung mit zwei von drei Bestandteilen
wurde beim Ziegel erreicht, allerdings nur von 12 % der Teilnehmenden. Beton
wurde allgemein als hässlich bezeichnet, eine Studierende äußerte, sie
erinnere sich dabei immer an Schulgebäude aus diesem Material, die sie als
unangenehm und abweisend in Erinnerung habe (und das ausgerechnet bei
Schulgebäuden!).
Als abschließende Frage zu dieser Übung wollte ich wissen, mit welchem der
hier genannten Baustoffe die Studierenden denn ihr eigenes Wohnhaus bauen
würden. Die überwiegende Mehrheit von 75 % benannte Ziegel als
Wunschmaterial, davon allerdings immerhin 50% in Kombination mit Beton
(Beton für die Statik und Ziegel für die Optik!) und 10% in Kombination mit
Sichtbeton.
Die nächste Übung, die ich im Rahmen dieses Vortrages gerne vorstellen
möchte, trägt den Titel „Wegeerfahrungen“ und fand „im Feld“ statt, wie die
Geographen sagen.
Die Studierenden standen in einer kleinen Wohnstraße in der Nähe der
Universität. Die Bebauung ist gemischt mit Reihenhäusern, Doppelhäusern und
kurzen Vierer-Reihen unterschiedlicher Materialhaftigkeit und Gestaltung.
Die Studierenden erhielten unabhängig und ohne wechselseitige Kenntnis
jede/r einen Auftrag:
-
Bringen Sie
die Hausnummer des Gebäudes mit, vor dem eine blaue Bank steht.
-
Bringen Sie
die Hausnummer des Gebäudes mit, vor dem ein Rosenbogen steht.
-
Wie viele
Carports befinden sich in der Straße?
-
Wie viele
Autos parken in der Straße?
Das
einfache Niveau der Fragen hatte zur Folge, dass diejenigen unter den
Teilnehmenden, die – ohne es zu wissen – dieselbe Aufgabe zu lösen hatten,
identische Ergebnisse lieferten. Die Ergebnisse waren alle korrekt.
Zurück im Seminarraum stellte ich dann aber Fragen zu der Art der Bebauung,
die in der Straße anzutreffen ist. Schon hier wurde es unpräzise.
Doppelhäuser hatten 80% noch erkannt, die Reihenbebauung nur 30%. Die
Vierer-Reihe war niemanden als drittes Element aufgefallen.
Vollständig verunsichert wurden die Studierenden, als ich sie nach den
verwendeten Materialen, Farben und Formen der Häuser fragte. Gerade die in
dieser Straße sehr auffällige Reihenhausbebauung mit grünlichen Dachziegeln
war niemandem aufgefallen, ja, ich musste ihnen zum Beweis sogar noch Fotos
zeigen. An Hand der Bilder wiederum konnten sie sich dann doch erinnern,
eine so andere Art der Bebauung in der Straße gesehen zu haben.
Auch hier war das Ziel, den Studierenden klar zu machen, wie leicht wir
unsere Wahrnehmung einschränken können, erst recht, wenn wir auf eine
bestimmte Sache konzentriert sind. Wie verlässlich ist also das, was wir
wahrnehmen? Diese Frage verursachte viele nachdenkliche Gesichter (Hüther,
2003).
In einer weiteren kleinen Übung, die in Partnerarbeit stattfand, sollten die
Studierenden in einer Art Rollenspiel einmal für ihren Partner / ihre
Partnerin den Architekten und einmal den Kunden mimen. Hierbei stellten
viele der Studierenden fest, wie äußerst schwierig es sein kann, eigene
Wohnbedürfnisse zu reflektieren und diese dann auch noch in Worte zu fassen,
so dass der Architekt in der Lage ist, daraus einen Plan zu erstellen.
Umgekehrt beobachteten die Studierenden in der Rolle des Architekten, wie
schwer es ist, sich von eigenen Vorstellungen zu lösen, um sich den Wünschen
des Kunden zu öffnen.
Ziel dieser Übung war schwerpunktmäßig, den Studierenden klar zu machen,
dass bei einer kreativen Architekturleistung entweder ein Zusammenspiel
zwischen Bauherr/Nutzer und Architekt das Ergebnis im Optimalfall positiv
beeinflusst, oder der Architekt ohne Kenntnis des konkreten Nutzers
unbeabsichtigt an individuellen Bedürfnissen vorbeiplant, da er einen für
viele Menschen benutzbaren Standard anbieten muss. Stichworte in diesem
Kontext waren Großwohnsiedlungen und Miethäuser sowie Bürokomplexe.
Folgen Sie mir jetzt zu einigen Gedanken, die die Eindrücke dieses Seminars
in Zusammenhang mit der Frage nach den Chancen und Risiken einer eigenen
Disziplin „Architekturvermittlung“ bringen.
Die verschiedenen Übungen mit den Studierenden haben die Erkenntnisse der
neueren Hirnforschung dahingehend bestätigt, dass Wahrnehmen in erster Linie
dem Sichern des Überlebens dient. Die bauliche gestaltete Umwelt ist so
lange wenig interessant, so lange ich mich dort temporär aufhalte, mich auf
dem Weg von A nach B hindurch bewege oder gar nicht hinschaue (im Zug
beispielsweise), weil ich gerade ein Buch lese. Die bewusste Wahrnehmung und
die Gedanken folgen der Aufmerksamkeit.
Lenke ich nun aber die Aufmerksamkeit der Studierenden gezielt auf Aspekte
der baulichen Umwelt, so wie wir Architekten es schon längst im täglichen
Sehen verinnerlicht haben, dann öffnen sich ihre Augen, und sie beginnen,
neu zu sehen.
Zeitgleich damit passiert es aber auch, dass sie das, was sie sehen, nicht
vollständig erkennen können, weil zum ganzen Erkennen in der Regel noch
Wissen gehört, dass sich nicht im Hinsehen darbietet. Dazu gehört
beispielsweise die historische Stilkunde, Kenntnisse über Ästhetik und
Farbenlehre. Wenn die Studierenden in diesen Punkten angeleitet werden,
können sie über das Neu-Sehen, kombiniert mit neuem Wissen, zu einem anderen
Verstehen gelangen und haben eine persönliche Entwicklung gemacht. So lautet
die Aussage einer Studentin: „Ich gehe jetzt mit ganz anderem Blick für
meine Umgebung durch die Welt.“ Die hier aufgezeigten Schritte klingen
logisch und im Grunde auch einfach. Diese könnten ein Tätigkeitsfeld im
Berufsbild des Architekturvermittlers umreißen.
Exkurs: Von der Haute Architecture zum Prêt-à-Habiter
Bevor ich mich weiteren Aspekten dieses Berufsbildes zuwende, möchte ich
einen kleinen Seitenblick wagen in einen der größten und
vermittlungstechnisch aus meiner Sicht perfekt organisierten Bereiche der
kreativen Berufe – die Modebranche. Hier ist es absolut notwendig, dass zum
einen ständig neue Ideen kreiert werden und zum anderen diese Ideen auch
unter ökonomischen Aspekten vermittelt und damit verkaufbar gemacht werden.
Auf den großen Schauen von Paris, Mailand, New York und Tokio sehen wir
Models mit – sagen wir – Bekleidungskonzepten, eben mit Haute Couture, die
in erster Linie die kreativen Ideen der Designer transportieren sollen.
Damit wir als Kunden und Kundinnen diese Ideen auch wirklich verstehen,
werden die Schauen moderiert: zu jedem der Entwürfe wird versucht, die
Botschaft des Designers in ein sprachliches Bild zu fassen. Weiter arbeiten
Modefotografen und Modejournalisten daran, uns allen diese Bilder im
direkten und im übertragenen Sinne immer weiter zu übersetzen, damit wir als
potenzielle KundInnen Spaß und Lust auf diese Ideen bekommen.
Nun kommen wir aber zum entscheidenden Schritt. Nach den großen Schauen
machen sich die Fachleute im Bereich „Modevermittlung“ daran, diese zum Teil
untragbaren Ideen und Botschaften in tragbare Kollektionen zu übersetzen,
aus der Haute Couture wird das Prêt-à-Porter und jetzt tritt der ökonomische
Aspekt in den Vordergrund. An dieser Stelle haben wir als interessierte
Kundinnen und Kunden die Botschaften der Designer aber schon so weit
verstanden, dass wir auch bei pragmatischer Reduzierung der Ursprungsideen
diese noch lesen können.
Lassen Sie uns diese Vorgehensweise als Richtschnur nehmen und schauen, wie
sie angewendet werden kann auf den Entstehungsprozess eines Neubaus,
beispielsweise eines Bürokomplexes. Wir setzen ein Wettbewerbsverfahren
voraus, über dessen Ausgang sich der interessierte Bürger in der lokalen
Presse informieren kann. Dort werden unter Umständen auch die Absichten des
Architekten in wenigen Worten dargelegt.
Schon an dieser Stelle fallen erhebliche Unterschiede zu den für die
Modewelt beschriebenen Abläufen auf. Allem voran fehlt die Vermittlung des
übergeordneten formal-ästhetischen Leitbildes, das den Architekten auf
seiner kreativen Ebene führt – also die großen Schauen in Paris, Mailand,
New York und Tokio. Des Weiteren fehlt die „Begleitung“ dieses Leitbildes
durch Sprache und Metaphern, die dem interessierten Menschen zugänglich und
nachvollziehbar sind. Schließlich fehlt der Prozess der Übersetzung des
Leitbildes in eine reale Wohn- oder Arbeitsumgebung, in der der
interessierte Nutzer die Kernelemente dieses Leitbildes wieder erkennt, auch
wenn der pragmatische Realisationsanspruch einige experimentelle Aspekte des
Leitbildes geglättet hat. Es fehlt der Schritt von der Haute Architecture
zum Prêt-à-Habiter.
Weiter im Neubauprozess: Die Baustelle wird eingerichtet, die Arbeiten
beginnen, die Formen fangen an, sich zu zeigen und die Materialhaftigkeit
wird langsam erkennbar. Der interessierte Bürger erfährt in der lokalen
Presse nur dann noch etwas über diese Baustelle, wenn es zeitliche Probleme
oder technische Pannen gibt, ansonsten wird über Richtfest und
Fertigstellung berichtet, der Name des Architekten gerät auch in der Presse
schnell in Vergessenheit. Nach der Fertigstellung wird das Gebäude seiner
Nutzung übergeben, entweder vermietet oder selber genutzt. Die Menschen, die
dort arbeiten, haben häufig überhaupt keine Kenntnis mehr von der Absicht
des Entwurfes oder gar dem Namen des Architekten.
Bis hin zu dieser Stelle lässt sich erkennen, was in der Modebranche anders
gemacht wird. Das Produkt Bekleidung wird von Anfang an in all seinen
Absichten und Schritten vermittelt und damit buchstäblich an den Käufer/ an
die Käuferin gebracht. Das Produkt Gebäude wird hingegen nicht vermittelt,
die Vielfalt seiner Ebenen und die interessanten Details seiner eigenen
Geschichte versickern im Nichts.
In der Modebranche erscheinen die Schritte, die unternommen werden, um
Vermittlung zu betreiben, logisch und klar aufeinander aufbauend. In der
Welt der Architektur werden diese Vermittlungsschritte aber nicht gemacht,
außer unter kunst- oder kulturhistorischen Aspekten, dann aber in der Regel
für historische Gebäude und Kontexte.
Nun unterscheidet sich die Modebranche in einem wesentlichen Punkt von der
kreativen Welt der Architektur: Ihre Schnelllebigkeit ist nicht vergleichbar
und die Notwendigkeit, ökonomisches Denken zu praktizieren, hat unter diesem
Aspekt einen anderen Stellenwert. Dennoch meine ich, dass die Techniken, die
zur Vermittlung angewendet werden, auch für die Architektur Vorlagen liefern
könnten.
Profil des Architekturvermittlers
Wie sähen sie also aus, die Arbeitsgebiete eines Architekturvermittlers?
Wir könnten uns Entwurfsschauen der weltbesten Architekten vorstellen, die
mit einem entsprechenden Presseecho bedacht würden. Wir können uns populäre
Hochglanzmagazine vorstellen, die über diese Schauen berichten und uns die
neuen Ideen und Trends nahe bringen. Auch hier wären Tätigkeitsfelder für
Architekturvermittler.
Weiter können wir uns vorstellen, dass über alle laufenden Bauprozesse in
einer völlig anderen Art und Weise berichtet wird als das heute der Fall
ist. Die Menschen erhalten einen technischen, ästhetischen und
künstlerischen Zugang zu den Gebäuden, deren Entstehung sie in ihrer Stadt
beobachten können. Auch hier würde ein Architekturvermittler sinnvoll sein.
Die Ansprüche, die die Menschen an ihre Umgebung, an den Stil, die Ästhetik
usw. stellen, würden steigen, da mit der Mehrung des Wissens über die
Zusammenhänge auch die eigene Meinungsbildung verfeinert wird. Damit stiege
auch das Niveau gebauter Umwelten.
Bei diesen Tätigkeitsfeldern haben wir Erwachsene als Zielgruppe vor Augen.
Ebenso notwendig ist aber zur Vorbereitung auf die teilnehmende Gestaltung
der eigenen Umwelt das Schärfen all dieser Sinne bei den Kindern,
Jugendlichen und den Studierenden. Wenn es den Architekturvermittlern
gelänge, den Schritt vom passiven Wegschauen zum aktiven Hinsehen und zum
Verstehen dessen, was dort mit den Augen erschaut wird, zu initiieren, dann
stiege das Bedürfnis, auch im späteren Leben Anteil zu nehmen an baulichen
kreativen Prozessen, und die Tätigkeitsfelder im oben beschriebenen Sinne
erhielten eine Nachfrage.
In den dargestellten Tätigkeitsfeldern können Sie die Chancen ablesen, die
ein solch neuer Beruf in sich trüge. Das größte Risiko, dass ich bei diesem
Beruf sehe, habe ich ebenfalls bereits angesprochen. Die Welt der
Architektur lebt in einem ganz anderen Tempo, als beispielsweise die Welt
der Mode. Allerdings lässt sich hieraus ein weiteres Arbeitsgebiet des
Architekturvermittlers ableiten: Das Vermitteln von Kontexten, Vorgaben und
Entscheidungsfindungsprozessen, die in ihrer jeweiligen Zeit zu dem Werden
eines Gebäudes geführt haben und die wir heute ohne Vermittlung nicht mehr
verstehen können.
Abschließend möchte ich ein kurzes Ausbildungsprofil für den Beruf des
Architekturvermittlers umreißen: Ich halte einen separaten Ausbildungsweg
nicht für die richtige Lösung. Der Architekturvermittler sollte die formale
Ausbildung eines Architekten haben, um gerade die kreativen und
künstlerischen, aber auch die technischen Prozesse nachvollziehen zu können.
Zusätzlich zu dieser Ausbildung sollte es einen Bereich geben, der sich mit
Vermittlungstechniken und -methoden befasst. In diesem Teil der Ausbildung
könnten die verschiedenen Zielgruppen differenziert werden, also Kinder,
Schüler, Studierende, Nutzer usw., da nicht für alle die selben Methoden
sinnvoll sein werden. Weiter halte ich den Aspekt der Öffentlichkeitsarbeit
in dieser Ausbildung für relevant. Im Grunde läuft es darauf hinaus, dass
der Architekturvermittler zum Teil in das alte Bild des Architekten als
Generalisten eintritt, eines Menschen, der die Künste, die Menschen und die
Vielfalten studiert hat, um die kreativen Fragen und Antworten der bauenden
Architekten zu übersetzen.
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