Die Zukunft
der Architekturvermittlung

11. Jahrgang
Doppelheft 1-2
Februar 2007
   

 

___Ulrike Rose
Gelsenkirchen / Berlin
  Die Landesinitiative StadtBauKultur NRW
   

Die auf zehn Jahre angelegte Landesinitiative StadtBauKultur NRW wurde 2001 mit dem Ziel gegründet, den Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen durch eine Kampagne für gutes Planen und Bauen intensiv zu unterstützen. Aufbauend auf den Erfolgen der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park, widmet sich die Initiative insbesondere drei Schwerpunkten: der Gestaltqualität unserer Städte, dem Öffentlichen Raum sowie dem Umgang mit dem baulichen Erbe.

In den ersten fünf Jahren der Landesinitiative StadtBauKultur NRW fanden in Zusammenarbeit mit den vielen Partnern aus der Architektur und Ingenieurkunst über 70 Projekte statt: zahlreiche Konferenzen, Ausstellungen, interdisziplinäre Workshops zu den komplexen Themen der gebauten Umwelt. Die unter der Marke StadtBauKultur NRW herausgegebenen Publikationen wie die „Blaue Reihe“ betrachten ein weites Spektrum des Planens und Bauens und sind in Planungsämtern und Fachkreisen wertvolle Ratgeber.

Die Internetseite www.stadtbaukultur.nrw.de bietet einen Überblick über alle Aktivitäten der Initiative im Land NRW. Die Projekte und Publikationen der vergangenen Jahre können hier nachgeschlagen, die Publikationen kostenlos bestellt werden. Ein wöchentlich aktualisierter Veranstaltungskalender informiert Interessierte ausgiebig über europaweite Termine zum Thema der gebauten Umwelt.

Doch ist das Thema Baukultur bisher noch nicht genügend in der Alltagswelt und der breiten Öffentlichkeit angekommen. Daher hat sich die neue Landesregierung in NRW unter Minister Oliver Wittke auf der Zwischenbilanz der Initiative im Juni 2006 vorgenommen, in der nun folgenden zweiten Hälfte die Öffentlichkeit stärker zu erreichen.

Das in 2002 gegründete Europäische Haus der Stadtkultur e. V. in Gelsenkirchen, Plattform und Motor der Initiative, agiert hier als Kommunikationsschnittstelle und wird sich zukünftig vermehrt als Vermittler zwischen Fach- und Alltagswelt, zwischen Architektur und Baumarkt engagieren.

Ausgewählte Aktivitäten im Rahmen der Initiative StadtBauKultur NRW werden sich intensiv an den Nutzer von Architektur wenden und in einfacher, verständlicher Sprache Argumente liefern, warum eine gut gebaute Umwelt für jeden Einzelnen persönlich von Vorteil ist.

Die Bemühungen des Europäischen Hauses der Stadtkultur für die stärkere Erreichung der Öffentlichkeit lassen sich unter vier Aspekten zusammenfassen:
 

1.      Nachfrage nach guter gebauter Umwelt wecken
Das Bewusstsein für die Gestaltung der gebauten Umwelt ist in der Bevölkerung nicht besonders ausgeprägt. Seit einigen Jahren mehren sich auf Bundes- und Landesebene Initiativen für Baukultur, die sich mal mehr, mal weniger ausgeprägt darum bemühen, dies langfristig ein wenig zu ändern. Baukultur nimmt auch wieder einen größeren Raum in der Arbeit der Verbände und Kammern ein und ist immer öfter in den Fachmagazinen wieder zu finden.
Die Protagonisten der Initiativen für Baukultur sind meist die Anbieter und Hersteller der gebauten Umwelt, sprich Planer, Architekten und Ingenieure. In den Fachkreisen ist man sich einig, dass die Qualität der gebauten Umwelt in den letzten Jahrzehnten zu wünschen übrig lässt. Insbesondere die Einfamilienhaussiedlungen an den Rändern der Städte und Gemeinden, aber auch die Gestaltung des Öffentlichen Raums, der Gewerbegebiete, der Discountmärkte oder die Problematik der unmaßstäblichen Shopping-Center nehmen viel Raum in den Debatten der Fachkreise über die gebaute Umwelt ein.
Nur: die Nutzer dieser Architekturen sind im Großen und Ganzen zufrieden mit dem, was ihre Häuser und Räume bieten. Hier spielen Warenangebot und Erreichbarkeit beispielsweise eine größere Rolle als deren Gestaltung. Somit bedarf es an dieser Stelle zuerst einer Aufklärung der Benutzer, einer Vermittlung, eines „Augen-Öffnens“. Oder – ökonomisch gesprochen – einer Nachfragesteigerung nach guter gebauter Umwelt.
 

2.      Kommunikation vereinfachen
Um die Öffentlichkeit stärker zu erreichen, hilft eine einfacher nachvollziehbare Sprache ohne Fachtermini. Es empfiehlt sich auch, persönliche Zusammenhänge und private Betroffenheit herzustellen. Ansonsten bleiben die Inhalte zu abstrakt. Der Schwerpunkt der Vermittlung liegt hierbei darin, den Menschen zu vermitteln, dass eine bessere gebaute Umwelt eine persönliche Verbesserung der Lebensqualität bedeutet. Dieser direkte Zusammenhang wurde bisher wenig in der Öffentlichkeit vermittelt. Gut gelöst hat dies die britische „Commission for Architecture and the Built Environment (CABE)“ mit ihrer klaren und leicht verständlichen Botschaft: better buildings = better living. better schools = better learning. better hospitals = better health.
 

3.      Kommunikation professionalisieren
Um die Öffentlichkeit im breiten Maße für die gebaute Umwelt zu sensibilisieren, reichen Konferenzen, Workshops und Fachpublikationen nicht aus. Die zeitgenössischen Massenmedien wie Internet, TV und Tageszeitungen erreichen im Vergleich ein Vielfaches an Konsumenten. Kampagnen, seien sie an der Litfasssäule oder als Werbespots im Fernsehen oder in Printmedien zu finden, beeinflussen unsere Gesellschaft in nie da gewesener Form. Warum sollte man diese Kommunikationswege nur den Konsumgütern überlassen? Gute Beispiele mit großer Erreichbarkeit sind die Kampagnen der deutschen Bundesregierung für Verkehrssicherheit oder die Kampagne „Aimer L’Architecture“ der Französischen Regierung zwischen den Jahren 2002 und 2004. Gute Partner sind hier sicher die Agenturen der Werbewirtschaft und die Medienwirtschaft.
 

4.      Wissen transportieren
Die gebaute Umwelt ist äußerst komplex. Es fehlt an pragmatischen Ratgebern, die den Bewohnern unserer Städte Hilfestellung für die Umsetzung von guter Qualität und guter Gestaltung geben. Sicher gibt es schon viele hilfreiche Broschüren und Fibeln für ausgewählte Sparten. Diese richten sich allerdings nicht an die breite Öffentlichkeit und vermitteln nicht unbedingt den Aspekt der Gestaltung, sondern beispielsweise die denkmalgerechte Sanierung eines Gebäudes.
 

Das Europäische Haus der Stadtkultur plant aus diesem Grund ein so genanntes Baukultur-Alphabet, zum einen virtuell, zum anderen als gedrucktes Werk. Eine Internet-Plattform soll mit Hilfe von Fotografien eine Übersicht über die umfangreichen Facetten der gebauten Umwelt geben – um die Wahrnehmung zu sensibilisieren. Am Beispiel „Stadtpark“ werden neben der Gestaltung des Grüns der Blick auf die Umzäunung des Parks, das Eingangstor, auf die Parkbänke und die Lichtquellen bis auf den Papierkorb gelenkt. Das gleiche bietet sich für öffentliche Plätze, die Innenstadt, Einfamilienhaussiedlungen, Gewerbegebiete, historische Siedlungen und vieles mehr an.

Flyer und Publikationen im Rahmen der „Blauen Reihe“, die sich an den Bürger richten, helfen zu vermitteln, was genau unter gut gebauter Umwelt verstanden wird. Und bieten einen Gegenpol zu den weit verbreiteten Magazinen der Bausparkassen, Fertighaushersteller und Baumärkte. Diese Ratgeber unterstützen die Bewohner unserer Städte, selbst einen Beitrag zu leisten, damit unsere Städte wieder liebens- und lebenswert werden.

Je früher mit dieser Vermittlungsarbeit begonnen wird, umso erfolgreicher wird diese „Früchte tragen“. In einer Welt, in der jeder ohne besondere Kenntnisse bauen bzw. über Kataloge bestellen kann, in der jedermann mit Hilfe von Computer und entsprechender Software gestalten kann, sollten Grundlagen der Formgebung so früh wie möglich vermittelt werden
.

 


feedback  


11. Jahrgang
Doppelheft 1-2
Februar 2007