Thema
4. Jg., Heft 1
Mai 1999

Sander W. Wilkens

Gestaltprinzip in der Entwurfstheorie und anschauliche Kategorie.

. Einleitung: die Logik und die Geometrie, Kategorien und empirische versus reine Anschauung.

II. Die Gestaltprinzipien in der Entwurfslehre und Architekturtheorie.

III. Ihr Geltungsbereich - frühes Handwerk, industrielles Design.

IV. Ihre philosophische Bedeutung als 1. Kategorien der Anschauung. 2. Die Konvertibilität der Bewußtseinsvermögen (Fakultäten) als transzendentale Bedingung und Umkehrung des Kantischen Erkenntnisbegriffs.

V. Ein mathematischer Beweis zur Konvertibilität aus dem Gestalttheorem.

VI. Ein logischer Beweis zur Subordinationsfähigkeit der empirischen Anschauung in Bauentwürfen (anhand Mies van der Rohe, das Landhaus in Backstein, Projekt1923).

I. Die Logik und die Geometrie, die Kategorien und empirische versus reine Anschauung.

Dieser Beitrag zur Zeitschrift Wolkenkuckucksheim wendet sich an Theoretiker verschiedener Disziplinen: zuerst die Philosophen und Architekten, weiterhin aber auch an die Theoretiker der Kunst und des Design. 1. Kaum, wie es scheint, gibt es heutzutage ein umfassende Theorie, gar Lehre, die es ermöglichte, zusammenfassende allgemeine Behauptungen über die Anschauung aufzustellen, wie man dies andererseits durch die Logik vermag. Diese ist in allen Wissenschaften präsent, so daß sich Konditionale, Hypothesen - die gewöhnlichen Statthalter der Prämissen! -, einfache Propositionen und, nicht zuletzt, auch Falschheiten mit Sicherheit diskriminieren lassen. Die Anschauung hingegen hat noch immer ein partikularisierendes Dasein inne, das an die Grenzen der Disziplinen gebunden ist. Zuerst formuliert die Geometrie diese Grenze, welche hierdurch ein weitreichendes Bindeglied schafft, doch sie ist mathematische Abstraktion, so daß, für sich genommen, Anschauung als empirische nicht unvermittelt in dieselbe übergeht. Gerade dies aber will die ältere Philosophie glauben machen, ja, diese unmittelbare Transitivität bildet sogar seit Leibniz einen wesentlichen Bestandteil der neueren Philosophie über die Phänomenalität. Dennoch gilt es zunächst festzuhalten und zu behaupten, daß Kreise, Ellipsen, die Dimension, Lot und Achse keine Kategorien sind, wie dies hingegen für die soeben gewählten logischen Formen, deren einfache Repräsentanten, gilt, (um so weniger eine Geodäte, die aufgrund instrumenteller Voraussetzung ein Gravitationsfeld der Erde mit einem Lichtstrahl ausmißt). Wer demnach Anschauung als geometrische meint, bezieht sich notwendig auf eine andere Form der Sinnlichkeit als die unmittelbare Erfahrung. Denn die Geometrie ist zwar auch in dieser als Lebens- oder Welterfahrung stets präsent, in der Erfahrung eines Kubus als Körper, einer Scheibe als Kreis oder auch eines Bildschirms als konvexe Fläche, und sie läßt sich darum abstrahieren, wie dies auch für die Logik aus den Sätzen der Alltagsprosa möglich ist. Dennoch ist ihre Geltung - die zwischen Logik und Geometrie - grundverschieden. Eine Hypothese, also ein Satz in Wenn-dann-Form, besteht in Hinblick auf eine Kausalitätsauffassung als zugleich behauptete Kategorie, vielleicht auch eine wechselseitige, und eine einfache Proposition ebenso in Hinblick auf ein Quale oder ein Quantum, während diese Stetigkeit einer Abbildung nach kategorialen Instanzen (oder, wenn man so will, Metasubstraten des Bewußtseins) der Geometrie fremd ist, die ihre Behauptungen für sich und in steter einfacher Verkettung trifft. Das Körpersein gilt ihr nicht als ein in sich differentes und zusätzlich gesetzmäßiges, nämlich entweder logisch oder kategorial und beides zugleich.

2. Um ein wenig dieses Getrenntsein zu exemplifizieren, ein Designtheoretiker, der eine Tassenkollektion prüft und erwägt, wird seine Reflexion nicht an Konus und doppeltem Kegelschnitt festmachen, von denen einer notwendig geschlossen ist, sich somit auch nicht zufriedengeben, wenn diese Form feststeht. Sondern er wendet sich an und formuliert aus einer sinnlichen Erfahrung, die spontan (als Eindruck) und geübt (als Einbildung) zugleich ist und offensichtlich über »Leitlinien« - der Erfahrung und der Erkenntnis - verfügt, welche mit den geometrischen Begriffen und ihren koinzidenten Anschauungen nicht deckungsgleich ist 1. Alexander Baumgarten war um 1730 bis 1750 vielleicht ihr letzter philosophischer Investigator (auch, in den entstehenden Salons, Propagator) von einigem Rang, den die Kantische Disposition aus der Geschichte verdrängt hat, indem er das Kunsturteil, soll ihm eine sinnliche Sphäre zukommen, zugleich wieder und nur an den Geschmack zurückband, dem keine Unterscheidung im Einzelnen - als Bestimmtheit - zukommt. Es wird jedenfalls nicht Übertreibung sein, wenn man behauptet, daß die angesprochene Distinktivität einer funktional verstandenen Anschauung - und dies sei eine Unterscheidbarkeit von systematischer Geltung - für die gesamte Industrieproduktion besteht, damit auch für alle Benutzer und Verbraucher ihrer Produkte: eine Kaffeemaschine, in Vertiefung dieser Exemplifikation, imponiert und distinguiert sich nicht deshalb, weil sie einen Zylinder in einem ellipsenartigen Kubus enthält, sondern weil sie offenbar diese geometrische Bedingung und Konstitution in einer sinnlichen Konfiguration und Kohärenz mit einer zugehörigen eigenständigen Ausdruckskraft zu formulieren vermag, die nicht mehr geometrische Anschauung ist, dieselbe sogar notwendig vergessen macht, (wenn man diese Beziehung zum Gedanken, zur Proposition, die der späte Wittgenstein aufgeworfen hat, auch auf die Sinnlichkeit und ihre Propositionalität übertragen will). Dasselbe gilt für alle Gefährte zur Fortbewegung seit der industriellen Revolution, in welcher gerade diese Distinktivität Manifestation wurde. Der Kasten war der Beginn des Automobils oder die liegende Tonne der Lokomotive, und sie wurden zusehends aerodynamisch, aber eben auch zugleich »für das Auge« modifiziert - mehr sei im Augenblick gegenüber der Betonung von sinnlicher Kohärenz und Konfiguration noch nicht vorausgenommen -, und sie wurden damit zusehends und zugleich einer neuen, scheinbar besseren Natur angepaßt, die nun, im Gegensatz zur Renaissance-Klausel, die zweite Natur der technischen Produkte heißen könnte: die naturata eines Besteckmessers oder einer Kaffeekanne wurde hierdurch zum scheinbar einfachen - natürlichen - Komplement des naturans einer Manufaktur, später Fabrik. Und überschlagen wurde in dieser Proposition, dem Entwurf des Gedankens und der Systematik dieses Beitrags, die erste Disziplin dieser Zeitschrift, die Architektur, für welche diese Parallelität zwischen geometrischer und empirischer Anschauung ja seit der Antike - Vetruv versus Platon oder Aristoteles und abgesehen von den Mathematikern - transparent ist. Ein Baukörper als architektonische Leistung ist nicht mit seiner geometrischen Konstitution identisch, sondern nur konvergent. (Konvergenz aber ist - logisch entschlüsselt - eine Frage der Subalternation, dies heißt, es ist möglich etwas anzugeben, das zugleich räumlich-körperlich und geometrisch ist. Identität aber fragt nach etwas anderem, dem Metaphysischen nämlich, von dem gilt, daß es in der Erkenntnis und im Beisein aller Erkenntnissubjekte und, nicht zuletzt, aller anderen Dinge so ist und darauf beharrt, ein solches zu sein). Und das Entwerfen, wie die neueren Bücher zu ihrer Lehre, zur architektonischen Erfahrung und zur Architekturtheorie zeigen 2 , ist gerade nicht von geometrischen Vorstellungen abhängig in dem Sinne, daß die Körper oder Gegenstände, die sie anstrebt, nur aus geometrischen Begriffen zu errichten wären.

3. Historisch wird diese Trennung, also die Logik einerseits, und Geometrie versus empirische Anschauung andererseits, besonders an der Kantischen Disposition deutlich, der die Geometrie aus dem Bereich der theoretischen Erkenntnis herausgestellt hat und als eigenständige Erfahrungsmöglichkeit und Disposition der transzendentalen Ästhetik zugeordnet hat (in der Kritik der reinen Vernunft und fortan). Und in der Folge behauptete, die empirische Anschauung würde stetig mit der reinen als geometrischen Auffassung und mindestens der Möglichkeit nach zusammengehen. Und dies, die Möglichkeit, heißt seitdem transzendental, was in diesem Zusammenhang bedeutet, a priori gültig, also immer wahr, und eine Behauptung, die von der Möglichkeit, aber auch nur von dieser her, nicht bestreitbar ist (- solange man sich im Umkreis einer klassischen Theorie bewegt, die nicht, wie die Relativitätstheorie, an a priori empirische Bedingung geknüpft ist, welche auch die angewandte geometrische Rechnung einschließt). In der Frage nach Gestalt, sinnlicher Kohärenz und Ausdruck von Körpern geht es hingegen nicht um die mathematische Reduzibilität, sondern um die Natur dieser Aufassung selbst. Und bei den Sätzen der Sprache gibt es daher neben der logischen Form die Instanz der Kategorie, die schon Aristoteles entdeckte und entfaltete und Kant zitierend auf die berühmte Tafel einschränkte 3. Wie in den vorausgegangenen Überlegungen bereits vorausgenommen und folgt man der Philosophie bis dato, gibt es offenbar in genau diesem Sinne, in dem es reine Verstandesbegriffe gibt und wie sie Kant terminierte, neben den geometrischen Begriffen und Anschauungen nicht auch kategoriale Instanzen, die reine Begriffe der Sinnlichkeit oder eben Kategorien der Anschauung heißen müßten: Funktionen der Sinnlichkeit als Anschauung, die für die Konstitution und Erkenntnis von Gegenständen in demselben Sinne wirken wie andererseits die Verstandeskategorien, dies heißt in einer Allgemeinheit, die in erste Linie dem menschlichen Bewußtsein und nicht den Gegenständen selber zuzuschreiben sind. (Daß sie nicht a priori im Kantischen Sinne heißen können, sei schon hier vorausgenommen). Und wesentlich ist, daß, wenn es sie gibt, sie nicht mit einem Funktionsbegriff identisch sind, der entweder von der Rezeptionsseite, den Wünschen, sozialen Vorstellungen des Käufers oder des Bauherren, oder von der Herstellerseite her terminiert wird, als Ökonomie des Produkts und seiner Facilität, die das Industriezeitalter als Idee und wirkliche Maßnahme gleichwohl innervierte 4: eine anschauliche Kategorie muß allgemeiner sein und beide Möglichkeiten inkludieren. Und zwar so allgemein, daß die Konstitution der Anschaulichkeit auch mit allen Zwecken von Gegenständen in sich selber einhergehen kann, so daß sie auch nicht aus ihrer unmittelbaren causa finalis - im Sinne der Kantischen Anhängigkeit, in der ein Begriffszweck die Form der Anschaulichkeit bedingt - verstanden werden kann 5. Zudem setzte diese Bedingung, sobald sie mit ihrem allgemeinen Prinzip, der Form als Subordinante ihres begrifflichen und besonderen Zweckes, einhergeht, die soeben behauptete Allgemeinheit einer regulären Anschauung wieder außer Kraft. Denn in jedem Fall eines Begriffszweckes als Regel der Form ist ja, wie Kant konzipiert, die Anschauung nicht mehr konstitutiv, dies heißt regelbildend, sondern eben - per principium - der Zweck als Begriff. Sollten aber beide Allgemeinheiten nebeneinander bestehen - und sie müssen es, wenn die Gestaltprinzipien eine regulierende Kraft in der Anschaung besitzen -, dann muß es auch die Konvertibilität der Bewußtseinsvermögen an sich geben und ebenso stets eine instantiierte Konversion in actu (oder in casu) des eingeschlossenen und verlangten Fakultätenverhältnisses. Man sagt Tasse nicht als Begriff, sondern aufgrund einer bestimmten Anschauung, in der der Kubus mitsamt seiner Gestalt die Regel innehat. Mit dieser Behauptung allerdings wird schon die Systematik der Philosophie betreten, die später (unter IV.) erörtert und dargelegt und (unter V.-VI.) bewiesen werden soll, (wobei die Konvertibilität aus anderer Quelle auch schon in dieser Zeitschrift nachgewiesen wurde 6).

5. Auch Leibniz, sein großer Vorgänger und ein professionell höchstrangiger Mathematiker, behandelte die Geometrie als Vernunftwahrheit (und Ansich) in steter Differenz zu den Ausdehnungen der Körper, ihrer räumlichen und zeitlichen Artikulation, da letztere als »konkrete« von der Perzeption abhängen, so daß sie mit den Tatsachenwahrheiten einhergehen 7. Gleichwohl bestand auch seine Lehre bereits auf der Grundbedingung der Vernunft, mithin der mathematischen Wahrheit, welche ihn - innerhalb des Rationalismus - mit der Auffassung von Kant und gegen alle Empiristen vereint. Und daß Körpern eine eigentümliche Phänomenalität, dies heißt Erscheinung zukommt, bedeutet daher nicht etwa, daß er Ausdehnungen und tatsächlichen Formen ein eigenständiges Quale zuerkannt hätte. Sondern er behauptete nur, daß dieselben durch Perzeption Gegenstand der Erkenntnis werden und einer Analyse bedürftig sind, um distinktiv zu sein. Als das erste - adäquate und immer noch intuitive - Mittel aber dieser Analysis gilt ihm gewiß die Geometrie als mathematische Wissenschaft, so daß die Frage nach einem möglichen eigenständigen Quale der räumlichen Ausdehnung bei und in den Figuren, deren kontinuierlicher Komplexion, endet (und aufgrund dieser Voraussetzung enden muß). Zwar gibt es bei ihm daneben - in mathematischen Schriften - Überlegungen, Beziehungen wie Ähnlichkeit, Homogenität, Kongruenz und Koinzidenz der Betrachtung und Erkenntnis von Körpern zuzuordnen 8, doch diese gelten ebenso für geometrische Figuren, und sie unterliegen zudem alle dem Relationsbegriff, seiner Kategorie, so daß gerade nicht jener metaphysisch frühere Aspekt wirkungskräftig ist, wodurch ein Objekt, ein Gegenstand überhaupt erst ein solcher ist und durch eine konstitutive Sinnlichkeit wahrgenommen wir. Dies ist aber genau der Gedanke, den jüngst Gerold Prauss im Hinblick auf die innere Geltung der Kategorien Kants aufgeworfen hat 9 und auf den weiter unten zurückzukommen ist (IV.). Die Körper im Sinne von Leibniz sind - als Phänomene - daher in genere figurale Instanzen der Mathematik, mithin der Geometrie. Und man wird somit zwar schließen können, daß bei beiden Philosophen eine Eigenständigkeit der Erscheinung durchaus respektiert war. Bei Kant als die Aggregation, sogar die schematische Einbildung, die er der Natur des Menschen (in Beziehung auf körperliche Apprehensiva) zuerkannt hat 10. Bei Leibniz hingegen als natürliche Perzeption von räumlichen Dingen, die immer mit einer, wie er sagt, Konfundierung kleinerer und zugleich konkreter Perzeptionen verbunden ist, gleichwohl eine natürliche oder spontane Kohäsion dieses Verhältnisses einschließt, in dem die Körper als Ganzheiten, zumindest natürlicher Zusammenhang erkannt werden. Man wird jedoch nicht Anlaß haben, neben dieser Erscheinung einer- und der Geometrie andererseits theoretische Instanzen festzustellen, die ursprünglich in der Erfahrung als sinnlichen wirksam sind, sogar eine Bedingung im Sinne einer kategorialen Funktion ausmachen.

6. Hier gilt es nun Halt zu machen, um die wesentliche Behauptung zu formulieren. Es gibt diese Instanzen, und es gibt somit eine kategoriale Funktion in der Anschauung, die selbständig und neben den logischen Funktionen, als Kategorien der Verstandesbegriffe, wirksam ist. Die Erhebung und systematische Reflexion ist allerdings mit einer nicht geringfügigen Transformation der traditionellen Philosophie als Metaphysik und, nicht zuletzt, Lehre über die menschlichen Bewußtseinsvermögen (Fakultäten) verbunden, wovon in einem späteren Teil - nach der Vorstellung aus der Architektur und der umrißartigen Darstellung des Geltungsbereichs in anderen Fächern und Erfahrungsbereichen - die Rede sein soll.

II. Die Gestaltprinzipien in der Entwurfslehre und Architekturtheorie.

1. Als Einleitung zur Vorstellung dieser Kategorien sei zunächst wiederholt, daß die geometrische Reduktion oder Konstitution von Körpern nicht das Ziel der Frage darstellt. Vielmehr ist sie zur Gänze in Kraft, sie kann aber nicht für die Frage einstehen, wie es Körpern - also auch Bauwerken - gelingt, in einer völligen Allgemeinheit eine Kohäsion, also einen Zusammenhalt ihres Eindrucks im ganzen zum Ausdruck zu bringen, der nicht mit einer finalen Funktionalität identisch ist und welche Funktionalität in sich selber verschiedenen interpretatorischen Perspektiven offensteht: aus den eigenen Funktionen des Gegenstands, aus denen seiner Benutzer (im Sinne der Repräsentation) oder aus denen seiner Hersteller. So zählt man, p.e., nicht die Wände und Fenster, das Dach beieinander, um ein Haus auffassen und auch sagen zu können, sondern nach einem Wechselverhältnis von Gestalt und Figur, und in gerade diesem Verhältnis und seinem erkenntnistheoretischen Schematismus, den Kant und seine Literatur bis heute nicht analysiert und erschlossen haben, muß die Geltung einer sinnlichen Allgemeinheit statthaben, wenn derselben eine kategoriale Funktion zukommen soll und kann. Und sollte nun, wie sich Kant ausdrückt, "das Schema der Substanz die Beharrlichkeit des Realen in der Zeit [sein], d.i. die Vorstellung desselben, als eines Substratum der empirischen Zeitbestimmung überhaupt, welches also bleibt, indem alles andere wechselt" 11, dann wird auch die Sinnlichkeit an der Wahrnehmung dieser Funktion der Beharrung teilnehmen müssen, wenn auch sie originäre Kategorien besitzt und wenn sich diese in Deckung (metaphysischer Konversion) mit der, so Kant, reinen verstandesmäßigen Auffassung eines Dinges als Substanz befinden. - Von Kasten und Tonne war bereits im Vorübergehen - in der geschichtlichen Erinnerung der neuzeitlichen Fahrzeuge - die Rede. Tatsächlich bilden beide, Kasten und Tonne, und sie wären zu ergänzen um den Globus oder die Kugel, in völliger Allgemeinheit das erste "Gestaltprinzip": in metaphysischer (und auch mathematischer, dies heißt unwidersprochener) Kontinuität konstiuieren sie gemeinsam den "Kubus" als zusamenfassenden Namen ihrer Kategorie, wie sie philosophisch heißen muß, oder ihres Gestaltprinzips, wie sie der Architekt (und Professor für Entwurfslehre) Eckhardt Gerber nennt und, im wesentlichen, der Entwurfstheorie Ludwig Mies van der Rohes, des einflußreichen Architekten der ersten Jahrhunderthälfte, entlehnt hat. Neben dem Kubus rangieren vier weitere, logisch gleichrangige, die Stabwerk, Dach, Wand und Sckel (oder Boden) heißen. Sie seien zunächst im Diagramm (nach Gerber) vorgestellt.

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Abbildung 1. Die Gestaltprinzipien der Entwurfslehre nach E.Gerber.

2. Wie zu sehen - und diese Einschätzung stimmt mit der Gerbers überein -, haben diese Prinzipien die Eigenschaft größtmöglicher Einfachheit (im aristotelischen Sinne) 12. Dies beweist sich in doppelter Hinsicht. Denn nicht nur sind sie Prinzipien des Entwurfs, mithin der Imagination von Bauwerken, welche mittels einer (im ursprünglichen Sinne) administrativen Geometrie und Statik, auch der Landschaftsberechnung errichtet werden sollen 13, sondern umgekehrt sind sie ebenso auch die ersten Prinzipien, nach denen es möglich ist, ein bereits erstelltes Gebäude zu analysieren, sogar gleichgültig, welcher Stilrichtung und Zeitära es entstammt. Dies zeigt sich nicht zuletzt in der Literatur, wovon sogleich die Rede sein soll. Grundriß und Aufriß, auch Seiten- und Frontansicht, die Partituren des architektonischen Handwerks, die gewissermaßen die unmittelbare Membran oder Schnittstelle zwischen Vorstellung und Realität bilden, sind somit nur Komplemente dieser höheren Ebene, in der sie zuerst, und zwar aus dem Zusammenwirken aller Prinzipien, Gestalt geworden sein müssen.

3. Dieses Zusammenwirken nun gilt es ein wenig zu erläutern, denn ihm kommt eine Bewandtnis zu, die nicht nur für die architektonische Vostellung, sondern auch für die Philosophie von großer Bedeutung ist. Das wesentliche Charakteristikum dieser Kategorien ist die Kontinuität. Dieser Begriff besitzt eine weitreichende Bedeutung für die neuzeitliche Physik, Mathematik und Metaphysik 14, so daß die Notwendigkeit einer Abgrenzung hervortritt: verbunden mit der Erkenntnis einer Funktionsweise, die in keiner dieser angegebenen Geltungsbereiche gleichermaßen gegeben ist. Seit Leibniz ist die Mathematik mit der Tatsache vertraut, daß alle Figuren auseinander herleitbar sind, u.a. durch den Kegelschnitt 15. Gleichwohl ist die Kontinuität dieser Prinzipien keineswegs mit dieser geometrischen Transitivität identisch, so daß erneut die Möglichkeit - und Notwendigkeit - der theoretischen Distinktion dieser sinnlichen Erkenntnisfunktionen im Verhältnis zur Geometrie manifest wird. (Sie sind auch nicht mit den schematischen und empirischen Funktionen identisch, die Kant im Hinblick auf den menschlichen Schematismus "Muster" oder "Normalidee" nennt und wovon später - unter IV. - die Rede sein soll). Diese Kontinuiät ist aber auch nicht mit der Physis - als mögliche Kontinuität der Massen (und deren unmittelbarer Berechnung im, vor allem, Newtonschen Sinne) - noch mit der metaphysischen - im Sinne von Leibniz - identisch, unter welcher diese Massen einzelne Substanzen enthalten, die sich in kontinuierlicher Aggregation (und Auflösung) befinden. Beide Begriffe können darum überhaupt beiseite gelassen werden, und die Geometrie, weil sie selber durch diese Kategorien in ein Verhältnis der Inklusion gelangt.

4. Es besteht nämlich schon unter dem ersten Gestaltprinzip eine Kontinuität des Geometrischen. Der Kubus ist zwar - zum Zweck seiner primären Bezeichnung - der Kasten oder Quader, gleichwohl als Prinzip eines Körpers unmittelbar kontinuierlich: gleichrangig neben der Kugel oder den anderen dreidimensionalen Formen der Geometrie. Um dies logisch zu erläutern: es ist nicht möglich, den Quader, repräsentiert er die Gestalt als Prinzip des Kubus oder Kategorie, so zu begreifen, daß er notwendig das Hyperonym bildet, welches sich die anderen geometrischen Möglichkeiten (Kugel, Kegel, Zylinder etc.) subordiniert, sondern diese bestehen gleichrangig daneben. Auf einen Baukörper bezogen: es ist nicht notwendig, sich einen Quader als erste Prämisse vorzustellen, um demselben durch Subtraktion bestimmter Volumina eine Kegelgestalt zu geben. Vielmehr ist dies sofort, als erste Prämisse eines Kubus, einem entwerfenden Bewußtsein zugänglich, wie, um eine berühmtes Beispiel zu geben, am Pariser Eiffelturm - oder einer ägyptischen Pyramide, die beide die Mantelfläche eines Kegels mit einem Viertel kontinuierlich produzieren - unmittelbar evident wird. In dieser Gleichrangigkeit ist daher die originäre Leistung des Bewußtseins zu erblicken, durch die es (im transzendentalen Sinne, also aus der apriorischen Möglichkeit) die Kontinuität der Formen von Körpern begreift. So, wie es exemplariter möglich ist zu sagen, daß eine Raute durch Spiegelung an der Horizontalen zum Quadrat wird (und umgekehrt!) - aus dieser Möglichkeit wird der schließende Beweis gehen -, so läßt sich diese elementare Transitivität, welche in der Kontinuität (oder mathematischen Infinität) wurzelt, auch von den anschaulichen Formen behaupten, und ohne daß sie die Leistung der mathematischen Kalkulation voraussetzen. Das Bewußtsein ist aus sich selber zu dieser Leistung imstande, die, weil sie wie die reinen Verstandesbegriffe in einem absoluten Sinne funktional wirksam ist, transzendental heißen kann, (sogar muß, wenn eine Philosophie, die sich auf die Grundbedingungen des Bewußtseins stützt und diese zu exponieren sucht, transzendental heißen soll und deren Tradition aufgreift). Der Quader, so ist diese Überlegung zusammenzufassen, ist daher nur die Allgeingültigkeit des Raumes, repräsentiert in der Form eines Körpers, und insoweit diese Repräsentation - seit Aristoteles - vom Hexameter bestimmt wird: als eine verdoppelte Dreidimensionalität, weil in jede Richtung die Möglichkeit eines Spiegels besteht. Und ein Unregelmäßiges (also ohne eigene Spiegelachse) erhält durch eine äußere das paarige Komplement, das, erneut gespiegelt, in die Identität des ersten übergeht 16. Woraus der Hexameter in den drei Dimensionen (oder daß, Euklid und Leibniz, nicht mehr als drei rechte Winkel aufeinander stehen können) resultiert. Die Kugel steht von der Vollkommenheit her (als Ebenmäßigkeit oder Ähnlichkeit) gleichrangig daneben, aber ihr mangelt diese Repräsentation als manifeste - sie ist logisch die absolute Aufhebung des Hexameters -, wodurch sich die die Unabhängigkeit vom Geometrischen ebenso wie jene vom Raume niederschlägt: so daß die Funktion zur Darstellung des Körpers frei wird, in der Quader und Kugel die Konträrpole eines Kontinuums bilden, in dessen Mitte die übrigen Volumina - und deren freie Kompossibilität insgesamt - anzusiedeln sind, wobei die Kompossibilia, also Zusammensetzungen, natürlich sublimieren, dies heißt in die logisch tieferen Ebene übergehen.

6. Wesentlich zum Verständnis der Gestaltprinzipien gehört weiterhin - und dies belegt nicht zuletzt die Literatur zur Architektur als Kunst oder als Theorie -, daß auch die übrigen Kategorien - Stabwerk, Dach, Sockel und Wand - kontuinuierliche Geltung besitzen, und zwar immer noch in einer kontinuierlichen Gleichrangigkeit mit dem Kubus als - vom bloßen Zählen her - ersten Kategorie oder erstes Gestaltprinzip. Wie schon das soeben zitierte Beispiel, der Eiffelturm, manifestiert, besteht keine Notwendigkeit, daß alle Prinzipien in einem Bau - wie in einem gewöhlichen Wohnhaus - verwirklicht sind, sondern es ist möglich, daß sie gegen Null, (das Praeceptum des Kontinuums), laufen, also unendlich klein werden: so ist der Eiffelturm in seiner kubischen Gestalt leer, indem er ausschließlich durch Stabwerk (oder "Gerüst") hervorgebracht wird. Auch seine Wände bilden Leerinstanzen, sein Dach aber ist das Manifest der Kontinuität, nämlich ein Punkt (oder nahezu ein Punkt), während der Sockel durch die ausladende Fuß- und Terrassenfunktion manifestiert wird, welche sich von der Kontinuität der Gesamtgestalt im ganzen nicht abhebt, sondern nur durch einen Zwischenumlauf (für die Besichtigung) artikuliert wird. Gerade so, indem man die Prinzipien nebeneinander bestehen läßt und nur die positiven Gegebenheiten als Terminationen nimmt (in der mathematischen Beschreibung wäre ihnen ein Wert aus einer zugehörigen definitiven Menge zuzuschreiben), gelangt man zu der einfachstmöglichen Beschreibung, welche wiederum nicht ausschließt, daß in der erkenntnistheoretischen Wahrnehmung auch die Leerinstanzen kategoriale Bedeutung erlangen: das Gerüst des Eiffelturms wird so zu einem spitz zulaufenden Tetraeder, obgleich sein Kubus keine kontinuierlich definitive Grenze hat, wie sie, direktes Konträrstück unter komplementärer Aufhebung des Stabwerkes, die Pyramide besitzt. Prinzip und Kategorie beschreiben somit in der Mitte ihrer Gleichheit - oder Identität - die Realität.

7. Ein anderes berühmtes Beispiel, indem sich die Prinzipien kontinuierlich gegeneinander in einem gemeinsamen Entwurf veräußerlichen, ist der Deutsche Pavillon Mies van der Rohes für die Weltausstellung (wieder derselbe Anlaß!) 1929 in Barcelona: das in der Literatur anerkannte Paradigma des neuzeitlichen "Vokabulars" der Architektur 17, auf das sich auch Gerber direkt bezieht. Auch hier sei in Kürze erläutert, daß dieser Entwurf freistehende Wände - die beabsichtigte Kontingenz des umbauten Raumes, und dieser Raumbegriff ist das specificum der architektonischen Lehre, welche dem Gestaltprinzip entgegenzutreten, es zu komplementieren hat, nicht der Raum an sich -, artikulierte Säulen für ein einfaches, zum Teil frei aufliegendes Dach und eine umgebende einfache (also glatte) marmorierte Platten- als Sockelfläche exponiert: die Einfachheit ist Funktion der gnosis, dies heißt, durch die im einzelnen frei werdende Durchschaubarkeit des Bausprinzips treten seine Möglichkeiten an sich hervor. So mag, daß im Ganzen koninuierlich verwoben ein Kubus vorliegt, auch an den artikulierten Fensterflächen erkannt werden, welche die Funktion außen-innen in sich vereinigen und, je nach Betrachtungsrichtung, variieren. Und zur Funktion des Sockels oder Bodens ist zu ergänzen, daß die Terrassenfläche ein rechteckiges Bassin umschließt, in dessen Wasserebene eine manifeste und mit den Glas- als Wandflächen verwandte Spiegelfunktion ausgedrückt wird: nicht nur eine Farbmodulation des Materials, sondern eine Abbildfunktion der Konstitution des Gebäudes selber, und gewissermaßen die Instanz der Klarheit im allgemeinen selber. Diese Idee im übrigen ist älter, denn auch der Taj Mahal, das Mausoleum des Schahs Dschahan in Persien (es stammt aus dem zweiten Drittel des 17. Jahrunderts), nutzt, wie später die meisten Gartenanlagen der barocken Schlösser, die auf das Gebäude zuströmende Erdfläche zur Anlage eines Wasserspiegels, (späterhin natürlich auch des Wasserspiels, das kostspieliger ist). Daß, im übrigen, die Sockelfunktion den Prinzipien unmittelbar hinzuzurechnen ist, mag man empirisch auch an Stadionbauten, seiner Spielfläche, sogar an dem alten Amphitheater ablesen, das ja vom Boden aus, der die Bühne trägt, sich am natürlichen Berghang, so in Epidauros, zu den Galerien erhebt. Auch die Anlage von Plätzen, symptomatisch der Petersplatz Berninis, welcher nahezu eine Kreisfläche umschreibt, die wiederum durch einen plan überdachten Säulengang (Kollonaden) limitiert wird, demonstriert - mit metaphysischer Evidenz - das Ansich der Sockel- oder Bodenfunktion als Teilnehmerin der Gestaltprinzipien oder Kategorien der Anschauung: der Boden ist eine notwendige und kontinuierliche Gestaltfunktion in der Artikulation eines Körpers als - architektonisch - umbauter Raum. Zuletzt mag der griechische Tempel Paradigma dieser metaphysischen Kontinuität sein. Denn er ist ein Gebäude aus Sockel, Stab (= columen) und Dach (= Architraph etc.), während die Wandfunktion mitsamt des Kubus - logisch unablösbar auf derselben Stufe! - eine Leerfunktion bilden: als offene Halle. Schon Georg Wilhelm Friedrich Hegels Ausführungen zum klassischen Tempel können, zuletzt, als Instanzen dienen, um festzustellen, daß "Wandungen", "Säulen" (oder "Pfosten") als tragende Teile neben Dach ("Decke") und "Boden" die Elemente schlechthin der Baukunst, damit aber auch der Architektur ausmachen, auch wenn er die a priorische Kontinuität, welche dieselben zueinander besitzen, nicht beachtete, nicht beachten konnte 18. Sein Augenmerk galt dem idealen Fluchtpunkt der Bedeutung, so daß eine mögliche formale »Reinheit« - als Selbständigkeit - dagegen zurücktreten, mehr, sogar aufgehoben erscheinen mußte. Und das "Tragen" gegenüber dem "Getragen-werden" geht bereits von einer reinen Auffassung der Form, wie sie prinzipiell möglich ist, über zu einer Bedeutungsfunktion innerhalb des Gesamtgebäudes. Daß die Erkenntnis von Körpern durch anschauliche Kateogrien bedingt ist, ist darum auch bei ihm nicht festzumachen.

8. Belege aus der Literatur. Unter diesem Punkt ist ein philologischer Nachtrag zu leisten. Er ist kurz und muß sich ausnahmsweise darauf beschränken, Hinweise auch in den Fußnoten darzulegen. Es kann jedenfalls als gesichert vorangestellt werden, daß die Allgemeinheit, die den Prinzipien als Kategorien zukommt, nicht exponiert wird. Zuerst möge der Urheber, Mies van der Rohe, mit einem Zitat für sich selbst eintreten: "Hier, in einem Bezirk größerer Freiheit ohne Bindung enger Zwecke, läßt sich erst der baukünstlerische Wert dieser technischen Mittel voll erweisen. Es sind echte Bauelemente und Träger einer neuen Baukunst. Die lassen ein Maß an Freiheit in der räumlichen Gestaltung, auf das wir nicht mehr verzichten werden. Jetzt erst können wir den Raum frei gliedern, ihn öffnen und in die Landschaft binden. Jetzt zeigt sich wieder, was Wand und Öffnung ist, was Boden und Decke. Die Einfachheit der Konstruktion, die Klarheit der tektonischen Mittel und die Reinheit des Materials tragen den Glanz ursprünglicher Schönheit" 19. Das ausführliche Zitat möge die Programmatik verdeutlichen, die mit der »Entdeckung« dieser Prinzipien verbunden war und - offensichtlich - bis heute verbunden ist: der Reduktionismus dieses Jahrhunderts, verknüpft mit analytischer Grundhaltung und gestalterischem Konstruktivismus oder auch, vielleicht treffender, gestalterischer Imagination. Und der Bindebegriff gestattet, die gleichzeitige philosophische Bemühung von Paul Valéry um das architektonische und künstlerische Bewußtsein Leonardo da Vinci's zu übertragen 20, wobei auch Valéry die Kategorien nicht besaß. Aus beidem aber wird ersichtlich, daß es sich bei der Reflexion dieses Phänomens, wie sie vorgibt, offenbar nicht um eine völlige Allgemeinheit, zumindest ein solche, die analytisch immer erreichbar ist, handelt, sondern um eine stilistische Gebundenheit. So erblickt auch die Architekturhistorie in Mies van der Rohe - neben Le Corbusier, Frank Lloyd Whright oder den Bauhaus-Architekten, insbesondere Walter Gropius - einen Vorreiter und Hauptvertreter dieser Reformulierung der Architektur, (die er auch nach seinem Verlassen des nationalsozialistischen Deutschland in den amerikanischen Bauten, verbunden mit der Lehrtätigkeit in Chicago am MIT, u. a. in symbolischen Hochhauswerken, beibehalten hat 21). Doch der Eindruck täuscht, der sich auf eine ebenso entwickelte analytische Entwurfstheorie verlassen wollte und welche an diesen Reduktionismus anknüpft. Gerber sieht sich vielmehr veranlaßt, noch heute diese Prinzipien nicht etwa als allgemeine Voraussetzung einer Entwuftstheorie schlechthin, was sie doch eigentlich darstellen, vertreten zu können, sondern als Bedingungen, die aus einer schon historisch gewordenen Architektur erwachsen sind. Um so mehr, als auch Rohe sie nicht zur Grundlage seiner Curricula gemacht hat, so daß, da nur Gebäude überliefert sind, sie stets neu interpretiert werden müssen. Gerber - nicht als Architekten, sondern als Entwurfstheoretiker - ist somit das besondere Verdienst zuzurechnen, die Allgemeinheit dieser Prinzipien, mag sie auch wegen ihrer Einfachheit zunächstnur als Heuristik (wie er selber sagt) erscheinen, herausgestellt zu haben. Denn weder die Architekturhistorie 22, noch eine philosophische Interpretation zum erlebten Raum durch Friedrich Otto Bollnow 23, der nachgesagt werden kann, ein Pendant zum temps espace (Henri Bergsons) anzustreben, gehen un- oder mittelbar von der Existenz dieser Prinzipien aus. Immerhin mag aber - symptomatisch für die Literatur, welche die Architekturerfahrung, die immer eine besondere ist, mit den Normen zu vermitteln hat 24 - das luzide Buch von Pierre von Meiss als Beispiel dienen, daß eine fundamentale Reflexion auf die Prinzipien gegeben sein kann, verbunden mit einer vollständigen Aufzählung und diagrammatischen Darstellung 25. Und es mag in der Architektur keine Entwurfstheorie im eigentlichen Sinne geben, wenn dies heißen soll, daß sie sich nur innerhalb von vorgegebenen Gesetzen zu bewegen hätte, die wiederum andere als die Geometrie sind - denn hierdurch wäre die Individualität des Bauens aufgehoben und sie ginge völlig in Normierung oder Antizipation über -, so wird dennoch in den Anfangsgründen ein Verzicht auf die stetige Vermittlung der Prinzipien unerläßlich sein, gleichgültig, ob man sich zum Stil des Konstruktivismus (oder Reduktionismus) bekennt oder nicht.

III. Ihr Geltungsbereich - frühes Handwerk, industrielles Design und die Natur.

Der Schlußsatz ist gleichbedeutend mit der Ubiquität der Prinzipien als Kategorien, und dies heißt, es ist unmöglich, ein menschliches, sogar ein Bauwerk der Natur zu entdecken, daß ihnen nicht genügte. Weiterhin gilt es - um Vollständigkeit des Verständnisses - nach der Kontinuität zu fragen, die sich doch im Gefüge aller zu verabsolutieren vermag, (wie erwiesen). Und so stellt sich - gewissermaßen Kriterium - die Frage nach der Vereinzelung des Daches, wenn es nicht nur möglich ist, daß jede Kategorie die anderen sublimieren macht, sondern wenn es auch möglich ist, daß sich die prinzipielle oder kategoriale Funktion gegen das physische Tragen und Getragenwerden durchsetzt, sogar notwendig muß durchsetzen können, wenn Prinzip - oder Kategorie - als Selbständigkeit im entwurfstheoretischen - und transzendentalen - Sinne soll gelten können. Die Instanz, die auch für das Dach gerade dies zu zeigen vermag, ist das Zelt, die einfache Plane, die (in der Evolution) vielleicht einst nur zwischen zwei Bäumen die Bedeckung lieferte. Also sind Kubus, Wand, Boden und Stab Leerfunktionen (oder latent sublimiert, was bedeutet, man muß sie hinzudenken, um den Körper als Bauwerk zu vervollständigen). Indem diese Plane aber artifiziell - mithilfe von Stabstützen - bis zum Boden verläuft und ihre Grenzen durchgehend artikuliert, also auch etwa mithilfe von Fellen den Boden, sublimiert sie offen die anderen Kategorien, den Kubus, die Wand, und der Boden bildet noch ein logisches, gleichwohl manifestes Konjunkt im Ganzen. Erwiesen sei hiermit, daß die Kontinuität - von ihrer Form her - bruchlos oder symmetrisch gilt, auch wenn die Schwerkraft als empirische Bedingung die Häufigkeit der Möglichkeit einschränkt, daß das Dach die anderen Kategorien sublimieren macht. Und nicht bedeutet diese Form der Kontinuität eine absolute, sondern nur relative Idealität, wie noch zu zeigen: die Absonderung der Kategorien ist nicht eine Reinheit (Kant) oder Vernunftwahrheit (Leibniz), die nur dem Bewußtsein zuzuschreiben und als ob sie nicht auch und ebenso aus Erfahrung zu vermitteln ist. Das Gegenstück jedenfalls ist das aus dem Felshang entstehende Amphitheater - der Boden ist die primäre Kategorie -, und mit dem Zelt und der Plane ist zugleich ein Beispiel der Werkzeuge gegeben - der moderne Schirm nämlich, der durch Verkleinerung eines Zeltes entsteht -, womit ein neuer Bereich betreten wird, in dem die empirische Ubiquität der Kategorien nachzuweisen ist. Dies geschehe in zwei Schritten, zunächst nach der Natur, sodann - in gebotener Kürze, und dies heißt in beiden Fällen mit großem Querschnitt - in den Manufakten und Fabrikaten oder Zeugnissen des Handwerks.

I. Die Naturkörper. Die Darstellung der Evidenz der Naturkörper geschehe nach den drei Sphären. A. Also haben (nahezu) alle Fische einen primären Kubus als erste Kategorie, und die Schwanzflosse artikuliert eine Wandfunktion, während in den Brust- und Rückenflossen die Boden- und Dachfunktion verwirklicht wird. Sollte der Fisch keine Rückenflosse haben, kann man auch sagen, daß beide Funktionen eine Äquivalenz eingehen und ineinander aufgehen. Das Schweben im Wasser, das mit dieser zumeist Bi- oder Äquivalenz einhergeht und das weder ein direktes Tragen noch Getragenwerden bedeutet, und also beides zugleich in Differentiation, erklärt die Funktion zu einem Grenzwert der Idealität oder umgekehrt. Weder stiftet die Erfahrung, noch die Idealität (als Reinheit) die eindeutige Bedingung der Körpergestalt, ohne daß diese Limität der Bedingung gegeneinander das Feststellen der Kategorien vereitelte. Differentiation der Funktion und Integration der Gestalt vollziehen sich auf dem Grenzwert der äußeren Bedingung, die als Erklärung dagegen zu setzen ist. Und auch der Kubus ist nicht - wie bei Karpfen oder Wal - absolute Bedingung einer abgeflachten oder nahezu vollkommenen Tonne, da der Rochen die erklärte Äquivalenz, also das Ineinanderaufgehen von Dach und Boden und da ja die Prinzipien gegeneinander kontinuierlich sind, zur Hauptfunktion seiner Körpergestalt erhoben hat, (was zur Gestalt der Vögel überleitet, und es mag sein, daß eine Rückenflosse als zusätzlich isolierte Dachfunktion neben der Äquivalenz besteht und aufzufassen ist). Primäre Kategorie aber heißt zweierlei, und dies gilt es um Verwechslung auseinanderzuhalten: zunächst, wie bisher, daß der Kubus mit den übrigen Kategorien (Prinzipien) eine Kontinuität bildet, und zwar an sich, dies heißt in zugleich metaphysischer und logischer Bedeutung. (Mathematisch wären daher die zugehörigen Werte miteinander zu multiplizieren, wie Intervalle in der Musik). Zweitens aber drückt der Ausdruck primäre Kategorie die Möglichkeit aus, daß in der Auffassung nach der Anschauung - wie in der Mathematik, ohne Mathematik zu sein - eine Subordination der Kategorien stattfindet, indem sich eine Kategorie die übrigen - nach ihrer Besonderung (oder Instanz) - unterordnet. Da dies nicht durch den Kubus geschehen muß (man erinnere sich des Eiffelturms oder bedenke den Rochen), wird beides, die Kontinuität an sich und die Möglichkeit der Subordination, ersichtlich (und beweisbar: für den Fall des logischen Beweises wird man, wie im Schlußbeweis (V. und VI.), die bisherige Sublimation, die mit der Kontinuität stetig verbunden ist, in eine direkte Subordination verwandeln).

B. Die Erdtiere haben gleichfalls alle einen manifesten Kubus und die Bewegungsfunktion geht in das Glied - oder Stabwerk über: die Beine und Arme. Bei den Erecta scheint es angemessen, dem Kopf eine manifeste Dachfunktion im Integral des Kubus zuzusprechen, und für die Füße gilt ebenso allgemein die Vermittlung der Sockel- oder Bodenfunktion: Hufe und Tatzen sind Varianten. Und die Hände erklären sich zu einem höchstgradigen Artifizium, das durch die Erektion entstanden ist: eine zugleich Sublimation der Dach- und der Bodenfunktion (ihre evolutionäre Herkunft) mit der Stabfunktion auf einer Zwischenebene, die, verglichen mit einer Wohnstätte, Terrasse oder Balkon (und nicht Zwischendecke) ist: der Vergleich möge nicht zum Anlaß der Falsifikation der Durchgängigkeit unter allen Körpern genommen werden, da auch mindestens Stabwerk und die Sublimation erhalten bleiben: man sieht aber, daß in Unterscheidung von bewegten und statischen und organischen versus artifiziellen Körpern die Möglichkeit einer Besonderung erhalten bleibt, die der Reinheit oder dem kategoriale Verständnis zufällt. C. Die Vögel zuletzt artikulieren in einem manifesten Kubus eine kontinuierliche Disjunktion von Wand- und Dachfunktion: anliegend sind die Flügel Wände, geschweift aber die Dachfunktion. Oder: andere Lösung, man hebt diese kontinuierliche Disjunktion auf und kompliziert auch nicht durch eine zugleich für sich vorhandene, sondern spricht dem Kopf allein - in Kontinuität mit den Erecta - die Dachfunktion zu. Die Beine aber sind stetige Stabfunktion in Vereinigung mit den Füßen und Krallen als Bodenelementen. Fast aber möchte man die Beine - im Gegensatz zu den Erdtieren - logisch konjungieren lassen, so daß Gestalt und sublimierte Gestalt entgegentreten, womit aber kein Widerspruch entsteht, solange das Wesen der Kontinuität je in Kraft bleibt. (Mathematisch müßte man nun die Gestalten beide miteinader addieren). Von den Schwanzflügeln aber wird man sagen wollen, daß sie, je nach Lage, eine Dach- oder Bodenfunktion ausüben, eine Alternative, die die Vögel der Flugzeuggestalt und ihrem Heckfllügel vorausnehmen.

2. Die technischen Körper. Unmöglich, hier eine Zusammenfassung voranzustellen oder anzustreben. Der Querschnitt, die Diagonale also muß demonstrieren, und sie beginne mit den antiken Gefäßen, die ein einfacher Besuch im Antikenmuseum bewahrheiten wird. A. Die griechische Amphore ist ein primärer Kubus (in Tropfenform) mit zumeist artikulierter Sockelfunktion, dem Fuß (auch der Vasen), und Stabwerk als Henkelpaar. Hinzutritt eventuell ein os, also ein Krugmund als artikulierte Dachfunktion, die in Verbindung mit einem Deckel manifest ist. Wand und Kubus sind als einfache Äquivalenz aufzufassen, die für den Fall einer Seitenöffnung auseinandertritt. In diesem Sinne sind auch Kessel, Krug und Ölgefäß aufzulösen. Der Becher aber macht wegen seiner leeren Dachfunktion die Wand zum manifesten Subordinans des Kubus innerhalb derselben, identischen Äquivalenz. Und bei einer modernen Tasse wird die Sockelfunktion real durch eine Untertasse manifestiert. Ebenso artikulieren alle Fahrzeuge die Äquivalenz aus Boden-und Sockelfunktion - man wird sagen, der Sockel strebt, der Boden als Funktion aber ruht (und hier nicht immer unterschieden) - gegenüber dem restlichen Kubus aus Stabwerk und Wand in einer logischen Konjunktion als Sublimation: die Räder also erfüllen eine gesonderte Gestaltfunktion, in der das Stabwerk noch einmal verwirklicht (instantiiert) sein kann, sogar in Verbindung mit den Achsen sein muß. Und es kann, aber es muß nicht in der Konjunktion der beiden Hauptgestalten - Fahrwerk und Chassis - eine Subordination bilden. (Auch zweifüßig und Lebewesen müssen ja gemäß Aristoteles nicht notwendig zusammengehen, sondern nur, wenn sie eine Art bilden, und ein Schlitten hat Kufen, Speichen aber sind nicht notwendig).

B. Nun in Kürze zu den Möbeln. Auch hier möge die Antike zum ersten Zeugen auftreten, diesmal aber nicht durch Autoren und Künstler, sondern durch die Bibel. Die genaue Beschreibung der Lade - auch der Stiftshütte, was für die Genesis des Gebäudes aus der Plane, dem Zelt, beansprucht werden kann: das erste Gotteshaus! - geschieht nicht nach geometrischen Begriffen, die nur die Maße liefern, sondern nach Lade (Kubus), Leisten (Wand), Stange, Ring, Gitter (je Stab) und Kasten (2.Mose, Kap. 25-27). Der Kranz aber der Lade (25.11) ist offensichtlich ein Ornament oder ein durch ein Ornament ausgedrücktes Dach, während die Ringe stets eine Stabfunktion - die Henkelung - übernehmen. Leibniz jedenfalls, und da doch Gott selber der Maßgeber und Urheber der Baupläne ist, sähe sich der Tatsache entgegengesetzt, daß der Verstand Gottes Kategorien benutzt, die zwar geometrisch auflösbar sind, somit die Vernunftwahrheit nicht verletzten, gleichwohl nicht die eigentliche Erzeugung und Auffassung dieser Gegenstände bechreiben: denn die benutzten Begriffe (nach der neurevidierten Lutherbibel) sind keine geometrischen Begriffe, in die sie als Quader, Kreis und Linie etc. vielmehr erst zu verwandeln sind. Auch Gottes Verstand, so wäre daher zu schließen, besitzt neben seiner geometrischen Veranlagung eine kategoriale, (die nicht mit einem Voluntarismus, also einer freiwilligen Abkehr von geometrischer Gestzmäßigleit, zu kopulieren ist).

Der moderne, manufakturierte Tisch, Stuhl und Schrank sind je Paradigma der Prinzipien oder Kategorien, da sie sich beinahe von selbst - wie das Bauwerk - unter ihrer Geltung auflösen. Stabwerk und eine vermittelte einfache Dach- und Wandfunktion (die Rückenlehne) bei den ersten, die Sublimation des Kubus in der Wand aber bei dem dritten, wenn die Öffnung primäre Kategorie ist und gleichgültig, ob man die Wände als Türen scheitelt oder schiebt. Der Thonet-Stuhl, dessen Erzeugung Selle zu einem ausführlichen Beispiel einer Wohngestaltung erhebt, die sich durch Fabrikation produziert, gerinnt ihm gleichwohl nicht zu einer Erklärung, in dem sich das Architektonische ubiquitär macht, mehr, auch dieses in das Kategoriale auflösen müßte: die Transitivität der Anschauung - hier insbesondere anhand von "Stab"-werk und Dach -, und mögen auch neuere Versuche, so insbesondere Rudolf Arnheims 26, einen Progreß angestrebt haben, geht - im ganzen dieser Theorie - noch zur geometrischen Auffassung zurück 27. Und zur Kontinuität und wider die empirische Bedingung als metaphysische Kontraposition ist anzumerken, daß der Deckel bei den Gefäßen - wie das Zelt bei den Gebäuden - die allgemeine - oder transzendentale! - Sublimationsfähigkeit der Kategorien respektive Prinzipien beweist: die Funktionen bestehen auch wider (oder konträr zur) allgemeinen Bedingung der irdischen Schwerkraft, die nicht für sich beanspruchen kann, die alleinige und empirische Bedingung der Gestalt und ihrer Funktionen zu bewirken. Denn wie beim Zelt ist auch der Deckel oder die Haube unter den Werkzeugen und Gegenständen imstande, die übrigen Kategorien zu sublimieren.

C. Unter diesem Punkt mag eine zusammenfassende Betrachtung angestellt werden, welche die Verallgemeinerbarkeit zum Subjekt nimmt. Ausgangspunkt sei die Lamelle als gefächerte Wand oder Stab, und Natur- oder technisches Produkt gelte beieinander. Also ist zunächst, frei ergriffen, das Innere eines Pilzhutes (= Dach) ein Lamellengerüst, ebenso die Scheidewände und Häute beim Menschen, die, technisch, in die Kleidung übergehen. Und die Haare desselben oder das Fell eines Tieres bilden eine Lamellenfunktion - wie, noch offensichtlicher, das Gefieder der Vögel -, in der die Wandfunktion eine nahezu unendliche Stetigkeit durch die Stabfunktion innehat, welche sich deshalb der Nullgrenze oder Verkleinerung zukehrt. Bei den Häuten aber geschieht es somit aus einer Verstetigung und Sublimation der Eigenfunktion. Und geht man nun zu den Werkzeugen über, so ist etwa eine moderne Jalousie (der Fenstervorhang) - oder, vergrößert, ein Heizkörper - Exempel ebenderselben Funktion, die nur in eine manifeste - technische - Regelmäßigkeit übergegangen ist, auch in beiden Fällen eine endliche statt unendliche Reihe bildet. Und geht man noch einmal zurück zu den natürlichen Gestalten, so wird das System der Gräten beim Fisch, sogar die Differenz, in der der Brustkorb zum übrigen manifesten und einfachen Stabwerk hinzutritt, eine entweder manifeste Artikulation oder Erinnerung dieser Lamellenfunktion innehaben.

IV. Ihre philosophische Bedeutung als 1. Kategorien der Anschauung. 2. Die Konvertibilität der Bewußtseinsvermögen (Fakultäten) als transzendentale Bedingung und Umkehrung des Kantischen Erkenntnisbegriffs.

1. Die Demonstration der Prinzipien aus der Erfahrung möge hinreichen, um nicht nur einzusehen, daß diese als Kategorien eine notwendig transzendentale Bedeutung haben, also eine Geltung, die aus der Konstitution des Bewußtseins und seinen originären Leistungen zu verstehen ist, sondern auch, daß sie vollständig sind. Das Beispiel des Kranzes möge als Anlaß der Überlegung dienen, die das Ornament als kontinuierlichen Übergang der Kategorien beweist, ohne eine neue Funktion hinzuzufügen. Die Vollständigkeit der Urteilstafel, die in der neueren Kant-Literatur ein vorrangiges Thema bildete 28, erscheint hierdurch zugleich negiert und, in einem bestimmten Sinne, bekräftigt: die Bekräftigung bildet die Differenz, in der innerhalb der transzendentalen Philosophie zwischen Substraten an sich - dies seien die reinen und ihre Form - und empirischen unterschieden werden kann, so daß die ersten auch Metasubstrate heißen können: ihre Geltung ist nicht davon abhängig, je durch Erfahrung konstituiert werden zu müssen. Denn selbst in der jüngeren Diskussion war das gegenseitige Argumentationsziel nicht etwa eine Vollständigkeit in der Sache - die von Aristoteles und Porphyrius hätte ausgehen müssen -, sondern die Differenz, in der eine reine Logik, wie sie Kant als Urteilstafel proponierte, gegenüber der modernen formalen Logik zu bestehen vermag, welche wiederum aus der funktionalen Quantifikation und empirischen Besonderung geht. Wie man zu schließen vermag, bleibt diese Differenz virulent: allerdings nur dann, wenn man die Reinheit der älteren Logik transzendental versteht, dies heißt als eine Bedingung der Auffassungsweise und des Erkenntnisvermögens des Bewußtseins, die seine Urteilsfähigkeit dominiert (und nicht umgekehrt).

2. Die Affirmation enthält somit schon eine Verschiebung des transzendentalen Verständnisses, welche sich im Angesicht der autochtonen Bedeutung der anschaulichen Kategorien vermehrt - und, wie vorausgenommen, Negation wird. Die Systematik dieser Negation kann hier nicht zur Gänze ausgebreitet werden, aber die wichtigsten Sätze und ihr Zusammenhang seien exponiert. Da nur wenig Raum zur Verfügung steht, möge dies exemplarisch geschehen, nämlich anhand eines Aufsatzes von Gerold Prauss, der seine lang zurückreichende Forschung zu Kant mit der Ansicht schließt, daß in der Tafel eine Zweiteilung verborgen sei, welche das Verhältnis der mathematischen (Quantität und Qualität) zu den dynamischen Kategorien (Relation und Modus) voraussetze: und die mathematischen dienten der Aufgabe, "aus Anschauung heraus, die als solche selbst ja gerade noch nicht gegenständlich ist, etwas zum Gegenstand ursprünglich zu gewinnen", während den dynamischen Kategorien die konträre Aufgabe zufallen soll, die Existenz dieser Gegenstände auszumachen 29. Diese Trennung der Kategorien als Funktionen setzt demnach nicht nur voraus, daß den mathematischen Gegenständen die Existenz noch nicht gesichert, sondern auch, daß ein transzendentales Bewußtsein eigentlich - also wesentlicher? - ein intentionales bedeutet, das in sich gerichtet ist, nämlich auf die metaphysische Grenze (wie sie Prauss nicht mehr bezeichnet) und das auf Verwirklichung seiner Gegenstände abzielt.

Es kann gewiß angenommen werden, daß diese Dichotomie der Kategorien an Kants Verständnis der mathematischen vorbeizielt. Denn Erkenntnis als theoretische galt ihm ja gerade - und auch gegen die praktische Vernunft und ihr unbedingtes Freiheitsbewußtsein - als Bestimmungsbewußtsein schlechthin, so daß trotz der späteren Reflexionen und Exzerpte, die Prauss herbeizieht, das Handlungs- nicht mit einem theoretischen Bewußtsein vermischt werden darf. Was Gegenstände sind, ist nicht in einem stetigen Sinne mit der subjektiven Erzeugung von Handlungen gleichzusetzen. Und auch die Bestimmung der Sinnlichkeit im ganzen, nämlich als aus dem Bereich der Vernunft negativ herausgesetzt, sobald sie die Idee der Freiheit zu verwirklichen sucht, beruht darum auf einer durchgängigen oder systematischen Leistung des Bewußtseins, welche alle Kategorien unter sich gleichmäßig einschließt: die Subordination der Anschauung unter die Regel des Verstandes respektive der Vernunft (im freiheitlichen Sinne). Es ist diese Mitte, der Bestimmung nämlich, die Kants System vereint, so daß an ihr auch die folgende Widerlegung haften muß.

3. Kant - und seine Literatur - haben bis heute nicht realisiert, daß sein System einer unbewiesenen Präklusion unterliegt. Hieraus resultiert aber symptomatisch das Problem, das Prauss entwirft und zugleich, wie erläutert, dichotomisch und intentional zu lösen versucht. Diese Präklusion besagt, daß immer und ausschließlich Bestimmung nur stattfinden könne, wenn sich der Verstand, seine Begriffe, die Anschauung subordiniert, wobei die Urteilskraft (insbesondere im Hinblick auf die zweite und dritte Verstandeshandlung, also das Proponieren und das Schließen) eine Mediierung durchführt. Dies zeigen seine Determinationen zur Kunst, in der das harmonische Spiel der Fakultäten den Leitbegriff bildet. Und, für den Nachweis in der Sache - daß die anschaulichen Kategorien nicht in Verdeckung in seiner Literatur bereits vorhanden sind oder sich darauf reduzieren lassen - möge nur noch einmal auf die berühmte gewordene andere Dreiteilung von apprehensio, apperceptio comprehensiva und exhibitio verwiesen sein 30, in denen nur ein Spiegel der theoretischen Bestimmung vorliegt: als bloße Leistung der Einbildungskraft (oder Erscheinung ohne Resultat einer gegenständlichen Bestimmtheit), als Bestimmung durch eine Kategorie (und darum "synthetische Einheit des Bewußtseins dieses Mannigfaltigen" und, wie man erweitern darf, in der umgebenden Mannigfaltigkeit), während die exhibitio als Darstellung eines Begriffs die moderne Exemplifikation vorausnimmt (Goodman, neuerdings Hogrebe). Auch der Begriff der "Zeichnung", den Kant in der Analytik des Schönen streift 31, gerinnt ihm nicht zur Aufhebung der systematischen Präklusion. Sie ist allein Anlaß, das Gefallen an einer Form schlechthin zu reflektieren, nicht aber die Erkennbarkeit - das Bestimmtsein - des Gegenstands selber, wie sie es doch eigentlich, wiederum insbesondere im Hinblick auf die Architektur, alle Ingenieurwissenschaft, verlangte.

4. Dies gilt auch für die "Gestalt" und das Einbildungsschema, da ja nahezu eine eigene Interpretation in der Literatur zur Kritik der reinen Vernunft herausgefordert hat. Hier, in der Kunsttheorie, hat Kant diesem Schema eine Erklärung verliehen, die, obgleich sie sehr einleuchtend ist, dennoch sein Prinzip zur theoretischen Philosophie nicht mehr beeinflußt hat. Er entfaltet den Begriff der "Normalidee" eines Wesens, das mit einer körperlichen Gestalt verbunden ist, also Mensch oder Tierart, aus einer spezifischen Leistung der Einbildungskraft, welche selbsttätig imstande ist, durch eine vielzählige Überschiebung zugehöriger Gestalten eine Mittelung als Kongruenz herzustellen. Diese Form wiederum ist Bedingung, nicht aber schon Instanz der zugehörigen Schönheit. Gleichwohl "dient sie zum Richtmaß" der "Beurteilung" einer "einzelnen Anschauung", ob "als eines zu einer besonderen Tierspezies gehörigen Dinges" 32, und sie ist als ebenso "Muster" und "Urbild" Anlaß zur "Richtigkeit in Darstellung der Gattung" 33. Diese Alternative bedeutet die exhibitio und kann darum beiseite gelassen werden, da sie an der Präklusion nichts ändert. Das "Richtmaß" in der Beurteilung der Zugehörigkeit aber bedeutet Widerspruch zum System, welchen die Erklärung einer vermeintlich bloßen Natur der Psyche verdeckt. Denn ob die Gestalt eines Mannes vorliegt, muß ja bereits bestimmt sein, wenn die Einbildungskraft ihre Mittelung durchführt, da andernfalls sie immer nur den Normalmenschen zu erkennen imstande wäre und ein breites Blindspektum besäße, welches sich den Rändern zuneigt, und auch ist sie ja, im Gegenteil, imstande, das gesamte Spektrum der Möglichkeit zu erfassen und stets im Hinblick auf eine Funktion, nämlich die "Beurteilung seiner Zugehörigkeit", also zur Bestimmtheit des Mannes (oder einer anderen species), zu erfüllen. Also ist die Erzeugung der Mittelung verschieden von dem "Richtmaß" selber, und in diesem liegt eine Umkehrung des Bestimmungsverhältnisses vor, dies heißt, es ist nicht nur eine unbewußte Technik der Psyche (oder menschlichen Natur als Facultas), sondern etwas sehr viel Manifesteres und Analysierbares gegeben, nämlich immer ein Bestimmungsverhältnis, in dem sich die Sinnlichkeit - als zugleich Empfindung und Einbildungskraft - das konträre Vorstellungs- als Verstandesvermögen subordiniert.

5. Ein Einzelnes auf Begriff zu bringen, ist also nicht notwendig mit Intentionalität verbunden, die, wie Wilhelm Vossenkuhl darlegt, reflektierend sein müßte, und wenn man nur den Schematismus als solchen, nicht aber seine - selbständige - Konstitution aus dem "Richtmaß" voraussetzt 34. Und es muß zunächst als notwendig möglich vorausgesetzt werden, daß jeder Gegenstand, jedes Subjekt einer Proposition - also insbesondere jedes »mathematische« Etwas, das seiner »dynamischen« Verwirklichung unterliegt -, aus einer Umkehrung der Vermögensrelation erwirkt wird, verbunden mit Bestimmtheit (oder Bestimmung, und die Grammatik ist die eigentliche Anzeige der Kantischen Differenz), indem sich die Sinnlichkeit als zugleich Empfindung und Einbildungskraft das Verstandesvermögen unterwirft. In diesem Fall denkt man nicht, natürlich nicht, Begriffe, sondern das Bewußtsein substantiiert Körper und Eigenschaften von dem eigentümlichen Schematismus her, der ihnen zukommt. Denn daß es daneben tatsächlich auch so etwas wie eine psychische »Technik« - einen natürlichen Mechanismus, der kein Mechanismus ist - der Gestaltwahrnehmung gibt, hat die moderne Pychologie erwiesen. Sie kann aber und ist in keinem Fall mit der systematischen - tranzendentalen - Bedingung identisch, welche auf der Konvertibilität der Bewußtseinsvermögen beruht. (Von dieser wiederum sind die logischen Konversionen in der aristotelischen Aussagen- und Modallogik zu unterscheiden, mit denen sie gleichfalls nicht identisch ist). Mit dieser Voraussetzung und allgemeinen Bedingung ist aber auch die weitere gesichert, daß die Anschauung nicht nur in specie eine schematische Kraft bewirkt, sondern auch in genere: es besteht kein metaphysischer, dies heißt transzendentaler Hinderungsgrund, anzunehmen, daß in der Anschauung selber Kategorien wirksam sind, deren Funktion jenen der reinen Verstandesbegriffe gleichkommt. Und die "Prinzipien der Gestalt" sind tatsächlich als Kategorien der Anschauung möglich und, in der Evaluation der Erfahrung der Körper, gültig. Da nun aber, zuletzt und nur ein systematischer Ausblick, Konvertibilität nicht mehr bedeuten kann, daß das Ansich im kantischen tranzendentalen Sinne erkenntnistheoretisch nicht zugänglich sei, muß sich die Idealität jeder Kategorie verwandeln: ihre funktionale Selbständigkeit besteht zwar in einem vorausnehmbaren Schnitt - oder: in einer transzendental zu vrstehenden Orthogonie - gegen alles Empirische, nicht aber bedeutet dies, sie sei nicht selber auch durch eine empirische Zuwendung zu konstitutieren (oder evaluieren). Und die Idealität ist nur relativ, nicht aber absolut.

V. Ein mathematischer Beweis zur Konvertibilität aus dem Gestalttheorem

Die Herleitung der Kategorien der Anschauung mögen zwei Beweise abschließen. Beide haben die Konvertibilität zum Thema, dies heißt, sie beweisen, daß in der Beziehung von Substraten der Anschauung zu gegenteiligen des Verstandes - als Begriffe - eine Subordination aus der Regel der Anschauung möglich und wirklich ist. Und sie beweisen weiterhin beide, daß in der resultierenden Konvertibilität nicht nur eine einfache, sondern eine mehrfache Subordination möglich ist. Beide Möglichkeiten der Subordination aber stehen logisch gegeneinander wie eine Äquivalenz, dies heißt, wenn das zweite, die höhere, gilt, muß notwendig auch das erste, die einfache Subordination aus demselben Fakultäten- oder Bestimmungsverhältnis in Kraft sein, und umgekehrt. Der erste Beweis handelt von reinen - im Kantischen Sinne mathematischen - Gegenständen, der zweite von einem empirischen, einem Entwurf Mies van der Rohes als Grundriß.

A. Die folgende Figur ist in der Gestalt- als Kognitionspsychologie empirisch (über Versuchsreihen) evaluiert. Demnach (und es kann hier nichts mehr ausgebreitet werden) vertauschen sich die Wahrnehmungen in den komplementären Reihen: das Quadratelement wird durch seine diagonale Konfiguration als gekippte Raute, und das Rautenelement durch dieselbe Konfiguration als gekippte Quadrate wahrgenommen. Da es sich um reine Gegenstände handelt, sind die Grenzen der Disjunktion gegeneinander nicht beliebig (kontingent), und da - qua Hypothese - die Möglichkeit der Konvertibilität gilt, ist sie einzusetzen, woraus zunächst folgt, daß eine bloße allgemeine Reinheit, wie sie nach Kant zu konzipieren wäre, nicht hinreichend distinktiv ist. Und es muß der weitere Schluß gezogen werden, daß die Gestaltwahrnehmung tatsächlich eine logisch doppelte - einfache und sublimierte - Subordination des Verstandes- unter das Anschauungsvermögen zum Ausdruck bringt. Die sublimierte nimmt die erste unter Beibehalt des Bestimmungsverhältnisses zur Voraussetzung und ist logisch damit zweite oder höhere (vergleichbar: wenn in einer Art die Individuen, oder in einer Gattung die Arten mitausgefaßt werden). Der folgende Beweis geht formal aus einer mathematischen Beschreibung dieser Verkehrung, die somit notwendig voraussetzt und - in actu - einschließt, daß eine Subordination der mathematischen Begriffe unter die entsprechende Anschauung als Regel stattfindet, zugleich in logisch höherer Ordnung.

Abbildung 2. "Bezugsrahmen in der Wahrnehmung" 35

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Vorauserläuterung:

Element a = Quadrat; Element b = a, gespiegelt drehsymmetrisch um 45º (= Raute).

D = Diagonale = parallel zur Spiegelachse von Element a versus b. D = 0 ist somit die Horizontale oder Parallele zur Grundseite von Element a. Weiterhin bezeichnet aDA, C die Diagonale des Elements a aus den Eckpunkten des Quadrats A, C. Dasselbe gilt für bDB, D, wobei die Raute auf dem Punkt A durch Drehung von aA, B in aA, C erzeugt wird. aDA, C ist - auf a, bS bezogen - zugleich die Diagonale als Spiegelachse für die Anordnung der beiden Reihen. Gl = Grundlinie, Sl = Seitenlinie.

Es gilt: (1) Reihe 1 = S3 = a1 + a2 + a3 und Reihe 2 = S3 = b1 + b2 +b3.
Es gilt weiterhin: (2) aS3 . D = (b1 + b2 +b3) . D; und bS3 . D = (a1 + a2 + a3) . D.
(3) aS3 . (D = 0) = bS3 = b1 + b2 + b3; bS3 . (D = 0) = aS3 = a1 + a2 + a3.
(1) aS3 . aDA, C = [(b1 + b2 + b3) bDB, D] . aDA, C; bS3 . aDA, C = [(a1 + a2 + a3) aGlA, B] . aDA, C.
(2) aS3 = (b1 + b2 + b3) bDB, D; bS3 = (a1 + a2 + a3) aGlA,B.
(2')aS3 . ( aDA, C = 0) = (b1 + b2 + b3) bDB, D; bS3 . ( aDA, C= 0) = (a1 + a2 + a3) aGlA,B.
(2'') ( aDA, C= 0) = bDB, D; ( aDA, C = 0) =aGlA,B.
(2''') aS3 = b1 + b2 + b3; bS3 = a1 + a2 + a3. (2')
(3) aS3 = (a1 + a2 + a3) aSlA, D; bS3 = b1 + b2 + b3) bDA,C.
(3') aSlA, D = aDA, C + aDA, C; bDA,C = aDA, C+ aDA, C.
(3'') aSlA, D = 2 aDA, C; bDA,C= 2 aDA, C.
(3''') aS3 = (a1 + a2 + a3) 2 aDA, C; bS3 = (b1 + b2 + b3) 2 aDA, C. (3)
(3IV) 1/2 . b1 + b2 + b3 / aDA, C = a1 + a2 + a3; 1/2 .a1 + a2 + a3 / aDA, C = b1 + b2 + b3. (2''')
(3V) aDA, C = 2 . a1 + a2 + a3/ b1 + b2 + b3; aDA, C = 2 . b1 + b2 + b3 / a1 + a2 + a3.
(3VI) aDA, C = 2 .bS3 / aS3; aDA, C = 2 . aS3 / bS3 .

Der Beweis hat zwei wesentliche Resultate: erstens - gemäß Gestalttheorem - drückt er in (2''') die Alternative der Subsumtion der Elemente unter der Summe aus, die durch eine Diagonale als Spiegelachse repräsentiert wird. Also gilt die Äquivalenz der Voraussetzung. Zweitens drückt der Beweis unter (3)V- VI , und zwar wiederum notwendig in Reziprozität der beiden Folgen gegeneinander, die auch anschaulich sofort einsehbare Tatsache aus, daß unter der Diagonalen aDA, C zweimal eine identische Menge gruppiert wird. Aus der Quotientenverkehrung der beiden Summen folgt nämlich, daß sie miteinander identisch sind, sobald man von dem Achsenverhältnis abstrahiert. Diese Abstraktion wird aber durch (3) manifestiert, die von dem Gestalttheorem absieht und die Summen - konträr zu (1) - jeweils aus der Vertikalachse definiert. Der Beweis leistet somit einen mathematischen Nachweis der empirischen - nicht reinen oder geometrischen - Tatsache, daß das Bewußtsein nicht Begriffe unter Begriffen, sondern umgekehrt Begriffe unter Anschauungen subsumiert, und zwar notwendig, da nicht nur die Substrate des Verstandesvermögens distinkt sind, sondern auch - und vor allem - der Progreß der Vorstellung durch eine Alternative als Disjunktion bestimmt wird, deren Regel eindeutig anschaulich ist (die Diagonalachse im »natürlichen« Fall der Gestaltauffassung, welche Achse wiederum - ohne Widerspruch zur Subsumtion - auch »technisch« durch (3) möglich ist). Wenn aber die Achse als anschauliche Regel in Kraft ist, muß auch die elementare als Regel - der Möglichkeit nach und aktual - in Kraft sein.

VI. Ein logischer Beweis zur Subordinationsfähigkeit der empirischen Anschauung in Bauentwürfen (anhand Mies van der Rohe, das Landhaus in Backstein, Projekt1923).

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Abbildung 3. Mies van der Rohe. Landhaus in Backstein 36

1. Es dürfte kein Zweifel bestehen, daß der unrealisierte Entwurf ein Musterbeispiel moderner Architektur verkörpert, hervorgerufen durch die Idee kontingenter Räume oder, wie der architektonische Begriff lautet, durch "Raumdurchdringung"37. Daß sich Räume durchdringen - ihre Grenzen somit nicht allseitig distinkt sind - bildet die Konträrauffassung zur klassischen, in der Räume immer nur Parataxen bilden (und vermeintlich sogar bilden können!), eine Auffassung, die mit der Idealität Kants ebenso einhergeht wie der älteren Auffassung von Leibniz, der ja zeitlebens aus dieser Tatsache das Definiendum des Raumes wider die Sukzession der Zeit gewonnen hat: das Kontingente besteht neben-, nicht aber ineinander. An dieser Stelle kann allerdings nur noch auf das Hauptmerkmal dieses Entwurfs, zugleich mit Beweisabsicht, hingewiesen werden, nämlich daß er ein elaboriertes logisches Korpus manifestiert, das mehrere Ebenen der Unterordnung unter der stetigen Regel der Anschauung enthält, und daß diese die Konvertibilität einschließt. Dies sei in propositionaler Form zusammengefaßt.

(1) Die Grundfläche wird durch die - partiell kontingenten - Flächen > X, Y, Z < definiert. (Die Fläche > X < ist um die Negation ihrer Regelmäßigkeit aus > a, b, e und l <, und >Z< ebenso um die Negation aus > f' < aufzufassen. (Hier, in > Z < wird die Subordination im übrigen einfach manifest).

(2) Die - zweite - Ebene wird durch die Funktion Lot aus den paarigen Elementen > a, b, c <, > d, e, f <, > g, h, i < und zuletzt > k, m, l < definiert.

(3) Durch Sectio jeweils der Grenzpunkte und insbesondere von > i, k < und > a, l < wird die - dritte - Funktion Diagonale evident. Sie taktiert die kontingente Flächenaufteilung als Resultat aus (2).

(4) Aus den ausgezogenen Mauerelementen > k, l < und insbesondere > n < in Verbindung mit dem Schnittpunkt aus > h, m <, dem Zentrum der Grundfläche, entsteht die - vierte - Ebene einer virtuellen Kreisform: > n < bildet den - versetzten - Radianten des Umschlags, der ungefähr durch die äußeren Grenzpunkte von > k, l < sowie > Z < geht.

2. Der Entwurf, mithin die Abfolge (1) - (4) setzt notwendig deren anschauliche Subordination voraus, wie aus konträrer Implikationsrichtung evident wird: (4) und (3), Zentrum und Diagonale, benötigen die manifeste Funktion Lot = (2), und (2) wiederum schließt die Grundfläche - als Voraussetzung - ein. Von (1) - (4) darf man daher behaupten, sie verhalten sich wie Gattung, spezifische Differenz, Art, Einzelnes oder Individuum, denn dieses leistet (4): die Zusammenfassung des Ganzen. Weiterhin manifestiert (2) versus (3) eine Dreh- oder Spiegelfunktion, aus der wiederum (4) herzuleiten ist. Und (2) ist mit (3) wie (1) mit (4) konvertibel, wobei V. die Möglichkeit als anschauliche Regel beweist.

 

"Gestaltprinzip in der Entwurfstheorie und anschauliche Kategorie", und "Addendum" in: Wolkenskuckucksheim. Internationale Zeitschrift für Theorie und Wissenschaft der Architektur, 4/1 (1999).

Addendum.

Im folgenden soll zu dem Beweis unter V. die Frage erörtert und beantwortet werden, warum die Diagonale - als Repräsentant der höheren logischen Ebene - zu faktorisieren sei, auch, ob nicht die konstanten Abstände der Elemente in der Gruppierung zu definieren seien. Bezüglich der Faktorisierung kann die Harmonik (oder Proportionenlehre) als unmittelbarer Nachweis dienen: Intervalle, welche ein anderes konstituieren, werden miteinander multipliziert, p.e. die Oktave 1/2 = 3/4 . 2/3 (Quarte plus Quinte. - Die harmonische Proportion ist als Mathematik seit der Antike bekannt und geläufig: Eberhard Knobloch, "Musik", in: Maß, Zahl und Gewicht: Mathematik als Schlüssel zu Weltverständnis und Weltbeherrschung. Ausstellungskatalog, konzipiert von Menso Folkerts, Eberhard Knobloch, Karin Reich, Weinheim 1989, S.243-264, 243-244. - s.a. S. Wilkens, "Landschaften, Weltfenster und Membran", in: Wolkenkuckucksheim. Internationale Zeitschrift für Theorie und Wissenschaft der Architektur 1 (2000), Fn. Nr.25). Der vielleicht einleuchtendste Nachweis aber ergibt sich aus der modernen Mathematik, und dies zugleich in mehrfacher Hinsicht. Hermann Weyl erörtert das Theorem des Isomorphismus und, insbesondere, die Beziehung der neueren Axiomatik zur impliziten Definition. Und er resümiert, indem er die Gruppentheorie reflektiert, welche sich aus Leibniz' Ars combinatoria entwickelt habe, die Möglichkeit, Flächeninhalte zu definieren. "Man nimmt an, daß er den folgenden Forderungen Genüge leistet:

  1. Der Flächeninhalt ist eine positive Zahl.

  2. Zerlegt man ein Stück durch einen im Innern verlaufenden Streckenzug in zwei Teile, so ist der Flächeninhalt des ganzen gleich die Summe der Flächeninhalte der Teile.

  3. Kongruente Stücke haben gleichen Flächeninhalt.

Dies sind die wirklich wesentlichen Eigenschaften des Flächeninhalts; aber sie enthalten keine explizite Definition des Begriffs. Doch zeigt sich, daß die Forderungen widerspruchsfrei sind, daß tatsächlich jedem Stück y als Flächeninhalt durch ein bestimmtes Verfahren eine positive Zahl J (y) als Flächeninhalt zugeordnet werden kann, welche den Forderungen 2. und 3. Genüge leistet. Die Forderungen determinieren den Begriff nicht eindeutig; ihnen genügen außer J (y) auch die Werte c . J (y), wo c irgendeine unabhängige Konstante bedeutet. Damit aber sind alle Möglichkeiten erschöpft" (H. Weyl, Philosophie der Mathematik und Naturwissenschaften (1928), Nachdruck der überarbeiteten 3. Auflage München 1982, S.45-46. Im Original gamma statt y).
Die gruppentheoretische Erläuterung der impliziten Definition trifft den oben ausgeführten Beweis zum Gestalttheorem im Kern. Die Abstände brauchen somit nicht explizit definiert zu werden, weil sie den drei Forderungen in der Gruppierung, insbesondere der dritten, genügen. Man kann die "verbleibende, im konstanten Faktor sich ausdrückende Willkür nur durch die Aufweisung eines individuellen Stücks, z.B. eines Quadrats [!], und die Festsetzung, daß ihm der Inhalt 1 zukommen soll, aufheben (Relativität der Größe)" (Weyl 1982, a.a.O., S.46). So mag auch jedes Element von S (= Summe) im Beweis verstanden werden, verbunden mit der Beziehung auf die Spiegelungsachse, die durch die Differenz a oder b sowie die Punkte A, B, C, D an den Diagonalen indiziert wird. Der Faktor c aber ist in diesem Fall nicht eine Größe (Zahl), die mit dem Flächeninhalt zu multiplizieren ist, sondern die geometrische Konstante der zweiten Bedingung, gewissermaßen Repräsentante eines konstanten Skalars. In (1) - des Beweises, nicht der drei Prämissen - ist darum S als endliche Gruppe mit der Diagonale (als konstanter Faktor) zu multiplizieren, wodurch sich die symmetrische Teilung der Elemente ergibt. Oder, anders formuliert, das Element a, b wird mit der als Vektor verstandenen Diagonale multipliziert (s.w.u.), wodurch sich die Gruppe als konvergente Transformation ergibt. Harmonisch gesehen ist c als Diagonale der Faktor, welcher die Gesamtheit - als Einheit - der endlichen Gruppe aus den Intervallen (Kongruenzen) der Elemente herstellt.

Weiterhin ergibt sich die Faktorisierung aus der soeben bereits angesprochenen analytischen oder Vektorgeometrie. Setzt man eine "lineare Schar 2. Stufe" voraus, welche sich "aus
µ = x1e1 + x2e2 (*)"
ergibt, wenn µ aus zwei gegebenen Vektoren e1, e2 in Verbindung mit beliebigen Zahlkoeffizienten entspringt (Weyl 1982, a.a.O., S.93, im Original tau statt µ), dann ist auch der Ausdruck für S und seine Diagonale in Analogie zu dieser Gleichung (Form) auszumultiplizieren. Weiterhin belegt auch eine Überlegung von Weyl zur Ars combinatoria die Faktorisierung. Reflektiert man eine große Anzahl N von Systemen ? über deren Energiezustand i, so ist es möglich, die Gesamtenergie der N Systeme einem gleichbleibenden Produkt N . A zuzuordnen, in dem A die Durchschnittsenergie des Einzelsystems bezeichnet (Weyl 1982, a.a.O., S.321).
Der Vollständigkeit halber sei noch ein Grund angeführt, der die Multiplikation von S = a1 + a2 + a3 oder b1 + b2 + b3 mit ihrer Diagonale DA,C erklärt. Er findet sich in der Abhandlung "Über die neue Grundlagenkrise in der Mathematik" von ebenfalls Hermann Weyl (in: Gesammelte Abhandlungen, II, Berlin 1968, Nr.41, S.143-179, 147). In Zusammenhang mit der Konstruktion von zirkelfreien Relationen lautet das dritte Definitionsprinzip: "3. Verknüpfung zweier Relationen durch und; dabei muss angegeben werden, wie die Unbestimmten beider Relationen miteinander zu identifizieren sind; z.B. aus N (x y) und V (x y) »x ist Vater von y« die ternäre Relation N (x y) . V (y z) »x ist Neffe von y und y Vater von z«". Die Konjunktion bedeutet die Multiplikation zweier Relationen (Funktionen) zu einem gemeinsamen zirkelfreien Ausdruck, (was bedeutet, man wird nicht auf einen Fall stoßen, indem der Umfang der abgeleiteten Produktrelation nicht mit dem Umfang ihrer Faktoren übereinstimmt). Ebenso verhält sich die Addition der endlichen Gruppe von Figuren (Quadratflächen respektive deren Drehung) zur Angabe ihres definitiven Vektors (die Diagonale aus dem ungespiegelten Quadrat). Die Unbestimmtheit in den Definitionsprinzipien ist im übrigen in diesem Zusammenhang thematisch, denn es liegt auf der Hand, dass ihre Determination kontinuierlich auf das Prinzip der Konvertibilität der Bewusstseinsvermögen zurückgreifen muss, welches oben - als transzendentales oder allgemeines Prinzip - bewiesen wird.
Es mag daher, zuletzt, erinnert sein, dass die Elemente und ihre Gruppierung den Forderungen der Reinheit Kants genügen. Es stiftet aber c als Faktor oder die Diagonale in Beziehung auf das drehungsgespiegelte und alternierende Element des Quadrats - völlig abstrakt gesehen - eine Subordination in der Gruppierung, die anschaulich - intuitiv - sofort einsehbar ist, mehr, die anschaulich determiniert ist, weil sie eine reine Alternative hervorbringt (das Verhältnis der Spiegelung zur Gruppierung): in der Gruppierung subsumiert das Bewusstsein konträr. Nun berührt sich, mathematisch gesehen, die implizite, an deren Bedingung nichts geändert wird, Definition mit der expliziten, indem sie nachweist - demonstriert -, dass in der Definition überhaupt nicht nur die transzendentale Bedingung der Subsumtion unter Begriff oder reguläres Verstandesvermögen wirksam ist, sondern auch die reguläre Umkehrung, in der Anschauung die Determination zufällt. Da es sich um reine (ideal konstituierbre) Gegenstände handelt, die Umkehrung des regulären (ebenso konstitutiven) Subsumtionsverhältnisses (Zuordnung und einheitliche Auffassung der Elemente in der Gruppe) aber in direkter Alternative nachweisbar ist, muss dies zweite Verhältnis auch in empirischer Allgemeinheit gültig und in Anschlag zu bringen sein. Das Theorem und sein Beweis demonstrieren also die Konvertibilität des Bewusstseins hinsichtlich seiner Fakultäten(relationen) oder die transzendentale Notwendigkeit, dass das Bewusstsein in regulärer Instanz und Allgemeinheit imstande ist, Begriffe unter Anschauungen zu bringen (S. Wilkens, "Die Quadratur der Philosophie und eine konstruktive Präambel der Metaphysik. Über die Funktion des Konstruktionshandelns", in: G. Banse, K. Friedrich (Hg.), Konstruktion in Kunst und Wissenschaft, Berlin 2000, S.95-130. I. Die Konvertibilität des Bewusstseins. III. Logik der Subsumtion - in der Anschauung und aus der Differentiation der Vermögen). Mit diesem Nachweis aber fällt die kritische Grenze - die Grenze des kritischen Systems - Kants und die Philosophie hat Anlass, sich auf eine Neubegründung der Metaphysik zu besinnen.

 

Anmerkungen:

1Ein eloquentes Beispiel bietet Gerd Selle, Geschichte des Design in Deutschland, Frankfurt/M 1994.

2 Exempel seien Frampton 1993, Harig, Jauslin 1990, Kolb 1990, Kulterman 1970, Meisenheimer 1983, Meiss 1994, Naredi-Rainer 1995, Neufert 1993, oder, im Hinblick auf die Architekten Mies van der Rohe und Walter Gropius, Blaser 1977 und Franciscono 1990, aus denen im folgenden zitiert wird. Neben Rudolf Arnheim, Anschauliches Denken, Köln 1988, auch Alwin Goldman, Epistemology and Cognition, Massachussets 1988, möge diese Literatur insgesamt als Prüfstein der Prinzipien und ihrer Reflexion gelten.

3 Der Hinweis auf das aristotelische Organon befindet sich unter A 61/B 86 und in Hinsicht auf die Prädikabilien und Kategorien unter A 82/B 108.

4 Selle 1994, 3.Kap.

5 Im Anschluß an § 16 der Kritik der Urteilskraft, auch § 22, Allgemeine Anmerkung, in der Kant eindeutig - und paradigmatisch für sein System - die Möglichkeit, daß die Anschauung als regulierende Einbildungskraft sich den Verstand unterordnet, wodurch ein Bestimmungsverhältnis und Erkenntnis resultiert, nicht erkennt. (AA 5, S.229-231, S.240-244)

6 Siehe Wilkens 1998, "Figur, Gestalt - Künstliche Welt".

7 Wesentliche Quellen sind, neben den Briefwechseln mit De Volder und Arnauld, die einschlägigen Kapitel der Nouveaux Essais de l'Entendement humain, auch der Dialog zwischen Philarete und Ariste.

8 Massimo Mugnai, Leibniz' Theory of Relations, Stuttgart 1992, ch. V, insb. S.88-91 (= Studia leibnitiana supplementa 28).

9 Gerold Prauss, "Kants kritischer Begriff von Wirklichkeit", in: G.Schönrich, Y.Kato, Kant in der Diskussion der Moderne, Frankfurt/M 1996, S.208-224, 215-216.

10 Unter dem Hauptstück vom Schematismus der reinen Verstandesbegriffe, insbesondere A 140-141/B179-180. vgl. Wilkens 1998.

11 A 144/B184.

12 "Von Prinzipien, Strukturen, Formen und Zeichen. Das Architekturbüro Prof. Gerber und Partner, Dortmund", in: Deutsche Bauzeitschrift 5 (Mai 1993), S.2, verfaßt von B. Fröhlich. Ein Vortrag dieser Prinzipien durch Gerber fand auch anläßlich eines Symposions zum Raum in der Kirchenarchitektur im März 1996 an der Katholischen Akademie Mühlheim statt. Der Verfasser dankt an dieser Stelle Herrn Gerber für den Literaturhinweis u. die Korrespondenz.

13 Ein Beispiel für die moderne Integration bietet Siegbert Keller, Rationalisierung der Gebäudeplanung mittels Datenverarbeitung. Grundrißoptimierung in der Entwurfsplanung [...], Weinheim 1970.

14 Aus der zahlreichen Literatur seien die Beiträge von E. Knobloch, H. Breger und H. Poser herausgegriffen, in: Antonio Lamarro (Hg.), L'infinito in Leibniz. Problema e Terminologia, Rom-Hannover 1986 (= Lessico Intelletuale Europeo und Gottfried-Wilhelm-Leibnz-Gesellschaft), S.33-51, 53-67, 225-233.

15 Theodicee, § 357, in: GP VI, S.327 (Philosophische Schriften, II.2, Frankfurt/M 1996, S.175).

16 Henning Genz, Symmetrie - Bauplan der Natur, München 1992, S.46. Hier wird Identität aus der zweimaligen Spiegelung an derselben Achse definiert, sagt man aber Kante links, Kante rechts, für dieselbe Operation, so wird auch rechts neben der Kante rechts die identische Gestalt der links neben Kante links stehenden Gestalt stehen. Die Übertragung auf die Erklärung des Hexameters geschieht hier.

17 Jan Gympel, Geschichte der Architektur, Köln 1996, S.92.

18 Vorlesungen über die Ästhetik, Teil 3, die Architektur, in: Werke,14.II, Frankfurt/M 1970, S.289, 297, 299-300.

19 Mies van der Rohe, Beitrag zu einem Prospekt des "Vereins Deutscher Spiegelglasfabriken", März 1933, zit. n. Kenneth Frampton, Grundlagen der Architektur, München 1993, S.192. Sperrung vom Autor. Es sei an dieser Stelle angemerkt, da? auch die historisch aufschlußreiche Abhandlung von Paul Naredi-Rainer, Architektur und Harmonie. Zahl, Ma? und Proportion in der abendländischen Baukunst, 5. Aufl. Köln 1995, keine manifeste Voraussetzung der Prinzipien macht.

20 Paul Valèry, "Einführung in die Methode des Leonardo da Vinci", in: Werke, Band 6, Frankfurt/M 1995. Auf S.55 befindet sich der Ausdruck "Phantasielogik", dessen Bedeutung für die Entwurfslehre in der folgenden fundamentalen Gegenüberstellung wiederkehrt: "So ergänzen sich unsere beiden Methoden [für die Entwurfslehre] bei der planerischen wie bei der praktischen Arbeit im Wechselschritt: rationales und intuitives Denken, elementaristische und ganzheitliche Logik, Vereinfachung durch Reduktion sowie Vereinfachung durch Gestaltung" (Wolfgang Meisenheimer in einem Beitrag zu einem Seminar an der FH Düsseldorf 1983/84 unter dem Thema "Gestalt in der Architektur", hg. vom FB 1, Düsseldorf 1983, S.75).

21 Dies läßt sich aus den Curricula seiner Lehrtätigkeit am MIT entnehmen, die Werner Blaser veröffentlicht hat (Mies van der Rohe, Zürich 1977).

22 Inge Harig, Kurt Jauslin, Der Auftritt des Ästhetischen. Zur Theorie der architektonischen Ordnung, Frankfurt/M 1990, überschreiben ihrer Architekturanalyse den manifesten Kasten, und sie geraten auch sporadisch auf die Analyse der Prinzipien (S.32, 77). Auch Frampton erläutert Mies nicht von den Prinzipien her, sondern streift dieselben nur. "Im Glas sah Mies sozusagen die Verkörperung einer neuen ontologischen Herausforderung der tektonischen Grundelemente: Wand, Boden und Decke" (S.191, Sperrung vom Autor, wobei der Ausdruck sicher auch die Auffassung Rohes trifft, der, wie seine Äußerungen belegen, tatsächlich vom Wesen eines Materials, des zu Bauenden beziehungsweise eines Gebauten ausging). Dennoch stellt Frampton im Kapitel Rohe seine Interpretation nicht auf die Basis dieser Elemente, sondern geht sofort vom synthetischen Verbund aus, den die Gegensätze zwischen "stereotomischer und tektonischer oder abstrakter Form", das Material und eventuell auch der Zweck, insbesondere aber auch die Konstruktion miteinander eingehen. Weiterhin im Verhältnis Rohes zum Bauhaus: Marcel Franciscono, Walter Gropius and the Creation of the Bauhaus in Weimar: The Ideals and artistic Theories of its founding years, Urbana 1990, S.32, 73, 219.

23 Friedrich Otto Bollnow, Mensch und Raum , Stuttgart 7.Aufl. 1994.

24 Diese notwendige Vermittlung repräsentiert vor allem die wohl weitverbreiteteste Bauentwurfslehre von Ernst Neufert, 33. Auflage 1993.

25 Pierre von Meiss, Vom Objekt zum Raum zum Ort. Dimensionen der Architektur, Basel 1994. Rohes Architektur wird mit der Formel dokumentiert, sie ließe "die Konstruktion expressiv werden" (S.100, ebenso S.123). Meiss widmet dem Sockel eine eigene architekturtheoretische Betrachtung (S.97-100), und es findet sich in diesem Buch eine zweifache Diagrammatik, die, mit Gerbers Auffassung vergleichbar, einen Bau aus seinen einzelnen Prinzipien hervorgehen läßt. In diesen ist auch der Boden oder die Sockelfunktion artikuliert (S.113-114). Weitere Belege für Rohe oder die latente Manifestation der Prinzipien seien David Kolb, Postmodern sophistications: philosophy, architecture, and tradition, Chicago 1990, und Udo Kultermann, Die Architektur im 20. Jahrhundert, Köln 1970, der Rohes Architektur "disziplinierte Klarheit" attestiert (S.52).

26 Rudolf Arnheim, Anschauliches Denken, Köln 1988.

27 Selle 1994, S.51-58, neben der Mechanik und, insbesondere, der teleologischen Erklärung.

28 Michael Wolff, Die Vollständigkeit der Kantischen Urteilstafel. Mit einem Essay über Freges Begriffsschrift, Frankfurt/M 1995, sowie Ulrich Nortmann, "Kants Urteilstafel und die Vollständigkeitsfrage", Ansgar Beckermann, "Zum Verhältnis von Kantischer und Fregischer Logik", Michael Wolff, "Erwiderung auf die Einwände von Ansgar Beckermann und Ulrich Nortmann", in: ZsfphF 52 (1998), S.406-421, 422-434, 435-459.

29 Gerold Prauss, "Kants kritischer Begriff der Wirklichkeit", in: Schönrich, Kato, a.a.O., S.208-224, 216-217; Prauss, Erscheinung bei Kant. Ein Problem der Kritik der reinen Vernunft, Bonn 1971; Prauss, Einführung in die Erkenntnistheorie, Darmstadt 1980. Für den Nachweis, daß die Konvertibilität der Fakultäten in der neueren Kantliteratur nicht ermittelt ist, möge der folgende Querschnitt dienen: Werner Flach, Zur Prinzipienlehre der Anschauung, Hamburg 1963 (ebenso im Handbuch philosophischer Grundbegriffe, München 1973), Helmut Plessner, Die Einheit der Sinne, Bonn 1965, Gottfried Gabriel, Zwischen Logik und Erkenntnistheorie. Erkenntnisformen von Dichtung, Philosophie und Wissenschaft, Stuttgart 1991, oder, für den amerikanischen Raum, Paul Guyer, Kant, Cambridge 1992.

30 KU, Erste Einleitung, VII, in: Werkausgabe, Band X, Frankfurt/M 1977, S.33.

31 KU § 14, in: AA 5, S.225 Werkausgabe, Band X, Frankfurt/M 1977, S.141.

32 KU § 17, in: AA 5, S.233-235Werkausgabe, Band X, Frankfurt/M 1977, S.151.

33 KU § 17, in: AA 5, S.235 Werkausgabe, Band X, Frankfurt/M 1977, S.153.

34 Wilhelm Vossenkuhl, "Einzeldinge verstehen. über Subjektivität und Intentionalität der Urteilskraft", in: Kato, Schönrich, a.a.O., S.113-138.

35 So heißt die psychologische Terminierung, in: Philip Zimbardo, Psychologie, Berlin 6. Aufl. 1995, S.185-202 zum Gestaltphänomen, und S.191 das Beispiel. (1) - (3) drücken das Gestalttheorem aus. Der Verfasser dankt an dieser Stelle Herrn Prof. Knobloch für die freundliche Beratung.

36 Entnommen aus Frampton, a.a.O., S.177, 176, kommentiert 181-182.

37 von Meiss 1994, a.a.O., S.120-123.

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