Zum Interpretieren von Architektur
Konkrete Interpretationen

13. Jg., Heft 1, Mai 2009

 

___Henrik Hilbig
Dresden
  „Wege zu einem neuen Baustil...“
Interpretation zwischen Deutung und Handeln
am Beispiel anthroposophischer Architekten zwischen 1925 und 1939

 

    Ein Thema wie „Interpretieren von Architektur“ dürfte bei vielen architekturtheoretisch interessierten Lesern sofort Assoziationen zu Juan Pablo Bontas Buch „Über Interpretation von Architektur“[1] wecken. Es gehört heute bereits zum kanonisierten Repertoire der Reflexion über Architektur und über ihre Interpretation. Dies umso mehr, als Bontas Methode – sehr vereinfacht gesagt – ein Bild erzeugt, das wohl dem Alltagsverständnis von „ausdeutendem“, „übersetzendem“ Umgang mit Bauwerken am nächsten kommt: Auf der einen Seite stehen die Formen eines Gebäudes und auf der anderen Seite wird vom Betrachter etwas hinein interpretiert, werden die Bauwerke als gut oder schlecht bewertet.

Dabei untersuchte Bonta nur das „akademische“ Sprechen über Architektur anhand einer beeindruckenden Menge von baugeschichtlichen und architekturtheoretischen Texten. Die subtileren Beziehungen, die z. B. zwischen Bauherren und Bauwerken bestehen, werden genauso wenig ausführlicher beleuchtet wie die Rolle des Architekten im „Auf und Ab der Formen“. Dies mag seinen Grund in der Methode Bontas und dem daraus entwickelten Modell haben. Ausgehend von den in einem Entwurf entwickelten Formen (Phase 1), werden erste – sprachliche – vorkanonische Interpretationsversuche unternommen (Phase 2), die dann zur Klassifikation (Phase 3) und zur Kanonisierung (Phase 4) führen sollen.

Diese Einteilung ist sehr praktisch und leicht anwendbar. Sie hat aber einen Nachteil: Sie beschreibt die Wirklichkeit nur sehr ungenau. Bonta selbst relativiert sein Modell im Epilog:

Es gibt die ganze Zeit über viel mehr Wechselbeziehungen, viel mehr gegenseitigen Austausch als durch die begrenzte Anzahl von Modellphasen erfasst werden kann. Auch der Entwurfsprozess selbst kann als Kette schnell aufeinander folgender Zyklen verstanden werden, in denen der Architekt zwischen Entwerfen und Interpretieren ständig wechselt.“[2]

Damit bleibt Bonta der Überschrift von der Architektur auf der einen Seite und ihrer Interpretation auf der anderen treu, kommt aber – betrachtet man den Entwurfsprozess – der Praxis der Architekten sicher sehr viel näher. Letztlich beschreibt dieses Konzept jedoch immer noch nicht genau, wie denn nun die Formen in die Architektur kommen, wie sich jene Ähnlichkeiten in Bauten einer Zeit entwickeln, die dann irgendwann gesehen und „erklärt“ werden können. Denn ist Entwerfen und Bauen tatsächlich das Gegenstück zur Interpretation? Oder bedeutet Interpretieren nicht auch Übersetzen; das heißt, Einbeziehen von Fremdem in den eigenen Horizont, Verknüpfen mit als gesichert empfundenem Wissen? Und wenn dem so wäre, was würde es bedeuten, wenn auch das praktische Handeln des Planers, das Entwerfen, nur eine Verknüpfung von „Formen“ mit den sprachlichen Fixpunkten wäre, die er und sein soziales Umfeld als wesentlich und stabil empfinden?

Mit Hilfe von Begriffen und Ansätzen der Akteur-Netzwerk-Theorie möchte dieser Text versuchen, den Fragen anhand der kurzen, skizzenhaften Geschichte einer heute kaum bekannten Episode in der Architekturgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts nachzugehen. Vor allem auf Untersuchungen Michael Callons, Bruno Latours und John Laws[3] zur Bedeutung von Wissenschaft und Technologien in und für menschliche Gesellschaften basierend, bietet die Akteur-Netzwerk-Theorie Möglichkeiten zur Beschreibung der vielfältigen „Wechselbezie­hungen“ zwischen Mensch und Umwelt. In Ablehnung einer strikten Trennung zwischen Mensch und Technik oder Natur wird davon ausgegangen, dass im Prozess der Netzwerkbildung zwischen verschiedenen menschlichen (z. B. Architekten und Bauherren) und nicht-menschlichen Akteuren (z. B. Gebäuden) das entsteht, was unsere Realität ausmacht. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Begriff der „Übersetzung“, der beschreibt, wie die einzelnen Akteure ihre Ziele mit denen anderer Akteure verknüpfen, um erfolgreich zu sein.[4] Gerade dieser Aspekt soll im Zentrum der Untersuchung der ersten Architektengeneration um und nach Rudolf Steiner (1861-1925) stehen und das Entstehen dessen, was man als Stil bezeichnet, in der Interaktion vieler Beteiligter beschreiben helfen.


Das Untersuchungsobjekt

Während das Architekturschaffen des Begründers der Anthroposophie spätestens mit Wolfgang Pehnts Werken über die Architektur am Anfang der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts aus der Nische eines skurrilen Auswuchses esoterischen Denkens herausgeholt wurde[5] und die beiden Goetheanum-Bauten mit ihren Nebengebäuden einen (auch heute noch unsicheren) Platz in Monographien[6] und Übersichtswerken zur Baugeschichte gefunden haben, so sind jene Baukünstler, die versuchten, in Steiners Fußspuren zu treten, und ihre Werke heute nur einem sehr kleinen Kreis Eingeweihter ein Begriff. Sie tauchen in Büchern über anthroposophische oder „organische“ Architektur nur am Rande auf[7] und die wenigen Monographien oder biographischen Texte zu ihrem Leben sind weitgehend unbekannt.[8] Insofern verwundert es nicht, wenn bereits die ersten Bauten jener Planer den steigenden Immobilienpreisen in der Region Basel zum Opfer fielen.

Dabei waren es Architekten[9] wie Paul Bay (1891-1952) und Daniel von Mutach (1884-1948), Hermann Ranzenberger (1891-1967), Otto Moser (1898-1966), Albert (von) Baravalle[10] (1902-1983) oder Felix Kayser (1892-1980), die dafür sorgten, dass der von Steiner gegebene „Bauimpuls“ zu seiner ganz spezifischen Ausformung gelangte und auch heute noch die „Corporate Identity“ von Waldorfschulen und anderen anthroposophischen Einrichtungen prägt. Die genannten Architekten hatten zum Teil wichtige Aufgaben bei den Planungen zum Ersten und/oder Zweiten Goetheanum und bildeten nach dessen Fertigstellung vor allem in Dornach und Stuttgart[11] eine überschaubare, stark vernetzte Gruppe.

Der begrenzte Bezugsrahmen in einem überschaubaren Umfeld machen die Untersuchung des Ringens der Beteiligten um die Lösung der Aufgabe, aus Steiners disparatem architektonischen Werk und seinen vielfältigen Aussagen dazu einen „neuen Baustil“[12] zu entwickeln, zu einer laborähnlichen Situation. Sie kann beispielhaft für den Entstehensprozess von Architektur genommen werden. Das heißt, dass zwar Aspekte „anthroposo­phischer Baukunst“ für den heutigen Betrachter obskur und unverständlich erscheinen mögen, dass aber gleichzeitig die Entwicklung des heutigen Architekturschaffens und des heutigen Sprechens über Architektur nicht grundsätzlich anders verlaufen – es fällt nur nicht derart auf.

Als zeitlicher Rahmen der Untersuchung wurden 1925, das Todesjahr Rudolf Steiners, und 1939, der Beginn des Zweiten Weltkriegs als deutliche Zäsur im anthroposophischen Bauschaffen, gesetzt. Innerhalb dieses Zeitraums soll der Text die Ideenwelt Rudolf Steiners, die den weltanschaulichen Rahmen der anthroposophischen Architekten bildete, nur insoweit darstellen, als es für das Verständnis notwendig ist. Mittlerweile ist zu diesem Thema neben den Primärtexten[13] eine recht breite Palette weiterführender Literatur vorhanden.[14] Ebenso wenig wird der weitere geschichtliche Hintergrund von theosophischer und anthroposophischer Gesellschaft beleuchtet werden, auch wenn hier und da direkte Bezüge bestehen. Der Interessierte sei hier auf anthroposophische und nicht-anthroposophische Quellen verwiesen.[15]


„Das Künstlerische in seiner Weltmission“[16]

Am 30. März 1925 starb Rudolf Steiner in Dornach und hinterließ seinen Anhängern einen wahren Kosmos an Angaben und Aufgaben zur Neugestaltung aller Lebensbereiche in einem reformerisch-spirituellen Sinn. Vor allem in Vorträgen an die Mitglieder der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft (Adyar) und ab 1913 der Anthroposophischen Gesellschaft, in Büchern und in Einzelhinweisen hatte er ein „gewaltiges Geistgebäude[17] aufgebaut, das – sehr vereinfacht ausgedrückt – als Gegengewicht gegen die materialistischen Tendenzen der Zeit einen neuen spirituellen Kulturimpuls begründen sollte. Daneben waren mit dem Silvester 1922 abgebrannten Goetheanum und seinen Nebenbauten in Dornach nicht einfach Bauten für das Zentrum der anthroposophischen Bewegung erstellt, sondern gleichzeitig Grundsteine für einen völlig neuen Baustil gelegt worden. Dieser hatte nach den Aussagen Steiners zur geplanten Dornacher Anthroposophen-Kolonie[18] nicht nur die gemeinsame Geistesart der Hügelbewohner nach außen zu zeigen, in den Formen sollte gleich die ganze neue Weltanschauung zu finden sein. Frieden und Harmonie würden die Formen ausdrücken, so das Ziel, und dieser Frieden und diese Harmonie sollten sich auch in die Herzen der Bewohner und Besucher senken:

Gesetzgeber werden solche Bauten sein. Und dasjenige, was nicht erreichen können äußerliche Veranstaltungen, das werden erreichen die Formen dieser unserer Gebäude![19]

Abbildung 1:
s. Link

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Abbildung 2:
Rudolf Steiner u. a.,
Glashaus, Dornach, 1913/1914

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Abbildung 3:
Rudolf Steiner / Ernst Aisenpreis,
Haus Schuurmann, Dornach, 1924/1925

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Abbildung 4:
Rudolf Steiner u. a.,
Haus Duldeck (Haus Grosheintz),
Dornach, 1915 bis ca. 1918
  Zwischen 1913 und 1925 entstanden so in Dornach und im Nachbarort Arlesheim über ein Dutzend Gebäude, zu denen Steiner selbst das Modell und die Skizzen geliefert oder bei denen er mehr oder weniger beratend zur Seite gestanden hatte. Dabei muss gesagt werden, dass er zu fast allen Projekten rund um den Hügel um Rat gefragt und im Nachhinein daraus oft seine Urheberschaft abgeleitet wurde. Besonders beim „Johannesbau“, dem späteren Ersten Goetheanum (Abbildung 1) wird die Problematik deutlich: Zuerst in München als Aufführungsstätte für die Mysteriendramen Steiners durch den damals noch theosophischen Architekten Carl Schmid-Curtius nach einer vagen Angabe Steiners detailliert geplant[20] und dann für den Dornacher Hügel modifiziert, erfolgte die Beteiligung Steiners vor allem im Innenausbau und den plastischen Details. Schmid-Curtius verließ die Baustelle Mitte 1914 unter nicht ganz klaren Umständen,[21] worauf seine wesentliche Beteiligung an den Planungen mehr und mehr in Vergessenheit geriet.

Gerade die unter direkter Mitarbeit Steiners entstandenen Bauten im Umfeld des Goetheanum zeigen allerdings das Problem des Anspruchs, einen neuen Baustil aus anthroposophischem Kunstwollen zu entwickeln: Vergleicht man z. B. das Glashaus (Abbildung 2),[22] das 1914 als Atelier zum Schleifen der Glasfenster des Johannesbaus entstand, und Haus Schuurmann (Abbildung 3),[23] gebaut 1924/25, so mag man nicht glauben, dass beide von einer Hand aus den gleichen Impulsen heraus modelliert bzw. skizziert wurden. Selbst die Anwendung des Metamorphosegedankens im Sinne Steinerscher Goethe-Interpretation[24] zur Erklärung der großen formalen Differenz zwischen den beiden Gebäuden dürfte gerade bei unbefangener Betrachtung zu keinem Ergebnis führen, es sei denn, man resignierte mit dem Schluss, durch „Metamorphose“ könne man eben alles aus allem entwickeln.[25]

Aber das war die Situation, vor der die Mitarbeiter des Baubüros am Goetheanum im März 1925 standen. Es waren Architekten aller Ausbildungsgrade, einige Ingenieure und verschiedene Künstler, die zum Teil bereits seit 1914 am Johannesbau in Dornach mitgeplant hatten wie Ernst Aisenpreis und Hermann Ranzenberger, zum Teil Praktikanten oder temporäre Mitarbeiter, einige bereits im Architekturbüro von Mutach und Bay[26] geschult. In der Grundtendenz handelte es sich um junge Architekten, zum Teil Studenten, die sich aus dem Umfeld der anthroposophischen Bewegung heraus, sicher auch getragen von der Aufbruchstimmung jener Jahre, begeistert zur Mitarbeit entschlossen hatten.

Dabei sahen sie sich ganz konkret als Baukünstler beauftragt und berufen, für die Entwicklung und Verbreitung des von Steiner inaugurierten neuen Stiles zu sorgen. Denn bei aller Befürwortung von freier Entfaltung des menschlichen Wollens innerhalb der anthroposophischen Bewegung stand doch fest, dass es intensiver Schulung bedurfte, um in die spirituellen Geheim­nisse der verschiedenen Lebensbereiche anthroposophischer Kulturentwicklung einzu­dringen. Das hieß, dass die potentiellen Nutzer über die Ausgestaltung ihres neuen Heims oder ihrer Arbeitsstätte nur innerhalb bestimmter Grenzen mitentscheiden durften. Die Hauptarbeit wurde den Architektur-Schülern Steiners überlassen, die dann die Freiheit ihrer Individualität „in den Dienst einer höheren Objektivität“ stellten.[27]

Diese Aufgabenteilung, die von beiden Seiten akzeptiert wurde, hatte den Nachteil, dass für den Bauherren der formale Aspekt gegenüber praktischen Erwägungen, wie Baukosten und Grundstücksausnutzung, zweitrangig werden konnte und damit auch die Wahl des Architekten eher von seinen Qualitäten auf diesen Gebieten abhing. Dazu kam vermutlich, dass viele Freunde der anthroposophischen Bewegung nicht unbedingt ihre Weltanschauung so deutlich nach außen zeigen wollten, wie es sich Steiner in seinen Grundsätzen für die Anthroposophen-Kolonie vorgestellt hatte. Die ersten Versuche in Richtung anthroposophischer Wohnbauten, wie das Haus Duldeck (Abbildung 4),[28] waren sehr auffällig und dürften ihre Bewohner außerhalb Dornachs, z. B. in der gutbürgerlichen Umgebung der Arlesheimer Villenquartiere, ungewünscht herausgehoben haben.

Wollten die anthroposophischen Architekten also in einem weiteren Aufgabenrahmen bis hin zu Bahnhöfen, Warenhäusern oder Leuchttürmen[29] bauen und so den Architekturimpuls Steiners zum Wohle der Menschheit tatsächlich in die Welt tragen, so benötigten sie dafür potente und verständnisvolle Bauherren. Insofern mussten sie die zum Teil divergierenden Angaben Steiners zur Aufgabe der Baukunst in der Menschheitsentwicklung, die disparaten Beispiele seiner Bauten und die Wünsche der möglichen Bauherren nach praktischen, preiswerten Bauten, die ihnen die Verwirklichung ihrer Vorstellungen von „gutem Leben“ ermöglichen sollten, zusammenführen. Ihre Ziele waren in eine für die zur Verwirklichung notwendigen Partner verständliche Wort- und Bild-Sprache zu übersetzen. Dieser Prozess verlief allerdings nicht so eindeutig, wie es hier angedeutet wurde. Im Gegenteil spielte er sich in den nächsten Jahren in vielen kleinen Schritten, an ganz konkreten Aufgaben, auf verschiedenen Ebenen mit Akteuren ganz unterschiedlicher Zielsetzung ab. Am Ende stand dann tatsächlich so etwas wie ein neuer Stil: die spezielle Ausformung von Gebäuden, die jenseits reiner Detailübernahmen eine gemeinsame Gestalt besitzen sollten.


„Das alte und das neue Goetheanum“[30]

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Abbildung 5:
Rudolf Steiner / Baubüro am Goetheanum, Zweites Goetheanum, Dornach, 1924-1928

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Abbildung 6:
Rudolf Steiner u. a.,
Eurythmeum (Rudolf-Steiner-Halde),
Dornach, 1923
  Am Anfang ging es jedoch noch nicht darum, Bauherren zu finden, sondern die bereits fortgeschrittenen Planungen für das Zweite Goetheanum (Abbildung 5) zu vollenden und mit dem Bau zu beginnen. In den Räumen des Baubüros stand das von Steiner im Frühjahr 1924 plastizierte Modell des Goetheanum-Neubaus, das keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem abgebrannten Bau aufwies.[31] Es waren Details zu lösen, bei denen nun nicht mehr Steiner um Rat gefragt werden konnte, wie z. B. bei den Höhenänderungen im Dach aufgrund der Behördenwünsche und des Schnürbodeneinbaus.[32] Es galt, die in den Jahren zuvor beim Ersten Goetheanum und den Nebenbauten gewonnenen Erfahrungen in praktischer wie gestalterischer Hinsicht anzuwenden und neue Erfahrungen vor allem mit dem Betonmaterial zu gewinnen. Dies konnte einzig im intensiven Austausch innerhalb des Baubüros geschehen.

Aber nicht nur intern hatten die Architekten formale und praktische Probleme sprachlich zu fassen, sondern auch von außen kam die Anforderung, das eigene Tun für andere als sinnvoll und logisch darzustellen. Dabei waren bauliche Details, Formelemente und aus praktischen Erwägungen getroffene Entscheidungen mit größeren Bedeutungskomplexen zu verknüpfen, die je nachdem von anthroposophischen Laien oder außen stehenden Fachleuten bereits anerkannt waren, d. h. die von den Adressaten überhaupt verstanden und akzeptiert werden konnten. So hatte die Veröffentlichung der Neubaupläne heftige Reaktionen bei Schweizer Heimatschützern und Architektenverbänden hervorgerufen. Angesichts der immer wieder gezeigten, nicht sehr ansehnlichen ersten Seiten-Perspektiven sind diese nur verständlich; umso mehr, wenn man sich die Architekturvorstellung jener Jahre anhand eines Querschnitts zeitgenössischer Bauzeitungen ver­deutlicht. Die „windschiefen Dachflächen und Flächen“, die „verschobenen Fenster“ konnten vermutlich kaum anders als „direkt abstoßend und hässlich[33] gesehen werden (Abbildung 6).

Allerdings galten die meisten Angriffe weniger den Formen und der Rettung einer nationalen Gedenkstätte auf dem „Bluthügel“[34] vor architektonischen Missgriffen, denn der „geistigen Landesverteidigung“ gegen die meist ausländischen, oft deutschen Anthroposophen mit ihrem unverständlichen „Tempel“.[35] Insofern dürften auch die noch von Steiner selbst gegebenen Hinweise auf die wesentlich bessere Einfügung des neuen Baus in die Landschaft mit dem gestuften Dach als Aufnahme der Juraformen oder dem Betonmaterial und seiner Ähnlichkeit mit dem Kalkstein der Gegend nicht viel bewirkt haben.[36] Immerhin kämpfte mit dem Stuttgarter Baugeschichtsprofessor Ernst Fiechter (1875-1948) eine fachlich anerkannte Persönlichkeit für den neuen Bau[37], deren Autorität wenigstens bei Fachpersonen eine entspanntere Betrachtung auslösen konnte. Wesentlicher für das Zustandekommen des Zweiten Goetheanum als diese Begründungsversuche waren vermutlich die wirtschaftliche Bedeutung des anthroposophischen Zentrums für die Region und die damals fehlende juristische Handhabe gegen das Bauvorhaben. Nebenbei sei bemerkt, dass der Kampf gegen den Neubau auf dem Hügel wichtige Anstöße zur Institutionalisierung des Heimatschutzes in der Nordwestschweiz gegeben hat, jenes Heimat­schutzes, der heute auch über die Steiner-Bauten in Dornach wacht.

Trugen die Erklärungsversuche des Architekturwollens auf dem Hügel vielleicht nicht viel zur Lösung des Problems bei, so stärkten sie doch die interne Verbindung mit dem Neubau und festigten bestimmte Deutungsmodelle innerhalb der am Bau Beteiligten. Dies war umso notwendiger, weil auch in der anthroposophischen Bewegung Überzeugungsarbeit geleistet und Verbündete gewonnen werden mussten. Da die Versicherungsgelder für den Neubau und seinen Ausbau nicht reichten, wurden die Mitglieder der anthroposophischen Bewegung zu Spenden für das Goetheanum aufgerufen. Hierbei verbanden sich die Interessen von Architekten und Vorstand von Allgemeiner Anthroposophischer Gesellschaft. Stand für erstere der Wunsch, im Sinne Steiners ein Bauwerk mit ähnlicher Kulturbedeutung wie das Parthenon oder einer gotischen Kathedrale zu errichten, so bewegten letztere wahrscheinlich weniger die baulichen Aspekte als die Notwendigkeit, wieder eine Heimstätte, ein Zentrum für die Bewegung zu haben. Denn neben der Person Rudolf Steiner war es das Erste Goetheanum gewesen, das eine wichtige, den Zusammenhalt fördernde Aufgabe im Selbstverständnis der Anthroposophen besessen hatte, das zum Mittelpunkt anthroposophischer Identität geworden war und die zum Teil sehr divergierenden Strömungen innerhalb der Gesellschaft zusammenhielt.

Das Modell des Neubaus stieß allerdings bei vielen Anhängern (wohl auch im Umfeld des Vorstands) auf Unverständnis. Nicht nur von Außenstehenden kam der Vorwurf der Hässlichkeit. Einzig der vom „Neid der Menschen[38] geschürte Brand war es gewesen, der die Anthropo­so­phen gezwungen hatte, in Beton einen wesentlich primitiveren, einfacheren[39] Schutzbau gegen die Angriffe der Gegnerschaft zu errichten, während das Erste Goetheanum mit seinen handgeschnitzten Details die Vollendung anthroposophischen Bauens darstellte[40]. Steiner selbst hatte in vielen Vorträgen vor und nach dem Brand dem Ersten Bau und (später auch) dem Brand einen besonderen Platz im Leben der Anthroposophen und der Anthroposophischen Gesellschaft zugewiesen.[41] Dagegen war der Zweite Bau unter anderem durch das Verwenden von „zwangsweise“ gezahlten Versicherungsgeldern (gegenüber den freiwilligen Spenden beim Johannesbau) bereits von Beginn an mit einem spirituellen Makel gezeichnet.[42]

Deshalb wurde in den Berichten für die Mitglieder der Neubau hauptsächlich als Denkmal für Rudolf Steiner dargestellt, der (nur) aus diesem Grund fertigzustellen zu sei.[43] Andere Aspekte blieben meist unausgesprochen. Diese allgemeine Sicht in der Gesellschaft wurde sicher noch verstärkt durch persönliche Spannungen im Vorstand. Dort hatte vermutlich nur die Ärztin Ita Wegman (1876-1943), Steiners Vertraute in den letzten Monaten vor seinem Tod, den Entwurf zum neuen Goetheanum von Anfang an begeistert gutgeheißen.[44] Marie Steiner (1867-1948),[45] die der Beziehung zwischen ihrem Mann und der Begründerin der anthroposophischen Medizin reserviert gegenüberstand, dürfte dies noch mehr Grund gegeben haben, sich innerlich stärker mit dem ersten Bau zu verbinden. Mit der Veröffentlichung verschiedener Vorträge Steiners 1926 und zu Beginn der dreißiger Jahre[46] durch sie als seine Nachlassverwalterin wurden dann auch die Gedanken des Inaugurators des neuen Stils einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, auf die nun direkt Bezug genommen werden konnte. Dadurch bekam das Erste Goetheanum, das mit Texten und Abbildungen den Inhalt der meisten Vorträge bildete, ein größeres Gewicht gegenüber dem Zweiten Bau. Verstärkt wurde diese Tendenz durch öffentliche Vorträge des anthroposophischen Juristen Roman Boos (1899-1952), in denen er die Bedeutung des Zweiten Baus mit ähnlichen Argumenten wie bereits dargestellt zugunsten des Ersten deutlich herabsetzte.[47]


„Vom Formgeheimnis des Goetheanum-Baustiles“[48]

Die Vermittlung der Ziele des Vorstands, der Architekten und der Mitglieder erfolgte größtenteils durch die Leitung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft. Die Architekten waren vor allem mit den Arbeiten am Bau befasst. Eine in der Öffentlichkeit präsente Reflexion über das Tun innerhalb des Baubüros existierte bis zum Tode Steiners kaum. Die Deutungshoheit hatte weitgehend bei ihm gelegen, wobei ein Großteil seiner Vorträge zur Baukunst bis 1926 vermutlich nur wenigen Planern als Bezugspunkt in schriftlicher Form zur Verfügung stand. Einzig Hermann Ranzenberger, der vermutlich mit Steiner vertieft Bau- und Gestaltungsprobleme besprochen hatte, veröffentlichte seit Anfang der zwanziger Jahre in der Zeitschrift „Das Goetheanum“ Aufsätze zu architektonischen Fragen.[49] Er sollte ab 1925 eine wesentliche Rolle im Sprechen über den neuen Baustil spielen. Hilfreich waren dabei sicher zum einen die Autorität, die er sich durch die Beteiligung am Bau fast aller Gebäude auf dem Hügel und den regen Austausch zwischen ihm und Steiner gegenüber den anderen, meist nur temporären Mitarbeitern erworben hatte, zum anderen, dass er ab Ende der zwanziger Jahre nicht nur ein relativ erfolgreich praktizierender Architekt war, sondern auch den Willen besaß, seine Anschauungen öffentlich zu machen.

Neben Ranzenberger waren es vor allem die Architekten Felix Durach (1893-1963), Felix Kayser und Georg Nemes (1900-1978), die in jenen Jahren wesentlich zur Ausformulierung, zur Vertiefung und Festigung einer Theorie der neuen Baukunst beitrugen. Sie stellten Verknüpfungen her, fügten neue, aktuelle Aspekte ein und ließen andere, „unlogische“ fallen. Bereits die frühen Artikel, die vor allem in der Wochenschrift „Das Goetheanum“, im Nachrichtenblatt „Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht“ und in der deutschen Zeitschrift „Anthroposophie“ erschienen, zeigten wesentliche Elemente, die das Sprechen oder besser Schreiben über Baukunst im anthroposophischen Umfeld der nächsten Jahrzehnte prägen sollten, auch wenn manchmal nicht auf den ersten Blick klar wird, was der Autor eigentlich meinte.[50]

Da ist die Bezugnahme auf die großen Epochen der Architektur, ägyptischen und griechischen Tempel sowie gotische Kathedrale, die als Ausdruck der Geistesentwicklung der Menschheit mit deren Fortschreiten folgerichtig zum neuen Baustil führen müsse.[51] Der Beweis wurde in vielerlei Gestalt geführt, am Ende stand aber immer das gewünschte Ergebnis und das (Erste) Goetheanum war mal als geschichtlich folgerichtige Station dieser Baugedanken,[52] mal als Synthese aller bisherigen Baustile „vom indischen bis zum gotischen Stil[53] erkannt. Es findet sich die in verschiedenen Aspekten beleuchtete Idee der Metamorphose in ihrer Anwendung auf die Baukunst unter Bezugnahme auf Goethe und/oder Steiner.[54] Damit konnte den Vorwürfen begegnet werden, die Ausformungen des neuen Baustiles wären subjektive, willkürliche Kunstgebilde. Im Gegenteil:

Nie hat Rudolf Steiner abstrakte, dekorative oder irgendwelche sonstigen Attrappen-Architekturformen geschaffen. Eine jeder seiner Formen, die kleinste wie die grösste haben einen konkreten Inhalt, sie haben einen konkreten Zusammenhang untereinander und sind alle entstanden aus einem konkreten Anlass heraus. Dass in seinen Schöpfungen die Forderung nach dem, was man äußere Zweckmäßigkeit und Utilität nennt, sowie die nach Materialgerechtigkeit und statischer Wahrheit erfüllt und mit berücksichtigt waren, ist eine Selbstverständlichkeit.“[55] (Fettdruck im Original kursiv, d. A.)

Der Metamorphosegedanke bildete ein Konzept, dass als „exakte Methode“ im baukünstlerischen Schaffen,[56] die Freiheit des Architekten (ohne starre akademische Formvorgaben) mit notwendigem Könnertum (also Ausschluss von Laien) gegen die scheinbare Willkür, die Regellosigkeit, das Chaos[57] der zeitgenössischen Architekturwelt gewährleistete. Es waren die ewigen, kosmischen Formgesetze, die Gesetze des „Organischen“, die nach dieser Ansicht die Wahrhaftigkeit der Steinerschen Formensprache begründeten.

Das Konzept reagierte nicht nur auf den Willkürvorwurf mit einer recht zeitgemäßen Denkfigur („Organik“), sondern bot gleichzeitig Antwort auf die Forderung des Neuen Bauens nach reiner Zweckmäßigkeit. Im neuen Stil werden nicht nur praktische Erwägungen genau beachtet, sondern gesteigert: „der Zweckgedanke wird Bild.“[58] Die damit durchgeführte Unterstützung des Zweck­mäßigkeits- und Funktionalitätsbegriffs führte schließlich sogar zur Formulierung der „spirituellen Funktionalität“.

Die anthroposophischen Architekten beteiligten sich also bei aller Abgrenzungshaltung in jenen Jahren an den Diskussionen der „Außenwelt“. Dies geschah von einer bestimmten Warte aus mit bereits recht definierten Bezügen und Kriterien. Man spürt in den Texten, die direkt auf die zeitgenössische Architekturentwicklung Bezug nehmen, den deutlichen Wunsch der Dornacher und Stuttgarter Baukünstler, an den großen Bauaufgaben ihrer Zeit zeigen zu können, wie die richtigen Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit aussehen müssten.[59] Diese fühlten sich zwar befriedigt über das Ende der historistischen Konventionen (die trotzdem immer wieder als Schreckgespenst herhalten mussten) und dem Beginn einer Suche nach neuen Wegen. Doch verband sich dieses positive Gefühl sofort mit der Ablehnung einer rein intellektualistischen Behandlung dieser Suche.[60] So wurde die Stuttgarter Werkbundausstellung 1927 wegen ihrer „Ehrlichkeit“ als reiner Ausdruck der Zeit gelobt,[61] gleichzeitig aber das nur Praktische, das allzu Ökonomische, eben der „Wohnmaschinen“-„Intellektualismus“ kritisiert. Im Unterschied zu konservativen Architekten wie Paul Schultze-Naumburg (1869-1949) sah man als Heilmittel nicht das Haus um 1830, sondern eine auch auf die seelisch-geistigen Bedürfnisse des Menschen eingehende Architektur, die Praktikabilität mit künstlerischem Ausdrucksgehalt verbinden sollte. Mit Hinweisen auf die Mängel jener nur aus Zweckgedanken geschaffenen Architektur, der jeder seelische und geistige Aspekt (wohl nur den Aussagen ihrer Planer nach) fehlte, wurde das Zweite Goetheanum meist auch in nicht-anthroposophischen Baufach­zeitschriften vorgestellt;[62] oft mit relativ positiven Kommentaren, z. B. J. Gantner in „Das Werk“:

Ich gehöre nicht zu denen, für welche ein industrielles Produkt eo ipso ungeistig wäre, im Gegenteil, aber ich sehe in Bauten wie Medelssohns [sic!] `Einsteinturm´ und in Rudolf Steiners Projekten die Versuche, ein anderes Element, eine aus geistigen, nicht materiellen Voraussetzungen entwickelte Form zur Herrschaft zubringen.“[63]

Im Kampf für einen neuen, „lebendigen“ Baustil konnte es vorkommen, dass man am Ende gar nicht so weit entfernt von den Argumenten derer landete, die man eigentlich bekämpfte. So wenn Georg Nemes der „nur zweckmäßigen“ Moderne das ihr fehlende künstlerische Element entgegenhielt und dieses für den Goetheanum-Baustil reklamierte:

Die früheren Baustile hatten alle ein eng begrenztes System von Formen. Sie mußten immer einem anderen weichen, wenn die Bewußtseinsentwickelung der Menschheit weitergeschritten war. – Der goetheanistische Gestaltungsimpuls Rudolf Steiner’s [...] ist kein ‚Stil’ im alten Sinne. Er hat keine bestimmten, starren Formgesetze, sondern lebt im ständigen Werden, und die Prinzipien seiner Ausgestaltung werden an der Aufgabe immer neu gewonnen. Er kann auch nicht durch einen neuen „Stil“ abgelöst werden, denn in ihm mag sich der Geist in seinem schöpferischen Reichtum unmittelbar auszugießen, stets aufs Neue zu wandeln und immer gegenwärtig zu bleiben. – Die ihm zugrunde liegende Metamorphoseidee ist das Prinzip des Lebens selber.“[64]

Die angesprochenen Vertreter des Neuen Bauens hätten mit Änderung nur weniger Worte sicher ähnliches von ihren Bestrebungen aussagen können.

Angesichts der sehr positiven Sicht auf den neuen Stil, an dessen Ausarbeitung man mitzuwirken bestrebt war, und der Kritik am Bauschaffen der Außenwelt ist es erstaunlich, dass z. B. Hermann Ranzenberger in zwei Besprechungen von zeitgenössischen Architekturbüchern zu Waren­häusern[65] und Lichtspieltheatern[66] keineswegs alle dort dargestellten Beispiele verdammte, sondern im Gegenteil z. B. das Warenhaus Tietz in Düsseldorf von Wilhelm Kreis (1873-1955), den Wertheim-Eckbau von Alfred Messel (1853-1909) in Berlin oder die Kinos von Fritz Wilms in ihren künstlerischen Qualitäten sehr positiv einschätzte. Möglicherweise befand sich die anthroposophische Architekturbewegung (oder Hermann Ranzenberger) Ende der zwanziger Jahre noch in einer sehr viel offeneren Situation, als es die Texte und der Blick 80 Jahre später erscheinen lassen? Vertiefte Untersuchungen hierzu könnten möglicherweise interessante Aspekte offenlegen.


„Von der Intellektualität zum Goetheanismus in der Architektur“[67]

Inwieweit diese hier nur im Überblick dargestellte öffentlich gemachte Weltsicht der sich in die Nachfolge Steiners einreihenden Architekten von den nicht schriftstellerisch tätigen Planern im anthroposophischen Umfeld geteilt wurde, kann heute nur schwer festgestellt werden. Allerdings wurde mit den schriftlichen Äußerungen der sprachliche Rahmen abgesteckt, in dem sich dann auch später, in institutionalisierter Form der Austausch um anthroposophische Architektur abspielen sollte. Um 1925 stand aber vielleicht noch so manches Mitglied der anthroposophischen Bewegung, vielleicht auch mancher Architekt einer bestimmten Form des Bauens im Umfeld des Goetheanum eher kritisch gegenüber. So berichtete der Schweizer Architekturkritiker Peter Meyer (1894-1984) in seiner Betrachtung zu den Dornacher Bauten von verschiedenen Anthroposophen, die zur Dornacher Architektur ein großes Fragezeichen machen würden.[68]

Der relativ positiv gehaltene Meyersche Aufsatz, der im Anschluss an reich bebilderte Texte von Hermann Ranzenberger[69] und Otto Moser[70] erschien, tat eigentlich dasselbe mit den Dornacher Bauten, was die Anthroposophen z. B. mit der Weißenhofsiedlung machten: sie als Zeitsymptom zu interpretieren und damit das Unverständliche sinnvoll werden zu lassen. Die Reaktion „aus Dornach“ war allerdings negativ. Georg Nemes (damals in Wien) schickte eine Richtigstellung an „Das Werk“ und „Das Goetheanum“,[71] in der er mit Hinweis auf Steiners Einleitung zu den naturwissenschaftlichen Schriften Goethes und dessen Aussagen zur Metamorphose jeden Vergleich mit Antoni Gaudí oder Jugendstilkünstlern zurückwies. Dies mag noch verständlich sein. Nicht ganz so leicht verständlich ist die Reaktion Ranzenbergers auf das Lob Meyers an seinen Häusern in Arlesheim, die „die spezifisch Steinerischen Eigentümlichkeiten etwas zurück­treten lassen zugunsten einer offeneren Modernität.“[72] Ranzenberger schrieb:

Es war deshalb und wird deshalb auch niemals der Fall sein, dass etwa der Unterzeichnete [sic!] von den lebendigen Intentionen, welche Rudolf Steiner für die Architektur gegeben hat, abweicht zu Gunsten `einer offeneren Modernität´, wie er sie nach dem erwähnten Aufsatz (von P.M.) in seinen Arlesheimer Bauten getan haben soll. Es gibt nichts Moderneres und in die Zukunft weisen­deres als der [sic!] Goetheanumbaustil.“[73]

Peter Meyer zog daraus den Schluss, dass eine Diskussion auf dieser Basis selbstverständlich weder fruchtbar noch möglich sei und überließ der Zukunft das Urteil.[74] Vielleicht lag das Problem aber auch in einem Denkfehler Meyers, denn möglicherweise geht es beim Schaffen von Architektur und beim Sprechen darüber gar nicht um eine objektive Logik, die allen Fragen standhält, sondern darum, dass das Gerüst aus Zielen, Mitteln und notwendigen Elementen für die in einem gemeinsamen „Denkraum“ Handelnden in sich stimmig ist. Die Fehlstellen darin können übersehen werden (sofern nicht jemand wie P. M. darauf weist) wie alles jenseits des Horizonts ganz aus der Wahrnehmung fällt. An den Dornacher Reaktionen sieht man, wie dicht das gedankliche Netz bereits geworden war. Man erkennt aber auch, dass die als Angriff empfundenen Gedanken Meyers immer noch pariert werden mussten. Gleichzeitig scheinen diese Reaktionen gar nicht nur nach außen gewandt, sondern auch innere Abgrenzungen bewirkt zu haben (besser als jede interne Diskussion): zum einen eine weitere Festigung des argumentativen Netzes in der deutlichen Ablehnung der Vergleiche mit Jugendstil und anderen formal ähnlichen Tendenzen der Baugeschichte einschließlich „stichhaltiger“ Begründung, zum anderen im Beweis Ranzenbergers, dass er tatsächlich (noch) dazu gehörte und nicht etwa bereits einer „offeneren Modernität“ nachstrebte.

Bis an diese Stelle ist vor allem auf das interne „Interpretieren“ (im Bontaschen Sinne) der anthroposophischen Architektur eingegangen worden. Aber ein ebenso wichtiger Teil der Arbeit am neuen Baustil wurde gleichzeitig an anderer Stelle getan: Es wurde gebaut. Dabei ist das Verhältnis zwischen praktischem Tun und Reden über die Bedeutung des Tuns keineswegs eindeutig. Weder wurden von den anthroposophischen Architekten nur fertige Bauten interpretiert noch an den Bauten Kriterien für eine spätere Publikation gewonnen. In manchen Momenten scheint es für die Beteiligten notwendig gewesen zu sein, das Entwerfen und das Sprechen über das Entwerfen zusammenzubringen. In anderen Momenten scheinen beide Tätigkeiten auf zwei völlig unterschiedlichen Ebenen abzulaufen, so z. B. dann, wenn das Erste Goetheanum überdeutlich als Bezugspunkt für die Ziele des anthroposophischen Bauens herangezogen wurde, während gleichzeitig Bauten des Text-Autors, wenn überhaupt, formal eher in Richtung des Zweiten Baus wiesen. Und manchmal wirkt es, als seien die Architekten nur auf der Suche nach einer bestimmten Gestalt für ihre Bauten gewesen und die Einbindung in einen sprachliche Kontext war nur Nebensache oder dieser bereits so gefestigt, dass er kein Thema mehr war.


„Architektonisches Gestalten“[75]

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Abbildung 7:
Hermann Ranzenberger,
Umbau Haus Efringerweg 2, Dornach, Anfang 1920er Jahre

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Abbildung 8:
Carl Kemper / Otto Moser,
Haus Jewsiejenko, Dornach,
um 1930

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Abbildung 9:
Mieta Waller-Pyle / Ernst Aisenpreis,
Anthea-Institut, Dornach, um 1928

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Abbildung 10:
Hermann Ranzenberger,
Eingangsbereich Haus Messmer, Dornach 1936
  Gegenüber den schriftlichen Quellen, die zur Veröffentlichung bestimmt waren und veröffentlicht wurden, ist der Zugang zum praktischen Schaffen der ersten anthroposophischen Architektengeneration nicht so einfach. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung hat überhaupt noch nicht stattgefunden und die wenigen Angaben, die es über die „organischen“ Häuser in Dornach gibt,[76] sind zum Teil nicht stimmig. Ein weiteres Problem besteht in der Abgrenzung von anthroposophischen und nicht-anthroposophischen Bauten. Denn während die Texte über den neuen Baustil durch ihren Erscheinungsort und die Wortwahl meist deutlich als solche zu identifizieren sind, ist dies bei den Gebäuden nur im Rückblick erkennbar, das heißt aus der Situation einer bereits fertigen Deutung heraus. Möglicherweise entstanden verschiedene Bauten in „anthroposophischem Bauwollen“, gehörten aber zu den bereits von Steiner in einem Brief an den Architekten und Stadtplaner Walter Schwagenscheidt (1886-1968) kritisierten „Scheußlichkeiten“.[77] Das vermutlich Anfang der zwanziger Jahre von Hermann Ranzenberger in Dornach „anthroposophisch“ umgebaute Haus Efringerweg 2 (Abbildung 7) dürfte als eine solche frühe Ausformung gelten. Insofern müsste auch eine Untersuchung der formalen Entwicklung bei den anthroposophischen Bauten mit vielen Abbildungen und wenig Text unterlegt werden, was an dieser Stelle nicht zu leisten ist. Deshalb sei das Entstehen des „anthroposophischen Baustils“ hier nur mit wenigen Beispielen kurz skizziert.

Nach Abschluss des Goetheanum-Rohbaus 1928, dessen Fertigstellung im Inneren in kleinen Schritten die nächsten Jahrzehnte andauern sollte, machten sich viele der am Bau beteiligten Planer selbständig oder arbeiteten in den Büros der Kollegen mit. In Dornach prägten in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre das Büro Otto Mosers und jenes Hermann Ranzenbergers das Baugeschehen auf dem Hügel. Daneben entstanden auch Bauten, die (meist in Modellform) von anderen Beteiligten aus Baubürozeiten entworfen worden waren, so von den Malern Carl Kemper (1881-1957) (Abbildung 8) und Mieta Waller-Pyle (1883-1954) (Abbildung 9). Die Ausführung erfolgte meist durch Otto Moser oder Ernst Aisenpreis.

Die wirtschaftliche Situation hatte sich in Mitteleuropa, vor allem Deutschland, wo die meisten Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft beheimatet waren, wesentlich gebessert, und auch die Lage auf dem Hügel stabilisierte sich zur Zeit des Abschlusses der wesentlichen Arbeiten an der „Hochschule für Geisteswissenschaften“. In den Jahren zuvor waren einige Bauten für Anthroposophen entstanden, die aber oft im „Stil der Zeit und des Ortes“ gehalten waren, d. h. einen schlichten Klassizismus mit Heimatstilelementen zeigten. Daneben errichtete manBauten wie das Haus Wachsmuth von Otto Moser, das heute nur anhand weniger Details der Hügelarchitektur zugeordnet werden kann.

Waren die Autoren der Texte zum anthroposophischen Bauen relativ frei in dem, was sie schreiben wollten (sieht man von einem bereits bestehenden „Denkrahmen“ ab, der eingehalten werden musste, damit die Artikel überhaupt in den anthroposophischen Zeitschriften veröffentlicht wurden), so war das Planen und Bauen mit wesentlich stärkeren Hindernissen in Form von Bauherrenwünschen und praktischen Erwägungen verbunden. Die Architekten standen mit ihren Vorstellungen von den „richtigen“ Formen im neuen Baustil den Forderungen der Bauherren gegenüber, die ihr Haus als gute Anthroposophen möglicherweise im Sinne Steiners gestaltet wissen wollten, die aber über ein begrenztes Baubudget verfügten und vor allem ihr Leben im neuen Heim nach ihren Vorstellungen von einem guten Leben führen wollten. Das hieß für die Planer, mit Kreativität und Phantasie die Wünsche des Bauherren mit ihrer eigenen Sicht auf Sinn und Zweck von Architektur zu verknüpfen. Es galt, die Bauwilligen auf ihre Seite zu bringen, um mit ihrer Hilfe das zu bauen, was sie als Planer (noch unklar) als richtig ansahen, und die Vorstellungen der Geldgeber so zu gestalten, dass sie zur Ausformung der undeutlichen Ideen von guter anthroposophischer Architektur wurde.

Viele Details der damaligen Verhandlungen zwischen Bauwilligen und Baukünstlern können heute nicht mehr rekonstruiert werden. Gegenüber den hehren Ansprüchen der Baukünstler in ihren Artikeln waren die Forderungen der Auftraggeber wohl eher banal, wie z. B. ein Brief des Publizisten Willy Storrer (1895-1930) an Hans Reinhart (1880-1963) zeigt:[78] Es geht darin nicht um die Wichtigkeit des Metamorphosegedankens für die Menschheitsentwicklung, sondern um das Raumprogramm, die Größe der Zimmer und ihre Nutzung sowie die Möglichkeiten, durch Vermietung von Räumen einen Zuschuss zur Zeitschrift „Individualität“ zu erhalten, die Storrer und Reinhart herausgaben. Als Architekt war Otto Moser gewählt worden, da er als „erprobt und zuverlässig“ galt und sehr rationell bauen würde. Wahrscheinlich waren die Verhältnisse zwischen praktischen Wünschen und deren Ausformung bei anderen Bauwilligen ähnlich. So erstaunt es auch nicht, wenn 1936 Otto Messmer explizit für sein außerordentlich feines Verständnis und seine große Freigebigkeit gedankt wird,[79] die zum Entstehen seines bis ins Detail gestalteten Wohnhauses in Dornach (Abbildung 10) maßgeblich beitrugen – Messmer war nach dem Bau allerdings finanziell ruiniert.[80]

Sicher aus diesem Kontext heraus zeigen sich die Grundrisse der anthroposophischen Bauten erstaunlich „normal“. Die eine oder andere Ecke mag gegenüber dem typischen Landhaus jener Jahre zusätzlich zu finden sein, aber das gutbürgerliche Raumprogramm (wenn es die Mittel erlaubten einschließlich Dienstboteneingang und -wohnung) wurde fast immer integriert.[81] Immerhin ist an vielen Grundrissen ein Detail tatsächlich typisch anthroposophisch: das Vorhandensein eines Ateliers, „oft mit hellem Fichten- oder Birkenholz ausgekleidet. In diesem Raume wird Eurythmie, Musik oder sonstiges Studium gepflegt, er dient dem geistigen Leben seiner Bewohner.“[82] Eine anthroposophisch „erweiterte“ Grundrissentwicklung fand im Zuge der Diskussion um den neuen Stil also kaum statt. Der Schwerpunkt lag auf der äußeren und inneren baukünstlerischen Gestaltung. Ebenso wurden die in der Anfangszeit hin und wieder geplanten Unterkünfte für finanziell weniger bemittelte Mitglieder kaum mehr thematisiert. Das Angebot an preiswerten Räumen für Tagungsgäste und Studenten übernahmen dafür mehr und mehr die neu gebauten Privathäuser und Pensionen. Angesichts der durch Steiner initiierten sozialen „Dreigliederungsbewegung“ und Gesellschafts-Mitgliedern wie Adolf Messmer (1874-1948), einem Pionier der Schweizer Baugenossenschaftsbewegung,[83] erstaunt das geringe Engagement der Dornacher Architekten in der damals intensiven Diskussion um Kleinhäuser für Arbeiter oder „Wohnungen für das Existenzminimum“. Mietwohnungen scheinen die Phantasie der Baukünstler wohl weniger beflügelt zu haben als die „zeitgemäßen Bauaufgaben“ Bahnhof oder Warenhaus.

Ohne deutliche Vorbilder, mit einem im Detail vagen Bedeutungsgerüst und den Forderungen der Bauherrschaft im Nacken bedeutete der Entwurfsprozess in der ersten Zeit für die Architekten eine immerwährende Suche nach der „richtigen“ Lösung der jeweiligen Bauaufgabe. Otto Moser beschrieb es 1933 so:

Man bestrebt sich, den Aufgaben, die an einen herankommen, so gut man vermag, gerecht zu werden. Dies gelingt das eine Mal besser, das andere weniger gut.“[84]

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Abbildung 11:
Dach-Wand-Übergang am Eurythmeum

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Abbildung 12:
Otto Moser,
Haus "Zu den sieben Zwergen",
Dornach, um 1928

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Abbildung 13:
Hermann Ranzenberger,
Haus Dall'Armi,
Arlesheim, um 1930

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Abbildung 14:
Erwin Drescher,
Haus Rust,
Dornach, 1934
  Für Mosers Bauten bedeutete das vor allem eine gesamthafte oder im Detail deutliche Ausrichtung auf das Goetheanum hin (selbst wenn dieses hinter einem Hügel verborgen lag) und eine spürbare Einbindung in das Terrain. Dies hatte in Teilbereichen auch asymmetrische Lösungen zur Folge, die aber von Moser in Kauf genommen wurden.[85] Dazu kamen oft die Verwendung von ähnlichen Materialien, wie sie beim Zweiten Bau und beim Eurythmeum (Abbildung 6), benutzt worden waren: heller Verputz und norwegischer Schiefer sowie das Anwenden von bestimmten Baudetails, die sich vor allem an den beiden genannten Bauten wiederfinden lassen. So hatte sich bereits bei den „Steiner-Bauten“ ein spezieller Übergang Wand-Traufe herausgebildet (Abbildung 11), der auch bei anderen Architekten (bis heute) zu einem der wichtigsten, wenn auch nicht unbedingt notwendigen Kennzeichen anthroposophischer Bauten werden sollte. Beim Haus „Zu den sieben Zwergen“ (Abbildung 12) finden sich fast alle dieser Merkmale verbunden: Von den Materialien über das Dachdetail und teilweise abgeschrägte Fensterecken bis zum „Ausguck“ Richtung Goetheanum, einer auffälligen Dachgaube. Der Anbau im Vordergrund entstand später.

Die deutliche Orientierung am Zweiten Bau und Eurythmeum erstaunt angesichts der bereits erwähnten starken Betonung der Qualitäten des Ersten Goetheanum oder schlichten späteren Steiner-Entwürfen wie Haus Schuurmann, die ebenfalls als (preiswerte) Vorbilder zur Verfügung gestanden hätten. Peter Meyer berichtete allerdings bereits 1924, dass in Dornach gerade das Eurythmeum als besonders gelungenes Beispiel für den neuen Baustil empfunden wurde.[86]

Neben den Moser-Bauten in Dornach entstanden die Häuser Ranzenbergers in der ersten Zeit vor allem in Arlesheim, wo er vermutlich unter Ärzten eine baufreudige Klientel gefunden hatte. Die „offenere Moderne“ könnte dabei auch durch den bereits angedeuteten Wunsch seiner Bauherren nach einem unauffälligen Leben herrühren. So scheint z. B. Haus Dall’Armi (Abbildung 13) kaum von einem anthroposophischen Architekten zu stammen. Im Gegensatz zu Moser ist allerdings bei fast allen Ranzenberger-Bauten die einachsige Symmetrie stärker ausbildet, während eine Bezugnahme auf Goetheanum und Gelände nicht deutlich wird. Wichtiger als das Zentrum der Anthroposophischen Gesellschaft scheinen oft andere Aspekte, wie die Lage der Grundstücksgrenzen oder die Aussicht, gewesen zu sein.[87]

Trotz der hier gebrachten Hinweise auf Detailübernahmen von früheren (Steiner-)Bauten ging es dem Planenden nicht um einen Nachbau von bestehenden Bauten, sondern um das Treffen eines bestimmten Ausdrucks, das Ausformen einer Gesamtgestalt, die sich für sie mit ihren Empfindungen vom neuen Baustil traf. Nicht die Addition von Einzelelementen wie den Fenstern mit den abgeschnittenen Ecken, den Übergängen von Wand zu Dach oder der norwegische Dachschiefer bot Gewähr für ein Ergebnis, das Planer (und Bauherren?) zufrieden stellen konnte. So tauchten die oft mit anthroposophischem Bauen in Verbindung gebrachten Fenster „mit abben Ecken“ in den Ranzenberger-Bauten und in vielen Moser-Gebäuden jener Jahre kaum auf, obwohl gerade im 1926 veröffentlichten Glashaus-Vortrag[88] von Steiner auf die liebevollen, sich zueinander neigenden Gesten der Fenster beim Ersten Bau hingewiesen wurde. Einzig am Haus Rust von Erwin Drescher (Abbildung 14) sind die „typischen“ Fenster der frühen Bauten Steiners deutlich wiederzufinden. Und doch wirken die Gebäude mit rechteckigen Fenstern nicht weniger „anthroposophisch“. Nicht die Einzelelemente, sondern die „richtige“ Interpretation der vielfältigen Vor-Bilder im Sinne einer als typisch empfundenen anthroposophischen Bau-Gestalt und die Neuschöpfung aus der jeweiligen Aufgabe waren also das wesentliche, wobei die Ergebnisse möglicherweise oft an Aussagen Steiners und seiner Schüler geprüft wurden.

Dies geschah in den ersten Jahren sicher mehr oder weniger bewusst in den Büros. Vielleicht sprachen die Dornacher Architekten miteinander über verschiedene Fragen zur Ausgestaltung von Bauten, von Detailausbildungen; kam es in den Büros zu Diskussionen, was gelungen war und was nicht. Aber eine öffentliche Klärung der Tagesfragen fand nicht statt. Wahrscheinlich gab es anfangs auch nur wenige Kontakte zwischen den Architekten in Dornach und Stuttgart, wo z. B. Felix Kayser und Erwin Bauer, ein ehemaliger Baubüro-Mitarbeiter, Büros besaßen.


„Die Architektenwoche in Dornach“[89]

Dies änderte sich, als im Herbst 1931 die erste Architekten-Arbeitswoche am Goetheanum ausgerichtet wurde. Architekten aus dem deutschsprachigen Raum, dem Hauptverbreitungsgebiet anthroposophischen Bauens, trafen sich dort, um sich „mit den Impulsen Dr. Rudolf Steiners auf architektonischem Gebiet zu beschäftigen und das bereits erarbeitete auszutauschen.“[90] In der Tagung fiel den Dornachern ein wesentlicher Beitrag zu, konnten sie doch aus dem persönlichen Erleben von Rudolf Steiner dessen Intentionen wesentlich besser erläutern als die Auswärtigen, die zum Teil erst nach seinem Tod zur anthroposophischen Architekten­gemein­schaft gestoßen waren.[91] Ob dabei immer dessen Intentionen vermittelt oder die durch Verknüpfung mit seiner Person errungene Autorität zum Darstellen der eigenen Ideen und Erkenntnisse genutzt wurde, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden; dies um so weniger, als vieles von dem, was man heute als Steiner-Angaben kennt, nur durch die damals Beteiligten übermittelt und in einen Gesamtkontext eingebunden wurde.

Der Ablauf der Tagung zeigte bereits ein charakteristisches Schema, das in den nächsten Jahren wiederkehren sollte: die Steiner-Bauten auf dem Hügel wurden besichtigt und (vermutlich von Hermann Ranzenberger und Ernst Aisenpreis) erläutert, Vorträge Steiners wurden verlesen und besprochen. Danach folgten Referate über die Planungen zum Münchner Bau, den „modernen Zweckgedanken“ in der Architektur, „eine der charakteristischen Abirrungen des modernen Bauens“,[92] und den „übersinnlichen Ursprung der Architektur“. Daneben fanden plastische Übungen an den Formen des alten Goetheanum sowie eine kleine Ausstellung von Arbeiten der Teilnehmer statt. Ein Ausflug zur Gotik nach Strassburg und Colmar rundete die Arbeitswoche ab. Am Ende verließen die Teilnehmer die Tagung mit dem tiefen Bewusstsein „für die verantwortungsvolle Situation, in der sich der um das Werk Dr. Steiners ringende Architekt heute befindet.“[93]

Mit dieser Arbeitswoche begann nicht nur die Institutionalisierung der anthroposophischen Architektur, sondern auch das Zusammenführen der bisher lose verbundenen Aussagen über Architektur (die in diesem Text den größeren Raum einnehmen) und den neuen aus Steiners Impuls entstandenen Bauten (die in der Realität wesentlich augenfälliger waren). Nur zögernd hatte es in den Jahren zuvor Veröffentlichungen zur anthroposophischen Architektur mit Abbildungen Nicht-Steinerscher Gebäude gegeben. Vermutlich als erster bildete 1928 Albert Baravalle zu einem kleinen Text über „Goetheanische Architektur“ und das Zweite Goetheanum in der „Individualität“ neben einem Foto des Baus Haus Zuccoli und (natürlich) Haus Storrer („Haus der Individualität“) ab.[94] 1931 folgte für eine breite Öffentlichkeit sichtbar das bereits erwähnte „Werk“-Heft mit dem Themenschwerpunkt „Dornach“, in dem sich neben dem Goetheanum aus vielen Blickwinkeln und verschiedenen Steiner-Nebenbauten z. B. auch das Haus „Zu den sieben Zwergen“ (Abbildung 12) und der Anthea-Anbau von Mieta Waller-Pyle und Ernst Aisenpreis (Abbildung 9) abgebildet fanden. Diese neueren Bauten wurden noch gar nicht kommentiert, sie waren aber Symbol für den Fortgang anthroposophischen Bauens nach Steiner und in ihrer Auswahl auch ein normatives Zeichen nach außen und innen: diese Gebäude wurden als darstellenswert empfunden und erschienen in einem Interpretationskontext, der ihnen beispielhaften Charakter zuwies.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass die Arbeitswoche im gleichen Jahr stattfand, in dem anthroposophisch orientierte Architekten in einer bekannten Kunstzeitschrift der Schweiz ihre Ansichten darlegen durften. In der Tagung wurden nun tatsächlich auch die Bauten Ranzenbergers und Mosers „interpretiert“, d. h. als Beispiele und Besprechungsobjekte  einbezogen in die Diskussion über den neuen Stil und seine Zukunft. Und es waren positive Beispiele: Wolfgang Gessner (1881-1974), Kasseler Stadtbaumeister, bescheinigte den beiden Dornachern, Schöpfungen geschaffen zu haben, „die bei aller Freiheit der Auffassung das Gepräge objektiver Reife tragen“.[95] Und Georg Nemes nannte die von Peter Meyer so böse verleumdeten Arlesheimer Bauten Ranzenbergers, „durch ihr harmonisches Einfügen in einen oft andersartigen Rahmen im besten Sinne goetheanisch“, während die Häuser Mosers auf die Bewegungen des Geländes antworteten, Gespräche untereinander führten und bei ansprechender innerer Gliederung und Raumgestaltung ihre Selbständigkeit und Eigenart behielten.[96] Die gebauten Entwürfe Daniel von Mutachs und Paul Bays aus der Anfangszeit des Bauens im Goetheanum-Umfeld wurden bereits nicht mehr erwähnt (vermutlich waren beide Archi­tekten nicht anwesend). Die Gebäude passten wohl nicht ins Bild der neuen anthroposophischen Baukunst. Da es sich aus damaliger Sicht nicht lohnte, sie als Referenz heran­zuziehen, fielen auch ihre Architekten, von Mutach ganz und Bay fast, dem Vergessen anheim.

Das institutionalisierte Wirken am neuen Baustil, seiner Verbreitung und Konkretisierung, das nun verstärkt begann, wurde durch die schlechte wirtschaftliche und angespannte politische Situation in Deutschland in den nächsten Jahren wesentlich behindert. So war bereits die Arbeitswoche für Architekten und Plastiker 1932 aufgrund der wirtschaftlichen Lage nur von wenigen auswärtigen Interessierten besucht.[97] Im Herbst 1933 konnte in Deutschland von Felix Kayser immerhin noch ein Bildband mit Beispielen anthroposophischer Architektur und Innenraumgestaltung herausgegeben werden. Ein Vorwort des Verlages macht die Probleme, die sich aus dem Kunstverständnis der neuen Machthaber für den neuen Stil andeuteten, spürbar:

Die neue deutsche Kunst ist erst im Werden. Für einen weitblickenden Verlag ist daher von Wert, ja eine Pflicht, die verschiedensten Strömungen und Gedankengänge, die einer solchen zustreben zu Wort kommen zu lassen und seinen Lesern zur Diskussion zu unterbreiten. Zumal wenn es sich um eine Richtung handelt, die schon zu Zeiten der erst jüngst vergangenen Epoche mit ihrer Überbetonung des Gebrauchswertes von Haus, Raum und Möbel, unbeirrbar dem Ausdruckswert von der Form seine Geltung zu erhalten gesucht hat. Mag auch die Art der Formgestaltung, die in den Arbeiten dieses anthroposophischen Architektenkreises zum Ausdruck kommt, manchen vielleicht nicht zusagen, so werden sie doch das ihr innewohnende eminent Geistige nicht verkennen wollen, das heute Gott sei Dank auch in der Bau- und Raumkunst wieder erhöhte Bedeutung zu gewinnen beginnt.“[98]

Fünf Jahre später konnte (oder wollte?) Kayser in einer Rückschau auf die Architekturtagung nur noch anonymisiert als „Herr Architekt K.[99] vorgestellt werden.

1933 sah dies noch anders aus. Das Vorwort des Buches „Architektonisches Gestalten“ stammte von Wolfgang Gessner und programmatische Texte von Felix Kayser sowie Georg Nemes. In diesem Band versammelte sich ein Großteil der damaligen anthroposophischen Gestalter mit einer Auswahl derjenigen Werke, die sie wahrscheinlich als am gelungensten empfanden. Gleichzeitig war das Buch auch Werbung für die Beteiligten, die neben ihrer Tätigkeit als Architekten zum Teil auch als Innenausstatter (Felix Kayser mit enger Verbindung zu einer Möbelwerkstatt) und Grundstücksvermittler tätig waren. Vor allem die Möbelentwürfe von Felix Kayser nehmen einen relativ breiten Raum des Heftes ein.[100] Neben der werbenden Absicht auf einem engen Markt erkennt man in der Veröffentlichung auch, dass das Selbstvertrauen bestand, sich der Welt mit den eigenen Arbeiten vorzustellen. Zwar wurde immer noch darauf hingewiesen, dass es sich bei den Bauten um erste Anfänge handelt, doch schufen die Abbildungen Tatsachen, nach außen und nach innen.[101] Neben dem Zweiten Goetheanum fungieren anstelle der Nebenbauten nun die Entwürfe der „Zweiten Generation“, darunter einige (aus heutiger Sicht) sehr freie, schlichte Interpretationen des anthroposophischen Formwollens.

Zur gleichen Zeit, Ende 1933, suchte Albert Baravalle Subskribenten für eine Sammelmappe mit Lithographien des Zweiten Goetheanum (nach dem Originalmodell) und anderer Bauten Steiners. Baravalle war seit 1924 am Baubüro tätig gewesen und hatte unter anderem die bewegten Formen der Westfassade des Zweiten Goetheanum vom Modell in die Ausführungszeichnungen übersetzt.[102] Bereits frühzeitig begann er, sich mit den „wirklichen“ Intentionen Steiners bei dessen Bauten auseinanderzusetzen und erstellte in diesem Zusammenhang die Studien zum Aussehen von Goetheanum und z. B. Haus Duldeck ohne die Veränderungen durch Behörden- oder Bauherrenwünsche. Ein Grund für dieses Vorhaben war, dass Baravalle angesichts der über vierzig Neubauten im Goetheanum-Umfeld, die den Anspruch erhoben, „aus dem neuen Stilimpuls heraus entstanden zu sein“, die Notwendigkeit sah, „säuberlich herauszuschälen, was wirklich aus der Hand Rudolf Steiners entstanden ist.“[103]

Damit wurde erneut die wesentlichste Bezugsgröße für alle Fragen des neuen Baustils definiert: Rudolf Steiner und sein Werk. In der deutlichen Scheidung von Bauten „aus seiner Hand“ und solchen Bauwerken, die nur den Anspruch erhoben, in seinem Sinne gesehen zu werden, erkennt man den Versuch, das Dilemma von propagierter völliger formaler Freiheit im neuen Stil und Beurteilung der neu entstandenen und entstehenden Häuser zu lösen. Eine solche Lösung waren die Lithographien zwar nicht, aber sie boten wenigstens das Gefühl von Sicherheit: Was nicht von Steiner stammte, konnte kritisiert werden (wenn auch die persönliche Nähe wie bei Ranzenberger und Aisenpreis Zweifel reduzierte). Was Er gemacht hatte, war bis auf die Änderungen bei der Ausführung nicht mehr anzweifelbar. Angesichts der vielen an den „Steinerschen“ Nebenbauten Beteiligten und der maßgeblichen Arbeit von Schmid-Curtius an der Planung des Ersten Goetheanum handelte sich um eine trügerische Sicherheit.

Gerade der relative Erfolg der „neuen Formensprache“ und ihre weitere Verbreitung machten es nötig, die Lehre rein und den inneren Kreis geschlossen zu halten und in diesem Sinne auch den potentiellen Bauherren gegenüber aufzutreten. In Deutschland wurden die Möglichkeiten dazu nach 1933 immer enger, selbst wenn noch 1938 Helmut Lauer in Stuttgart eine Kirche der von Steiner begründeten Christengemeinschaft errichten konnte. Die anthroposophischen Zeitschriften wurden nach 1935 im Deutschen Reich verboten und der öffentliche Austausch zwischen Dornach und Stuttgart stark eingeschränkt. Damit blieben die Arbeitswochen die wichtigste Gelegenheit, gemeinsam am neuen Stil zu wirken. Im Sommer 1936 fand vermutlich auch deshalb erstmals eine Architekten- und Plastikerwoche im größeren Rahmen einer Veranstaltung der Anthroposophischen Gesellschaft am Goetheanum statt. Liest man die Berichte, spürt man deutlich, wie dicht das Netz bereits geworden ist, das sich zwischen den anthroposophischen Architekten, den bestehenden Bauten und der „Bedeutung“ ihres Architekturschaffens entwickelt hatte. Wenn Albert Baravalle das 1936 von Hermann Ranzenberger in Dornach errichtete Haus Messmer (Abbildung 10) als würdiges, organisches Beispiel für Steiners Bauimpuls beschreibt[104] und gleichzeitig Georg Nemes über die Prinzipien goetheanistischen Gestaltens belehrt,[105] so ist kaum mehr jenes vorsichtige Suchen der ersten Jahre nach 1925 zu spüren. Und wenige Monate später war es dann die Architektur, die die anderen am Goetheanum gepflogenen Künste einbinden und so die ihr gebührende zentrale Bedeutung für die anthroposophische Bewegung und jeden einzelnen Menschen einnehmen sollte.[106] Der Weltkrieg verhinderte die meisten weiteren Versuche in dieser Richtung. Das Bauen im Deutschen Reich und der Schweiz wurde auf ein Minimum reduziert und viele Architekten fristeten ihr Dasein mit dem Bau von Schutzräumen o. ä. Erst 1948 wurde die Architektenarbeit am Goetheanum wieder aufge­nommen.


Interpretieren und Architektur

Die Entwicklung der anthroposophischen Architektur ist damit natürlich noch nicht beendet, sondern zieht sich bis in die Gegenwart, wobei sich weniger die Ausdeutung, denn die Formen langsam ändern sollten. Die hier erzählte Geschichte beschränkte sich auf 14 wesentliche Jahre aus diesem Prozess. Sie versuchte zu zeigen, wie jenes feine Netz aus „Bedeutung“, Architektur und Menschen entsteht, das in seiner Gesamtheit nicht einfach nur die Addition der einzelnen Elemente ist, sondern das, was die Realität ausmacht, in der menschliches Handeln abläuft. Die Geschichte hat auch gezeigt, dass es eine Interpretation von Architektur im Sinne Bontas nur dann gibt, wenn man z. B. alle Aussagen zum Zweiten Goetheanum sammelt, ordnet und daraus ein einfaches Modell bildet. Die Detailstudie machte dagegen hoffentlich – wenigstens für die Jahre zwischen 1925 und 1939 – deutlich, dass es sich beim (sprachlichen) Interpretieren von Architektur nur um einen Aspekt des Ringens der Architekten und anderen Beteiligten um Verbündete in ihrem Kampf für die Durchsetzung ihrer Ziele und Wünsche handelt. Mag die Sprache in diesem Prozess ein wichtiges Hilfsmittel sein, so bildet sie doch nur einen Bereich daraus. Denn das Interpretieren, „Übersetzen“ geschieht auf so vielen Ebenen, wie man als Handelnder (z. B. als Architekt) Akteuren (Architektenkollegen, Bauherren, Behörden, Bau­materia­lien, Werkzeuge) gegenübersteht, hinsichtlich derer man seine Ziele anpassen muss, um sie als „Helfer“ zu gewinnen. Das heißt, indem der Architekt oder auch der Architekturkritiker handelt, interpretiert er stets schon die eigene Lage (so wie sie sich ihm darstellt). Mit den Skizzen, Entwürfen, Bauplänen, seinen Argumenten im Gespräch mit der Bauherrschaft, der Behörde, den Handwerkern, mit den Interpretationen in einer Bauzeitschrift gestalten sie die bestehenden Verknüpfungen zwischen den Akteuren um oder stärken sie, indem sie bestehende Verbindungen nutzen. Die Ergebnisse dieses Prozesses sind angesichts der vielen Beteiligten, die sich ja nie statisch verhalten und keineswegs nur auf ihren Einbezug in die Vorhaben des Architekten warten, immer etwas überraschend[107] und fordern wieder zu neuen Übersetzungen auf, wenn man nicht „verlieren“ möchte. Jedes Gebäude eines anthroposophischen Architekten war so für alle Beteiligten eine Überraschung, genauso wie das Kayser-Buch von 1933. Entstanden vermutlich auch aus Gründen, das „organische“ Architekturschaffen einer breiteren Öffentlichkeit nahe zu bringen und damit den Planern Aufträge und das Umsetzen ihrer Wünsche zu ermöglichen, schuf es wie die Bauten ein Faktum, das nicht zu umgehen war und zur Abgrenzung von richtigem und falschem neuen Bauen führte. So entwickelte sich um und mit dem neuen Baustil ein gewisses Maß an Stabilität in einem höchst instabilen Umfeld: die feste, folgerichtige Verbindung zwischen dem Tun der Architekten, ihren Entwürfen und dem Sprechen über diese Entwürfe: der „Interpretation“; eine Stabilität, die sich nur durch das gleichzeitige Handeln vieler in Gedankenaustausch und gedanklicher Wechselwirkung stehender Beteiligter entwickeln konnte. Es entstand das, was mit den Worten Ludwik Flecks in diesem Zusammenhang sehr passend als „Denkstil“, als Art und Weise die Welt zu sehen, bezeichnet werden kann.[108]

Diese Stabilität ist es, die Bonta als „Kanonisierung“ bezeichnete und die tatsächlich in einem Prozess vielfältiger Wechselbeziehungen vielleicht sogar in Schritten, ähnlich wie in Bontas Modell, entsteht. Nur ist sie eben nicht das Aufsetzen von Bedeutungen auf eine vom Menschen abgesonderte Außenwelt, sondern sie ist das immer wieder hinterfragte, sich ständig wieder verändernde, überraschende Ergebnis menschlichen Handelns in einer Welt verschiedenster Akteure, in dem, was schließlich unsere Welt ist.
 



Bildlegenden:

Abbildung 1: Rudolf Steiner / Carl Schmid-Curtius, Erstes Goetheanum, Dornach, 1913-1923.

Abbildung 2: Rudolf Steiner u. a., Glashaus, Dornach, 1913/1914. Man beachte die sich zueinander neigenden Fensterformen.

Abbildung 3: Rudolf Steiner / Ernst Aisenpreis, Haus Schuurmann, Dornach, 1924/1925.

Abbildung 4: Rudolf Steiner u. a., Haus Duldeck (Haus Grosheintz), Dornach 1915 bis ca.1918.

Abbildung 5: Rudolf Steiner / Baubüro am Goetheanum, Zweites Goetheanum, Dornach, 1924-1928.

Abbildung 6: Rudolf Steiner u. a., Eurythmeum (Rudolf Steiner-Halde), Dornach, 1923. Rechts das umgestaltete Haus Brodbeck, ein ehemaliges Landhaus aus der Zeit kurz nach der Jahrhundertwende.

Abbildung 7: Hermann Ranzenberger, Umbau Haus Efringerweg 2, Dornach, Anfang zwanziger Jahre zwanzigstes Jahrhundert.

Abbildung 8: Carl Kemper / Otto Moser, Haus Jewsiejenko, Dornach, um 1930. Das „Auge“ unter dem Dach weist in Richtung Goetheanum.

Abbildung 9: Mieta Waller-Pyle / Ernst Aisenpreis, Anthea-Institut, Dornach, um 1928.

Abbildung 10: Hermann Ranzenberger, Haus Messmer, Dornach 1936, durchgestalteter Eingangsbereich mit Gartentor und Gartenmauer (Foto 2005).

Abbildung 11: Dach-Wand-Übergang am Eurythmeum.

Abbildung 12: Otto Moser, Haus „Zu den sieben Zwergen“, Dornach, um 1928, der Anbau im Vordergrund erfolgte später.

Abbildung 13: Hermann Ranzenberger, Haus Dall´Armi, Arlesheim, um 1930.

Abbildung 14: Erwin Drescher, Haus Rust, Dornach, 1934.

 

Abbildungsnachweis:

Abbildung 1: Da der „Verlag am Goetheanum“ als Rechteinhaber an einem Großteil der Fotografien des Ersten Goetheanum sich nach meiner Anfrage zu einer Veröffentlichung der geplanten Abbildung leider nicht geäußert hat, muss ich an dieser Stelle auf folgenden Link verweisen:
http://www.goetheanum.org/690.html.

Abbildungen 2-14: Autor
 



Literaturverzeichnis:

[o. A.]: Sondernummer von „Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht“, 3. Jg., Nr. 9, 28. Februar 1926.

[o. A.]: Kauf- und Warenhäuser aus aller Welt, ihre Architektur und Betriebseinrichtungen, bearbeitet von Georg Grimm, Berlin 1928.

[o. A.]: Arbeitswoche der Architekten – am Goetheanum, Dornach, in: Anthroposophie, 14. Jg., Heft 1, Oktober 1931, S. 77f.

[o. A.]: Ausschnitt Basler Nachrichten Nr. 2, 2. Januar 1933, in: „Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht“, 10. Jg., Nr. 4, 22. Januar 1933, S. 16.

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Anmerkungen:

[1] Bonta 1982.

[2] Bonta 1982, S. 255.

[3] Zum Überblick: Belliger/Krieger 2006.

[4] Vgl. Latour 2002, S. 381.

[5] Pehnt 1973, S. 137-148; Pehnt 1985 und Pehnt 1991.

[6] Vgl. z. B. Pehnt 1973, Bachmann 1981, Köllner 1981, Ohlenschläger 1999, aus anthroposophischem Umfeld vor allem Raab/Klingborg/Fant 1972, Biesantz/Klingborg 1978, Kemper 1984, Zimmer 1985.

[7] Vgl. van de Ree 2001, S. 65.

[8] Vgl. z. B. Krause-Zimmer 1995, von Baravalle 2003/2004.

[9] Der Architekten-Begriff muss dabei im Sinne seiner Zeit etwas weiter gefasst werden. Nur ein Teil der Baubüromitarbeiter der ersten Jahre bestand tatsächlich aus akademisch ausgebildeten Architekten (z. B. Carl Schmid-Curtius). Der andere Teil, darunter u. a. Ernst Aisenpreis und vermutlich Hermann Ranzenberger, gehörte wohl eher zu den Absolventen der Baufachschulen.

[10] Der Österreicher Baravalle legte das Adelsprädikat bei seiner Einbürgerung in die Schweiz ab, in diesem Text wird er durchgehend ohne Prädikat genannt.

[11] Das Wirken von Architekten, die in anderen Orten der anthroposophischen Bewegung nahe standen (mit der Ausnahme Georg Nemes), ist noch weniger dokumentiert als das der Dornacher und Stuttgarter Baukünstler. Vgl. aber z. B. für Dresden: Oberhuber 2003/2004.

[12] Der innerhalb der anthroposophischen Architekturdiskussion verwendete Stilbegriff ist relativ diffus, da er zwischen hermeneutischen Konzepten (Stil als Ergebnis einer Weltanschauung ohne formale Festlegungen) und formalen Aspekten (einheitliches Erscheinungsbild) verschwimmt. Im folgenden wird „(Bau)-Stil“ im damals gebräuchlichen Sinne (als Begriff für den damals gebräuchlichen Sinn) verwendet.

[13] Vgl. die Zusammenstellung auf http://www.goetheanum.org/1627.html (20.05.2008)

[14] Vgl. neben den in Anm. 6 genannten vor allem Fäth 2005.

[15] Vgl. vor allem Lindenberg 1988 und 1997 sowie Zander 2007.

[16] Titel des Vortragszyklus Rudolf Steiners vom 18.05.-09.06.1923 (Steiner 1961).

[17] Nemes 1933, S. 13.

[18] Steiner, Rudolf: Gesichtspunkte zur baulichen Gestaltung der anthroposophischen Kolonie in Dornach. Vortrag Berlin, 23. Januar 1914, in: Steiner 1982, S. 38-43.

[19] Rudolf Steiner, Der Dornacher Bau – Ein Haus der Sprache, Vortrag zur Einweihung des Künstlerateliers, Dornach, 17. Juni 1914, in: Steiner 1982, S. 62-74, hier S. 64.

[20] „Was einzig überkommen war auf mich: nichts als die Angabe Rudolf Steiners, daß zwei ineinandergeschobene Kreise etwa Zuschauerraum und Bühne sein könnten“, Carl Schmid-Curtius in: Kemper 1984, S. 187.

[21] Die heute gebräuchliche Erklärung sind Fehler Schmidt-Curtius´ bei der Bauausführung, wobei die Quellenlage relativ dünn ist.

[22] Vgl. Zimmer 1985, S. 24-45.

[23] Vgl. Zimmer 1985, S. 232-243.

[24] Steiner ging mit Goethe davon aus, dass sich in der Natur z. B. aus einem Grundprinzip wie der „Urpflanze“ durch Metamorphose, d.h. Umwandlungen, z. T. Umstülpungen alle verschiedenen Pflanzenarten erklären lassen. Dieses Prinzip wollte Steiner auch auf die Architektur angewandt wissen, wobei in Dornach das Goetheanum als „Urprinzip“ gelten sollte, aus dessen Grundmotiv sich die Bauten des Hügels zu entwickeln hätten. Vgl. z. B. Steiner 2000, S. 148-172.

[25] Dass die Ausformung dieser Häuser in engem Zusammenhang mit ihrem Standort in Bezug auf das jeweilige Goetheanum zusammenhängt, ist sehr wahrscheinlich. Mit dem Brand des Ersten und der Errichtung des Zweiten Goetheanum hat aber z. B. das Glashaus seine direkte formale Verbindung zum Hauptbau verloren und wirkt nun eher als Erinnerungsstück für das Erste Goetheanum.

[26] Das Büro existierte etwa zwischen 1919 und 1922 in Dornach und Bern und sollte in Anlehnung an die mittelalterliche Bauhüttentradition Planung und Ausführung (in der Bauhütte Bay) verbinden.

[27] Nemes 1933, S. 14.

[28] Vgl. Zimmer 1985, S. 74-103.

[29] Vgl. z. B. Ranzenberger 1932, [S. 2], das Wettbewerbsmodell für den Columbusleuchtturm in Santo Domingo in: Kayser 1933b, S. 29 oder von Baravalle 2003/2004, S. 28, sowie Benirschke 1960.

[30] Wegman 1925, S. 69 und Steiner, M. 1928a, S. 158.

[31] Zur Gemeinsamkeit via Baumotiv-Metamorphose vgl. Baravalle 1952.

[32] Dadurch fiel in der Ausführung der im Modell vorhandene markante Dachversprung fort.

[33] Peter Meyer über das Eurythmeum, die heutige Rudolf Steiner-Halde. Meyer 1924, S. 204.

[34] 1499 fand die entscheidende, blutige Schlacht im sogenannten Schwabenkrieg auf dem Gelände statt, auf dem dann das Goetheanum errichtet wurde (daher der Name). Die Schweizer siegten über die deutschen Landsknechte.

[35] Vgl. als zeitgenössische Quelle Meyer 1924 oder im Rückblick Hagmann 2004.

[36] Vgl. Steiner 1924, wieder abgedruckt in: Steiner 1982, S. 119f.

[37] Vgl. z.B. Brief Ernst Fiechters an die Redaktion der Schweizerischen Bauzeitung, in: Meyer 1925, S. 88f.

[38] Steiner 1985, S. 239-252

[39] Steiner 1985, S. 260.

[40] Vgl. z. B. Marie Steiners Nachwort zu Steiner 1932, S. 11.

[41] Die Sicht jener Jahre auf den Ersten Bau trifft wohl folgendes Zitat: „Eine kleine Gruppe Menschen meißelte in den Jahren des Weltkrieges aus ungeheuren Holzblöcken einen kostbaren Hallenbau heraus. Unter diesen Menschen wob inniges Vertrauen von Herz zu Herz und so wob von Hand zu Hand sich belebte Form in das empfängliche Holz hinein.“ Dörfler 1927, S. 11.

[42] Man sollte allerdings wissen, dass der erste Bau auch durch Goldmark-Darlehen entstand, die dann nach dem Ersten Weltkrieg, während der Inflation in Deutschland und Österreich in Papiergeld zurückgezahlt wurden und manche Existenz ruinierten.

[43] Vgl. [o. A.] 1926.

[44] Vgl. Wegman 1925, S. 70.

[45] Die zweite Frau Rudolf Steiners gehörte vermutlich auch zur relativ großen Gruppe von Anthroposophen, „die den verlorenen Bau geliebt“ hatten, vgl. Steiner, M. 1928b.

[46] Steiner 1926 (Der Titel „Wege zu einem neuen Baustil“ sollte dann als Schlagwort für die Ziele der anthroposophischen Architekten dienen und hat es so auch in die Überschrift dieses Textes geschafft.), Steiner 1930 und mit vielen Abbildungen Steiner 1932.

[47] Vgl. z. B. Piper 1931oder [o.A.] 1933.

[48] Ranzenberger 1927c, S. 131.

[49] Vgl. Ranzenberger 1922a und 1922b sowie 1923a und 1923b. Ranzenberger hatte bereits in einem 1919 entstandene Manuskript auf die Notwendigkeit regster Vortrags- und Aufsatztätigkeit zur Propagierung anthroposophischen Kunstwollens hingewiesen (in Dossier Ranzenberger im Rudolf Steiner Archiv Dornach).

[50] Ein Beispiel: „Soll nun also die Wahrheit, dass die Architekturen aller Zeiten der formgewordene Ausdruck der Geistes- und Seelenart der Menschen und dass sie die kunstgestalteten Impulse der Weltanschauungen sind, weiterhin gelten, dann muss unsere jetzige, vom freien, selbständigen, tätigen ‚Ich’ getragene Kultur als das nur ihr Eigentümliche die Bewegung hinter die bisher ruhende Form bringen, denn das ‚Ich’ durcheilt gemäss seiner innersten Willens-Bewegungsnatur die Zeiten, es erobert von Stufe zu Stufe immer höhere und immer tiefer Geheimnisse der Welt und es vereint und löst kraft seiner Geistnatur Widerspruch um Widerspruch. Es wird und muss in die Form hineintragen die flutende Bewegung. Bewegung ist in und hinter der Form, wenn die Materie im `Ich´ genossen wird und wenn sie durch das ‚Ich’ gestaltet ist.“ Ranzenberger 1927c, S. 132.

[51] Vgl. z. B. Ranzenberger 1922a.

[52] Sehr deutlich auch Felix Durach 1930: „Wir können aus den sachlichsten Überlegungen heraus, die sich aus einer solchen Betrachtung einer baugeschichtlichen Entwickelung ergeben, den Bau des ersten Goetheanum als die geschichtlich folgerichtige Station des Baugedankens sehen.“ Durach 1930, S. 45.

[53] Ranzenberger 1927a, S. 15.

[54] Vgl. z. B. Ranzenberger 1927b, Nemes 1931a oder Kayser 1933a.

[55] Ranzenberger 1926a, S.334.

[56] Vgl. Nemes 1933, S. 13.

[57] So Ranzenberger 1926: „Auf allen Gebieten des Lebens herrscht Sturm und Drang. Auch in der Baukunst. Die Konvention ist zerrissen. Ihre Fetzen fliegen in der Luft. Form, Mass, Zahl, Gleichgewicht, Verhältnis, Dynamik, Ruhe und Bewegung sind explodiert. Was wirkt im Chaos? Eine Geburt? Ein Abgrund? [...]“ Ranzenberger 1926b, S. 92.

[58] Kayser 1932, S. 74.

[59] Vgl. Anm. 29.

[60] Vgl. z. B. Ranzenberger 1922b.

[61] Vgl. Ruthenberg 1927 und Schwebsch 1927.

[62] Vgl. z. B. Ranzenberger 1926c oder Ranzenberger 1927d.

[63] Kommentar J. Gantners zu Ranzenberger 1927d, S. 223.

[64] Nemes 1930, S. 163.

[65] [o.A.] 1928, Besprechung: Ranzenberger 1929c.

[66] Wilms 1928, Besprechung: Ranzenberger 1929b.

[67] Nemes 1930, S. 161.

[68] Meyer 1931b, S. 146.

[69] Ranzenberger 1931.

[70] Moser 1931.

[71] Auszüge in: Meyer 1931c, gesamt: Nemes 1931a.

[72] Meyer 1931a.

[73] Meyer 1931c.

[74] Ähnlich ging es Meyer übrigens mit Sigfried Giedeon und anderen Protagonisten des Neuen Bauens, deren Aussagen er hinterfragte und die der Diskussion auswichen. Vgl. Medici-Mall 1998, S. 2f.

[75] Kayser 1933b.

[76] Vgl. vor allem die auf einer Hausbesitzerbefragung basierende Zusammenstellung von Daten anthroposophisch wirkender Häuser von Markus Fischer im Planarchiv am Gotheanum.

[77] „Es hätte anschließend an das Goetheanum eine kleine Kolonie zustande kommen sollen. Der Krieg hat das verhindert. Ich habe, als das Denken darüber noch aktuell war, vor allem an die Architektur des Terrains gedacht und wollte die Einzelbauformen daraus entstehen lassen. Aber später hat der eine oder andere sein Häuschen nach seiner Spezialidee und seinen Spezialbedürfnissen gebaut; und das gibt natürlich die Scheußlichkeiten, die nur verschwinden können, wenn Gedanken wie die von Ihnen gehegten [d. h. Schwagenscheidts Raumstadt-Pläne, d. A.] Verbreitung im allgemeinen Bewußtsein finden.“ Brief Rudolf Steiner an Walter Schwagenscheidt vom 18. Juli 1922, in: Steiner 1987, Brief 648, S. 478-480.

[78] Brief Storrer an Reinhart vom 27. Mai 1927, in: Lienhard 2003, S. 160f.

[79] Baravalle 1936, S. 146.

[80] So mündliche Berichte in Dornach.

[81] Die Häuser der Architekten, mit Ausnahme Ranzenbergers, waren allerdings sehr minimiert gehalten.

[82] Nemes 1931b, S. 185.

[83] Vgl. Brief Messmer an Steiner vom 20.09.1909, in: Rudolf Steiner Archiv, Dossier Messmer, oder Messmer 1912.

[84] Otto Moser in: Kayser 1933b, S. 31.

[85] Steiner selbst hatte die einachsige Symmetrie seiner Bauten (ähnlich wie Ernst Haeckel beim Phyletischen Museum) immer wieder betont, wollte sie jedoch nicht so streng genommen wissen, wie es in der Folge oft geschah.

[86] Steiger 1924.

[87] Vgl. z. B. Ranzenbergers Bauten in Arlesheim, die fast alle eine Ausrichtung von Südwest nach Nordost, diagonal zu den Grundstücksgrenzen, besitzen.

[88] Rudolf Steiner, Der Dornacher Bau – Ein Haus der Sprache, in: Steiner 1926, S. 17-30, hier, S. 27.

[89] Gessner 1931.

[90] [o. A.] 1931.

[91] „Die Dornacher Künstler haben in so schöner, lebensvoller Weise vom Zusammenarbeiten mit ihrem Lehrer erzählt, dass aus diesen Schilderungen, den Vorträgen, Lichtbildern und Modellen eine lebendige Vorstellung vom Wesen des ersten Goetheanum auch für diejenigen entstehen konnte, die nicht das Glück gehabt haben, es in Wirklichkeit schauen zu dürfen, und dass es beim Studium der übrigen Dornacher Bauten möglich wurde, eine Erkenntnis davon zu erarbeiten, was gewollt und was bei der Ausführung erreicht war. […] Den auswärtigen Teilnehmer fiel vornehmlich die Aufgabe zu, Erfahrungen und Probleme aus ihrer Praxis heranzutragen, so dass es zu ergiebigen Aussprachen über die Grundfragen der Baukunst kam […]“ Gessner 1931.

[92] [o. A.] 1931, S. 77f. Vgl. a. Kayser 1932.

[93] [o. A.] 1931, S. 78.

[94] Baravalle 1928.

[95] Gessner 1931.

[96] Nemes 1931b, S. 185.

[97] Eicken 1932.

[98] Kayser 1933b, S. 4

[99] Baravalle 1937, S. 114

[100] Ein Grund der starken Orientierung auf die Innenraumgestaltung dürften auch die strengeren Bauvorschriften in Deutschland gewesen sein, die möglicherweise einiges zur speziellen relativ schlichten „Stuttgarter“ Ausformung anthroposophischen Bauens beigetragen haben.

[101] Vgl. z. B. Ernst Uehlis Besprechung des Buches: „Anfänge können nicht Fertiges oder Vollkommenes sein, und Anfängen hafteten auf allen Gebieten, sofern es sich um Neugeburten handelt, die Eierschalen des Zustandes an, der überwunden werden soll. [...] Das Theoretisieren, Diskutieren, Kritisieren hat einem mutvollen Beginnen Platz gemacht.“ Uehli 1933.

[102] Vgl. zur Baravalle-Biographie z. B. von Baravalle 2003/2004. Baravalle sollte in den nächsten Jahrzehnten noch weitere Rekonstruktionen vor allem zum Ersten Bau erstellen, so zwei Innenraumdarstellungen und ein Modell 1:100, das neben dem Modell des Zweiten Goetheanum auf der Weltausstellung 1937 in Paris gezeigt wurde.

[103] Baravalle 1933, S. 199.

[104] „In einer stark bewegten Gesamtform stellt er das Wechselspiel der Kräfte in ein derartiges Verhältnis, dass es von einem Organischen aus gestaltet erscheint. Dieses Organische ist dann bis ins Einzelne durchgeführt, so dass das Bauwerk als absolut geschlossene Einheit erscheint.“ Baravalle 1936, S. 146.

[105] „Im organischen Werden geht die Entwickelung immer durch das Komplizierte zu einer gehaltvollen Einfachheit, wie uns Dr. Steiner lehrt, und im allgemeinen wünscht man Herrn Nemes, zu dieser reinen, herben Klarheit der Form vorzuschreiten, die durch das Komplizierte schon hindurchgeschritten ist, bei der die Lage zweier Flächen im Raum mehr spricht, als die kompliziertesten Formzusammenhänge, weil sie in den Kraftlinien des Geistes liegen.“ A.a.O.

[106] Ranzenberger 1937, S. 48.

[107] Latour 2002, S. 345

[108] Fleck 1980.


 


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