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Autor: Avenarius, Ferdinand
In: Die Durchgeistigung der deutschen Arbeit: Wege und Ziele in Zusammenhang von Industrie, Handwerk und Kunst. - 1. - 10. Tsd. - Jena: Diederichs. - 1912. - Ill., 116, 109 S.: zahlr. Ill. (Deutscher Werkbund: Jahrbuch des Deutschen Werkbundes; 1912)
 
Wechselrede über ästhetische Fragen der Gegenwart
 
Auf der Jahresversammlung 1911 Ferdinand Avenarius, Dresden

DEM, was Herr Professor Fischer sprach, muß ich beipflichten. Weshalb ich mich zum Wort gemeldet habe, das ist der immer wieder auftauchende Gegensatz zwischen Heimatschutz und Werkbund. Ich halte diesen Gegensatz aus taktischen Gründen für so gefährlich, daß ich glaube, wir sollten von unserer Seite aus alles tun, um ihn beiseite zu schaffen. Halten wir uns doch an die Tatsachen. Wann hat jemals der Heimatschutz irgendwie und irgendwann einen wichtigen künstlerischen Bau verhindert? Dann hat er auch weitere Aufgaben, als insbesondere der Architektur. Die Architektur soll den Hintergrund bilden für unser seelisches Leben. Aber auch die Heimatschutzbewegung steht auf großen Hintergründen. Unsere Heimat hat auch sonst noch an Ruinierung genug zu leiden. Denken Sie an die Pflege der Bäume, die Pflege der Vogelwelt, an alle diese Dinge, die ganz außerhalb des Werkbundes liegen, wohl aber innerhalb der Aufgaben des Heimatschutzes. Herr Geheimrat Muthesius hat zu meiner Freude den Ausdruck »Ausdruckskultur« gebraucht. Als ich zuerst diese Bezeichnung vorschlug, wurde sie zunächst sehr bekämpft. Umsomehr freut es mich, sie von Herrn Muthesius akzeptiert zu sehen. Aber Ausdruckskultur greift weiter als ästhetische Kultur, und darauf müssen wir uns bedenken. Wenn wir uns hier in der hochverdienstlichen Hygieneausstellung befinden, sehen wir sehr viele ganz interessante Sachen über Alkohol und dessen Schädigungen. Etwas weiter befinden sich Restaurants, in denen man Schnaps trinken muß oder Bier oder Sekt. Dies ist auch ein Zeichen von mangelnder Ausdruckskultur, obgleich ästhetische Kultur nichts damit zu tun hat. Wir werden zu einer wirklichen ästhetischen Kultur auch nicht kommen, bevor ein Bedürfnis nach Zusammentreffen von Schein und Sein auf viel weitere Gebiete ausgedehnt ist.

siehe auch:
Gurlitt, Cornelius
Osthaus, K. E.
Fuchs, C. J.
Schäfer, Karl
Schmid, Max
Fischer, Theodor
Muthesius, Hermann