Ein Klick auf das Druckersymbol startet den Druckvorgang des Dokuments Drucken
 
Autor: Fuchs, C. J.
In: Die Durchgeistigung der deutschen Arbeit: Wege und Ziele in Zusammenhang von Industrie, Handwerk und Kunst. - 1. - 10. Tsd. - Jena: Diederichs (1912) - Ill., 116, 109 S.: zahlr. Ill. (Deutscher Werkbund: Jahrbuch des Deutschen Werkbundes; 1912)
 
Wechselrede über ästhetische Fragen der Gegenwart
 
AUF DER JAHRESVERSAMMLUNG 1911
C. J. Fuchs, Tübingen:

Ich möchte nur ein paar Worte sagen über das Verhältnis zwischen Heimatschutz und Werkbund. Ich habe den bedauerlichen Eindruck, als ob sich hier Gegensätze anbahnten oder Gegensätze ausgesprochen würden, namentlich von Seiten des Werkbundes, dem ich ebenfalls angehöre, die nach der Auffassung des Heimatschutzbundes nicht vorhanden sind. Wir verstehen unter Heimatschutz nicht nur die Erhaltung der alten Schönheiten und Förderung der Kultur und Natur, wir verstehen auch nicht darunter nur das, was neu geschaffen wird in alten Formen. Heimatschutz ist durchaus nicht identisch mit Heimatkunde. Diese erscheint uns unter Umständen nur als ein Mittel zur Erreichung unserer Ziele. Sondern wir verstehen unter Heimatschutz im weiteren Sinne alles das, was ohne dem Alten gleich zu sein, sich in seiner Neuheit dem Alten harmonisch anfügt. Wenn das Neue von wirklichen Künstlern gemacht wird, wird es alte Schönheitswerte niemals zerstören. Kunstwerke vertragen sich immer, wenn sie auch noch so verschieden im Stile sind. Wir müssen doch auch auf das Ganze sehen und uns die praktischen Aufgaben vergegenwärtigen, die hier bestehen. Und die Zahl der Künstler, die derartiges schaffen können und etwas eigenartiges Neues gut den alten Schönheiten anzureihen verstehen, ist doch gering. Gerade der Werkbund muß auch rechnen mit der Durchschnittsaufgabe der Masse der Bauunternehmer und Werkmeister, und ich glaube, wir gehen viel sicherer, wenn wir diese dahin bringen, alte Formen, heimische Bauweise anzuwenden. Dadurch würde mehr herauskommen, als wenn sie hervorragende Künstler nachahmten. Was da entsteht, haben wir beim Jugendstil erfahren. Ich glaube, daß wir diese beiden Sachen dabei wohl unterscheiden müssen. Der Werkbund will doch sicher nicht nur die freie Betätigung der Künstler in der wirtschaftlichen Produktion, in der gewerblichen Arbeit fördern, sondern er will die Massen dahin bringen, etwas zu leisten, was der Künstler in der Regel gar nicht übernehmen wird und wobei er nicht zugezogen werden kann, weil es zu kostspielig würde. Der Werkbund will doch auch die Masse der Produktion durchgeistigen und veredeln, und das geschieht jedenfalls am besten, wenn man sich an alte und bewährte Formen hält, die Jahrhunderte schon durch eine gewisse Tradition herausgebildet haben. Das ist das, was der Heimatschutz will. Wenn Sie die Sache von diesem Gesichtspunkte aus betrachten, dann werden Sie sehen, daß ein Gegensatz zwischen Werkbund- und Heimatschutzbewegung gar nicht vorhanden ist, und ich möchte dringend davor warnen, daß nach außen hin dieser Gegensatz, der eigentlich gar nicht besteht, weiter verschärft wird. Unsere gemeinsamen Feinde, die Vertreter einseitig wirtschaftlicher Interessen, die nicht bereit sind, die gewerbliche Arbeit zu veredeln, werden solche Anzeichen eines Gegensatzes zwischen uns immer mit Freuden aufgreifen und gegen uns ausbeuten. Für Heimatschutz und Werkbund muß es heißen: Getrennt marschieren, aber vereint schlagen.

siehe auch:
Gurlett, Cornelius
Osthaus, K. E.
Schäfer, Karl
Schmid, Max
Fischer, Theodor
Avenarius, Ferdinand
Muthesius, Hermann