Ein Klick auf das Druckersymbol startet den Druckvorgang des Dokuments |
Autor: Mies van der Rohe, Ludwig |
In: Frühlicht - (1922); 1. - S. 122 - 124 |
Hochhausprojekt für Bahnhof Friedrichstraße in Berlin |
Nur im Bau befindliche Wolkenkratzer zeigen die
kühnen
konstruktiven Gedanken, und überwältigend ist dann
der Eindruck der hochragenden
Stahlskelette. Mit der Ausmauerung der Fronten wird dieser Eindruck
vollständig
zerstört, der konstruktive Gedanke, die notwendige Grundlage
für die künstlerische
Gestaltung vernichtet und meist von einem sinnlosen und trivialen
Formenwust überwuchert.
Im besten Fall imponiert jetzt nur die tatsächliche
Größe, und doch hätten diese
Bauten mehr sein können als eine Manifestation unseres
technischen Könnens. Allerdings
müßte man auf den Versuch verzichten, mit den
überlieferten Formen eine neue Aufgabe zu
lösen, vielmehr ist aus dem Wesen der neuen Aufgabe heraus die
Gestaltung ihrer Form zu
versuchen. Das neuartige, konstruktive Prinzip dieser Bauten tritt dann klar hervor, wenn man für die nun nicht mehr tragenden Außenwände Glas verwendet. Die Verwendung von Glas zwingt allerdings zu neuen Wegen. Bei meinem Entwurf für das Hochhaus am Friedrichsbahnhof in Berlin, für das ein dreieckiger Bauplatz zur Verfügung stand, schien mir für diesen Bau eine dem Dreieck angepaßte prismatische Form die richtige Lösung zu sein, und ich winkelte die einzelnen Frontflächen leicht gegeneinander, um der Gefahr der toten Wirkung auszuweichen, die sich oft bei der Verwendung von Glas in großen Flächen ergibt. Meine Versuche an einem Glasmodell wiesen mir den Weg, und ich erkannte bald, daß es bei der Verwendung von Glas nicht auf eine Wirkung von Licht und Schatten, sondern auf ein reiches Spiel von Lichtreflexen ankam. Das habe ich bei dem anderen hier veröffentlichten Entwurf angestrebt. (S.122-23) Bei oberflächlicher Betrachtung erscheint die Umrißlinie des Grundrisses willkürlich, und doch ist sie das Ergebnis vieler Versuche an dem Glasmodell. Für die Kurven waren bestimmend die Belichtung des Gebäudeinneren, die Wirkung der Baumasse im Straßenbild und zuletzt das Spiel der erstrebten Lichtreflexe. Umrißlinien des Grundrisses, bei dem die Kurven auf Licht und Schatten berechnet waren, erwiesen sich am Modell bei der Verwendung von Glas als gänzlich ungeeignet. Die einzigen im Grundriß feststehenden Punkte sind die Treppen- und Aufzugstürme. Alle anderen Unterteilungen des Grundrisses sollen den jeweiligen Bedürfnissen angepaßt und in Glas ausgeführt werden. Mies van der Rohe |