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Autor: Schatteburg, Heinrich
In: Allgemeine Bauzeitung - 56 (1891); S. 89 - 92
 
Die Ornamente und die Farbe
 
A l l g e m e i n e s

Die Ornamente unserer Bauwerke sind ebenso wie ihre Begleiterin, die Farbe, nicht ihrer selbst wegen da, sondern zur Hebung und Belebung der Architektur. Dass sie deshalb sich der Architektur anzupassen, unterzuordnen haben, dass sie nur dort auftreten dürfen, wo sie in ihrer dienenden Stellung der Architektur aufzuhelfen vermögen, ist wohl selbstverständlich. Die Ornamente können der Architektur jedoch nur aufhelfen, wenn sie durch ihre Art und ihre Stellung zur Architektur, durch ihre Grösse und Form, durch ihre Einfachheit oder ihren Reichthum, durch ihre Masse und ihre Klarheit, oder ihren Aufbau und ihren Ausbau in geeigneter Weise obige Zwecke bekunden. Dieselben dürfen also  n i e  in solcher Masse und solchen Grösseverhältnissen auftreten, dass sie dadurch die Wirkung der Architektur beeinträchtigen. Als den Begleiterinnen der Architektur muss letztere ihnen die Plätze und ihre Grösse vorschreiben.


L a g e,  Z w e c k  u n d  A r t

Die Plätze, die sie bei einem architektonisch durchgebildeten Bauwerk einzunehmen haben, sind sehr verschieden nach ihrer Lage und ist demnach der Zweck ihres Daseins auch ein verschiedener so wie diesem gemäss auch ihre Art. Der Zweck kann in Folgendem bestehen: erstens in der Ausfüllung und Belebung leerer, lebloser Flächen, welche zwischen Architekturtheilen liegen, die durch ihre Art, Lage und Form sich gegen andere Architekturtheile hervorthun, und die durch ihren Formenreichthum einen zu grossen Kontrast gegenüber leeren Zwischenflächen bilden und deshalb mit zwingender Nothwendigkeit auch ein Hervorheben der Zwischenflächen erfordern, um Zusammenhang zu bekunden, also eine Trennung zu verhüten, die sonst sich unangenehm beim Beschauer bemerkbar machen würde; zweitens in der Verbindung mehrerer, gleichartiger Architekturtheile zu einem Ganzen, deren Gleichartigkeit und Zusammengehörigkeit hiedurch noch mehr hervorgehoben werden soll; drittens kann der Zweck bestehen in der Klärung einzelner Architekturtheile hinsichtlich der durch sie versinnbildlichten Thätigkeit. Je nach dem Zweck ist dann natürlich die Art der Ornamente verschieden und mit dieser der ganze Auf- und Ausbau, die Formung und Zusammenstellung, die Kraft und der Ausdruck u.s.w. Dieses Prinzip der Ornamentirung haben mehr oder weniger alle Völker zu allen Zeiten verfolgt, wenigstens in ihrer Blütezeit, freilich in verschiedener Weise. Der Grund hiefür ist im Volkscharakter, in den Lebensanschauungen, in der Umgebung der Menschen, in ihrer Religion u. s. w. zu suchen.


D a s  S c h a f f e n  a l s  e t w a s  A n g e b o r e n e s

Der Hang zur Verzierung ist jedem Volke als Instinkt gleichsam eigen und nimmt mit dem Fortschritte der Cultur zu, wobei die den Menschen umgebenden Naturschönheiten die Triebfeder abgeben, da das Schaffen der erste im Menschen aufkeimende Ehrgeiz ist, wie man schon bei kleinen Kindern bemerken kann, die gar bald das Bestreben zeigen, etwas in ihrer Art zu schaffen, wenn nur erst das Vorhandensein ihrer Gliedmassen und die Möglichkeit des Gebrauches derselben zum Bewusstsein gekommen ist. Freilich beruht hier das Schaffen nicht immer auf einem Verfertigen von etwas, sondern auch oft auf einem Zerstören von etwas, was gleichsam ein Schaffen im negativen Sinne ist. Der Trieb richtet sich dann mehr auf ein Verändern, als auf ein Verfertigen im guten, schönen Sinne. Letzteres tritt erst später hinzu, und zwar zeigt es sich oft in sehr anmuthiger, naiver Weise, wie beispielsweise bei den Bauten mit kleinen Steinen, die manche Kinder mit grosser Naivität ohne Vorlage auszuführen verstehen, dabei mag auch manchmal eine gewisse Anregung von Aussen das Ihrige mit dazu beitragen. Schon der roheste Indianer sucht sich zu schmücken, er will seinen Leib verschönern oder auch seinen Feinden Schrecken einjagen. Selbst der ärmste Arbeiter sucht sich zu schmücken, wenn er nicht ganz verroht ist, sei es auch nur durch ein Blatt am Hut oder durch eine Blume im Knopfloche. Schönheitssinn ist, kann man daher sagen, fast bei jedem Menschen vorhanden, doch in verschiedenen Graden. Eine Kunst würde  n i e  entstanden sein, wenn nicht der Mensch aus seinem Inneren heraus dazu getrieben würde.


D i e  E n t w i c k e l u n g  d e r  K u n s t

Die Entwickelung steht in engem Zusammenhange mit den dem Menschen durch die Natur gebotenen Vorbildern zur Nachahmung. Je form- und farbenreicher die Natur ist, desto mehr Gelegenheit ist den Sinnen zur Nachahmung, Entwickelung, Vervollkommnung gegeben, desto mehr schaffen sie, um die Umgebung des Menschen und seine Sinneseindrücke sich zu vergegenwärtigen. Aber nicht allein die Eindrücke, die die Umgebung der Natur in dem Menschen wachruft, fördern die Entwickelung, sondern auch Kultur, Machtstellung, Denkweise u. s. w. Mit der Sorge um's nackte Leben wird freilich der Horizont des Denkens eingeengt, der Kunstsinn bleibt stehen beim Nächstliegenden, beim Schmucke des Körpers u. s. w.; aber mit der Behaglichkeit des Lebens, mit der Vielseitigkeit der Beschäftigung wird auch der Kunsttrieb mächtiger, vielseitiger, er dehnt sich aus auf Wohnungen, auf deren Ausschmückung mit Bilderwerken, Inschriften u. s. w. Der Reichthum der zu Gebote stehenden Mittel kann aber auch zum Missbrauch führen. So lange die Kunst kämpfen muss, schafft sie Gutes, Wahres, Schönes, sobald sie aber im Genusse schwelgt, da wird sie leicht übermüthig, ausschweifend, geht über die Grenzen des Zulässigen hinaus, wird trivial. Vornehmlich muss der Geist, der einem Ornament innewohnen soll, ihm aufgeprägt sein, es muss aus ihm hervorleuchten das Zeugniss der Lust zum Schaffen. Dieses bemerken wir meist auffallend stark in den rohen Ornamentsversuchen wilder Stämme, denen wenig Vorbilder, wenig Phantasie, wenige und nur einfache technische Mittel zu Gebote stehen. Das Vergnügen, das wir beim Betrachten solcher Ornamentirungsversuche empfinden, wird freilich noch erhöht durch die Würdigung der Schwierigkeit, mit der die wilden Stämme die Ornamentirungen ausgeführt haben müssen, eine Würdigung, die sich uns beim Betrachten von selbst aufdrängt. Ueberall finden wir also Grund und Zusammenhang in der kunstgeschichtlichen Entwickelung, weshalb wir sie für einen Beweis für die organische Entwickelung der Phantasie halten müssen, wozu Talent und Genie die Anregungen geben. Die Phantasie erfindet ja eben für Stimmungen und Ideen die angemessene, sinnliche, Darstellungsform, die verschieden nach Bedürfniss und Material ist.

Wir sollten uns aber ein Beispiel nehmen an den Ornamenten der wilden Stämme, an diesen Ergebnissen natürlicher Instinkte, die beabsichtigten Zwecken entsprechen, während bei uns die Verzierungen oft verkehrt angewendet werden. Zuerst ist die passende Form zu schaffen und diese dann mit Schönheit zu schmücken, dagegen muss alles Angewöhnte, Erkünstelte ausser Acht gelassen werden. In welcher Weise nun die Ornamentirung und Bemalung bei den verschiedenen Völkern zum Ausdrucke gelangten und theils noch gelangen, das möge in Folgendem, soweit es hier von Interesse ist, für einige bemerkenswerthe Völker weiter besprochen werden, um dann hieran Betrachtungen über einige sich daraus ergebenden Regeln für derartigen Schmuck zu knüpfen. Diese Besprechung wird freilich manchem Leser nichts Neues bieten, doch wird dieselbe für diese wenigstens als eine Neubelebung des Gedächtnisses zu betrachten sein, als eine vielleicht nicht überflüssige Auffrischung. Ich will zunächst zu den maurischen Ornamenten übergehen, da diese einen grossen Theil der für die Ornamentirung und deren Bemalung zu beachtenden allgemeinen Regel in sich bergen.


D i e  m a u r i s c h e n  O r n a m e n t e

Wir finden bei ihnen die Anmuth und den feinen Geschmack der Griechen, die geometrischen Combinationen der Römer, die beredte Kunst der Aegypter; nur fehlt ihnen die Symbolik, die ihnen ihre Religion untersagte. Statt dessen finden wir aber hier reiche Inschriften, reich sowohl durch die Form, die Verschlungenheit ihrer Darstellungen, als auch reich ihrem Inhalte, ihrer Sprache nach. Vornehmlich sehen wir diese Merkzeichen in der berühmten Alhambra vertreten. Hier kann man wahre Ornamentik sehen und lernen, hier kann man sich ergötzen in wohlthuender Weise, hier wird man überwältigt von der wunderbaren Pracht der Farben, ihren Reichthum und Wechsel, von der Alles übertreffenden Pracht der Kuppeln. Die Erbauer selbst waren ja von der Grösse und Pracht so überzeugt, dass sie meinten, selbst die Sterne erbleichen in ihrem Glanze aus Neid über so viel Schönheit. Hier kann man deshalb Ornamentik studiren, an diesem Born ewiger Schönheit kann man die ewig gültigen Regeln der Ornamentik in voller Würdigung ihres Werthes beachtet sehen, und aus diesem Grunde habe ich diese Ornamente zunächst hier erwähnt. Schon zu Anfang habe ich hervorgehoben, dass die Ornamentik eine Dienerin der Architektur sein soll, dass sie ihr zu folgen, sich ihr anzupassen hat, dass sie nur dort aufzutreten hat, sich nur dort entwickeln und in einer Art entwickeln soll, wo und wie die Architektur es erheischt. Sie soll sich also nicht um ihrer selbst willen entwickeln, sich beliebig selbst aufbauen, konstruiren, sondern nur die im Aufbaue der Architektur sichtbar hervortretende Konstruktion verzieren aber nicht eigens konstruiren. Dieses Prinzip sehen wir in der maurischen Baukunst deutlich hervortreten. Wir sehen hier das natürliche Hervorwachsen der Ornamente aus der Konstruktion, ja noch mehr: wir sehen hier die Konstruktion der Architektur allüberall in den Verzierungen angedeutet. Freilich muss eine derartige Konstruktion auch wirklich Konstruktion sein, das heisst sie muss aus dem ganzen organischen Zusammenhange eines Bauwerkes als solche sichtbar hervorgehen. Ist dieses nicht der Fall, so ist das Gemüth nicht beruhigt, und wird deshalb beim Betrachten des Ornaments gestört, unangenehm berührt. Auge, Verstand und Gefühl muss allüberall befriedigt sein.

Diese Regel wurde bei den Mauren stets beobachtet, so dass alles Ueberflüssige, Alles, was nicht organisch aus dem Ganzen herauswächst, vermieden ist. Dasselbe sehen wir beobachtet bei Ornamenten anderer Kunstepochen, so lange sie in Blüte waren; erst mit dem Verfalle sehen wir hier sich einen Wandel vollziehen, oder auch, wenn die Kunst zum Stillstande gekommen, wenn sie nicht mehr frisch schafft, sondern vor lauter Gebotenem nicht recht mehr zur Besinnung, zum Nachdenken kommt, fast nur bereits Vorhandenes nachahmt, ohne es studirt, ohne es verstanden zu haben, ohne den Geist zu besitzen, den die sie schaffenden Künstler früher besassen. Das ist also das erste Merkzeichen der Ruhe, das jedem Ornamente anhaften soll, um schön zu sein. Aber auch ein zweites Merkzeichen erfordert die Ruhe. Alle Linien, wenigstens diejenigen, welche einem Ornament die Hauptrichtung geben, sollen aus einander entspringen, gleichsam aus einander hervorwachsen, ohne hervorstechende seitliche Auswüchse. Das Ganze gewinnt dadurch den Anschein des Vollständigen, des Fertigen, von dem Nichts fortgenommen, zu dem auch Nichts hinzugefügt werden kann. Das ist ja auch eben das Zeichen der Schönheit, dass etwas  v o l l k o m m e n  ist, denn ohne diese Eigenschaft gibt es nichts Schönes, da es dem Charakter, der Definition des Schönen widersprechen würde. Bei alledem sieht man hier aber drittens stets  d a s  Prinzip, das ebenfalls zur Hervorbringung von Ruhe gehört, durchgeführt, dasjenige nämlich, dass die Hauptbewegung des Ornaments, die Hauptlinien, sich am klarsten abheben, am meisten in's Auge fallen, und erst in zweiter Linie die Nebenbewegungen, die Nebenlinien sich bemerkbar machen und erst ganz zuletzt die feineren Einzeltheile der Ornamente, Blätter u. s. w. Zwischen den Haupt- und Nebenlinien finden wir dann die Zwischenräume in gleichmässig klarer Weise mit Ornamenten ausgefüllt, worauf die bekannte harmonische Schönheit der maurischen Ornamente beruht. Alles ist bei ihnen in gegenseitigem Gleichgewichte.

Viertens finden wir im vollkommenen Ornamente den organisch aus der Wurzel entspringenden und sich entwickelnden Aufbau vertreten. Es ist auch eine Hauptsache, dabei zugleich ein Ornament richtig der zu verzierenden Fläche anzupassen und gerade auch hierin haben die Mauren Grosses geleistet, so dass man oft im Zweifel ist, ob die Flächenform dem Ornament angepasst ist, oder umgekehrt. So sehr ist Alles ein zusammengehöriges Ganzes und die Wirkung eine gemeinschaftliche, sich gegenseitig hebende. Ueberall macht sich eine gleiche Grundflächentheilung bemerkbar, selbst bei der unregelmässigsten Flächenform, so dass also überall gleiche Ornamentenmasse vorhanden ist. Auch huldigten die Mauren dem Prinzipe der Strahlung, das ja auch die Natur uns verschiedentlich in ihren Erzeugnissen zeigt, in bewundernswerther Konsequenz. Die Linien der Ornamente können nun sowohl gerade (vertikale und horizontale) sein, als auch krumme und geneigte. Alle Arten in einem Ornamente vertreten finden wir sehr viel bei den Mauren. Die hiedurch entstehenden Kontraste wirken sehr angenehm, sobald sie in gehörigem Gleichgewicht stehen; sie erregen ein Wohlgefallen, das angenehm auf den Beschauer wirkt.

Es beruht dieses gleichsam in einer gegenseitigen Aufhebung der Bewegungsrichtung, welche Ruhe verursacht. Leider vermissen wir dieselbe sehr oft bei unseren Teppichmustern, Kleidungsstücken, Tapeten u. s. w., weil diese oft nur eine oder zwei Hauptrichtungen aufweisen. Hier könnten und müssten unsere Kunstgewerbeschulen berichtigend einwirken, um uns den guten Geschmack zu erhalten. Endlich ist noch zu bemerken, dass das Wohlgefallen, das die Ornamente der Mauren erwecken, nicht zum geringsten darin begründet ist, dass alle Linienverbindungen, die zu  e i n e r  Bewegung gehören, sich tangential, also ohne Druck, aneinander anschliessen, was die Ornamente anmuthig macht. Diese sämmtlichen vorerwähnten Merkmale sind unumstössliche Gesetze vollkommener Ornamente. Sie finden sich in allen guten Kunstepochen mehr oder weniger ausgeprägt. Der Natur zwar entlehnt, sollen sie jedoch nicht zur direkten Nachahmung der Natur führen, wie bei den Chinesen, sondern eine konventionelle, ideale Behandlung erfahren, da ja ein Ornament nie das sein soll, was es zu sein scheint, sondern nur etwas versinnbildlichen, gleichsam ersetzen soll. Jedoch auch hinsichtlich der Farben können wir von den Mauren lernen. Wir erkennen auch hier in ihren Ornamenten ebensowohl streng befolgte Gesetze als bei der Form derselben. Die Farbe tritt hier ganz, wie ich es zu Anfang als nothwendig hervorgehoben, nur als Dienerin auf zur Hebung der Form, ganz so, wie wir es auch in der Natur finden, wo mit dem Formwechsel ein Farbenwechsel Hand in Hand geht.

Ihr eigentliches Kolorit erhalten diese Ornamente der Stuckarbeiten dadurch, dass in den meisten derselben, wenigstens in den oberen, nur die drei Grundfarben, Blau, Roth und Gelb vertreten sind, abgesehen von Gold, das zuweilen das Gelb ersetzt. Dasselbe finden wir ja auch bei den besseren Ornamenten der Griechen, Araber und Aegypter. Bei den unteren Ornamenten der Wandflächen u. s. w. bemerkt man auch sekundäre und selbst tertiäre Farben. Auch hierin haben sie sich gewissermassen an die Natur angelehnt. Wie richtig die Mauren die Wirkung der einzelnen Farben beurtheilten, das erhellt daraus, dass sie das leuchtende Roth nie auf der Oberfläche der Ornamente verwendeten, sondern nur auf der Grundfläche, theils weil es dort nur in verhältnissmässig kleinen, unzusammenhängenden Flächen sich bemerkbar machen konnte, theils weil es dort bei modellirten Flächen zeitweilig im Schatten liegt, mithin seine Wirkung gedämpft wird; dabei wurde das Blau im Schatten verwendet und das Gelb oder Gold an den beleuchteten Ornamentflächen. Damit die Farben nicht zusammenstiessen, was die Wirkung des Kolorits beeinträchtigen würde, wurden dieselben bei ebenen Flächen durch das neutrale Weiss getrennt, bei modellirten Flächen bewirkte der Schatten die Trennung. Nach der bekannten Theorie der Optik, dass sich die drei Grundfarben hinsichtlich der Lichtstrahlen und Neutralisirung verhalten wie 3 : 5 : 8, nimmt bei den farbigen Ornamenten Blau stets den grössten Raum ein, so dass es etwa der rothen sammt der gelben Farbe an Flächeninhalt gleich kommt, wodurch harmonischer Effekt erzielt wird. So finden wir also bei den Mauren mustergiltige Ornamente sowohl in Form als in Farbe, deren Grundregel als Anhaltspunkte dienen sollten bei der Formung und Bemalung unserer Ornamente.


I n d i s c h e  O r n a m e n t e

 Wir finden hier dieselben Regeln über die Formvertheilung, wie wir sie soeben bei den maurischen Ornamenten gefunden haben. Die strenge Form der arabischen Kunst ist mit der verfeinerten Anmuth der Perser vereint. Nichts ist überflüssig und nichts ist zwecklos, sondern Alles, was vorhanden ist,  m u s s  da sein, um die Komposition vollkommen zu machen. Ober- und Unterabtheilungen sind auch hier wie bei den maurischen Ornamenten vertreten, nur ist die Ausdrucksweise selbstverständlich eine andere als dort. An jedem Gegenstande ist das Ornament in vollkommener Uebereinstimmung mit den betreffenden Theilen des zu schmückenden Gegenstandes. Man bemerkt hier eine gleichmässige Vertheilung der Ornamente auf ihrem Untergrunde. Besonders bei der Wahl der Farben gehen die Indier sehr vorsichtig zu Werke. An ihren Geweben lassen sich folgende Regeln erkennen: 1. Farbige Ornamente, deren Grund eine kontrastirende Farbe zeigt, sind durch eine Wand von hellerer Farbe vom Grunde getrennt. 2. Zeigt der Grund das leuchtende Gold, so ist zur Erhöhung der Wirkung des Ornamentes dasselbe durch einen dunkelfarbigen Rand vom Grunde losgelöst. Sind 3. verschiedene Farben auf farbigem Grunde vertreten, so ist das Ornament durch eine Einrahmung aus Gold, Silber oder weisser Farbe vom Grunde abgehoben. Kommen endlich 4. Gold-Ornamente auf farbigem Grunde vor, so ist der Grund um so dunkler, je grösser die Masse des Goldes ist, weil sich sonst letztere nicht ihrer Masse entsprechend kund gibt. Dagegen, steht ein solches Ornament allein, so wird die Grundfarbe durch Schraffirung oder sonst wie zum Gold-Ornamente in Beziehung gebracht, so dass es scheint, als wäre die Schraffirung vom Golde aus zum Grunde hierüber geleitet. Auf diesen so wichtigen Regeln beruht die Schönheit der indischen Ornamente. Bei manchen Ornamenten, besonders bei den Geweben, sind die Indier in der Farbenvertheilung so weit gegangen, dass sie, aus der Entfernung betrachtet, einen neutralisirten Farbenglanz zeigen. Die Ornamente sind dabei nicht scharf ausgeprägt, so dass ihre Klärung erst nach und nach eintritt, je näher man ihnen tritt. Um einen grossen Kontrast gegen die eben besprochenen Ornamentirungsweisen hervorzuheben, mögen auch kurz die chinesischen Ornamente erwähnt werden.


O r n a m e n t e  d e r  C h i n e s e n

Man sollte glauben, dass die Chinesen bei ihrer Jahrtausende alten Zivilisation, bei ihrem hohen Stande mancher Wissenschaften es auch in der Kunst weiter gebracht hätten, als es der Fall ist. Gewiss haben ihre Religion, ihr gegen andere Völkerschaften abgeschlossenes Leben, die grosse Bevölkerung des Landes, die sie stets auf den Erwerb hinweist, das Ihrige dazu beigetragen, eine ideale Kunstrichtung nicht aufkommen zu lassen. Ihre Ornamente erinnern uns an Völkerschaften, die auf der ersten Stufe der Zivilisation stehen. Die Wahl ihrer Farben ist meist eine günstige, harmonische, die der Formen jedoch weit seltener. Letztere werden sogar oft noch durch aufgelegte Ornamente, denen jedwede Bedeutung fehlt, mehr oder weniger unangenehm unterbrochen. Die Zeichnungen ihrer Ornamente sind durchaus nicht immer derart, dass sie eine gleiche Vertheilung zeigen. Aber wo dieses nicht der Fall ist, da verstehen sie, wohl in Folge ihres hohen Farbensinnes, die Ornamente mit dem Grunde durch eine günstige Farbenwahl auszugleichen. Wir finden bei ihnen jedoch nicht blos die Grundfarben, sondern auch sekundäre und tertiäre Farben vertreten. Vorzugsweise verwenden sie jedoch die helleren Töne der Grundfarben, die den Ornamenten ein zartes Ansehen geben. Sie lehnen sich in den freien Ornamenten direkt der Natur an und zeigen selten eine konventionelle Behandlung der Ornamente. Ihre reinen Linien-Ornamente sind manchmal ganz schön und zeigen ab und zu gute Vertheilung. Ihre direkt der Natur entnommenen Blumen u. s. w. sind aber noch immer insoferne ornamental behandelt, dass sie weder Schattirung noch Schatten zeigen. Auch hier finden wir, wie bei den Mauren, dass bei den geschwungenen, geblümten Mustern ganz, wie die Natur es uns zeigt, von einem Stamme aus die Ornamente aufwachsen bei tangentialen Krümmungen.


P o m p e j a n i s c h e  O r n a m e n t e

Wiederum in anderer Weise zeigen sich die pompejanischen Ornamente. Launenhafter als dieselben sind, gab es wohl vordem keine. Ich sage absichtlich »vordem«, denn jetzt gibt es deren oft noch in viel grösserem Maasse. Der Ursprung dieser Ornamente scheint kein lokaler zu sein, sondern er scheint sich auf griechische Ornamente zurückführen zu lassen. Die Ornamente sind konventionell. Sie sind ohne Schattirung und zeigen nur theilweise ein Streben, erhaben zu erscheinen, sie sind entweder mit dunkler Farbe auf hellem Grunde gemalt, oder umgekehrt mit heller Farbe auf dunklem Grunde. Die Farben, die hier vorkommen, zeigen fast alle möglichen Arten der Nuancirung. Die Grundfarben kommen sowohl in kleinen Massen bei den Ornamenten vor, als auch in grossen Massen als Flächenton. Eine gleichmässige Vertheilung der Ornamente über die Grundflächen findet nicht statt. Die Grundflächen überwiegen bedeutend an Masse. Die Ausführungsweise ist meist eine flüchtige, leichte, worauf wohl das Gefällige der sonst oft etwas gemeinen Ornamente beruht. Die Ornamente sind so flott, oft keck hingeworfen, dass man sagen muss, jede Linie hat ihre Bedeutung, sie kann wohl zuweilen fehlen, aber wenn sie einmal da ist, so hat sie ihre Berechtigung. Noch ist der Mosaikfussböden zu erwähnen, weniger ihrer besonderen Form wegen, als deswegen, weil sie das eigenthümliche Bestreben zeigen, reliefartig zu erscheinen. Dieses Bestreben ist hier entschieden verwerflich, da der zum Begehen dienende Fussboden dadurch in dem Beschauer ein unangenehmes Gefühl erweckt, indem der Fussboden in Folge der Muster uneben zu sein scheint. Da es in dieser Abhandlung nicht meine Absicht ist, eine vollständige Beschreibung der Entwickelung der Ornamentik bis auf die Jetztzeit zu geben, sondern nur einige allgemein gültige Gesetze für die Bildung und Bemalung von Ornamenten zu begründen, wie sie sich eben leicht auf die älteren Ornamente begründen lassen, so will ich hier nur noch die Ornamente der Griechen erwähnen.


G r i e c h i s c h e  O r n a m e n t e

Die griechische Kunst, die bekanntlich theils auf der ägyptischen, theils auf der assyrischen Kunst aufgebaut ist, ist deshalb doch keine Nachahmung derselben, sondern sie zeigt das Alte in einem neuen, ihr eigenen Gewande, ganz anders verwerthet, als wir heute die griechische Kunst verwerthen. Eine wie grosse Vollkommenheit der reinen Formen die Griechen erreichten, das erhellt schon daraus, dass fast alle späteren Kunstepochen sich auf die griechische Kunst aufbauen. Aber bei diesen Ornamenten vermissen wir etwas, das ihre Bedeutung doch, vom Standpunkte der Kunst aus betrachtet, etwas beeinträchtigt; ich meine die Symbolik. Die Ornamente gehen auch nicht so direkt mit der Konstruktion zusammen, wie bei den Aegyptern; sie können fortfallen oder bleiben, die Konstruktion bleibt im Wesentlichen dieselbe. Sie waren eben rein dekorativ ohne direkte Bedeutung. Dennoch müssen wir die grosse Vollkommenheit der Skulptur der Griechen anerkennen. Grundformen, nach denen die Griechen sich richteten, gibt es wenige, ihre konventionelle Darstellung weicht ziemlich stark von denselben ab. Im Uebrigen befolgten sie auch die drei Naturgesetze, Strahlung von Muttersternen, verhältnissmässige Raumeintheilung und tangentiale Krümmung, und hierin leisteten sie Grosses. Die farbige Behandlung der Ornamente ist ziemlich einfach, durchaus nicht prunkhaft. Meistentheils sind nur primäre Farben verwendet. Man findet viel gelben Grund mit schwarzen, auch braunrothen Ornamenten, ebenso schwarzen Grund mit rothen Ornamenten. Bei den Blätterwellen wechseln bekanntlich Grundfarbe und Blattfarbe ab, oder auch die Farbe der Vorder- und der Rückseite der Blätter. - Aus obigen Beschreibungen ergeben sich nun folgende, theils schon erwähnte Regeln:


F o r m e n - R e g e l

1. Wie die Architektur das Spiegelbild der Empfindungen, des Lebens und Treibens ihres Zeitalters ist und sein soll, so soll es auch beim Ornament, der Dienerin der Architektur, sein. Nur so können beide zusammen ein Kunstwerk ergeben.
2. Das Merkzeichen eines Kunstwerkes ist Ruhe, die wir nur dann empfinden, wenn Auge, Verstand und Gefühl vollkommen befriedigt sind.
3. Die Ruhe wird bewirkt dadurch, dass die Ornamente Ebenmaass, Angemessenheit (bezüglich der Architektur) und Harmonie besitzen, denn dann wird Frieden im ganzen Kunstwerk vorhanden sein, weil jeder Theil nach dem anderen  s i c h  r i c h t e t,  jeder  f ü r  den andern  u m  d e s  a n d e r n  w i l l e n  vorhanden ist und jeder Widerstreit  f e h l t,  und somit die belebenden Kräfte sich gegenseitig das Gleichgewicht halten.
4. Die Ornamentik richte sich also nach der Architektur, sie diene zur Erläuterung des in der Architektur liegenden konstruktiven Aufbaues ohne selbst frei konstruirt zu sein.
5. Jeder Theil ist für den anderen vorhanden, jeder Widerstreit fehlt, wenn bei  d e r s e l b e n  Bewegungsrichtung jede Linie allmälig und wellenförmig entspringt, oder die Linien tangential ineinander übergehen, und wenn bei sich kreuzenden Richtungen ein gegenseitiger Kräfteausgleich stattfindet.
6. Wie bei der Architektur, so müssen auch hier Haupt- und Nebentheile rhythmisch wechseln nach bestimmten Verhältnissen.
7.  E i n e m  Mutterstamme,  e i n e r  Wurzel müssen die einzelnen Ornamente, jedes für sich entspringen.
8. Die grösste Harmonie, der grösste Effekt wird erreicht, wenn gerade, geneigte und krumme Linien in einem Ornament wechseln und sich dabei das Gleichgewicht halten.
9. Alle der Natur entlehnten Gegenstände sollen nur konventionell verwendet werden, so dass sie im Beschauer nur die Vorstellung des Gegenstandes anregen, ihm also nicht den Gegenstand selbst zeigen.


F a r b e n - R e g e l

1. Die Farbe ist in einem Ornament nur die Dienerin, welche die Formen der Ornamente belebt und klärt.
2. Um Farbenharmonie zu erreichen, müssen nach dem bekannten Gesetze die Farbenmassen von Gelb, Roth und Blau sich verhalten wie 3 : 5 : 8 und somit gegenseitig nach diesem Verhältnisse ergänzen, sei es, dass sie als primäre Farben auftreten, oder als Mischungen zu sekundären oder tertiären Farben.
3. Bei letzter Regel ist gleiche Intensität, wie sie das Prisma zeigt, vorausgesetzt. Ist deshalb der Ton einer Farbe matter, so muss dementsprechend ihre Fläche grösser sein.
4. Bei modellirten Flächen kann nach früher erwähnten Beispielen bei Anwendung primärer Farben Blau am besten auf den Grund angebracht werden, das Gelb auf den Ornamenten und Roth auf den Seiten- oder Unterflächen. Besser ist Weiss auf den Seiten angebracht der Trennung wegen.
5. Bei einer vollkommenen Malerei darf keine der drei Grundfarben fehlen, sie brauchen jedoch nicht als solche aufzutreten.
6. In Folge des Kontrastes erscheinen auf schwarzem Grunde alle Farben heller, auf weissem Grunde dunkler. Sie heben sich  o h n e  besondere Konturlinien genügend vom Grunde ab, wogegen auf anderem Grunde Konturlinien angebracht werden müssen behufs Trennung des Ornaments vom Grunde, und zwar in folgender Weise:
a) Farbige Ornamente auf einem Grunde von kontrastirender Farbe müssen mit einer Konturlinie von hellerer Farbe umzogen werden;
b) auf Goldgrund müssen farbige Ornamente mit dunkeln Konturlinien umgeben werden;
c) Goldornamente auf farbigem Grunde müssen schwarze Konturen erhalten.
7. Zwei verschiedene Farben neben einander erleiden insoferne eine Veränderung, dass erstens die helle heller und die dunkle dunkler erscheint, und dass zweitens jede derselben eine Beimischung der Ergänzungsfarbe der anderen erhält. Es liegt das in dem Bestreben unseres Auges, Farbenergänzungen vorzunehmen.
8. Haben das Ornament und der Grund  d i e s e l b e  Farbe in verschiedener Helligkeit, so bedarf das Ornament, wenn es heller ist als der Grund, keiner Kontur, ist es hingegen dunkler als der Grund, so muss es eine Kontur von noch dunklerer Farbe erhalten.

Diese Regeln sind bei Ornamentirungen und deren Bemalung wohl zu beachten, das » Wie« ist Sache des Entwerfenden.