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Autor: Staub, A.
In: Stuttgart; Verlag von Eduard Hallberger (1868); - 19 S.
 
Beschreibung des Arbeiter-Quartiers und der damit zusammenhängenden Institutionen
 
von S T A U B & Co IN KUCHEN bei GEISLINGEN in WÜRTTEMBERG

I.

Ermuthigt durch eine freundliche Einladung der Königl. württembergischen Centralstelle für Handel und Gewerbe haben wir die Ehre, der hohen Jury (jury special du nouvel ordre de récompenses de la commission impériale pour l'exposition universelle de 1867), den folgenden Bericht über unsere Anstalten und Einrichtungen, welche das materielle, sittliche und geistige Wohl unserer Arbeiter bezwecken, zu unterbreiten.

Unsere Fabrik, eine Baumwollspinnerei von 28,000 Spindeln und eine Weberei von 550 mechanischen Webstühlen, wurde im Jahr 1858 mit 400 Webstühlen von den gegenwärtigen Eigenthümern gegründet und hat sich bis zum Jahr 1864 zu ihrem jetzigen Bestand erweitert.

Dieselbe ist an der Eisenbahn Stuttgart-Ulm, zwischen den Ortschaften Kuchen und Gingen, in der Nähe von Geislingen, von anderen ähnlichen Fabriken jedoch abgesondert gelegen.

Da zur Zeit der Gründung unseres Etablissements in Württemberg die Baumwollindustrie, die mechanische Spinnerei und Weberei betreffend, erst im anfänglichen Entstehen begriffen war, so konnten wir nicht, gleich wie in Ländern, die schon längst eine derartige Industrie besitzen, über bereits eingeübte Arbeiter verfügen; wir waren vielmehr darauf angewiesen, dieselben theils aus der Landbevölkerung zu entnehmen, theils mit Mühe und Unkosten aus der Ferne herbeizuziehen.

Aus solchen Verhältnissen erwuchs uns die schwierige Aufgabe: einerseits Lust, Geschick und Beharrlichkeit für die neue Beschäftigung unter diesen Leuten zu wecken, andrerseits die etwas verkommenen Sitten und Gewohnheiten der Uebrigen zu zügeln. Die Hauptschwierigkeiten, gegen welche wir anfänglich zu kämpfen hatten, waren vorzüglich Unzufriedenheit mit der Arbeit und der Löhnung, rohe ungeschliffene Manieren und halsstarriges Wesen.

Wir sind jedoch bereits so glücklich, trotz der kurzen Dauer, welche seit der Gründung unseres Etablissements verlaufen ist, jene Unzukömmlichkeiten überwunden, das sittliche und materielle Wohl unserer Arbeiter begründet, einen hohen Grad der Zufriedenheit mit ihrer Lage hervorgerufen, sowie den Wohlstand der Umgegend vermehrt und zwischen unsern Arbeitern und der umwohnenden Bevölkerung die freundschaftlichsten Beziehungen hervorgerufen zu haben.

Um zu diesem Ziele zu gelangen, sahen wir uns veranlasst, in der unmittelbarsten Nähe unseres Etablissements ein Arbeiterquartier (cité ouvrière) für die fremden Arbeiter zu gründen. Abgesehen davon, dass für viele derselben sich ein Mangel an Wohnungen in den benachbarten Dörfern zeigte, hatten wir hauptsächlich im Auge, eine möglichst grosse Anzahl zur Niederlassung in der Nähe unserer Fabrik zu bestimmen. Dadurch hofften wir sowohl für uns wie für die Arbeiter wahrhaft erspriessliche Resultate zu erzielen, denn so konnten wir viel leichter für die gedeihliche Entwicklung ihres Wohlstandes, ihrer sittlichen Hebung und geistigen Ausbildung besorgt sein, ihnen Ordnungssinn und gute Sitten einflösen und sie mit Einem Wort zu sparsamen, fleissigen und intelligenten Arbeitern heranbilden.

Dieses Ziel zu erreichen, dachten wir uns, sei vor allem nöthig, den Arbeitern die Ueberzeugung beizubringen, dass unsere Absichten gegen sie nur solche seien, die mit ihren wesentlichsten Interessen vollkommen im Einklang stünden.

Wir hatten also mit einer Anzahl aus der Ferne herbeigezogener Individuen und Familien zu schaffen, denen der Begriff der Gesittung ein ziemlich unbekannter war; denn in ihrer Roheit fanden sie nur Erholung in wüstem Vergnügen; das Behagen am häuslichen Herde genügte ihnen nicht; nur mit den armseligsten Möbeln und Kleidern versehen, wussten sie den Werth einer sonnigen, gut gelüfteten und bequemen Wohnung kaum zu schätzen, würden vielmehr ihre früher bewohnten dunkeln, schmutzigen und feuchten Spelunken jenen vorgezogen haben, wenn ihnen der Aufenthalt darin nur unter der Bedingung vergönnt gewesen wäre, dieselben in guter Ordnung zu halten und sich einer geregelteren Lebensweise zu befleissigen.

Das Nöthigste - einem rohen Menschen Gesittung beizubringen, ist aber eine gesunde, bis zu einem gewissen Grade bequeme Wohnung; sodann Wasser und Seife.

Sobald er diese Wohlthaten kennen und schätzen gelernt, hat er den ersten Schritt gethan, der ihn von seinen unordentlichen Neigungen und Gewohnheiten ab- und auf den Weg sittlicher und geistiger Veredlung hinführt. Er wird das Laster zu verabscheuen und dagegen jenen wirklichen Freuden Geschmack abzugewinnen lernen, welche er im Schoosse seiner Familie finden kann.

Wenn einmal die Liebe für das Familienleben und die damit verschwisterten Tugenden in einem Menschen erwacht sind, so muss man ihn allem Demjenigen zugänglich machen, was geeignet ist, ihn auf dem guten Pfade, den er betreten, festzuhalten, indem man sein Interesse für edlere Genüsse erweckt; denn jeder Mensch fühlt, obschon häufig sich selbst unbewusst, den Drang in sich zu schaffen - sei es nun Böses oder Gutes. Er ist häufig in dieser Beziehung dem in seinem freien Laufe Alles verheerenden Strome zu vergleichen, dessen Wasser jedoch segenbringend wirken, sobald seine ungethüme Kraft durch Dämme und Kanäle gebändigt ist.

Ein vorzügliches Mittel, diesem Wirkungsdrange bei der arbeitenden Klasse eine entsprechende Nahrung zu geben, besteht in Vereinen zur Erholung und Belehrung, z. B. Musik-, Gesang-, Turn-, Lese-Unterrichtsvereinen etc. Abgesehen von dem Bewusstsein, ihre Mussestunden gut verwendet zu haben, lernen die Vereinsmitglieder, die so zu gegenseitiger Rücksichtsnahme verbunden sind, unter einsichtiger Leitung sich einer gewissen Disciplin zu unterwerfen und gewöhnen sich an Selbstverläugnung und an die Herrschaft über sich selbst; denn Verbindungen zu löblichen Zwecken wecken edlere Gefühle und machen empfänglich für Freundschaft in ihrem besten Sinne.

Während das gesagte die Erwachsenen betrifft, kann man dagegen die schönsten Resultute für künftige Generationen nur auf dem Wege der Schulbildung erhoffen. Diese hat schon im frühesten Alter zu beginnen, um den gewünschten Zweck zu erreichen. Die Kinder vom zweiten bis zum sechsten Jahre der Arbeiter sollten daher täglich einige Stunden der Mutterpflege enthoben und in einer ihrem Alter angemessenen Schule untergebracht werden. Unsere Ansicht hierüber stützt sich auf die folgenden Gründe:

Vor allen Dingen müssen die Kinder frühzeitig an anständiges Betragen, an Ordnung und Reinlichkeit gewöhnt werden. Sodann ist es wesentlich, dass die Eltern, deren Gewohnheiten oft sehr viel zu wünschen übrig lassen, die Notwendigkeit einer so geregelten Erziehung begreifen; der Einwurf, dass die Mütter allein geeignet seien, ihre Kinder richtig zu erziehen, ist nicht für alle Fälle stichhaltig, am Wenigsten dann, wenn die Erziehung der Mutter selber nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe steht. Dagegen kann sogar für die Mütter nur günstige Rückwirkung aus solchen Grundsätzen erwachsen, die ihrem Kinde ausser dem Hause eingepflanzt werden; früher unbekannte Ideen dämmern dann in ihrer Seele auf.

Kinder von vorgerückterm Alter bedürfen einer guten Schule, in welcher ihnen, ausser Lesen, Schreiben und Rechnen, Geographie, etwas Geschichte, Physik und Gesang gelehrt wird. Die grösste Aufmerksamkeit hat der Lehrer unablässig darauf zu richten, dass die Kinder sich an Ordnung, Reinlichkeit und anständiges Betragen gewöhnen.

Diese vorläufigen Bemerkungen glaubten wir zur klareren Verständniss der Grundsätze voranschicken zu müssen, welche uns bei der Gründung unseres Arbeiterquartiers und den damit verbundenen Anstalten geleitet haben.


II.

Das Arbeiterquartier

Wenn wir gleich nicht verkennen, welchen grossen Vortheil es hat, die Arbeiterquartiere in der Weise zu gründen, dass die Wohnungen nach und nach Eigenthum der Arbeiter werden können, und obschon wir selbst seit einiger Zeit dieses System verfolgen, so konnten wir uns gleichwohl nicht von Anfang an dasselbe schon aneignen. Wir hatten nöthig eine grössere Anzahl Wohnungen im eigenen fortwährenden Besitze zu erhalten, damit wir um so besser die Macht bewahren würden, unsere die Ordnung und das gute Betragen betreffenden Absichten durchzuführen, desshalb diese Häuser nur durch geordnete Familien bewohnen zu lassen, solche daraus zu entfernen, welche sich unsern Intentionen nicht fügen wollten, und stets mit dem Beispiel gut beschaffener Musterhäuser vorangehen zu können. Zudem da wir Wohnungen verschiedener Grösse für mehr oder minder zahlreiche Familien bedurften, fanden wir es, um das Princip des besondern Eingangs für eine jede mit der grösstmöglichsten Oekonomie im Bau zu erzielen, für vortheilhaft, die Zimmer einiger Wohnungen in solcher Weise ineinander greifen zu lassen, dass sie nicht mehr durch eine gerade durchgehende Wand getrennt werden konnten (siehe die Taf. 12, 13, 14, 15), so dass sie, indem sie immerhin eine jede ein besonderes Ganze bildeten, vermöge dieser eigenthümlichen Eintheilung nicht mehr einzeln verkauft werden konnten.

Inzwischen haben wir seit einiger Zeit begonnen, solchen unserer Arbeiter, welche Ersparnisse zurückgelegt haben und welche wünschen, Wohnungen als Eigenthum zu besitzen, deren Errichtung auf ihre eigene Rechnung zu ermöglichen. Wir bemühen uns sogar in jeder Weise sie dazu zu ermuntern, indem wir ihnen jedoch immerhin die Bedingung stellen, dass beim Bau dieser Häuser unsere Vorschriften inne gehalten werden, dass sie in keine andere Hände als solche unserer Arbeiter übergehen dürfen und dass sich die Besitzer und die Miether stets der in unserm Arbeiterquartier eingeführten Ordnung fügen. Was die Abbezahlung unserer bezüglichen Vorschüsse anbelangt so haben wir kein ganz bestimmtes System festgestellt, da wir für unsere Verhältnisse passender finden, uns mit unsern Arbeitern für solche Fälle je nach Maassgabe ihrer respectiven Mittel und des Kredites, den sie verdienen, zu verständigen.

Das Arbeiterquartier besteht aus den folgenden Gebäulichkeiten, deren Eintheilung und Bestimmung in unserem Atlas ersichtlich ist.

Taf. 2-7. Bad- und Waschanstalt.
Taf. 8, 9, 10. Grösseres Gebäude, bestehend in
a) einem mittleren Hauptgebäude, dessen Erdgeschoss die Wohnung des Lehrers und drei Wohnungen für Aufseher enthält.
Der erste Stock umfasst: Das Schullokal für Kinder von sechs bis vierzehn Jahren, Bibliothek und Lesezimmer für Männer.
Das Spital wovon ein Saal gegenwärtig als Kleinkinderschule und der andere als Versammlungszimmer für erwachsene Mädchen benützt wird (siehe Beilage d ).
b) zwei Flügel, einen mit vier, den andern mit drei kleinen Wohnungen und einem Lokal für Kleinkinderschule, das gegenwärtig als Kaufladen dient.

Taf. 11. Restauration und zwei Wohnungen für Aufseher.
Taf. 12, 13. Ein Gebäude
a) mit fünf Wohnungen von verschiedener Grösse,
b) einem Speisesaal für die Arbeiter aus den benachbarten Ortschaften, denen von den Ihrigen das Mittagessen gebracht wird. Derselbe ist mit zwei Dampf-Speisewärm-Apparaten versehen, welche für 5-600 Portionen genügend Raum besitzen. Dieser Saal befindet sich im zweiten Stockwerk über fünf Arbeiterwohnungen, deren Raum er nach Länge und Breite vollständig einnimmt.
c) Ueber dem Speisesaal befinden sich, der Restauration zugetheilt, 14 Zimmer für ledige Arbeiter; dieselben sind gegipst und erhalten ihr Licht vermittelst Dachlucken; ein jedes ist mit ein bis zwei guten Betten, einem Schrank, Stühlen und Tischen versehen.

Taf. 14, 15. Eine Reihe von fünf Arbeiterwohnungen verschiedener Grösse.
Taf. 16, 17. Eine Gruppe von vier Arbeiterwohnungen.
Taf. 18, 19. Eine Reihe von fünf Arbeiterwohnungen.
Taf. 20, 2l. Eine Gruppe von vier Wohnungen, Eigenthum von Arbeitern.
Taf. 22. Ein kleines Haus für eine einzelne Familie.
Taf. 23, 24, 25. Häuser, Eigenthum von Arbeitern.
Taf. 26. Bäckerei.


 Vor jeder Wohnung befindet sich ein kleiner Garten, eine Anzahl Gebäulichkeiten umrahmen im Viereck eine grössere gemeinsame Anlage, die von Gesträuchern und Kastanienbäumen reichlich beschattet ist und in der sich überall Ruhebänke zur Benützung der Bewohner des Arbeiterquartiers befinden. Dohlen durchkreuzen dasselbe in seiner ganzen Ausdehnung zur Trockenhaltung, auch ist vor jeder Wohnung der Boden aus Rücksichten der guten Ordnung und Reinlichkeit gepflastert; jede besitzt einen guten gewölbten Keller und einen abgesonderten Holzschuppen. Die Abtrittgruben sind mit schweren Steinplatten gedeckt und die kleine Oeffnung zum Leeren derselben ist mit einem gusseisernen Deckel in der Weise geschlossen, dass niemals übler Geruch wahrgenommen werden kann.

Die Gebäulichkeiten sind alle im ersten Stockwerk massiv aus Stein gebaut, im zweiten aus Holz und Backsteinen. Rücksichtlich der Lage der Schlafzimmer und Wohnstuben wurde hauptsächlich darauf gesehen, dass die meisten der Süd- und Ostseite zugekehrt seien, während die Hauseingänge, Küche, Treppen und Aborte nach Nord und nach West zu liegen. Die Küchen sind alle mit vortrefflichen Feuerherden ausgestattet, die Wohnzimmer bis zur Fensterhöhe getäfelt und, wie sämmtliches Holzwerk der Häuser, mit Oelfarbe angestrichen; in allen, wie auch in einem grossen Theil der Schlafzimmer, findet man gute Fayence- oder eiserne Oefen.

Sämmtliche Wohnungen sind mit Wandschränken versehen, Wände und Plafond gegypst, für den Winter sind Vorfenster vorhanden.

Besonders glauben wir unsere Leser auf die Taf. 16, 17, 28, 29, 30 und 31 aufmerksam machen zu müssen. Die Taf. 16, 17 enthalten eine Gruppe von vier Arbeiterwohnungen, welche für kleinere Familien bestimmt sind, z. B. für junge Eeheleute mit einigen kleinen Kindern. Jede Wohnung hat eine doppelte Hausthüre. Das Erdgeschoss besteht aus dem Wohnzimmer mit einem Kochofen, in welchem eine kleine Familie alle ihre Bedürfnisse an Speisen zubereiten kann. Die vier Kamine der Oefen dieser vier Wohnungen stehen miteinander in unmittelbarer Verbindung, erwärmen in Folge davon einander gegenseitig und unterhalten dadurch zugleich einen so lebhaften Luftzug, dass sowohl der Rauch, als auch der Dampf, der kochenden Speisen stets rasch abzieht und überhaupt die vorzüglichste Ventilation fortwährend hergestellt ist. Damit die Hausfrau beim Zubereiten der Speisen und beim Waschen des Geschirrs das Zimmer nicht verunreinigen muss findet sich daneben zu diesen Zwecken eine kleine Räumlichkeit, in welcher sich ein Schüttstein, ein Spültisch und ein Wandschrank zur Aufbewahrung der Speisen und Küchengeräthschaften befindet.

Die Stiege zum Schlafzimmer ist im Wohnzimmer in der Weise angebracht, dass sie zugleich einen Alkoven bildet, in welchem ein Bett untergebracht werden kann. Neben der Stiege, zur Seite der Eingangsthüre des Spülcabinets, trifft man einen weiteren Wandschrank - für das Speisegeschirr. Oben an der Stiege befindet sich auf einer Seite der Abtritt über dem Spülcabinet, und der Treppe gegenüber ein grosser Wandschrank. Auch das Schlafzimmer ist mit einem ähnlichen Wandschrank versehen, welcher den leeren Raum über dem unteren Theil der Stiege einnimmt, es ist im übrigen gross genug, um die Betten von Mann und Frau und eines oder zweier Kinder enthalten zu können.

Mit Einem Wort: diese kleinen Wohnungen, die viel Bequemlichkeit darbieten und sich mit verhältnissmässig geringen Kosten herstellen lassen, sind auf eine Weise eingerichtet, dass darin der kleinste Winkel eine nützliche Verwendung findet. Ein vielgereister Besucher verglich sie jüngst in dieser Beziehung mit einem Schiffe. Auch werden sie von unseren kleinen Haushaltungen sehr geschätzt.

Die Wohnungen, die wir auf Taf. 27, 28, 29 und 30 dargestellt sehen, sind nach den nämlichen Grundsätzen der Oekonomie und der Raumersparniss eingerichtet. Zu Gängen oder grossen Vorplätzen wurde nirgends Platz verschwendet, jeder Raum dagegen sorgfältigst benützt, selbst die Stiege, welche zur Mansarde aufführt, enthält einen Alkoven. Eine Gardrobe und mehrere sehr bequeme Wandschränke sind überall an passenden Stellen angebracht. Jede Wohnung ist mit ihrer besondern Hausthüre versehen.

Noch machen wir auf die Taf. 29 und 30 aufmerksam. Das Innere dieser Häuser ist dergestalt eingerichtet, dass man hier ausser dem Wohnzimmer, der Küche und dem Speicher, nach Belieben zwei bis fünf Schlafzimmer anfügen kann, jedes mit einem besonderen Eingang. Ihre Zahl kann nöthigenfalls bis auf sieben vermehrt werden, ohne dass irgend welcher Raum zu einem Gange verwendet werden müsste.

Für Arbeiterfamilien, die keiner Dienstboten bedürfen, geben wir Wohnungen mit dem Eingang durch die Küche den Vorzug. In diesem Falle sieht die Hausfrau Alles, was um sie vorgeht, die Aufsicht über die Kinder ist ihr erleichtert, alle Beziehungen der Familie werden lebendiger, deren Glieder gehören sich inniger an und können sich so leichter gegenseitig in den Hausgeschäften unterstützen;der häusliche Herd bildet dann in Wahrheit den Vereinigungspunkt der Familie; ja, indem die Küche zugleich Hausöhrn und Treppenhaus bildet, so kann ein beträchtlicher Raum erspart werden.

In Küchen solcher Art müssen Feuerherd und Wasserstein - der letztere durch ein Fenster gehörig beleuchtet - sich auf derselben Seite befinden, der Eingang und die Stiege auf der andern, damit die Hausfrau durch die ab und zu gehenden in ihren Beschäftigungen nicht gestört werde.

Thüren und Fenster der übrigen Räume sollen so angebracht sein, dass die Möbel sich bequem stellen lassen und eine gute Lüftung ermöglicht ist. Es ist sehr nützlich, mehrere Kamine in unmittelbare Berührung zu bringen, indem sie sich so wechselseitig erwärmen, einen guten Luftzug hervorbringen und das Eindringen von Rauch, der so oft die Wohnung der Armen belästigt, verhindern. Zugleich soll die Stellung der Kamine so sein, um in jedem Zimmer der Wohnung die Aufstellung von Oefen unmittelbar an denselben zu gestatten.

Die Arbeiterwohnungen sollen mit möglichst vielen Wandschränken versehen sein: nicht nur finden die verschiedenen Haushaltungsgegenstände in denselben ihren Platz; sondern diese Einrichtung ermöglicht zugleich eine grosse Ersparniss am Ameublement, während sie gestattet, die Zimmer kleiner zu construiren.

Von grosser Wichtigkeit und stets mit einigen Schwierigkeiten und Bedenken verbunden ist die Wahl einer geeigneten Stelle für den Abtritt. In unserem Atlas ist ersichtlich, in welcher Weise wir dieses Problem zu lösen gesucht haben.

Was die Keller anbetrifft, so sollte man, nach unserer Ansicht, die kleine Mehrauslage sie zu wölben niemals scheuen.
Damit die Arbeiterwohnungen stets den Eindruck guter Ordnung und Reinlichkeit gewähren, müssen sie in einer Art gebaut werden, die Reparaturen nur höchst selten benöthigt. So sollte, um jeden äussern Verputz zu vermeiden, das Erdgeschoss entweder aus Backsteinen oder andern, ohne solchen der Witterung Stand haltendem, Steingemäuer und die erste Etage aus Backsteinen oder angestrichenem Holzwerk mit Backsteinen aufgeriegelt, aufgeführt sein. Im Interesse der Reinlichkeit liegt es, den Raum an der Fronte des Hauses auf eine Entfernung bis zu ein oder anderthalb Meter zu pflastern.

Im Innern sollten die Zimmer immer bis zur Fensterhöhe getäfelt, das Übrige gegypst und mit Wasserfarbe angestrichen werden.

So gebaute Häuser erhalten sich stets in vortrefflich baulichem Zustande.

Was nun die Anlehnung der Arbeiterwohnungen an einander betrifft, um dadurch für dieselben theilweise die gleichen Seitenmauern benützen zu können, so geben wir der einfachen Anreihung in einer gerade fortlaufenden Linie, so dass sie an den beiden entgegengesetzten Seiten frei seien, den Vorzug, denn auf diese Weise kann stets eine Seite entweder der Morgen- oder der Mittagssonne zugewendet werden, eine Eigenschaft, die, wie wir kaum hervorzuheben brauchen, für Erstellung gesunder Wohnungen ganz besonders in Acht genommen werden sollte. Nebstdem finden wir sehr passend, dass um Arbeiterquartiere (cité ouvriéres) zu errichten, dieselben aus einer mehr oder weniger grossen Anzahl Squares bestehen sollten, jedes durch 4 Reihen von 6-8 Wohnungen in der Weise gebildet, dass stets eine Seite dieser Reihen gegen den Square gewendet wäre, und die entgegengesetzte Seite gegen eine Strasse. Vor jeder Wohnung in der Richtung des Squares soll sich ein kleiner ihr zugehörender Garten und innerhalb des Squares selbst eine gemeinsame gut beschattete Gartenanlage befinden.

Abgesehen von reichlicherer Fülle an Luft und Licht, so wie dass die kleinen Kinder vor den Strassengefahren bewahrt werden können und abgesehen von vielen andern Annehmlichkeiten, findet so der von seiner Arbeit Zurückgekehrte Gelegenheit unmittelbar bei seinem Hause der Erholung in geselliger Unterhaltung an der frischen Luft zu geniessen und hat dann nicht nöthig, sich zu solchem Zwecke von seiner Familie hinweg, nach dem Wirthshause zu begeben.

Blatt 32 enthält eine Reihe von Wohnungen für wohlhabendere Familien, die aber dennoch dem Arbeiterstande angehören können. Die Seite der Verandas, sammt Küche, einem Schlafzimmer und dem Abtritt soll gegen den gemeinsamen Garten sehen, welcher von vier ähnlichen Häuserreihen umrahmt wird (Bl. 34). Die entgegengesetzte Seite, welche den Haupteingang des Hauses, im Erdgeschoss ein Wohnzimmer (das zugleich als Kaufladen dienen kann) und im ersten Stockwerk ein Schlafzimmer enthält, wird an die Strasse grenzen. Der Eingang zu den Abtritten befindet sich zur Seite des Hausgangs, der letztere ist gegen den Garten gleichfalls mit einem Ausgang versehen. Die Kamine sind auch hier zu vieren gruppirt und die Stiegen, welche zum Speicher führen, umfassen je einen Alkoven.

Das dreistockige Haus (Blatt 33), mit zwei steinernen Aufgangtreppen, schlagen wir für Städte vor, wo der Raum zu theuer ist, um die Errichtung kleiner Häuser, jedes mit einem besondern Eingange, zu gestatten. Wie aus dem Plane ersichtlich ist, führt dieselbe Treppe zu mehreren Wohnungen, deren jede aber durch die Küchenthüre für sich abgeschlossen ist, eine Einrichtung, welche wir in einem von mehreren Arbeiterfamilien bewohnten Hause für durchaus nöthig halten. Die Erdgeschosse können nach Wahl entweder als Kaufläden oder als Wohnungen verwendet werden. Diese Wohnungen, so klein sie auch immer erscheinen mögen, sind dennoch nach unseren Erfahrungen sehr häufig ausreichend genug. Die Einrichtung der Räumlichkeiten ist übrigens so getroffen, dass zwei kleine Wohnungen leicht zu einer grösseren verschmolzen werden können. Auch kann man diese Häuser ohne grosse Auslagen mit Veranden, einer ebenso angenehmen als nützlichen Beigabe, versehen; welche der Gesundheit sehr förderlich ist, indem sie die Bewohner stets einladet, an die frische Luft zu treten.

Der Eintritt in das Haus geschieht durch einen Porch, auf dessen Boden sich eine quadratförmige Aushöhlung befindet, über welche eiserne Schienen zum reinigen der Schuhe eingelegt sind. Die Einzelnheiten dieser Einrichtung sind aus dem Plane ersichtlich. Wir empfehlen dieselbe ganz besonders, denn Jeder, der das Haus betreten will, wird der beschriebenen Stelle nicht ausweichen und dann nicht umhin können, seine Schuhe zu reinigen. In unsern auf die genannte Weise gebauten Häusern, in welchen sich mehrere Bewohner derselben Treppe bedienen, haben wir mit Genugthuung die Wahrnehmung machen können, dass in Folge jener Vorrichtung zum Reinigen der Füsse die Treppe selbst bei dem schlechtesten Wetter vollständig reinlich erhalten wird.

Da die Baukosten sich in den verschiedenen Gegenden je nach dem vorhandenen Baumaterial und den Arbeitslöhnen auch verschieden gestalten und da dieselben doch leicht durch jeden Baukundigen überschlagen werden können, so enthalten wir uns, hier auf diese Frage weiter einzugehen. Uebrigens existiren über diesen Punkt vortreffliche Werke, z. B. eine schätzbare Arbeit von Emil Müller, dem Erbauer des Arbeiterquartiers zu Mühlhausen, aus welchem wir auch unter einigen Abänderungen die innere Eintheilung von unserer Häusergruppe Blatt 20 und 21 entnommen haben, indem wir zugleich eine Anzahl Wandschränke beifügten, die wir wie bereits erwähnt, in der Wohnung des Arbeiters so nöthig finden.

Behufs Aufrechthaltung der Ordnung und Reinlichkeit im Arbeiterquartier, haben wir besondere Statuten festgestellt, deren Abdruck in der Beilage a folgt.

Bad- und Waschanstalt

Die Einrichtung der Bad- und Waschanstalt ist leicht aus den Plänen ersichtlich; im ersten Stockwerk erblickt man eine Anzahl Badkabinete, im Erdgeschoss ein grosses Schwimmbassin, von Ankleidekabineten umgeben. Das Wasser des Schwimmbassins wird fortwährend sowohl mit warmem als mit kaltem Wasser erneuert, ersteres durch das Condensationswasser der Dampfmaschinen der Fabrik, letzteres aus dem Fabrikkanal, das warme Condensationswasser wird auch zum Waschen benützt. Die innere Einrichtung der Anstalt und die Apparate sind von dem Hause Bouillon & Müller in Paris.

Der Gebrauch der Bäder und der Waschanstalt ist unsern Arbeitern zum möglichst billigen Preise anheim gegeben.


Die Restauration

Die Restauration besteht aus einem Saal für die Arbeiter, aus einem zweiten Saal und einem Billardzimmer für die Bureaux-Angestellten und die Aufseher (siehe Beilage b, Vertrag mit dem Wirth, Bestimmungen in Betreff der Restauration und deren Einrichtungen).


Lesezimmer und Bibliothek

Die Bibliothek wurde auf Kosten der Fabrikeigenthümer gegründet und ist der freien Benützung der Arbeiter beiderlei Geschlechts überlassen, während das Lesezimmer bloss für Männer zugänglich ist. Dasselbe ist jeden Abend bis zehn Uhr mit Gas beleuchtet und den ganzen Winter über geheizt. Bei der Wahl der Bücher sahen wir theils auf solche Werke, welche in populärer Weise die verschiedenen Zweige der Wissenschaft behandeln, theils auf Unterhaltungsschriften mit moralischer Tendenz.

Zugleich hielten wir darauf, dass sich in unserer Sammlung eine Anzahl Schriften mit Illustrationen vorfinde, welche geeignet sind, den Kunstsinn zu wecken und zu bilden. (Siehe das Reglement in Betreff des Lesezimmers , Beilage c).


Die Schule

Der Schulbesuch ist für alle Kinder der Arbeiter von 6-14 Jahren unentgeldlich; Gehalt und Wohnung des Lehrers werden von uns bestritten. Die Schule zählt ungefähr 100 Kinder, welche in vier Klassen eingetheilt sind, von welchen die beiden ersten, aus den ältern Kindern bestehend, täglich drei Stunden Unterricht erhalten.

Ausser Lesen, Schreiben, Rechnen, Gesang und Religion sind Geographie, Naturgeschichte, etwas Physik und allgemeine Geschichte die Unterrichtsgegenstände. Der Religionsunterricht wird in dem Schullokale selbst von dem protestantischen Pfarrer von Kuchen und von dem katholischen von Süssen ertheilt, deren Gottesdienst die Arbeiter auch je nach ihrer Confession besuchen.

Die Schule hat sich den Ruf einer der besten Primarschulen des Landes erworben; die Kinder, welche dieselbe besuchen, sind im Allgemeinen besser unterrichtet als die der übrigen Volksschulen. (Siehe das Zeugniss der betreffenden Behörde, Beilage m.)


Die Kleinkinderschule

Auch der Besuch dieser Schule ist unentgeldlich; ihre Aufgabe ist, die kleinen Kinder des Arbeiterquartiers, die nicht in der Fabrik beschäftigt sind, zu überwachen, ihnen spielend die Anfangsgründe des Unterrichs beizubringen, ihren Geist zu wecken und sie frühzeitig an Ordnung, Reinlichkeit und gutes Betragen zu gewöhnen.


Verein zur Erwerbung nützlicher Kenntnisse

Auf folgende Weise haben wir die Anregung zu diesem Vereine gegeben: Unser Lehrer soll nämlich drei Mal wöchentlich Vorlesung über verschiedene wissenschaftliche Gegenstände halten, die dessen Mitgliedern von Nutzen sein dürften, wie über Geographie, Physik, Mechanik, Arithmetik, Geometrie u. s. w.

Mit der Zeit wird ohne Zweifel ein Theil unserer Arbeiter solchen Vorlesungen so viel Geschmack abgewinnen, dass er sie für seine weitere Ausbildung für unumgänglich hält; sie werden dann zu dem Zweck sich vereinigen, um den Lehrer zu honoriren.


Singgesellschaft
(siehe Beilage e.)

Musikgesellschaft
(siehe Beilage f.)


Feuerwehr

Dieselbe wurde zum Schutz des Fabriketablissements gegen Feuergefahr organisirt; sie wird von sämmtlichen erwachsenen Männern des Arbeiterquartiers gebildet. Die Mitglieder halten regelmässige Uebungen ab, um sich mit der Handhabung der Spritzen und allen nöthigen Feuerwehrmanövern vertraut zu machen. Sie besitzen eine eigene Uniform und finden grosses Gefallen sich in ihrer Gesammtheit in Uniform an den Festlichkeiten der Arbeiter zu betheiligen und die Ordnung aufrecht zu erhalten. (Siehe Beilage i.)


Krankenkasse
(siehe Beilage g.)


Ersparnisskasse
(siehe Beilage h.)


III.

Die Aufgabe, welche wir uns gestellt haben: unsere Arbeiter je länger je mehr auf eine möglichst hohe Stufe materiellen, sittlichen und geistigen Wohles zu heben, erscheint auf den ersten Blick für Solche, welche in dergleichen Bestrebungen noch keine Erfahrungen gemacht haben, viel leichter als sie in der Wirklichkeit ist. Wer sich einer solchen Mission in der Hoffnung unterzieht, in Bälde grosse Erfolge zu erreichen, wird sich bald getäuscht sehen; er wird entweder in seinen Bestrebungen ermüden oder sich mit der Wahrnehmung vertraut machen müssen, dass viel Geduld und Nachsicht erforderlich sei; denn statt sich darin, wie er wohl anfänglich dachte, durch Beweise der Anerkennung und Dankbarkeit ermuthigt zu sehen, wird er im Gegentheil bald die peinliche Erfahrung machen, dass man ihm dafür kaum Dank weiss, wenn er nicht gar sein Wirken von der Mehrzahl verschmäht sehen muss. Er darf sich in der That glücklich preisen, wenn er bei einer kleinen Anzahl der Einsichtigeren einen Erfolg erzielt und er später nach und nach diese Anzahl sich vergrössern sieht. Statt der Anerkennung, die er erwartete, glaubt er nun seinerseits jenen erkenntlich sein zu müssen, welche sich seine gemeinnützigen Bestrebungen zu Nutze ziehen wollen.

Indess wäre es unbillig, von Menschen einer so niederen Bildungsstufe Anderes zu erwarten: dieser Missstand ist nicht ihre eigene Schuld, sondern einzig und allein die Folge derjenigen Erziehung, wie sie ihnen durch die Verhältnisse gegeben wurde. Man kann sie desshalb nur bemitleiden. Doch in jeder menschlichen Seele liegt der göttliche Funke des Triebes zum Guten, und man darf sich glücklich schätzen, wenn es unserer Geduld und Nachsicht gelungen ist, ihn zum hellere Glühen gebracht zu haben.

Um diess zu erreichen, glaubten wir, es genüge nicht allein, Anstalten zu gründen und Reglemente zu entwerfen, welche ohne andere Unterstützung nur Gefahr laufen möchten, den Geist des Widerspruchs wachzurufen, der in stärkerem oder geringerem Grade wohl jedem Menschen inne wohnt; wir haben daher auch Belohnungen für diejenigen, welche sich unsere Absichten für sich zur Richtschnur nehmen, eingeführt. Wir scheuen ferner keine Mühe, durch Ermunterung, Lob und Tadel in einer Weise bessernd einzuwirken, dass dadurch Jedem die volle Ueberzeugung werden muss, dass wir nur sein eigenes Interesse fördern wollen.

Um allen unsern Bestrebungen noch einen weitern Nachdruck zu verleihen, macht die Gattin des Verfassers gegenwärtiger Schrift periodisch einen Rundgang durch die Haushaltungen des Arbeiterquartiers, stattet jeder ihren besondern Besuch ab, um mit Rath, Aufmunterung und Lehre bei der Hand zu sein und sich solche Anhaltspunkte zu verschaffen, die uns behufs der Preisvertheilung am Ende eines jeden Jahres, die reglementsmässig für die Aufrechthaltung guter Ordnung in den Wohnungen angeordnet ist, massgebend sein können. Indem wir immerhin sorgfältig darauf sehen, dass der Arbeiter sich nicht dem Luxus ergebe und namentlich sich jeder Ausgabe entschlage, welche seine Mittel übersteigt, so sehen wir es doch gerne, dass in deren Wohnungen ein gewisser Grad von confortabler Einrichtung, ein gewisses Wohlbehagen herrsche, welches den Arbeiter den häuslichen Herd lieb gewinnen lehrt, ihn in Folge davon zur Sparsamkeit antreibt und ihn die Rücksichten, die er der Zukunft seiner Familie schuldig ist, nie aus den Augen verlieren lässt.

Zur gedeihlichen Leitung eines Haushalts haben wir es für unumgänglich nothwendig gehalten, dass die Hausfrau zur Führung eines Haushaltsbuchs angehalten werde, in welcher Art von Buchführung übrigens die Kinder unserer Arbeiter schon in der Schule unterrichtet werden. (Siehe Beilage l.)

Nachdem wir unsere Ansichten in Betreff der Arbeiterwohnungen und deren Einrichtungen verwirklicht hatten, glaubten wir in zweiter Linie durch die Pflege der Musik und des Gesangs zur Milderung der Sitten und geistigen Hebung unserer Arbeiter wie zur Förderung ihrer humanen Bildung ein Weiteres beitragen zu sollen. Der Beachtung werth ist dabei, dass während wir stets uns veranlasst sahen, zum Besuch des Lesezimmers anzuspornen und aufzumuntern, sich ein wahrer Wetteifer zeigte, in die Musik- und Gesangvereine einzutreten. Diess war auch für uns ein Beweis, dass wir ein weiteres wichtiges Bedürfniss zur Verwirklichung unserer Aufgabe aufgefunden hatten.

Der erste dieser Vereine ist vor drei Jahren gegründet worden und spielt bereits mit so viel Fertigkeit, dass es für den Musikfreund ein Genuss ist, ihm zuzuhören. Aehnliches lässt sich dem Gesangverein nachsagen, dessen Leistungen alle Anerkennung verdienen. Diese beiden Vereine, die jeder ungefähr dreissig Mitglieder zählen, entsprechen unsern Intentionen nicht bloss durch ihre schönen Leistungen und durch die Förderung freundlicher Beziehungen unter ihren Mitgliedern, sondern indem die Uebungen ziemlich viel Zeit in Anspruch nehmen, wird ausserdem Mancher abgehalten, seine Musestunden solchen Erholungen zu widmen, die ihm schädlich sein könnten. Ueberdiess kommt auch die Unterhaltung, die unsere Musiker und Sänger sich selbst gewähren, den sämmtlichen Bewohnern des Arbeiterquartiers zu statten, welche an den kleinen Concerten, die bald im Garten des Etablissements, bald in dessen grossen Speisesaal abgehalten werden, vielen Gefallen finden.

Wenn es gleich anfänglich etwas schwer hielt, unsere Leute zum Besuch des Lesezimmers zu vermögen, so sind wir nichts desto weniger in dieser Beziehung dennoch zu einem befriedigenden Resultat gelangt; Lust und Neigung zu dieser Art der Erholung sind sichtlich im Wachsen begriffen.

Die Vorlesungen des Lehrers werden häufig der Lecture, der sich der Einzelne hingeben kann, vorgezogen, denn die Mehrzahl der Leute, mit denen wir zu thun haben, gibt natürlich derjenigen Unterrichtsmethode den Vorzug, welche ihnen die wenigste Mühe verursacht. Um sie dafür zu gewinnen, ist es jedoch sehr wesentlich für den Unterricht möglichst Anregendes zu wählen, ihnen sogar zuweilen Ueberraschendes zu bieten, wie z. B. durch physikalische Experimente etc.

Behufs Durchführung guter Ordnung im Quartier, verträglichen Benehmens und ehrenhafter Haltung der Arbeiter, sodann zu Besprechung gemeinsamer Interessen und Angelegenheiten, wie die der verschiedenen Vereine, der Anordnung von Festen u. s. w. und um Ungehorsam, kleinlichen Intriguen etc. unter den Angestellten und Arbeitern vorzubeugen, haben wir ein Comité von achtzehn Mitgliedern aufgestellt, welches nach unserer Wahl aus den Aufsehern und aus solchen Arbeitern besteht, die sich durch ihre gute Aufführung und ihre Intelligenz auszeichnen.

Dieses Comité wird persönlich von dem Verfasser dieser Schrift oder in seiner Abwesenheit vom ersten Angestellten präsidirt.

Obschon das Ergebniss unserer Bestrebungen noch zu wünschen lässt und wir reichere Erfolge von der Zeit abwarten müssen, so erfreuen wir uns doch schon sehr günstiger Wirkungen. Das Betragen hat sich im Allgemeinen in hohem Grade gebessert und Viele zeichnen sich sogar bereits durch tadellose Sitten aus.

Häufig sieht man sie bestrebt sich nützliche Kenntnisse zu erwerben und ihre Erziehung zu verbessern. In den Wohnungen und Gärten herrscht Ordnung und Nettigkeit in sehr hohem Grade, und in der grossen Mehrzahl der Haushaltungen ist der Sinn für Sparsamkeit in der befriedigendsten Weise rege geworden. Ueberhaupt hat der Geist der Ehrbarkeit bei den Meisten solche Fortschritte gemacht, dass den in diesen Beziehungen Zurückgebliebenen nur übrig bleibt: entweder sich zu bessern oder sich durch die Verachtung der Uebrigen hinweggetrieben zu sehen. Aehnlich wie ein gesunder Körper von selbst die in ihm befindlichen krankhaften Stoffe ausstösst.

Diese Ehrenhaftigkeit der Gesinnung unserer Arbeiter, dieses erwachende Gefühl iher eigenen Würde hoffen wir sogar mit der Zeit auf den Punkt sich steigern zu sehen, dass sie dereinst verlangen werden, diejenigen Auslagen selbst zu tragen, welche wir uns zu der Zeit für sie auferlegten als ihre Einsicht noch nicht klar genug war, ihr wahres Interesse zu erkennen.

Uebrigens bitten wir, diejenigen Unvollkommenheiten, die sich in unsern Einrichtungen noch finden möchten, durch die verhältnissmässig kurze Dauer des Bestehens unsers Etablissements entschuldigen zu wollen, denn bei einem Bau wie der von uns unternommene, darf nur mit Bedacht und Umsicht Stein auf Stein gefügt werden.

Nur einen Punkt wollen wir noch erörtern, auf dass immerhin dessen Uebergehung in unserem System nicht als Lücke angesehen werde.

Es ist schon öfter die Frage in Erwägung gezogen worden, ob man nicht dem Arbeiter einen Theil seines Gehalts als Ersparniss zurückbehalten sollte. Wir unsererseits halten eine solche Bevormundung, wenigstens was den erwachsenen Arbeiter betrifft, seiner unwürdig. Unserer Ansicht nach liegt die Hauptsache darin, seiner Erziehung eine solche Richtung zu geben, dass er aus eigenem Antriebe das gewünschte Ziel zu erreichen strebt. Ist ja doch die Erziehung, selbst für den Menschen vorgerücktern Alters, nie zu Ende und das Leben selber eine Schule, in der die Geschicke und die gegebenen Verhältnisse die Lehrmeister sind. Das Wesentlichste ist daher nach unserer Ansicht für den Arbeiter, diese Verhältnisse so viel in unserer Hand liegt derart zu regeln, dass ihm dadurch jene Denk- und Handlungsweise eingeflösst werde, die ihn am sichersten dahin leitet, für seine eigene Zukunft zu sorgen. Man verhindere desshalb das Concubinat, man erleichtere das Heirathen, man wecke den Sinn der Häuslichkeit und des Familienlebens, man verbreite den Unterricht und befestige die Principien der Religion und der Moral, es werden dann die Väter und die Mütter an die Zukunft ihrer Kinder denken und diese aber die Stützen ihrer Eltern werden.

Wenn es in solcher Weise gelingt, dem Arbeiter den ganzen Werth der häuslichen Tugenden und seiner intellektuellen Vervollkommnung zum Bewusstsein zu bringen, so wird man das so wünschenswerthe Ziel erreichen, in ihm eine innere Befriedigung hervorzurufen, wie sie nach den unabänderlichen Gesetzen der Weltordnung diejenige Gemüthsruhe gewährt, welche das Streben nach dem Guten und Höhern allein zu bewirken vermag. Diese innere Zufriedenheit, da sie auch die menschlichen Unvollkommenheiten in milderm Lichte zu beurtheilen befähigt; wird daher überdiess zur besten Schutzwehr der bestehenden staatlichen Einrichtungen und zur sichersten Gewähr, dass deren weitere Fortentwicklungen stets nur im Sinne der Ordnung und der Gesetzlichkeit geschehen dürfen.

Der Arbeiter fernerhin von der Missstimmung befreit, welche ein ungeordnetes und verthiertes Leben stets im Gefolge haben, und enthoben der nagenden Sorgen, welche ihm seine Schulden, der Anblick seiner verkümmerten Haushaltung, seines von dem Nöthigsten entblössten Weibes und seiner Kinder unaufhörlich verursachen, wird nicht nur mit ruhigem Gemüth und gehobener Stimmung seine Arbeit verrichten, sondern der Gedanke an seine Familie, an seinen wachsenden Wohlstand werden jene ihn so lieb gewinnen lehren, dass sich dadurch sein Eifer und selbst seine Leistungen verdoppelt finden müssen.

Den Arbeitgeber anbelangend so wird er sich seiner Seits für seine Bemühungen, seine Geduld und seine Geldopfer dadurch entschädigt finden, dass er sich einen anhänglichen Arbeiterstand geschaffen hat, der, indem er sich seine aufgeklärte Anschauungsweise zu eigen macht - ebenso sehr den nothwendigen Unterschied in ihrer gegenseitigen Stellung als auch ihre gemeinsamen und untrennlichen Interessen begreift, und desshalb seine Industrie sowohl in Betreff deren Qualität als auch deren Quantität auf die blühendste Stufe der Vervollkommnung bringen wird.

Das Feld für die Erziehung und Veredlung der arbeitenden Klassen ist ein so weites und zugleich noch so sehr brach liegendes, dass da noch der Arbeit ins Unendliche vorhanden ist. Trotzdem kann immerhin unser Jahrhundert die Ehre beanspruchen, mehr denn je zuvor geschehen, für die Förderung ihres Wohls gethan zu haben. Der Weltausstellung in Paris vom Jahre 1867 gebührt aber der Ruhm zuerst von diesen Leistungen öffentlich im Namen der Menschheit Akt genommen, sie zur allgemeinen Kenntniss gebracht, und dadurch dieser Richtung unserer Zeit den mächtigsten Impuls gegeben zu haben.