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Autor: Taut, Bruno
In: Frühlicht - (1921); 2
 
Architkturmalereien
 
1.     INNENRÄUME IM LEDIGENHEIM ZU SCHÖNEBERG

Der Festsaal des Restaurants im Ledigenheim wurde unter freundlicher Befürwortung des Stadtbaurats nach meinen Vorschlägen, da ich der Architekt dieses Gebäudes war, so an die Maler Paul Gösch (Regierungs-Baumeister) und Franz Mutzenbecher sowie an den Bildhauer Elster in seiner Ausschmückung übertragen, daß die Künstler nur nach vorheriger Übereinkunft über das Allgemein-räumliche ohne jede Vorarbeit im Atelier und demnach ohne Karton aus dem Raum selbst ihre Gestaltungen herleiten sollten. Eine freie Improvisation, die auf alle Fälle den Reiz der Frische haben mußte. Das Schwierige und besonders Neue der Aufgabe lag noch darin, daß drei Künstler hier zusammen in kameradschaftlichem Kontakt arbeiten sollten, unter Unterordnung ihrer Individualität unter ein Gemeinsames - bei der heutigen Situation des Werdens in der Stilfrage keine Kleinigkeit. Die Lösung konnte nur so ausfallen, wie sie ausgefallen ist: ein freies Musizieren in einer gleichen Tonart - im Gegensatz zu jedem puritanischen Stilgedanken. Die "strenge" Kritik stellte demnach auch fest, daß hier zuviel Themen angeschlagen seien, von denen jedes einzelne für den ganzen Saal ausgereicht hätte - ein Vorwurf, der bereits Mozart von der zeitgenössischen Kritik gemacht wurde. Mir scheint aber wesentlich, daß es sich bei einem neuen Werk um ein neues Einheitsgefühl handelt, das kräftig genug ist, bisher Getrenntes zusammenzufassen und mit neu Gefundenem zu verbinden. Der Ton des Ganzen, der ein reicher, voller und freudiger ist, dürfte für einen Festsaal durchaus zutreffen. - So entschloß sich auch die städt. Deputation nach ihrer anfänglich nicht zu verwundernden Entfremdung von der von mir vorgeschlagenen Karenzzeit für dieses Werk abzusehen. Und auch das Publikum stellt sich nach und nach immer unbefangener darauf ein, besonders wenn es dort tanzt und vergnügt ist. Das Klubzimmer fand dagegen die sofortige allgemeine Anerkennung. Seine Form wird beherrscht durch die sich aus dem Grundriß ergebende einseitige runde Nische, welche ich in der Decke zu einer exzentrischen Spirale zusammenfaßte. Franz Mutzenbecher, der Maler des gotischen Raumes im Rathause zu Magdeburg, folgte dieser Form, indem er von der Spirale aus leuchtende Töne verschiedener Farben über die Decke und die Wände entwickelte, welche nach unten zu bis zum Panneel in gleichmäßiger Abschattierung leichter und milder werden.


2.     AUSSENBEMALUNGEN IN MAGDEBURG

Der vorhandenen Architektur eines Gebäudes mit Farbe zu folgen und sie dadurch stark und voll erklingen zu lassen, ist etwas sehr Altes. Neu kann und muß dabei nur die Farbenwahl sein, da kein Zauberer der Welt uns zu einem Menschen früherer Jahrhunderte machen kann. Das gilt für den Innenanstrich des Rathauses und für die noch hinzugekommenen Häuser "bauamtlicher" Beratung, das schöne Barockhaus Breiter Weg 1 und den "Preußischen Hof" am Breiten Wege. Diesem Bau aber, der schon aus der Zeit architektonischer Ermattung stammt, tut man keinen Gefallen, wenn man jedes Ornament gleichmäßig hervorhebt. Der Stuck ist hier schon in Gipsguß fabrikmäßig hergestellt und würde auf diese Weise totgehetzt werden. Hier erhält schon der Gedanke andeutende Wirklichkeit, der in der neuen Architektur als ein neues Kunstmittel, sozusagen als eine künstlerische Entdeckung eine wesentliche Rolle spielen wird. Die stofflichen Voraussetzungen der Farbe sind anders geartet als diejenigen der Form. Deswegen muß die Farbe anderen Gesetzen folgen als die Form und kann ein eigenes Thema anschlagen und verfolgen, ein Thema, das nicht unbedingt neben der Form parallel zu laufen braucht, sondern die Form durchkreuzen, sich von ihr trennen, eine Dissonanz hervorbringen und eine Auflösung dieser Dissonanzen in Wiedervereinigung darstellen kann. Die Beziehungen zwischen Farbe und Form werden dadurch erheblich ausgeweitet und bereichert. Ein erstes Beispiel dieser Art ist eine Hausgruppe in der Kolonie Reform, bei der die Farbe in ihrer Flächenverteilung sich zwar an die architektonische Gliederung hält, aber in ihrer eigenen Tonfolge thematisch anders, d. h. in diesem Falle unsymmetrisch verläuft. Das Haus Barasch, eine Arbeit des Karlsruher Malers Oskar Fischer, bedeutet einen Versucht mit ähnlichen Mitteln, das Lastende der über den Schaufenstern hängenden Mauer zu nehmen: abstrakte Farbformen, welche unten und oben symmetrisch gebunden sind und dazwischen im statischen Spiel der Kräfte verlaufen. Die Farbtöne sind meergrün bis hellgrau in verschiedenen Abstufungen, Konturen schwarz. Die Bemalung der Normaluhr (S.60) (von Architekt Krayl) versucht die unschöne vorhandene Form in ihrer Häßlichkeit dem Auge zu entziehen, dadurch, daß die Farbe nur an den Kanten, sonst gar nicht der gegebenen Form folgt und auf diese Weise mit ihr spielt.

B. T.