5. Jg., Heft1 Juli 2000 |
Thomas SchriefersDenkmäler mit Verfallsdatum.(1) Zur Überwindung des traditionellen Denkmalbegriffs auf Weltausstellungen |
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Die Tradition der Einrichtung nationaler
Staatenhäuser prägt das Erscheinungsbild der Weltausstellungen, seit man sich entschied,
auf den Bau eines alle Abteilungen vereinenden Messepalastes zu verzichten. Das
"Pavillonsystem" wurde, ausgehend von Kleinstbauten in Wien 1873 ständig
perfektioniert, bis es zum festen Bestandteil jeder groß angelegten Weltausstellung
wurde. Dabei verwandelten sich Häuser vielfach in ikonografische Manifestationen, die als
propagandistische Informationsträger sowohl für Produkte und Waren, als auch
Weltanschauungen und Bildungsideale warben. Die beim Betrachter bewußt erzeugten Bilder
förderten die Verknüpfung des Wahrgenommenen mit dem in der Erinnerung Gespeicherten, um
das Erlebte assoziativ weiterzuspinnen. Dazu dienen bis heute Allegorien, Applikationen
und historische Zitate, mit denen die Besucher von Weltausstellungen stets konfrontiert
werden. Maßstäblich integriert oder maßstabslos übersteigert, verweisen sie auf
Bedeutungen, die über den wahrgenommenen Gegenstand hinausgehen. Dadurch erscheinen viele
Ausstellungsbauten als symbolträchtige Denkmäler. Das Lexikon bezeichnet das Denkmal oder Monument als ein der Erinnerung oder Personen dienendes Werk der Architektur oder Bildhauerei. Dauerhaft und heute oft per Verordnung vor der Zerstörung geschützt, verweisen jene Gebilde auf das Kontinuum, in dem wir leben, indem sie sich auf Vergangenes und seine Vor- und Nachgeschichte beziehen. Dazu besitzen sie eine spezielle Ikonografie, Symbolwert und die Tendenz, eine dauerhaft gültige Wirkung hervorzurufen. Mit diesem Anspruch prägen Denkmäler des 19. Jahrhunderts Stadtbilder mittelalterlicher wie zeitgenössischer Metropolen. Die Erscheinung der New Yorker Freiheitsstatue, die der französische Bildhauer Frédéric Bartholdi entwarf, bestimmt seit 1886 die Hafeneinfahrt der als "Big Apple" bekannten US-amerikanischen Hafenstadt. Ein Bauwerk, dessen Einzelteile vor der Montage auf verschiedenen Weltausstellungen vorgeführt wurden. Als Fragmente eines später zusammengefügten Ganzen dienen sie in Philadelphia (1876) und Paris (1878) als Werkproben einer zu erwartenden Großskulptur, in der sich der Denkmalwahn des 19. Jahrhunderts monumental artikuliert. In Gestalt eines Symbols der Unabhängigkeit Nordamerikas und als Ausdruck der Bestrebungen, wie sie im übertragenen Sinne Edmond Texier bereits 1852 in seiner Darstellung der Monumente von Paris vorstellt, um das zweibändige "Tableau de Paris" einzuleiten. Die von ihm beschworene Wiedergeburt "titanischer Repräsentationsarchitekturen" genügt schließlich dem Anspruch, historische Kontinuität nachzuweisen: Das Übereinander von Triumphbogen, Säule und Obelisk, von Kuppel und aufragendem Turm dokumentiert gleichzeitig aber auch das gesteigerte Interesse an symbolträchtigen Bauwerken. In Gestalt repräsentativer Häuser und Erinnerungsmale, die vielfach dem kollekitiv empfundenen Stolz nationaler Souveränität dienen. Für das Deutsche Reich errichtet Johannes Schilling die 10 1/2 Meter hohe "Wacht am Rhein", eine "Germania"-Statue, die, mit Reichsschwert und Kaiserkrone versehen, als "Niederwald-Denkmal" einen Hang oberhalb des Rheins bei Bingen, krönt, um an die Reichsgründung zu erinnern. Beispiel des Typus eines Denkmals staatlichen Selbstbewußtseins, wie ihn Architekt Bruno Schmitz, der Entwerfer des deutschen Weltausstellungs-Pavillons in St. Louis 1904, mit seinem 1913 fertiggestellten Monument für die Völkerschlacht bei Leipzig, dem Bau des Kaiser-Wilhelm-Denkmals (Deutsches Eck) in Koblenz und der Porta Westphalica realisiert. In Paris entwirft Jean-François-Thérèse Chalgrin 1806 den "Arc-de-Triomphe" , der seit 1835 die Mitte des heutigen "Place Charles de Gaulle" (L´Etoile) bestimmt. Auf einem kreisrunden Plateau, in das breite Boulevards münden, um die anfallenden Verkehrsströme ringsum das zu Ehren Napoleon Bonapartes errichtete Triumphtor zu lenken. Das 50 Meter hohe und 45 Meter breite Monument, mit dem Chalgrin den römischen Konstantinbogen zitiert, dient auch heute noch als Bauwerk der Erinnerung und nationale Gedenkstätte, die das "Grabmal des Unbekannten Soldaten" prägt. Umso mehr schockiert das fotografische Bild, das den Abbruch eines
ähnlichen Bauwerks zeigt. Dessen Demontage berührt das Tabu des unantastbaren
Kulturerbes der Menschheit, unabhängig davon, ob es sich um die mutwillige Zerstörung
des Originals oder die einer Kopie handelt.
Im Sinne der Thesen futuristischer Gestalter erfüllen sie dadurch aber
die Merkmale, die nach Antonio Sant´ Elia eine zukunftsorientierte Stadt kennzeichnen:
kurzzeitige, nicht permanente Bauten, die "in Flüchtigkeit und Vergänglichkeit
bestehen".(2) Bauten, die sehr viel kurzlebiger sind als ihre Schöpfer, dadurch aber
den futuristischen Anspruch erfüllen, jeder Generation ihre eigene Stadt zu ermöglichen.
Eine konstante Erneuerung der Architektur, wie sie unter gewandelten Vorzeichen auch auf
Weltausstellungen zur Erscheinung gebracht wird. Eine Entwicklung, die sich bereits Anfang unseres Jahrhundert ankündigt, in den Manifesten der Futuristen ebenso wie in der zunehmend durch maschinelle Technik bestimmten Alltagswelt. Zeno Diemers Gemälde des Luftschiffes Zeppelin, das er fixiert, während es ein marzialisch erscheinendes Bismarckdenkmal überfliegt, kennzeichnet den Wandel des Denkmalbegiffes bereits in jener Zeit, in der ewige Monumente noch zum Ausdrucksmittel staatlicher Macht gehören: An die Stelle fest-gefügter Standbilder mit Ewigkeitswert rücken technische Idole, z.B. Flug-Apparate, mit denen die Schwerkraft überwunden wird. Ebenso, wie die Einführung von Maschinen die industrielle Fertigung
massiv verändert, wandelt sich der Zeit- und Raum-Begriff. Der Verkürzung ehemals
großer Entfernungen entspricht die Aufweitung der Perspektive, wie sie nicht allein
Robert Delaunays Bilder veranschaulichen. Mit der Wandlung räumlicher Wahrnehmung wandelt
sich auch die Bedeutung der Denkmäler, die ihrer meist zentral-perspektivisch
festgelegten Dramaturgie entbunden werden. Für den Architekten Le Corbusier dokumentiert der auf einer Fotoplatte fixierte Blick über das freie Weltausstellungsgelände von 1900 den Status quo des Jahres 1908. Das darauf im Hintergrund abgebildete Riesenrad dient ihm als Beispiel eines Bauwerks, das jenes neue "Zeitalter der Verwirrung" und den Augenblick, "in dem ein neuer Maßstab die Ordnung der überkommenen Größen durcheinanderwirft", kennzeichnet. Er betont dabei die beeindruckende Wirkung des Neuen, das bewundert wird. Gleichzeitig verweist er auf die kurze Dauer seiner Existenz, bis das technische Wunderwerk wieder abgetragen wird. Für Le Corbusier Anlaß der Frage nach der Erhaltung des Eiffelturms. In seinem 1929 in deutscher Sprache erschienenen Buch "Städtebau" gelangt er zu der Ansicht, das "die Frage nach dem Ewigkeitswert des Turms aufgeworfen werden" wird, "wenn dereinst die Stadt den Maßstab des Turms eingeholt haben wird".(5) Die Demontage epochaler Gebäude, wie die der von Dutert und Contamin für die Weltausstellung in Paris 1889 entworfenen Maschinenhalle 1910, bestärkt Le Corbusier in seiner Überzeugung, dass auch der Eiffelturm abgetragen werden wird. Entgegen dieser Auffassung widersteht der Turm aber dem Ansinnen seiner Kritiker, als Wahrzeichen der Stadt Paris und Symbol des Phänomens der Weltausstellung selbst. Dabei erinnert der Eiffelturm auch an die aufsehenerregende Leistung jener, die in kürzester Zeit 18.000 Einzelteile montierten und dabei 2.500.000 Eisennieten verarbeiteten. Ein Werk, dessen sich Giovanni Battista Piranesi (1720-1778) sicher auch angenommen hätte, wäre es ihm nur möglich gewesen, Veduten moderner Denkmäler zu schaffen. Denkmäler, die unterschiedlichen Motiven folgen, um Zeit- und Orts-bezogenen wirksamen Tendenzen Nachdruck zu verleihen. Piranesis leidenschaftliches Interesse an Bauformen der römischen
Antike mögen die Planer der "Columbian World Fair" in Chicago 1893
nachempfunden haben, entwerfen sie doch eine neoklassizistisch anmutende Stadt, die, als
"White City" bezeichnet, Monumente jeder Form und Größe vereinigt. Vor allem
am Zentral-Bassin, für dessen bauliche Fassung die planenden Architekten antike Vorbilder
zitieren: u.a. durch die Einrichtung der riesigen "Statue der Republik", die auf
das von Morris Hunt entworfene Administationsgebäude und den Christopher-Kolumbus-Brunnen
blickt. "Sein architektonischer Ausdruck wurde in der Nachahmung spätrömischer Prachtbauten gefunden. Allerdings nur als Attrappe; denn die Stahlgerüstkonstruktion machte die Architektur unabhängig von der Mauerkonstruktion. Der Mauerkern verschwand, nur seine Haut blieb übrig, die in ein stilimitatorisches Fournier umgewandelt wurde." (6) Entsprechend folgt die Weltausstellung von Chicago jener Gesinnung, "von der Burnham sagte, daß sie die Erfüllung dessen sei, was die Römer als dauernde Form schaffen wollten". Dauerhaft ist aber nur weniges in Chicago. Dafür gilt dem spektakulären Exponat die ganze Aufmerksamkeit - im Großen wie im Kleinen: z.B. dem Werk eines Kölner Fabrikanten, der dort ein besonderes Denkmal schafft. Aus 15 Tonnen Schokolade errichten Mitarbeiter des Süßwarenherstellers Stollwerk einen 12 Meter hohen Rundtempel, inklusive Germania und Kaiserkrone. Ein Monument einer ökonomischen Zielen verpflichteten Schlaraffia-Welt, deren Entstehungsprozeß damals photografisch dokumentiert wurde, um die Arbeit der Schokoladenbildhauer bei der Schaffung ihres Lebensmittel-Meisterwerks, "made in Cologne", festzuhalten. Dessen Vergänglichkeit charakterisiert im übertragenen Sinne auch das Schicksal auch jener Bauten, die, von Hilberseimer als Attrappen bezeichnet, den Eindruck vermitteln, als seien sie für die Ewigkeit geschaffen worden. An konkrete Vorbilder erinnern viele Staatenhäuser der Jahrhundertwende-Ausstellungen. Landestypische Bauformen werden temporär nachgebildet, bedeutende nationale Zeugnisse z.T. sogar detailgetreu kopiert: in Paris (1900) z.B. in Gestalt des die Renaissance zitierenden deutschen Pavillons, der gotische Bauformen adaptierenden Abteilung Italiens oder dem belgischen Nachbau des historischen Rathauses von Oudenarde. Die Weltausstellung 1900 zeigt aber auch, daß, je stärker sich der technische Fortschritt entwickelt, eine traditionell-verklärte Rückbesinnung an Bedeutung gewinnt. Nachbauten national-bedeutender Häuser, landestypisch ausstaffierter Dörfer und Menschen in ihren althergebrachten Trachten, dienen der Demonstration kultureller Substanz und dem Hinweis auf den Grad einer gegenwärtig erlangten Entwicklungsstufe. Das äußert sich u.a. in großräumigen Anlagen, die in Form ethnologischer Ensembles, Vergangenes und Verlorenes wieder aufleben lassen: 1900 z.B. in der collageartig-ergänzten Nachbildung des mittelalterlich geprägten "Vieux Paris", das die "Sehnsucht nach einer vergangenen, scheinbar glücklicheren Zeit (...) in dem romantisch-pittoresken Unternehmen in hohem Maße befriedigt". Trotzdem erzeugen aber zahlreiche Ausstellungsarrangements, und nicht
nur die der nationalen Saatenhäuser, vielfach den Eindruck eines Sammelsuriums bezuglos
zueinander gestellter Exponate. Markant und doch abgestellt, gehorcht das fragmentarische Modell des
historischen Schiffes nicht den Bedingungen eines funktionalen Kalküls. Wie andere
singuläre, barocke, volkskundliche, exotische und alte Objekte entspricht "Le
Triomphant" einem ganz andersartigen Bedürfnis, das der Soziologe Jean Baudrillard
in "Das alte Objekt - Zeit und Dauer" benennt: "nämlich Zeugnis, Andenken,
Nostalgie und Evasion zu sein". Baudrillard geht in seiner Annahme so weit, zu
behaupten, daß vergleichbare Objekte nicht nur "übriggebliebene Reste einer
vergangenen und symbolischen Ordnung" vertreten, sondern zu "echten
Bestandteilen" ihrer Zeit mutieren. Teilen einer Modernität, die seiner Meinung nach
etwas Doppelsinniges verkörpert. Der Dominanz symbolisch aufgeladener Nationalpavillons auf europäischen
Weltausstellungen entspricht in den USA die starke Präsenz der Unternehmensbauten,
insbesondere in Chicago (1933). Dort charakterisiert der Begriff "Movement" fast
alle Bereiche der "Century of Progress Exposition", besonders die Bauten der
Automobil-Hersteller Chrysler, Cadillac und General Motors. Verlangen die Organisatoren nach publikumswirksamen Demonstrationen, so
erscheint das turmhohe Termometer der "Havoline motor oil company" als Pegel,
"konsumistisches Manifest"(10) und markantes Sinnbild für den Verbrauch des
Benzins , den Treibstoff für das "Jahrhundert des Fortschritts". Ein Monument,
in dem der fortschrittsgläubige Besucher eine Manifestation des erfolgreichen Weges
sieht, der die USA aus der Depression führen soll. Kunst und Technik dienen daher als Zeugnisse einer angestrebten oder
vollzogenen Umgestaltung gesellschaftlicher Systeme. Pomp und Gigantismus dienen als
Fassade der Mächtigen, als wollten sie kompromißlos auf Ortega y Gassets Frage - wer in
der Welt herrscht? - antworten. (7) Vor diesem Hintergrund erinnern Architekturen an Denkmäler der besonderen Art, in Stein gegossene Manifestationen ideologischer Botschaften. So auch das Ensemble der in Paris 1937 positionierten Staatenhäuser, dem Deutschlands auf der einen und Sowjetrusslands auf der anderen Seite. Mächtige, fast maßstabslos wirkende Pavillons, deren Basisgeschosse den aufstehenden Hoheitszeichen als Sockel dienen.
Die einschüchternd-monumentale Ausstellungsarchitektur Deutschlands, die der Sowjetunion und Italiens, überzeichnen Tendenzen, die das Auftreten fast aller Nationen bestimmt - die Demonstration nationalen Selbstbewußtseins. Mag die direkte und eindrucksvoll in Szene gesetzte Konfrontation der deutschen und sowjetischen Staatenhäuser auch die Blicke der Betrachter fesseln, so weist die Weltausstellung bedeutend mehr Spannungsfelder auf. Dennoch dokumentiert das monumentale Paar von Kolchosebäuerin und Arbeiter, die dem gegenüberstehenden adlerbekrönten Pylon provokativ Hammer und Sichel entgegenstrecken, drastisch die Tendenz der Schau, gewohnte Maßstäbe bewußt aufzulösen. Ein Wettstreit, den die französische Ausstellungsleitung in ihrer Standortzuweisung der Bauten bewußt provoziert hat. Das sowjetische Staatenhaus erscheint, fensterlos, einzig als Postament
für die monumentalen Plastiken, die zwei herausfordernd-triumphierende Werktätige
zeigen. Die Werke der Bildhauerin Vera Mukhinas, die damit eine Allianz von Industrie und
Agrikultur, dem Leitmotiv des zweiten, 1937 auslaufenden Fünf-Jahres-Plans skulptural
darstellt. Gleichzeitig vertreten sie den Statuenwahn, der im Europa des ausgehenden 19.
Jahrhunderts entstand, und bis in die dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts anhält. Die eigentliche Präsentation schließt sich gegen außen ab, zieht
sich, hinter mächtigen Mauern, in ihren nationalen Schrein zurück. Wirtschaftliche und
kulturelle Leistungen vertreten dort die Erfolge der neuen Ordnung. Herausfordernd in
Szene gesetzt, vermittelt der dynamisch-massive Bau den Eindruck großer Standfestigkeit,
Bollwerk, gleichzeitig aber auch Sinnbild für die innenpolitische Intoleranz, mit der die
Sowjetmacht das 1917 selbstproklamierte "Recht der Völker Rußlands auf freie
Selbstbestimmung bis zur völligen Lostrennung und Bildung eines unabhängigen
Staates" handhabt. Der Hinweis auf den ideologischen Vorbehalt, dieses Recht nicht
der "Bourgeosie", sondern allein den "werktätigen Massen"
zuzuerkennen, bietet stets den Anlaß, entsprechende Vorgänge mit Gewalt zu verhindern. Paris, der Veranstaltungsort der Friedenskonferenz von 1919/20 wird buchstäblich zu Bühne einer Welt, die sich zwischen Anerkennung, Durchsetzung und Revision positioniert. Den expansiven Staaten ebenso wie den Neustaaten, die die Weltausstellung als Ort der Rechtfertigung und Bestätigung legitimer Unabhängigkeit nutzen. Entgegen jeder Konfrontation symbolisiert die auf dem Trocadéro-Hang stehende, weithin sichtbare, Friedenssäule aber jene Sehnsucht nach Koexistenz und die Hoffnung, Spannungen der europäischen Staaten zu überwinden. Formal zitieren Léon-H. Bazin und Albert Laprade den Typus der Trajanssäule, die sie nachempfinden, um ein Symbol des militärischen Triumphes in ein Friedenssymbol umzuwandeln. Die in Goldbuchstaben in die grüne Bronze-Stele eingelassenen Namen der Verfechter des Friedens ersetzen die Hinweise auf erfolgreich geschlagene Schlachten. In Verbindung mit den vesammelten Fahnen aller teilnehmenden Nationen und dem Friedenspavillon entsteht dadurch an der "Porte d´Honneur" ein beschwörender Friedensaltar. Mit Blick auf die Weltausstellung in Paris 1937 entwickelt der Architekt
Le Corbusier vier programmatische Projekte, um ein dauerhaftes Bauvorhaben mit
internationaler Beteiligung und Vorbildfunktion werbewirksam in Szene setzen zu können.
Nach den vielen Bauausstellungen und visionären Siedlungsprojekten der 20er Jahre hofft
er auf eine zusammenfassend-reflektierende Veranstaltung, die dazu beiträgt, Konsequenzen
für zukünftige Planungen zu ziehen. Die Weltausstellung wird durch das Konzept von Le Corbusier zur infrastrukturellen Eröffnungsveranstaltung, die einen kontinuierlichen Prozeß in Gang setzt. Ziel ist der Umbau der historischen Stadt, wie er in der Charta der Athener CIAM-Konferenz verabschiedet wurde. Le Corbusier bezeichnet diesen Vorgang als "réurbanisation du centre de Paris". Folgt man seinem Konzept, dann dient die Weltausstellung dem Zweck einer überdimensionalen Propaganda-Veranstaltung - als Fanal für eine neue Urbanität. Zweifelsfrei will Le Corbusier die Anwesenheit der Staaten auf der Weltausstellung nutzen, um weltweit für ein Umdenken zu werben. Gleichzeitig versucht er, die Ausstellung als Impuls für einen fortschreitenden Prozeß einzusetzen, gewissermaßen als Veranstaltung mit Folgen. Die Schau wird zum Mittel, ihre Bauten zu Teilen der 'Weltstadt', deren Qualität Le Corbusier schon in seinen "Feststellungen" von 1929 beschwört - die 'Weltstadt' als "Rangierbahnhof für die Ideen der Welt". Bei diesem weitgehenden Anspruch überrascht nicht, daß seine Vorschläge, nicht weiterverfolgt werden - offiziell mit der Begründung zu hoher Kosten. Statt dessen erhält Le Corbusier den Auftrag, einen Pavillon zu planen, der, in allen seinen Teilen industriell gefertigt, Perspektiven für ein zeitgemäßes Wohnen in rasch wachsenden Städten programmatisch demonstriert. Unter dem Motto "Pavillon des Temps Nouveaux" entsteht das 'Projekt D' anläßlich der Weltausstellung 1937 als temporäres, wiederverwendbares Gebäude. Den Bürgern Frankreichs gewidmet, entwirft Le Corbusier sein "Musée ambulant d´education populaire pour les campagnes". Als leicht demontierbare Konstruktion soll der Pavillon nach der Beendigung der Weltausstellung an verschiedenen Orten erneut aufgebaut werden, um seine Visionen zu denen zu transportieren, die, fern der Metropolen, den aktuellen Vorgängen kaum folgen können. Als Mittel der Volksbildung gedacht, erfüllt der Pavillon aber gleichzeitig auch das Hauptmerkmal vieler Weltausstellungsbauten - die Propaganda. In diesem Zusammenhang erinnert Gilles Ragot in seinem Beitrag über Le Corbusiers Zelt an die Tradition der Propagandazüge, mit denen die Gedanken der russischen Revolution 1919 auch in entlegenste Regionen transportiert werden sollten. Le Corbusier nutzt dazu Möglichkeiten, die ihm neue Baustoffe bieten. Er bedient sich der aus dem Flugzeugbau bekannten leichten Stabtragwerke, die er nach Außen hin mit Seilen abspannt. Dadurch hält er das Innere ttützenfrei. Das Tragwerk ist sichtbar und Zeugnis der Gegenposition, die sich gegen die als unehrlich erachteten Kulissenarchitekturen traditioneller Ausstellungsbauten wendet. Le Corbusiers Pavillon repräsentiert daher jenen Gebäudetypus, den Heinz und Bodo Rasch in ihrem 1928 erschienenen "Wie Bauen?" als zeitgemäßen "Zeltbau" bezeichnen: "Er entsteht und vergeht mit den Generationen, die ihn schufen. Seine geringen stofflichen Bestandteile zersetzen sich, lösen sich auf in nichts. Aber seine Struktur hat etwas 'Ewiges'".(9) Als temporärer Bau konzipiert, erfüllt Le Corbusiers Pavillon aber noch ein weiteres Kriterium: er bezieht Stellung zur kultur-politischen Situation und provoziert durch seine plakative Signalwirkung. Denn die farbige Tuchbespannung zeigt die Farben der Trikolore, Blau-Weiß-Rot, wie sie auf zeitgenössischen Flugzeugen deren Staatenzugehörigkeit kennzeichnet. Dadurch erscheint das Zelt als viel versprechendes, noch verschnürtes nationales Geschenkpaket.
Die Pforte ist eines von zahlreichen Zitaten, mit denen Le Corbusier
stellvertretend den Wandel der Ansprüche an Räume versinnbildlicht. Er folgt dabei
seiner Überzeugung, der er 1925 in "Vers une architecture" Ausdruck verleiht.
Demnach erscheint das Flugzeug als Symbol für ein "Erzeugnis hoher Auslese. Die
Lehre des Flugzeuges liegt in der Logik, die bei der Aufstellung des Problems wie bei
seiner Verwirklichung den Vorsitz" führt. Übertragen auf den Wohnungsbau, sieht Le
Corbusier das technische Gerät als Vorbild für den Einsatz standardisierter Werkstoffe.
Das Flugzeug erfüllt einen wesentlichen Anspruch, da dessen Mechanik in sich den Auslese
erzeugenden Faktor der Sparsamkeit trägt. Obwohl sich der Pavillon dadurch fortschrittlich darstellt, knüpft er
in seinem grundsätzlichen Aufbau formal an die Konzeption archaischer Anlagen an. Sein
Stützenbau errinnert an Darstellungen des Typus eines "primitivenTempels", den
er in "Vers une architecture" als Beispiel eines frühen Systembaus vorstellt.
"Durch Messen ist der Mensch zur Ordnung vorgedrungen. Zum Messen nahm er seinen
Schritt, seinen Fuß, seinen Ellbogen oder seinen Finger. Indem er dem Werk die Ordnung,
die sein Fuß oder sein Arm ergab, aufzwang, bildete er das Ganze gesetzmäßig durch; ...
."(10) Während sich in Paris1937 ein mehr oder weniger direkter Schlagabtausch zwischen den damaligen Machtblöcken abzeichnet, reagiert New York 1939 durch eine thematische Abkehr. Angesichts der verfahrenen Situation in Europa zelebriert Amerika seine Demokratie, die sich in der Vorführung des ökonomischen Erfolgs manifestiert: u.a. in Monumenten, wie dem Registraturkassen-Nachbau der "National Cash Register" (N.C.R.), ein Gebäude, das sich scheinbar lückenlos in die Tradition "konsumistischer Manifeste"(Chicago 1933) einfügt. Die Hoffnung auf eine bessere Welt symbolisiert, neben zahlreichen Modellen, vor allem die "Zeitkapsel", die 1939 mit Produkten der damaligen Zivilisation in New York gefüllt wird, um sie zu versenken und dadurch folgenden Generationen zu überliefern. Als Ausdruck spektakulärer und dadurch werbewirksamer "Zeitgeist-Denkmäler", die sich rechnen und wirtschaftlichen Erwägungen folgen, wie sie der amerikanische Designer Raimond Loewy mit seiner MAYA-Schwelle (Most-Advanced Yet Acceptable) vertritt. Frei nach dem Motto seines Bestsellers "Häßlichkeit verkauft sich schlecht". Die Frage, wie weit der Gestalter dem Stil, der Techniker dem Standard und der Politiker den Gegebenheiten der Zeit vorauseilen kann, ohne sich zu sehr von der Realität zu entfernen, gewinnt in Hinblick auf die zahlreichen Visionen in New York 1939 höchste Priorität. Die Antwort geben die Ausstellungs-Organisatoren prompt. Ihre Präsentationen verknüpfen stets den kulturellen Fortschritt mit der Freiheit, die dem Einzelnen in einem Staatsgefüge zugestanden wird. Halt bietet hier der Staat und seine demokratische Verfassung, die Amerika mit dieser World´s Fair feiert. Das Symbol dieser Verpflechtung beherbergt der Pavillon des Staates
Pennsylvania, in dessen Independence Hall 1776 die amerikanische
Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet wurde: die Freiheitsglocke und eine fast 50 Meter
lange, an Stahltrossen von der Decke abgehängte Brücke. Walter Gropius hatte sie mit
Marcel Breuer entworfen, um den zur Verfügung stehenden Raum in seiner ganzen Länge, von
der geschichtlichen zur neuzeitlichen Abteilung, zu überbrücken. Obwohl die Praxis der Einrichtung temporärer Monumente und Denkmäler
in den 30er Jahren zur spektakulären Erscheinung für den Abriß bestimmter
Ausstellungsstädte beiträgt, regt sich in dieser Zeit sachkundiger Widerstand, den der
weltausstellungserfahrene Architekt Hans Hofmann 1939 in Zürich stellvertretend
artikuliert. Demgegenüber richtet Hoffmann in Zürich den unprätentiösen "Höhenweg" ein, der sich als zweistöckiger Steg durch das Gelände schlängelt und die einzelnen Bauten miteinander verbindet. Mit einer Verkehrsschleife versehen, erlaubt der Höhenweg, den Besucher auf dem langgestreckten Terrain zum Haupteingang zurückzuführen, ohne daß er nochmals den gleichen Weg zurücklegen muß. Auf die monumentale Erscheinung einer Prachtachse verzichtet Hans Hofmann zugunsten einer organisch-abwechslungsreichen Raumfolge, auf die "zwecklosen aber prestigesüchtigen Turmbauten" und die Aufreihung monumentaler Denkmäler, die den Blick des Weltausstellungs-Besuchers regelmäßig auf eine "kostspielige Hauptfontäne" lenken, um statt dessen eine Ausstellungsstadt nach menschlichem Maßstab zu schaffen. Eine Stadt mit einer Organisation, die dem Besucher hilft, sich zu orientieren und auf Inhalte zu konzentrieren. An die Stelle vordergründig aufwendiger Kulissenbauten soll schließlich eine harmonisch-kubische Gesamtgestaltung treten, permanente Bauten, die unter einer einheitlichen künstlerischen Leitung erstellt werden. Was für die ambitionierte nationale LA Zürich denkbar erscheint, bleibt aber auf den folgenden Weltausstellungen unberücksichtigt. Der Repräsentationswunsch vieler Teilnehmer verlangt nach einer entsprechend weiträumigen Gliederung des jeweiligen Ausstellungsgeländes, so auch 1958 in Brüssel, wo die belgische Hauptstadt dazu einlädt, die Welt für eine humanere Zukunft zu bilanzieren.
Als Wahrzeichen schafft André Waterkeyn das 102 Meter hohe Atomium, das
die milliardenfache Vergrößerung einer Molekularstruktur darstellt. Nach den Monumenten
des Konsums und der Ideologie nun ein Denkmal für die Entdeckung wissenschaftlicher
Zusammenhänge, die das Atomium als Anschauungsmodell vertritt. Denn es dient als Sinnbild
der Entwicklung, die nach der ersten Phase der industriellen Revolution im 19.
Jahrhundert, einer weiteren in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts und einer dritten nach
1945, das maßstäblich nicht mehr fassbare Atom zum Motiv eines neuen, wenngleich
teilweise auch kritischen, Positivismus erkor. Schließlich erinnert man sich gut an die
Zündung der ersten militärisch genutzten A-Bomben, die Hiroschima und Nagasaki
verwüsteten. Der Aufarbeitung jenes verheerenden Einsatzes atomarer Technologie entspicht
daher auch der propagierte Ausblick auf die enormen bislang ungeahnten Möglichkeiten, die
deren friedliche Nutzung verspricht. Auf der Erde, und in sich gekehrt, zeigt sich der spärische US-Pavillon
in Montreal 1967. Der Begrifflichkeit von Grundstrukturen verpflichtet, leitet Fuller sein
Struktur-Modell von der "deskriptiven Betrachtung ihres natürlichen Auftretens"
ab. Aus physikalischen Experimenten resultieren schließlich auch die "Muster der
inhärent regenerativen konstellativen Assoziation von Energie-Ereignissen", die
Fuller in zweckmäßig-sphärische Bauten überträgt. Als vielfach-vergrößerte Einheit
definiert sich daher seine geodätische Kuppel als Symbol ständig wirkender Vorgänge,
die strukturelle und mathematische Prinzipien beschreiben. Prinzipien, wie sie "auch
auf der viel weiteren und komplexeren Ebene des Lebens wirken, d.h. auch in den
einzelligen Pflanzen und Tieren, den Diatomeen und Radiolarien".
Gleichzeitig erzeugt Buckminster Fuller ein von
außen abgeschirmtes und klimatisch konstantes Raumklima, dessen interne Atmosphäre durch
die an der Innenseite befestigten und in ihrer Lage veränderbaren Aluminiumblenden vor
direkter Sonneneinstrahlung geschützt wird. Ein adäquater Raum für die Vorstellung
US-amerikanischer Kultur, wie sie Buckmister-Fuller bereits 1959, damals gemeinsam mit dem
Designer Charles Eames, anläßlich der "American National Exhibition" in Moskau
in Szene setzten konnte. Als Denkmäler für Erfolge in der Forschung ergänzen vergleichbare Bauten zunehmend nationalstaatliche Monumente, auf die nach wie vor kaum ein Teilnehmer verzichtet. Denn sie repräsentieren Zusammenhänge, die allgemein verständlich über das wahrgenommene hinausweisen, Assoziationen erzeugen, und anregen, Hinweisen zu folgen, um Gedanken weiterzuspinnen. Ob es sich um gestenreiche Staatenhäuser in Montreal (1967) handelt, oder die metaphorisch-bildreiche Dramaturgie, die Kenzo Tange in Osaka (1970) wählt, den Besucher empfangen Monumente, die in den meisten Fällen für den Abriß bestimmt sind. Eine Gesetzmäßigkeit, über die erst in jüngster Zeit durch den Anspruch der Nachhaltigkeit ernsthaft nachgedacht wird. Mit dem Resultat, daß Hannover 2000 in Anspruch nimmt, große Teile der Expo zu erhalten, ggf. an anderer Stelle weiterzuverwenden. Der Faszination für Denkmäler hat dies aber nicht geschadet. Unabhängig der kritischen Nachfrage, mit der Niklas Maak angesichts ständiger Auseinandersetzungen bei Vorbereitungen internationaler Ausstellungen in seinem Beitrag "Lido ohne Grenzen" vom 5./6. Juni 1999 für die Frankfurter Allgemeine Zeitung im allgemeinen die Frage nach der Notwendigkeit nationaler Repräsentationsansprüche stellt, bestätigt sich auch in Hannover, daß sich die Welt längst noch nicht darauf eingerichtet hat, ganz auf nationale Selbstdarstellungen zu verzichten. Auf Weltausstellungen, die stets komprimiert-informationsträchtige Räume schaffen, in denen Marken der Erinnerung (Denkmäler) zum Instrumentarium der Teilnehmer gehören. Einem "Welt-Museum auf Zeit" vergleichbar, das von dem Reichtum der Welt berichtet. Anmerkungen 1) Vgl. zu diesem Thema auch: Thomas Schriefers: Für den Abriss gebaut? Anmerkungen zur Geschichte der Weltausstellungen. ardenkuverlag Hagen 1999, ISBN 3-932070-21-6 2) Ulrich Conrads und Hans G. Sperlich: Phantastische Architektur. Verlag Gerd Hatje, Stuttgart, 1960, S.21 3) Vgl. Sigfried Giedion: Raum, Zeit, Architektur. Die Entstehung einer neuen Tradition. Otto Maier Verlag, Ravensburg, 1965, S.194 4) Paul Westheim: Architektur des Plastischen. Verlag Ernst Wasmuth AG, Berlin 1923 5) Le Corbusier: Städtebau. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart Berlin und Leipzig 1929, S.43 6) Vgl. Ludwig Hilberseimer: Amerikanische Architektur. In: G. Zeitschrift für elementare Gestaltung. No. IV/März 1926, Herausgeber: Hans Richter, Berlin, 1926 7) Vgl. José Ortega y Gasset: Der Aufstand der Massen (1930), in deutscher Sprache erschienen in: rowohlts deutsche enzyklopädie. rororo, 1956 8) Eric Hobsbawn beschreibt die Bedeutung der symbolischen Monumente in: Kunst und Macht im Europa der Diktatoren, Oktagon Verlag, 1996, S.12/13 9) Heinz und Bodo Rasch: Wie Bauen? Akademischer Verlag Dr. Fritz Wedekind, Stuttgart 1928 10) Vgl. Le Corbusier: Kommende Baukunst, DVA, Stuttgart 1926 |
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