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Multimediale Präsentationen, computergenerierte virtuelle
Rauminszenierungen und spielerische interaktive Informationsvermittlung kennzeichnen den
größten Teil der Ausstellungsbeiträge, die für die Expo 2000 in Hannover vorbereitet
wurden. Anläßlich der ersten Weltausstellung, die in der knapp 150jährigen Geschichte
dieser universellen Schows in Deutschland ausgerichtet wird, zeigen sich Gastgeber und
Teilnehmerstaaten weitgehend auf dem aktuellen Stand hochtechnologisierter und
gleichzeitig den Entertainmentbedürfnissen der Rezipienten entsprechender
Informationsaufbereitung. So sollen auch die Präsentationen innerhalb des deutschen
Pavillons mit seinen drei verschiedenen Schowbereichen multimediale Umsetzungen des
zentralen Expo-Themas "Mensch-Natur-Technik" zeigen. Die Architektur des
Pavillons wurde - nach längeren Planungskontroversen und dem Ausstieg des ursprünglich
aus dem Architekturwettbewerb als Sieger hervorgegangenen Florian Nagler - letztlich vom
Developper, der Josef Wund GmbH aus Friedrichshafen, entworfen und fungiert dabei primär
als hochgradig funktioneller und flexibler Rahmen, der zudem auch in Zusammenhang mit
einer geplanten Post-Expo-Nutzung dem Anspruch auf "Nachhaltigkeit" gerecht
werden soll. Das Planungsprozedere und auch der Entwurf Wunds war mitunter massiver Kritik
ausgesetzt, wobei von zahlreichen Kommentatoren insbesondere ein Mangel an
architektonischer Prägnanz des Wund´schen Projektes beklagt wurde. Doch im Grunde
reflektiert die, zwar konstruktiv elegante, doch tatsächlich relativ neutrale Form des
Pavillons eine konsequente Verlagerung des repräsentativen Anspruchs der nationalen
Selbstdarstellung von der ambitionierten architektonischen Form hin zur intensiven,
unterhaltenden und technologisch hochambitionierten Medieninszenierung.
Diese Tendenz hat, ungeachtet der innerhalb der modernen Architekturgeschichte so
eminenten bundesdeutschen Ausstellungsbauten wie der Pavillongruppe in Brüssel 1958 von
Egon Eiermann und Sep Ruf oder den Zeltlandschaften Frei Ottos und Rolf Gutbrods für
Montreal 1967, eine Traditionslinie, die sich exemplarisch in dem deutschen
Pavillonkonzept für die Expo 70 in Osaka manifestierte. Fritz Bornemanns konsequent in
den Untergrund verlagerte Ausstellungsflächen und das Kugelauditorium zeigten einerseits
den Verzicht auf die große architektonische Geste auf und verwiesen andererseits mit dem
hochtechnologisierten Auditorium als dem einzigen oberirdisch sichtbaren Teil der
Gesamtanlage auf die Bedeutung, die den musikalischen Konzepten des unter dem Titel
"Gärten der Musik" angekündigten Beitrages beigemessen wurde. Unter
Einbeziehung der renommiertesten Protagonisten der "Neuen Musik" und vor allem
durch die weitgehende Mitarbeit Karlheinz Stockhausens sowie des "Studios für
elektronische Musik" der TU Berlin wurde die Beteiligung in Osaka zu einer
konzentrierten Präsentation aktueller Tendenzen elektronischer Musik und ihrer
Inszenierung im Raum.Die Expo 70 in Osaka
reflektierte eine bereits seit den 1930er Jahren zu konstatierende und vor allem in
Montreal 1967 bereits deutlich ausgeprägte Tendenzverschiebung in der Funktion von
Weltausstellungen. Eindeutiger als bei jeder vorangegangenen Ausstellung demonstrierten
die Teilnehmer in Osaka eine Abkehr von exponat-gebundenen Präsentationen der
Leistungskraft der jeweiligen Volkswirtschaften bzw. der beteiligten Unternehmen zugunsten
des Versuches, werbewirksame "Images" und "corporate identities" zu
prägen, die sich jenseits von Produktakkumulationen durch künstlerische oder
populär-unterhaltsame Inszenierungen profilieren sollten (1). Mehr als bei jeder
Ausstellung zuvor waren es entweder medial vermittelte Informationen über den jeweiligen
Aussteller, oder aber vollständig abstrahierte Darstellungsformen, die einen Bezug zum
Aussteller unter vollständigem Verzicht auf Objektpräsentationen lediglich über
Assoziationsketten möglich machte. Filmprojektionen, Klanginstallationen und vor allem
ein spielerischer Zugriff zu einzelnen computergestützten Informationsträgern
kennzeichneten zum großen Teil die gewandelte Präsentationsform. Die dadurch
manifestierte Bedeutung elektronischer Medien als dominierendem Faktor moderner
Informationsvermittlung indes stellte den Typus Weltausstellung, aber auch die Funktion
von Architektur auf Weltausstellungen fundamental in Frage. Wo Informationstransfer
vorwiegend über elektronische Medien geschieht, wird die nachbarschaftliche Präsenz der
unterschiedlichen Aussteller überflüssig. Wenn die architektonische Form überwiegend
als Rahmen oder Träger für Filmprojektionen und Datenbanken dient, wird der Pavillon
entweder zur untergeordneten Hülle oder aber zur eigentlichen "Botschaft" des
jeweiligen Beitrags.
Eine kaum zu überblickende Ansammlung von
"Plug-In"-Konstruktionen, Pneus, geodätischen Kuppeln und metabolistischen
Megastrukturen, dabei vor allem Kenzo Tanges Riesenmaschine des zentralen Themenpavillons
und die darin integrierten Raumkapseln Archigrams, bestimmte den architektonischen
Gesamteindruck in Osaka. Es schien, zumindest im oberflächlichen Blick, als ob die
Weltausstellung 1970 tatsächlich ein Forum zur Realisierung vielfältiger
architektonischer Visionen bilden würde, die während der 1960er Jahre überwiegend als
ungebaute Utopien die architektonische Diskussion angereichert hatten. Allerdings stand
die technoide Erscheinungsform zahlreicher Pavillons bisweilen im Widerspruch zu ihrer
häufig lediglich eingeschränkten Bespielbarkeit. Die Megastruktur als Ausdruck neuer
Potentiale des "second machine age" erwies sich in Osaka, zumindest in
einigen extremen Beispielen, als zur Pop Art mutiertes Klischeebild ihres eigenen Mythos,
dessen kurzfristige Verwertbarkeit für Werbestrategien als entscheidendes Kriterium für
ihre formale Konzeption erschien.
Neben der architektonischen Pop Art fielen in Osaka
andererseits vor allem diejenigen Konzepte auf, die einen konsequenten Verzicht auf eine
anspruchsvolle architektonische Außengestaltung zugunsten der Inszenierung virtueller
Räume unternahmen. Eines der eindrucksvollsten Beispiele für diese Tendenz wurde
innerhalb des Pepsi-Pavillons nach Plänen der 1966 unter anderem von Robert Rauschenberg
und Billy Klüver gegründeten interdisziplinären Organisation E.A.T. (Experiments in Art
and Technology) realisiert (2). Im Inneren eines unscheinbaren Kuppelbaus wurden
audio-visuelle Programme nach Entwürfen von Robert Breer, Forrest Myers, David Tudor und
Robert Whitman geboten, die, verstärkt durch die Spiegelprojektion des Kuppelraums auf
dem Fußboden, die konventionelle Raumerfahrung in dynamisch sich verändernde Klang-,
Licht- und Spiegelräume transformierten. Eine von Fujiko Nakaya entwickelte, durch Düsen
erzeugte "Wolke", schien das Äußere des Pavillons vollends in eine ephemere
Erscheinung aufzulösen.
Martin Pawley analysierte in seinem 1970 in der "Architectural
Design" erschienenen Artikel "Architecture versus the Movies"
die Krise der Ausstellungsarchitektur in Osaka als symptomatisch für den Wandel von
Industriegesellschaften zu Informations- und Mediengesellschaften (3). In Folge des
radikalen Wandels von Präsentationskonzepten ließ sich, bezogen auf die
architektonischen Manifestationen, ein zentrales Dogma der Moderne, das Postulat der
Entsprechung von Form und Funktion, nicht mehr realisieren. Wo das Innere des
Ausstellungspavillons vorwiegend für Multi-Media-Schows genutzt wird, wird die
ambitionierte architektonische Form redundant, ihre Aussagekraft wird auf die Ebene des
mitunter ironischen Zitierens reduziert. Das Dilemma manifestiere sich, so Pawley, als
Problem eines neu etablierten Gegensatzes von "Form versus Content" (4).
"May be", so paraphrasiert Pawley das Krisenbewußtsein zahlreicher
Architekten Ende der 1960er Jahre, "the answer is not a building at all."(5)
Auch der Architekt des deutschen Pavillons, Fritz
Bornemann, betonte in zeitgenössischen Statements wiederholt seine Abneigung gegenüber
prätentiöser, spektakulärer Architektur und polarisierte die Diskussion durch eine
provozierende und rigorose Ablehnung des Baugeschehens auf der Expo. "I didn't
want to use a building at all", wird er bei Pawley zitiert, "Radar frozen
air would have been better, but we can't do that yet, so I tried the next best thing."(6)
Bornemanns Kommentar reflektiert nicht nur eine gewisse ideelle Nähe zu der
Anti-Architektur des Pepsi-Spektakels, sondern liefert auch einen Verständniszugang für
wesentliche Aspekte der deutschen Präsentation in Osaka. Der Pavillon der Bundesrepublik
auf der Expo 70 verzichtete auf die prägnanten Gesten, die die deutschen
Repräsentationsbauten auf den Vorgängerausstellungen ausgezeichnet hatten. Während Egon
Eiermann und Sep Ruf eine elegante und leichte Pavillongruppe als kompromisslos modernen
Ausweis der jungen Bundesrepublik realisiert hatten, und während Frei Ottos und Rolf
Gutbrods Zeltlandschaften avancierte Konstruktionstechnologie und ein neues "Swinging
Germany"-Konzept präsentierten, ließ Bornemann die vier kreisrunden
Ausstellungshallen und damit einen großen Teil des Pavillons nahezu unsichtbar
unterirdisch anlegen. Lediglich das leuchtend blau verkleidete Kugelauditorium sowie eine
spiralförmig angelegte Rampe als Zugang zu den Ausstellungsbereichen dominierten das
ansonsten als weite Gartenanlage ausgewiesene Areal. Zahlreiche entlang der Rampe
angebrachte Spiegelinszenierungen nach einem Entwurf von Heinz Mack sowie verschiedene
Lautsprecher bestimmten das Eingangsszenario. Mit der Verbindung von gärtnerischen
Anlagen und musikalischen Darbietungen sollte den Besuchern bereits beim Betreten des
Grundstücks das zentrale Motto der deutschen Beteiligung, "Gärten der Musik"
sinnlich vermittelt werden.
Innerhalb der verschiedenen Ausstellungshallen wurde das von Bornemann initiierte und von
ihm in Zusammenarbeit mit Herbert von Buttlar und vor allem mit Wilfried Minks konzipierte
sogenannte "Technische Theater" gezeigt. Spielerische Installationen
unter Einsatz kinetischer Plastiken und zahlreichen großflächigen Filmprojektionen
visualisierten die verschiedenen Themenbereiche der Ausstellung. Der gesamte
Ausstellungsrundgang wurde durch musikalische Programme, die die zeitgenössischen
deutschen Protagonisten der "Neuen Musik" vorstellten, mitgeprägt. Bei den
präsentierten Kompositionen von Boris Blacher, Eberhard Schöner, Heinz Martin Lonquich,
Hans Ullrich Humpert und Herbert Eimert handelte es sich größtenteil um Werke, die
eigens für die Weltausstellung komponiert worden waren.
Waren die einzelnen Ausstellungshallen damit bereits wesentlich durch das musikalische
Programm bestimmt, so fand der kulturell-musikalische Aspekt des deutschen Beitrags seinen
Höhepunkt in Architektur und Programm des Auditoriums. Zeitgenössische Musik, innovative
Musiktechnologie sowie ein gleichermaßen ungewöhnliches wie eindrucksvolles Raumerlebnis
sollten den Besuchern des Pavillons eine Möglichkeit zur Entspannung und meditativen
Konzentration abseits des Expo-Rummels geben. Bornemann hatte das Auditorium in
Kooperation mit Karlheinz Stockhausen und dem Akustik-Techniker Fritz Winckel vom
"Studio für Elektronische Musik" der Berliner Technischen Universität (7)
entworfen und zusammen mit dem Ingenieur Max Mengeringhausen gebaut (8). Die 22,5 Meter
hohe Kuppelkonstruktion des Kugelsegments war als Raumfachwerk aus Stahlröhren mit einem
Außendurchmesser von 30 Metern realisiert worden. Eine teilweise perforierte und damit
akustisch transparente Plattform wurde im unteren Drittel des Kugelauditoriums eingebaut
und schuf Raum für Publikum, Solisten und Dirigentenpult. Direkt oberhalb einer
doppelläufigen Treppe, die das Auditorium unterirdisch erschloß, wurde das Regiepult mit
der Regelungstechnik für die Steuerung der Lautsprecher und der Raumbeleuchtung
installiert. Insgesamt 650 Einzellautsprecher sowie zahlreiche Scheinwerfer waren in das
interne Stahlrohrgerüst gleichmäßig verteilt auf 50 dreieckigen
"Lautsprecher-Schallwänden" eingehängt. Ein zentraler Tieftonlautsprecher
unterhalb der Besucherplattform garantierte die angestrebte Universalakustik. Das
attraktive graphische Zusammenspiel von Netzgitter-Konstruktion der Kuppel und
Lichtquellen vermittelte dem weiten Kuppelraum den Eindruck einer abstrahierten
Kosmosdarstellung mit kartographischen Koordinatensystemen und leuchtenden Sternbildern.
Alle Lautsprecher und Lichtquellen waren zentral über das Mischpult steuerbar. Ein eigens
für das Auditorium in Oaska von Fritz Winckel entwickeltes Steuerungssystem ermöglichte
es, Klang und Licht beliebig in alle Richtungen horizontal, diagonal und spiral zu lenken.
Zwei Sensorenkugeln bildeten die Innenseite der Kuppel akustisch und optisch nach. Dabei
entsprachen verschiedene sensorische Felder auf den Kugeln den Positionen der einzelnen
Lautsprecher-Wände und Scheinwerfer. Durch Berühren der jeweiligen Felder konnten somit
Lautstärke und Bewegung von Klängen beziehungsweise Lichteffekten kontrolliert und
manipuliert werden (9). Klang- und Lichtwanderungen verunklärten die Eindeutigkeit des
Kuppelbaus, die sinnliche Erfahrung des Innenraums mit seinen sich dynamisch entwickelnden
und verändernden Klang- und Lichträumen ließ die klare Geometrie der gebauten
Architektur in den Hintergrund treten.
Höhepunkt der Live-Präsentationen waren, neben Konzerten
von Boris Blacher (10), die Auftritte von Karlheinz Stockhausen (11). In der
Nachmittagsaufführung wurden zumeist die Komposition "Spiral" sowie mit
"Pole" und "Expo" zwei eigens für die Weltausstellung
geschaffene Werke aufgeführt. Im Abendprogramm wiederum wurden die bereits 1966 für den
japanischen Rundfunk komponierte "Telemusik" sowie neben anderen die
Stücke "Stimmung", "Hymnen", "Kurzwellen",
"Kontakte", "Carré" und "Aus den sieben Tagen"
aufgeführt (12).
Kugelbauten mit ihrer Emblematik der geometrischen
Elementarform bilden vor allem im 20.Jahrhundert ein typisches Inventar innerhalb der
Typologie der Ausstellungsarchitektur. Sei es das Dresdner Kugelhaus von 1928 von Peter
Birkenholz, seien es die Kugelelemente des Brüsseler Atomiums von 1958 die
prägnante Form und ihr seit dem Pantheon-Innenraum oder der
"Revolutionsarchitektur" im kollektiven Gedächtnis verankerten architecture
parlante der geometrischen Universalform entsprachen den für Ausstellungsarchitektur so
wesentlichen Kriterien des Kuriosen und Überwältigenden. Mit Richard Buckminster Fullers
geodätischem Kugelbau für den US-Pavillon auf der Montrealer Expo 67 war der
monumentalisierte Typus der idealen geometrischen Form perfektioniert worden; alle
späteren Nachfolgebauten, wie sie beispielsweise auch in Osaka das Bild mitbestimmten,
konnten demgegenüber nur noch als modische, zum Inflationären tendierende Adaptionen
wahrgenommen werden.
Auch die Verbindung von Architektur und musikalischen
Konzepten auf Weltausstellungen war nicht neu. Bereits anläßlich der Pariser Ausstellung
von 1900 war mit dem "Großen Himmelsglobus" und den darin präsentierten
Orgelkonzerten von Camille Saint-Saëns der Prototyp für die Konzeption in Osaka
inszeniert worden. Stockhausen selbst verwies wiederholt auf das Vorbild des
Philips-Pavillons in Brüssel 1958 (13). Zusammen mit Yannis Xenakis und Edgar Varèse
hatte Le Corbusier ein multimediales Projekt entwickelt, das erstmals ein Zusammenspiel
experimenteller elektronischer Musik und architektonischer Hülle inszenierte. Innerhalb
einer expressiven zeltartigen Konstruktion wurden elektro-akustische Performances,
begleitet von verschiedenen Lichtinszenierungen, als "Poème Électronique"
dargeboten. Stockhausens eigene Arbeit an "Raum-Musik" und
"Raumklang-Installationen" begann Mitte der 50er Jahre. Einer der wesentlichen
Aspekte dieser konzeptionellen Überlegungen war die Entwicklung neuartiger Auditorien,
die 1958 erstmals von Stockhausen als Kugel projektiert - dem Zuhörer durch
umfassende Klangwanderungen unkonventionelle akustische und räumliche Erfahrungen
vermitteln sollten (14). In Umkehrung des Scharoun´schen Konzeptes für die Berliner
Philharmonie sollten die Zuhörer nicht um das Orchesterpodium gruppiert werden, sondern
allseitig von sich beständig verändernden Klang- und Lichtinstallationen umgeben werden.
Die Einladung zur Teilnahme am musikalischen Schwerpunkt des deutschen Beitrags in Osaka
eröffnete Stockhausen die ungewöhnliche Gelegenheit, seine
"Raum-Musik"-Konzepte im repräsentativen Kontext und in einem adäquaten
Auditorium zu realisieren.
Schon in Zusammenhang mit einem Ideenwettbewerb für den
deutschen Beitrag war nach einem Vorschlag von Georg Lippsmeier das Konzept einer
unterirdischen Ausstellungsanlage prämiert worden (15). Aus dem nachfolgenden
Architekturwettbewerb ging schließlich Bornemann, der das Prinzip des unterirdischen
Pavillons konsequent aufgegriffen hatte, als Sieger hervor. Lediglich das Auditorium
sollte das Gelände sichtbar bestimmen. Bereits im planerischen Vorfeld war eine
Programmsynthese von Information, Industrie und Musik festgelegt worden. Ein sogenannter
Kleiner Ressortausschuß unter Leitung des damaligen Staatssekretärs im
Wirtschaftsministerium, Klaus von Dohnanyi, konkretisierte die Konzeption und setzte,
unterstützt von dem Leiter des Kulturprogramms, Herbert von Buttlar, als Kernidee eine
Synthese von Technologie und der Präsentation der musikalischen Avantgarde durch. Nachdem
Stockhausen erstmals im Frühjahr 1968 zur Mitarbeit am Programm des Auditoriums
eingeladen worden war, begann im Sommer 1968 ein enger Austausch und später eine
intensive Zusammenarbeit mit Bornemann. Bornemann war mit Stockhausen im Spätsommer 1968
in Zusammenhang mit den "Internationalen Ferienkursen für Neue Musik Darmstadt"
zusammengetroffen (16). Zu diesem Zeitpunkt ging Bornemann bei der Planung für das
Auditorium noch von einem amphitheatralischen Raumkonzept mit einem zentralen
Orchesterpodium und umliegenden Zuhörerplätzen aus. Offensichtlich jedoch war es
Stockhausen schnell gelungen, den Architekten von einer grundsätzlichen Umplanung nach
seinen eigenen konzeptionellen Vorstellungen zu überzeugen. Bornemann ging tatsächlich
umgehend auf die Vorschläge Stockhausens ein und begann, sein Auditoriumskonzept
grundlegend nach den Ideen des Musikers umzuplanen. Parallel dazu begann Stockhausen ein
eigens für den Pavillon in Osaka und dessen spezifische Möglichkeiten konzipiertes
musikalisches Programm zu erarbeiten. Unmittelbar nach den ersten intensiven Gesprächen
mit Bornemann entwarf Stockhausen in Darmstadt das Projekt "HINAB-HINAUF",
das in Zusammenarbeit mit dem ZERO-Künstler Otto Piene und mit Bornemann als, so der
Komponist, "Licht-Raum-Musik" für Osaka vorgesehen war (17). Das auf den
25.08.1968 datierte Werk sollte ein "Modell für musikalische, visuelle und
raumplastische Integration" darstellen und war als Auswertung und
Weiterentwicklung von konzeptionellen Prototypen wie der Raum-Klang-Installation im
Philips-Pavillon auf der Brüsseler Ausstellung von 1958 angelegt. Eine synchronisierte
Steuerung von elektronischer Klangerzeugung, "Weltmusik" auf konventionellen
Instrumenten und vielfältigen Lichteffekten sollte die technischen Möglichkeiten des
Kugelauditoriums intensiv nutzen. Darüberhinaus sollten Lichtinstallationen, kinetische
Objekte, Film- und Diaprojektionen sowie eine vertikal bewegbare Publikumsplattform die
Grenzen konventioneller Raumerfahrungen aufbrechen und somit intensive meditiative und
bewußtseinserweiternde Erfahrungen ermöglichen. "HINAB-HINAUF besagt",
so Stockhausen, " daß ein dynamischer Prozess kontinuierlich durch Erscheinungen
und Erlebnisse in acht verschiedenen Bewußtseinsebenen mehrfach hindurchführt."
(18)
Während Stockhausens Beitrag zur Weltausstellung innerhalb
der deutschen Planungsgruppe zwar weitgehend als ein vielversprechender Höhepunkt
angesehen wurde, resultierte aus seiner intensiven Beeinflussung der Konzeption für
Konstruktion und Ausstattung des Auditoriums bereits zu Beginn der konkreten
Planungsarbeit ein schwerwiegendes Konfliktpotential. Vor allem die durch den Komponisten
geforderte lichttechnische Ausstattung des Auditoriums drohte die finanziellen Vorgaben
für den Pavillonbau deutlich zu überschreiten (19). Nachdem relativ rasch die Idee einer
Hebebühne für das Publikum verworfen worden war (20), wurden im Oktober 1968 weitere
Möglichkeiten der Kostenreduzierung und sogar der Verzicht auf das Stockhausen-Programm
diskutiert (21). Dabei wurde vor allem von Seiten des Generalkommissars Alfred Schulz
neben der Kritik an den zu erwartenden Kosten auch Bedenken gegenüber der Eignung des
unkonventionellen Projekts für die Selbstdarstellung eines Staates auf einer
Weltausstellung artikuliert. Stockhausen wiederum weigerte sich auf einer Besprechung
über das Auditorium am 15.10.1968 eine grundsätzliche Modifikation seines Programms zu
akzeptieren. Der Beitrag von Varèse-Xenakis-Le Corbusier habe, so Stockhausen, Maßstäbe
gesetzt hinter denen er nicht zurückbleiben könne (22). Stockhausen zog schließlich aus
der verfahrenen Diskussion die Konsequenzen und lehnte am 13.04.1969 zunächst jede
weitere Mitarbeit an Planung und Durchführung des deutschen Beitrages in Osaka ab (23).
In dieser für den Fortgang der Planungen des deutschen Beitrags krisenartig zugespitzten
Situation bildete sich ressortübergreifend die Überzeugung, unbedingt einen Kompromiss
für weitere Verhandlungen mit Stockhausen finden zu müssen. Erst Anfang August 1969
erklärte sich Stockhausen nach wiederholten Einladungen und der Vorlage von
Kompromissvorschlägen durch die deutsche Planungsgruppe dazu bereit, die Verhandlungen
über seinen Beitrag in Osaka wieder aufzunehmen. Der letztlich gefundene Kompromiss für
die Gestaltung der Abteilung "Neue deutsche Musik" präsentierte
schließlich eine Verbindung von Tonbandaufnahmen von Boris Blacher, Erhard Grosskopf,
Bernd-Alois Zimmermann und Gerd Zacher einerseits und Live-Konzerten mit neuen
Kompositionen von Stockhausen unter Verzicht auf das Projekt "HINAB-HINAUF".
Die Mitarbeit Otto Pienes und damit die vielversprechende Umsetzung komplexer
Inszenierungsideen unterblieb.
Dennoch stellte der deutsche Beitrag in Osaka mit seinen
elektronisch gesteuerten Licht- und Klanginstallationen eines der herausragenden Beispiele
früher multimedialer Konzepte auf Ausstellungen dar. Darüber hinaus formulierte der
Verzicht auf opulente Exponatpräsentation zugunsten des Einsatzes eines sowohl
technologisch als auch kulturell ambitionierten Programms eine wegweisende Alternative zu
tradierten Ausstellungskonzepten. Gleichzeitig wurde angesichts der experimentellen Licht-
und Klangräume innerhalb des Pavillons deutlich, daß Ausstellungsarchitektur und
Ausstellungskonzepte ihre Relevanz bezüglich eines spezifischen, das heißt eines
unternehmens- oder staatenbezogenen Informationstransfers weitgehend verloren hatten. Wo
sich die angewandten Technologien weltweit mehr oder weniger entsprachen,
rückte die Medienwirksamkeit sowie der Unterhaltungswert
der jeweiligen Konzepte und Images in den Vordergrund. Der deutsche Pavillon zog
einerseits durch den Verzicht auf spektakuläre architektonische Konzepte die Konsequenz
aus dem skizzierten Dilemma der Ausstellungsarchitektur, verweigerte sich aber
andererseits durch sein elitäres kulturelles Programm der Forderung nach vordergründiger
Telegenität und massenpopulärer Unterhaltung. Vielmehr wurde der Versuch eines dritten
Weges unternommen, der einen hohen kulturellen Anspruch mit dem Experiment völlig
unkonventioneller Inszenierungen verband. Selbst nach dem Scheitern des ambitionierten
HINAB-HINAUF-Projektes frappierte der Mut der Präsentation.
Mies van der Rohe hatte bereits 1928 als Konsequenz aus dem
Anachronismus opulenter Exponatpräsentationen neue Ausstellungskonzepte gefordert, "von
der Quantität zur Qualität, vom Extensiven zum Intensiven". (24) Sein
wegweisendes Konzept des exponatlosen Barcelona-Pavillons von 1929 als
selbstreferentiellem Kunstwerk der Moderne realisierte einen völlig neuartigen Modus
nationaler Selbstdarstellung im Ausstellungskontext. Die internationale Architektur des
Pavillons mit seinen fließenden Raumsequenzen, den chromverkleideten Stützen und den
eingestellten Marmorwänden war im Grunde nur über Zuschreibung und Assoziationsketten
als deutscher Repräsentationsbau erkennbar. Vielmehr wurde hier über reine Architektur
ein modernes und international orientiertes Deutschlandbild vermittelt. Innerhalb des
deutschen Beitrags für Osaka hingegen mit seiner Synthese von hochentwickelter hardware,
musikalischer Avantgarde und geradezu esoterischer virtueller Rauminszenierungen war
Architektur als emblematisches Bild sekundär geworden. Was in Zusammenhang mit der
exquisiten Tradition von Ausstellungsarchitektur bedauerlich erschien, erweist sich im
Blick auf die aktuelle Tendenzen der Ausstellungskultur als ambitioniertes Paradigma.
Vorbemerkung:
Dieser Text wurde bereits in Arch+, Frühjahr 2000 publiziert.
Abbildungen:
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A: Deutscher Pavillon 1970.
Ansicht |
B. Deutscher Pavillon 1970.
Grundriß |
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C. Deutscher Pavillon 1970.
Innenansicht Auditorium |
D. Deutscher Pavillon 1970.
Schnitt Auditorium |
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E. Expo 70. PepsiCola-Pavillon.
Ansicht |
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Anmerkungen:
1. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Bemerkungen R.W.
Leonhardts:
Leonhardt, Rudolf Walter: "R.W.Leonhardts fernöstliches Tagebuch (III): Aus Anlaß
der Expo: Leben wie die Japaner"; in: Die ZEIT, 10.04.1970.
2. Zum Pepsi-Pavillon vgl. die zwei Jahre nach der Expo 70
erschienene Publikation: Klüver, Billy/Rose, Barbara/Martin, Julie (Hg.):
"Pavilion"; New York 1972.
3. Pawley, Architecture versus the Movies, Architectural
Design, Juni 1970, S.288-292.
4. Vgl. den vollständigen Titel von Pawleys mehrmals
zitiertem Artikel in der Architectural Design: "Architecture versus the Movies or
Form versus Content".
5. Pawley, Architecture versus the Movies, S.290.
6. Bornemann wird zitiert bei Pawley, Architecture versus
the Movies, S.289.
7. Zum Elektronischen Studio der TU Berlin und zum Beitrag
des Studios in Osaka vgl.: Gertich, Frank/Gerlach, Julia/Föllmer, Golo: "Musik...,
verwandelt. Das Elektronische Studio der TU Berlin 1953-1995"; Berlin/Fulda 1996.
8. Zur Konstruktion der Kuppel des Auditoriums vgl.:
Mengeringhausen, Max: "Auditorium des deutschen Pavillons auf der Expo 1970";
in: Bauwelt 40, Oktober 1970; S.1492-1493.
9. Vgl. Winckel/Leipp: Auditorium Stockhausen; in:
Architecture d'aujourd'hui, Oktober/November 1970; S.57;
vgl. weiterhin: Mengeringhausen/Stockhausen/Bornemann: Auditorium des deutschen Pavillons
auf der Expo 1970; in: Bauwelt 40, 1970; S.1495.
10. Blacher führte im Osaka-Auditorium die eigens für
Osaka komponierte "Große Kugelkomposition" auf. Vgl. Gertich/Gerlach/Föllmer,
Musik..., verwandelt, S.202.
11. Stockhausen selbst gab, mit kurzen Unterbrechungen, vom
Tag der Eröffnung der Expo an bis zum 20. Juni tägliche Konzerte mit eigenen Werken,
unterstützt von verschiedenen Solisten. Ab Ende Juni übernahmen Stockhausens Mitarbeiter
David Johnson, Rolf Gehlhaar und Mesias Maiguashca die Leitung der Stockhausen-Konzerte.
12. Zum Liveprogramm vgl. die endgültige
Programmaufstellung bei Stockhausen, Karlheinz: "Texte zur Musik", Bd.3; Köln
1971; S.176-181.
13. Vgl. unter anderem Stockhausen, Texte zur Musik, Bd.3,
S.155 ff.
14. Vgl. hierzu unter anderem Stockhausen, Texte zur Musik,
Bd.1, Köln 1963, S.152 ff.
15. Vgl. das Protokoll der Jurysitzung zum deutschen
Pavillon vom 16.-17.01.1968. Bundesarchiv Koblenz, Akten des
Bundeswirtschaftsministeriums, Akte B 102/115026.
16. Vgl.: Bornemann, Fritz: "Auditorium des deutschen
Pavillons auf der EXPO 70"; in: Bauwelt 40/1970, S.1494;
vgl. weiterhin: Stockhausen, Karlheinz: "Osaka-Projekt. Kugelauditorium EXPO
70"; in: Stockhausen, Karlheinz: Texte zur Musik. Band 3. 1963-1970; Köln 1971;
153-187;
vgl. weiterhin: Brief Stockhausen an den Autor vom 21.09.1993.
17. Stockhausen: "HINAB-HINAUF"; in: Stockhausen,
Texte zur Musik, Bd.3; S.155-169.
18. Ebenso, S.155.
19. Vgl. Protokoll einer Ressortbesprechung bezüglich der
deutschen Beteiligung in Osaka im Wirtschaftsministerium am 11.10.1968 unter dem Vorsitz
von Klaus von Dohnanyi. Bundesarchiv Koblenz, Akte B 102/115025.
20. Vgl. Protokoll einer Ressortbesprechung bezüglich der
deutschen Beteiligung in Osaka im Wirtschaftsministerium am 10.10.1068 unter Vorsitz von
Klaus von Dohnanyi. Bundesarchiv Koblenz, Akte B 102/115033.
21. Vgl. Protokoll einer Sitzung am 10.10.1968 unter
Vorsitz des stellvertretenden Generalkommissars Kurt Daniel. Bundesarchiv Koblenz, Akte B
102/115033.
22. Protokoll einer Besprechung am 15.10.1968 unter Vorsitz
von Klaus von Dohnanyi im Wirtschaftsministerium. Bundesarchiv Koblenz, Akte B 102/115035.
23. Brief Hans Schmidt-Dahlenburg vom
Wirtschaftsministerium an Oberregierungsrat Schomerus vom 14.04.1969. Bundesarchiv
Koblenz, Akte B 102/115034.
Vgl. weiterhin einen Brief Schmidt-Dahlenburgs an Schomerus vom 25.04.1969 in dem
Schmidt-Dahlenburg weitere Einzelheiten der Absage Stockhausens erläutert:
"Er (Stockhausen) erklärte, er habe Osaka
"vergessen", nachdem er im vergangenen Jahr mehr als zwei Monate unnötig auf
dieses Projekt verschwendet habe." Bundesarchiv Koblenz, Akte B 102/115035.
24. Mies van der Rohe, Ludwig: "Zum Thema:
Ausstellungen"; in: Die Form, 3, 1928, H.4; S,121.
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