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Die
Tagung „Gebaute Räume. Zur kulturellen Formung von Architektur und Stadt“,
deren Beiträge hier versammelt sind, ist gemeinsam vom Lehrstuhl Theorie der
Architektur der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und dem
Kulturwissenschaftlichen Seminar der Humboldt-Universität zu Berlin
ausgerichtet worden. Hinter dieser Kooperation steht die grundsätzliche
Einsicht, dass gebauter Raum gleichzeitig Produkt und Determinante
kultureller Prozesse ist. Im Unterschied zu
anderen, beispielsweise darstellenden Medien, bildet die Architektur ihre
Räume durch bauliche Körper, die in ihrer Gestaltetheit und Materialität
unmittelbar in das menschliche Leben eingreifen, es formen.
Architektur und Stadt sind also nicht nur
eingebunden in die symbolischen Ordnungen und sozialen Praktiken einer
Kultur, sie gestalten und reproduzieren diese auf ihre eigene Weise aktiv
mit. Gebaute Räume sind damit als symbolische Räume zu begreifen, die
sich im sozialen Vollzug realisieren. In anthropologischer Hinsicht
bedeutet dies, dass gebaute Räume die
Wahrnehmung, Bewegung und Handlung sowohl
voraussetzen als auch organisieren. Hierbei wirken
die Gestaltung und der Zweck der Architektur zusammen: gebaute Räume
entstehen durch Handeln und bringen dieses hervor.
Für ein solches Verständnis von Architektur und Stadt liegen in beiden
Disziplinen, der Architektur und der Kulturwissenschaft, hinreichend
wissenschaftliche Traditionen vor, die angesichts der gegenwärtig zu
beobachtenden räumlichen Verwerfungen an Aktualität gewonnen haben. Der
Zusammenbruch der politischen Systeme als Effekt der Globalisierung, die
Virtualisierung durch die elektronische Kommunikation sowie die
Beschleunigung des Transport- und Produktionswesens haben zu einer
grundlegenden Veränderung der Raum-Zeit-Wahrnehmung geführt. Für den
gebauten Raum lassen sich ähnlich radikale Veränderungen ausmachen. Sie
zeigen sich in einer zunehmenden Entgrenzung, Fragmentierung und
Pluralisierung architektonischer und urbaner Räume. Auch hier greifen die
hergebrachten statischen Konzepte des Raumes und des Ortes nur noch
partiell. Weder beschreiben sie die aktuellen Phänomene in angemessener
Form, noch dienen sie im gestalterischen Entwurfs- und Planungsprozess,
adäquat auf die neuen räumlichen Herausforderungen an Architektur und Stadt
– wie den ‘urban sprawl’, die ‘Schrumpfung’ der Stadt oder die
Privatisierung öffentlicher Räume – zu reagieren.
Eine kritische Revision der
wissenschaftlichen Traditionen in der Architektur und Kulturwissenschaft
kann in diesem Zusammenhang zur Entwicklung dynamischer Konzepte des Raumes
und des Ortes beitragen, welche die
symbolischen und anthropologischen Dimensionen von Architektur und Stadt mit
einbeziehen. Diese Problem- und
Aufgabenstellung beschreibt zugleich den konkreten Anlass der gemeinsamen
Tagung. Der Schaffung und Wirkungsweise von gebauten Räumen sollte mit den
verschiedenen Ansätzen und Forschungsinstrumentarien, die den beiden
Disziplinen zur Verfügung stehen, nachgegangen werden. Daraus haben sich
nicht nur Anschlussmöglichkeiten an die jeweils andere Disziplin ergeben.
Gleich mehrere Beiträge zeigen hier, inwieweit auch die zum Teil
verschütteten Traditionen räumlicher Konzeptbildung anschlussfähig sind und
konstruktiv mit aktuellen Theorieangeboten verknüpft werden können. Die
Tragfähigkeit der entsprechenden Thesen hat sich dabei notwendig am gebauten
Raum, dem materiellen, sinnlich gegebenen Gegenstand architektonischer und
kulturtheoretischer Reflexion, zu bewähren.
Zusammenfassend hat die Tagung vier zentrale Problemfelder ergeben:
1.) Die Räumlichkeit des Leibes, die sich im Bauen und Wohnen äußert;
2.) Bewegung als Bedingung der Erfahrung von Architektur;
3.) das Verhältnis von Architektur und Medien;
4.) die Frage von Innen und Außen, die eine gesellschaftliche Scheidung von
Privatheit und Öffentlichkeit ermöglicht, aber nicht mit ihr identisch sein
muss.
Die lebhaften Diskussionen der Tagung legen den Schluss nahe, dass es nach
einer ersten Bilanz der Forschungsressourcen darum gehen wird,
weiterführende Fragen zu entwickeln, die sich nur aus der Architektur und
Stadt selbst und den Prozessen ihrer kulturellen Formung ergeben können.
Anders gesagt, geht es um eine Heuristik, mit der der gebaute Raum
umfassender als bisher als ein Verhältnis erkannt wird, in „in das sich“,
wie Ernst Cassirer es einmal formuliert hat, „der Mensch zur Welt setzt“.
Die Rede über das Räumliche steht also erst am Anfang. |