Die Zukunft
der Architekturvermittlung

11. Jahrgang
Doppelheft 1-2
Februar 2007
   

 

___Jörg Seifert
Miriam Seifert-Waibel
Konstanz
  Raum. Programm. Erweiterung.
Staus quo und Perspektiven der Architekturvermittlung im TV
   

„Incredible! Amazing!“, ruft Liliane Kaufmann und bricht in Tränen aus, dann läuft sie auf Frank Lloyd Wright zu und fällt ihm in die Arme. Schnitt, ein letzter Schwenk auf die Außenfassaden des Falling Water House, während man Ehemann Edgar Kaufmann immer wieder „Thank you! Thank you so much!“ murmeln hört, dann läuft der Abspann…

Diese oder ähnlich bewegende filmische Dokumente der Inbesitznahme architektonischer Meisterwerke existieren höchst wahrscheinlich nicht. Die beschriebene Szene ist frei erfunden, der Plot hingegen lässt sich fast täglich am Bildschirm verfolgen – nur dass es sich dabei in der Regel nicht um Star-Architektur handelt. Seit einiger Zeit boomen im Fernsehen unterschiedliche Sendereihen rum um das Wohnen: Makler-Shows, Heimwerker-Dokus und so genannte Deko-Soaps, die sich oft die besten Sendezeiten mit „Super-Nanny“, „Frauentausch“ und anderen Reality-TV-Formaten teilen. Derartige Sendungen finden sich – zumindest wochentags – täglich im privaten Fernsehen, zunehmend springen auch die öffentlich-rechtlichen Sender auf den Zug. Das Thema Wohnen scheint also – wirft man einen flüchtigen Blick in die Fernsehzeitschriften – eine steigende Popularität zu genießen. Endlich – mag nun vielleicht manch gebeutelter Architekt und Streiter für Baukultur aufatmen – konzentriert sich das gesellschaftliche Interesse auch einmal auf die zeitgenössische Architektur. Vordergründig betrachtet, könnte man schließen, dass in der breiten Öffentlichkeit nicht mehr nur antike Tempel und prachtvolle Renaissancebauten unter Baukunst gehandelt werden, sondern ebenfalls das architektonisch gelungene Einfamilienhaus. Da im Rahmen von „Unser Traumhaus“ und Co Alltagsarchitektur offenbar im Fernsehen einen größeren Stellenwert einnimmt, scheint das Ziel endlich erreicht, die breite Öffentlichkeit für Architektur sensibilisiert. Während bisher zwar Kunstdrucke von Monet, Van Gogh, Kandinsky, Matisse oder Chagall quer durch die Haushalte verschiedenster Lebensstilgruppen und Bildungsschichten zu finden sind, beschränkte sich die Kenntnis von so genannten Baumeistern zumeist auf Namen wie Hundertwasser – der bekanntlich nicht einmal Architekt war… Und nun zeichnet sich also mit den genannten TV-Formaten eine Wende ab?


Struktur und Logik der neuen Wohn-Soaps

Ein Hineinzappen in diese Sendungen lässt derartige Hoffnungen schnell der Ernüchterung weichen. Fakt ist, dass die Architektur hier nur eine marginale Rolle spielt. Im Zentrum steht in der Regel die Inneneinrichtung, nur selten interessiert das Haus an sich. Es geht nicht darum, dem Zuschauer ein Gebäude näher zu bringen, sondern vielmehr um den altbekannten „Cinderella-Effekt“, der in zahlreichen Vorher-nachher-Shows bis zum Exzess ausgereizt wird. Die Verwandlung verläuft stets nach demselben Schema und erinnert an Sendeformate wie „The Swan“ oder „Pimp my ride“, bei denen vermeintlich unattraktive Frauen in Supermodels und Rostlauben in Luxusschlitten verwandelt werden. Zunächst werden die Bewohner des zu korrigierenden Objekts je nach Umfang der „kosmetischen Eingriffe“ für einige Tage in den Urlaub beziehungsweise zum Einkaufsbummel geschickt. Dann treten die Fachmänner in Aktion, reißen Wände nieder, hämmern, mauern, streichen und – vor allem – dekorieren was das Zeug hält. Und das alles kommentiert mit Tipps zum Nachmachen und garniert mit fachmännischen Kommentaren zu tragenden Wänden, Materialbeständigkeit etc. Schließlich kommt der große Moment der Gegenüberstellung, der Höhepunkt der Sendung: Die Bewohner kehren zurück und finden an Stelle der früheren „Bruchbude“ den ultimativen Wohntraum. Und endlich fließen die Tränen…

Gemeinsam ist diesen Sendeformaten der typisch populärdokumentarische Charakter des Infotainment-Segments: möglichst spektakulär, doch trotzdem lebensnah und vor allem möglichst viele Emotionen. Es geht hier also um die in den vergangenen Jahren – vor allem im Kontext von Big Brother und Talkshows – breit diskutierte Befriedigung des Voyeurismus: „Das pralle Leben eben! Wie bei einem Besuch im Seelen-Zoo kann sich der Zuschauer all die merkwürdigen ,Tierchen‘ in der Wirklichkeit angucken.“ (Feige, 2001, 44) Zum anderen haben die Wohn-Soaps allesamt den Traum vom perfekten Heim zum Mittelpunkt, und zwar – auch das ist eine zentrale Zutat im süchtig machenden Cocktail Reality-Soap – zum Zweck der Identifikation. „Die Figuren und Situationen wecken folgerichtige Assoziationen: Da gibt es Menschen, die haben die gleichen Wünsche […] wie man selbst.“ (Ebd.) Man will raus aus der engen Blockwohnung im grauen Einerlei, hinaus auf die grüne Wiese oder die eigenen vier Wände sollen – bei kleinerem Budget – zur Wohnoase werden. Der erfahrene Fachmann spielt dabei eine ganz besondere Rolle: Häufig sind es neben den ausführenden Handwerkern so genannte „Stilberater“, aber auch InnenarchitektenInnen und ArchitektenInnen, die den Haus- oder Wohnungsbesitzern als „wünscheerfüllende Fee“ im Dienste der Einschaltquoten den schönsten Wohntraum realisieren.

Somit verwundert es auch nicht, dass bis auf wenige Ausnahmen keine der Sendungen explizit auf die Architektur der „pimped Homes“ eingeht. Bestenfalls ließen sich einige davon als latente, punktuelle beziehungsweise mittelbare Thematisierung von Architektur betrachten, in denen außergewöhnliche Architekturen hin und wieder am Rande gestreift werden, allerdings sofort wieder den Stempel des Exotentums aufgedrückt bekommen.


Präsenz von Architekturthemen im deutschsprachigen Fernsehen

Dass also die zahlreichen Wohn-Soaps herzlich wenig mit Architekturvermittlung zu tun haben, dürfte unbestritten sein. Neben dem neuerlichen Trend zur Auseinandersetzung mit dem Wohnen, der wohl eher auf ein gesteigertes Interesse an Lifestyle und Do-it-yourself zurückzuführen ist, scheint die Architektur – zumindest im deutschsprachigen Fernsehen – nach wie vor ein Nischendasein zu fristen. Eine verstärkte Präsenz von Architekturthemen zeigt sich immerhin im Zusammenhang mit großen, meist kulturellen Ereignissen von allgemeinem öffentlichen Interesse und breiter Medienwirksamkeit, die eine ungewöhnliche Häufung oder Dimension bestimmter architektonischer Typen mit sich bringen: Während einer EXPO stehen die einzelnen Länderpavillons und deren Architekten im Fokus zahlreicher Kulturmagazine und vor einer Fußball-WM befassen sich unzählige Sendungen unterschiedlichster Formate mit der Architektur der Fußballstadien (und die Medienpräsenz dieser spezifischen Architekturform erhöht sich selbstredend noch deutlich, wenn eine kontroverse Debatte über die Sicherheit der Stadien ausgelöst wird…). Neben der Bedeutung und Resonanz der Großevents, die auf die Architektur in deren Windschatten abfärbt, ist es aber vor allem die zeitliche und räumliche Konzentration vergleichbarer Einzelarchitekturen, die in einem solchen Kontext Dokumentations- und Porträtreihen zu einem bestimmten Gebäudetyp nahe legt.

Doch auch außerhalb der Zyklen der großen Ereignisse lohnt sich ein zweiter Blick in die Fernsehzeitschriften. Dort stößt man, wenngleich in deutlich geringerer Zahl und vorwiegend nur auf den so genannten Dritten oder Kultursendern, mit einer gewissen Konstanz auch auf Gebäude- und Architektenporträts. Dennoch: Eigenständige Architektursendungen mit festem Sendeplatz vermisst man, Dokumentationen finden sich nur in unregelmäßiger Folge unter übergeordneten Rubriken wie „Kultur“, „Kunst“ oder „Wissen & Entdeckung“. Bezeichnend ist aber vor allem, dass die „reinen“ Architektursendungen nach wie vor – zumindest was das Senderformat und die Kategorisierung angeht – für die High-Culture konzipiert zu sein scheinen, bei der das Interesse am Thema vorausgesetzt wird.

Ein charakteristisches Beispiel hierfür stellt die von Richard Copans und Stan Neumann produzierte Reihe „Baukunst“ dar, die seit 2001 von ARTE ausgestrahlt wird. Ausgehend von einer vergleichbaren Serie zur Malerei ist hier neben zahlreichen Sendungen zu Fotografie, Bildhauerei und Design mit stets gleichem, vom Sender vorgegeben Format eine Reihe 26-minütiger Architekturporträts entstanden, in denen sich die beiden Filmemacher jeweils ausschließlich einem einzigen Gebäude widmen. „Ein Bauwerk“, so Copans, „birgt genügend Geschichten in sich, sodass man zugleich seine Geschichte (Wie ist es entstanden? Wer hat es in Auftrag gegeben? Welcher Plan lag zugrunde? Wer ist der Architekt? Welchen Platz nimmt es in seinem Werk ein?) und vor allem architektonische Fragen hinsichtlich des Bauwerks aufzeigen kann.“ (Copans, o. J. / 1) Obligatorische Bestandteile und typische Merkmale dieser Gebäudeporträts sind zum einen das Verwenden von Präsentationsmodellen, die teils von Hand demontiert und zusammengesetzt werden, teils digital animiert sind, und zum anderen die Präsenz der Architekten. Es ist ein Prinzip der Reihe, dass sie jeweils vier- bis fünfmal pro Sendung zu Wort kommen – bei zeitgenössischen Architekten entweder in Form von gefilmten Statements oder zu Standbildern montierten O-Tönen. Im Falle historischer Gebäude werden – ebenfalls zu einem Standbild des Architekten – entsprechende Texte von Schauspielern vorgelesen.

Präsentiert werden Bauten vom 18. bis 21. Jahrhundert mit einem Schwerpunkt auf modernen und zeitgenössischen Gebäuden. Stets handelt es sich dabei um Ikonen der (vorwiegend europäischen) Architektur: Neben dem Bauhaus in Dessau von Walter Gropius, dem Jüdischen Museum in Berlin von Daniel Libeskind, der Saline in Arc-et-Senans von Claude-Nicolas Ledoux, Le Corbusiers Kloster La Tourette, der Sendai-Mediathek von Toyo Ito, Otto Wagners Postsparkasse in Wien und Frank O. Gehrys Guggenheim Museum in Bilbao werden u. a. auch die beiden Wohnriegel Nemausus 1 in Nîmes und die Therme in Vals von Peter Zumthor porträtiert. Abgesehen von Momenten feiner Ironie – etwa wenn beim Einzug einer Blaskapelle in die Galleria Umberto in Neapel in einer gegenmontierten Sequenz auf dem Dach der Galleria aufgehängte Wäschestücke im Takt der Musik zu schwingen scheinen – ist der Charakter dieser Sendungen ruhig, sachlich und neutral, ganz in der gewohnten Tradition von Kunst- und Kulturdokumentationen. Lange Einstellungen lassen die Bildsequenzen in den Vordergrund treten und den gesprochenen Kommentar aus dem Off tatsächlich zu begleitenden Erläuterungen und Anmerkungen dieser Bilder werden.

Haben wir es mit der Reihe „Baukunst“ nun nicht endlich einmal mit einem Beispiel gelungener Architekturvermittlung im Fernsehen zu tun? Hinter dieser Frage verbirgt sich eine weitere, tiefer gehende: Da sich relativ viele Sendungen dieses Formats in den einschlägigen Programmvorschauen unter der Rubrik Kunstvermittlung finden, Architektursendungen unter Stichworten wie „Faszination Kunst“
[1] etc. laufen, gilt es zu klären, inwiefern es der Architekturvermittlung dienlich ist, wenn sie seitens der Kultur- und Bildungssender als Teil der Kultur- bzw. der Kunstvermittlung aufgefasst wird. Letztere Frage macht somit zunächst einmal eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Vermittlung allgemein sowie mit Konzepten der Architektur-, aber auch der Kunstvermittlung erforderlich.


Architekturvermittlung als Teil der Kunstvermittlung?

Grundsätzlich gilt es beim Begriff Vermittlung zwischen zwei unterschiedlichen Bedeutungsebenen zu unterscheiden, und zwar zwischen erstens jener der Wissensvermittlung im Sinne einer Wissenskommunikation in aufklärerischer Absicht beziehungsweise als Bestandteil von Bildungs- und Kulturmaßnahmen und zweitens der einer Verhandlungsstrategie im Sinne einer notwendigen Moderation beziehungsweise Mediation zwischen Konfliktparteien in Streit- und Krisensituationen.

Im Falle der Architekturvermittlung scheint auf den ersten Blick vor allem die Ebene der Wissenskommunikation relevant zu sein. Zwar stehen sich mit Architekten und Nichtarchitekten – Experten und Laien – zwei Parteien gegenüber, deren unterschiedliche Positionen sich, etwa nach Auffassung des Architekturpsychologen Riklef Rambow, primär aus einem unterschiedlichen Fundus an fachlichem Wissen und Erfahrungen sowie aus einer unterschiedlich trainierten Wahrnehmung ableiten (z. B. Rambow, 2000 / 1). Unüberbrückbare Differenzen dürften sich – so müsste man meinen – dagegen auf Einzelfälle beschränken: Rechtsstreitigkeiten um Bauschäden, Abstandsflächen oder auch emotionale Auseinandersetzungen um ästhetische Auffassungen.

Wenn die unterschiedlichen Positionen zwischen Architekten und Laien also primär auf Wissensasymmetrien und unterschiedlich differenzierte Wahrnehmungsmuster zurückzuführen sind, so müsste sich Architekturvermittlung zunächst einmal auf die Aufbereitung von Fachwissen und Sensibilisierung der Wahrnehmung von Laien konzentrieren. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass hier ebenso Aspekte der Mediation zum Tragen kommen. Die BTU Cottbus fasst beispielsweise für ihren neuen Master-Studiengang das Konzept der Architekturvermittlung relativ weit. Als Ziel wird eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen Planern und Öffentlichkeit genannt. Voraussetzung dafür sind Analyse, Aufbereitung, Darstellung und eben auch Vermittlung der „künstlerischen, technischen und wirtschaftlichen Grundlagen von Architektur und Stadt“. Architekturvermittlung finde an allen Schnittstellen zwischen Fachwelt und Öffentlichkeit statt. Sie richte sich an ein breites Spektrum unterschiedlicher Zielgruppen und könne sich in Formen wie „Journalismus, Ausstellungsgestaltung, Eventmanagement, PR-Arbeit, Moderation und Mediation von Planungsprozessen, Gestaltung von Internetportalen, Konzeption von Fortbildungsveranstaltungen, Führungen oder Unterrichtseinheiten, etc.“ manifestieren.
[2]

Architekturvermittlung wird demnach als fachbezogene Kommunikation aufgefasst, die nur bei entsprechenden Kommunikationsangeboten, -techniken, -inhalten und -befähigungen zustande kommt. Unterscheidet man, wie die amerikanische Soziologin Magali Sarfatti Larson (1993), zwischen autonomem Fachdiskurs innerhalb der Architektur und heteronomem Diskurs außerhalb der Disziplin über Architektur, so lässt sich Architekturvermittlung als gerichtete Bewegung aus dem autonomen Diskurs in den heteronomen umschreiben. Ein Impuls geht also von der Architekturdisziplin in Richtung der Gesellschaft aus mit der Intention, die internen Regeln des autonomen Diskurses transparent zu machen. Architekturvermittlung ist somit ein wesentlicher Bestandteil der Experten-Laien-Kommunikation zwischen Architekten (einbezogen natürlich auch die Architekturtheoretiker, -kritiker und -publizisten) und Nicht-Architekten. Architekturvermittlung ist in diesem Sinne also jener Teil der Experten-Laien-Kommunikation, für den die Experten verantwortlich sind.

Entsprechend lässt sich ebenso für die Kunstvermittlung postulieren, dass es sich dabei um eine Experten-Laien-Kommunikation mit dem Schwerpunkt auf Wissenstransfer und Wahrnehmungssensibilisierung handelt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Experten-Laien-Kommunikation der Kunst und jener der Architektur besteht jedoch in den Diskursstrukturen und den jeweiligen Rollen, welche die verschiedenen Akteure darin innehaben. Im Kunstbereich besteht eine weitaus stärker ausgeprägte Beziehung zwischen analytisch-professionellem Rezipienten und Laienrezipienten. Der Produzent – der Künstler – tritt dagegen bei der Vermittlung bildender Kunst kaum direkt, sondern hauptsächlich mittelbar über das Werk in Erscheinung. Eine unmittelbare Beziehung, ein direkter Austausch zwischen Kunstproduzenten und Laienrezipienten – zwischen Künstler und Ausstellungsbesucher etwa – ist somit kaum existent (sofern man freilich von Aktionskünstlern absieht).
[3] In der Architektur gestaltet sich dies etwas anders: Die Kommunikation zwischen analytisch-professionellem und Laienrezipienten – zwischen Architekturtheoretiker beziehungsweise -kritiker und Nicht-Architekten (sei es der Nutzer oder der Betrachter) – ist deutlich weniger stark ausgeprägt als im Kunstbereich. Dafür tritt der Produzent – der Architekt – stärker in den Vordergrund und übernimmt einen wesentlichen Teil (wenn nicht den wesentlichen Teil) der Experten-Laien-Kommunikation. Dies trifft sowohl auf Einzelsituationen, wie etwa das klassische Bauherrengespräch, als auch auf die (Selbst-)Darstellung in den Printmedien zu: Der Architekt übernimmt sehr oft eine entscheidende Rolle bei der Beschreibung von Werkmonografien – eine Praxis, die in der Kunst eher unüblich ist und mit der sich auch die Regisseure Richard Copans und Stan Neumann bei der Produktion ihrer Architekturporträts konfrontiert sahen.[4]

Die Experten-Laien-Kommunikation im Kontext der Architektur unterscheidet sich auch insofern von jener der Kunst, als im letzteren Bereich die Aspekte Planung, Nutzung/Gebrauch und Dienstleistung weitgehend ausgeblendet sind. Kunst konzentriert sich bekanntlich vielmehr auf ästhetische (und bestenfalls soziale oder politische) Fragestellungen, also auf das expressive Moment. Der Kunstlaie ist deshalb zumindest auf eine intellektuelle und / oder emotionale Auseinandersetzung vorbereitet, die er vom Kunstwerk angeregt wissen will. Ästhetische Befriedigung oder auch Irritation und Schock sind Facetten der Erwartungshaltung des Kunstlaien. Seine Rolle beschränkt sich in der Kunst auf die Rezeption des Kunstwerks, die – das wissen wir spätestens seit der Leerstellentheorie und dem Konzept des impliziten Lesers – zwar keineswegs eine passive ist, die Rezeption bezieht sich aber in der Regel auf das fertige Kunstwerk. Es besteht also in der Kunst zumeist keine Notwendigkeit eines direkten Austauschs zwischen Produzent und Rezipient, und schon gar nicht vor oder während des Produktionsvorgangs. Eine materielle Aneignung durch den Rezipienten findet in der Regel nicht statt, ebenso wenig – abgesehen von Kunst im öffentlichen Raum, die in mehrfacher Hinsicht als Sonderfall gehandelt werden muss – wie eine Konfrontation des künstlerischen Konzepts mit profanen Alltagsproblematiken, die vielleicht ein Bedürfnis nachträglicher Veränderungen am Kunstwerk hervorrufen.

Die Aktivität des Laien in der Architektur ist demgegenüber mehrdimensionaler Natur: Der Laie muss vor und während des Produktionsprozesses möglichst detailliert seine Wünsche äußern können, denn er übernimmt nach Fertigstellung neben der Rolle des Rezipienten auch die des Nutzers. Dieser ist in der Regel gleichzeitig Finanzier des Bauwerks und hinterfragt das entstehende Produkt folglich auch unter ökonomischen Gesichtspunkten. Der heteronome Diskurs über Architektur wird daher ohne Impulse aus dem autonomen Diskurs unweigerlich zur Fokussierung der Aspekte Gebrauch, Nutzbarkeit, technische Umsetzung und Wirtschaftlichkeit tendieren. Dagegen haben Fragen der Raumwirkung und Ästhetik naturgemäß im autonomen Diskurs einen höheren Stellenwert. Man könnte sogar die These aufstellen, dass sie hier umso präsenter werden, je weniger sie innerhalb des heteronomen Diskurses verhandelt werden.

Es handelt sich hierbei also um einen Grundkonflikt, der nicht ohne weiteres auflösbar ist, zumal beide Positionen aus sich heraus nachvollziehbar sind. Gerade deshalb sind auch die Aspekte der latenten Konfliktmoderation bei der Experten-Laien-Kommunikation in der Architektur wichtig. Zur Rezeptionssensibilisierung und Wissenskommunikation kommt daher bei der Architekturvermittlung auch die Mediationsfunktion hinzu. Im Vergleich zur Kunst besteht hier grundsätzlich eine größere Notwendigkeit zur vielschichtigen Vermittlung, weil Architektur im Alltag die ungleich größere Relevanz besitzt, der Laie unmittelbarer mit Architektur konfrontiert ist, der er sich schlechter entziehen kann als der Kunst. Architekturvermittlung muss also in ihrer inhaltlichen und formalen Ausrichtung über die klassische Kunstvermittlung hinausgehen.

Kunstvermittlung ist Sensibilisierung für eine bewusste und freiwillige Rezeption, Architekturvermittlung ist teils mit einer unbewussten, teils mit einer unfreiwilligen Rezeption konfrontiert. Und weil aus der Omnipräsenz der Architektur im Alltag aus Gründen der Aufmerksamkeitsökonomie eine reduzierte Wahrnehmung derselben resultiert
[5] und aus der unfreiwilligen Rezeption unter Umständen Desinteresse oder Abneigung, so kommt als weitere Funktion der Architekturvermittlung noch die Animation, das Wecken von Interesse an Architekturthemen, hinzu.

Architekturvermittlung hat also mindestens vier Funktionen zu erfüllen:

-         Wissenskommunikation,

-         Wahrnehmungssensibilisierung,

-         Mediation zwischen autonomem und heteronomem Diskurs,

-         Animation.

 

Die Kunstvermittlung kann sich dagegen unter Umständen[6] auch ohne negative Konsequenzen auf die beiden ersten Funktionen der Wissenskommunikation und der Wahrnehmungssensibilisierung zurückziehen. Kunst- und Kulturfernsehen – um wieder auf das eigentliche Thema zurück zu kommen – sind traditionsgemäß als Minderheitenprogramme konzipiert, „die nicht darauf zielen, ein Massenpublikum zu gewinnen“ (Knauer, 2005), sich also nicht um Breitenwirksamkeit bemühen, welche sich am direktesten in Einschaltquoten ausdrückt.[7] Aus diesem Grund reicht es generell – und speziell im Fernsehen – nicht aus, die Architekturvermittlung den bisher etablierten Instanzen der allgemeinen Kultur- und Kunstvermittlung zu überlassen, weil sie nur einen Teil dieser Funktionen zu übernehmen bereit und in der Lage sein werden. Inwiefern aber ist das Fernsehen grundsätzlich als Medium zur Architekturvermittlung geeignet?


TV – ein geeignetes Medium der Architekturvermittlung?

Trotz seiner enormen Breitenwirksamkeit fällt auf, dass das Fernsehen als Vermittlungsinstanz für Architekturfragen so gut wie nicht in Erscheinung tritt. Eine eigenständige Architekturvermittlung ist derzeit im deutschsprachigen Fernsehen nicht existent. Auf der Suche nach Gründen für dieses Phänomen sollte zum einen die Frage gestellt werden, inwiefern die Architekturdisziplin überhaupt an einem solchen Prozess der Offenlegung der internen Diskursregeln interessiert ist (und ebenso umgekehrt, inwiefern die Gesellschaft an einer Offenlegung dieser Regeln Interesse zeigt, folgt doch der heteronome Diskurs ganz anderen Gepflogenheiten). Zum anderen gilt es zu klären, inwiefern die Zurückhaltung seitens der Architekturdisziplin gegenüber dem Fernsehen auf unbegründeten Vorbehalten beruht und ob dessen mediale Präkonfigurationen den Vermittlungsanliegen grundsätzlich entgegenstehen oder lediglich eine – vielleicht unbequeme – Herausforderung für die Architekturexperten darstellen.

Bereits innerhalb des autonomen Diskurses spielen Filme, bewegte Bilder von Architektur eher eine untergeordnete Rolle. Zwar haben sich in den letzten Jahren Hard- und Software soweit fortentwickelt, dass auch Filmsequenzen in Gestalt virtueller Kamerafahrten durch digitale Modelle als Werkzeug des Entwurfsprozesses genutzt werden können. Für Kunden werden verstärkt gefällige Filmchen und Animationen produziert und zu Werbezwecken eingesetzt, verhandelt aber werden die Inhalte und Konzepte architektonischer Schaffens innerhalb des autonomen Diskurses nach wie vor anhand von Text, Plan beziehungsweise Skizze und Foto. Dies hat bekanntlich triftige Gründe: Jedes Medium ist nicht lediglich ein „neutraler Informationskanal“,
[8] sondern es verstärkt selektiv auf eine ihm immanente Weise bestimmte Aspekte komplexer Gegenstände oder Sachverhalte. Insbesondere Skizze und Plan (sowie das Modell) sind gut geeignet, Ideen und Konzepte in ihrer Abstraktheit freizustellen. Das Foto vom Modell, aber auch das vom Bau, kann diese Rhetorik unterstützen, sofern bei Letzterem die Konvention der „jungfräulichen Wiedergabe“ eingehalten wird. Im Film dagegen ist das Entwurfkonzept in der Regel mit der Banalität und Alltäglichkeit der Umsetzung konfrontiert. Architekturfilme, die man vor Nutzungsbeginn dreht, wirken zudem leblos und langweilig, zumal das Fernsehen viel stärker als das Foto den Anspruch hat, Veränderungen zu thematisieren, stets aktuell zu sein und davon lebt, Bewegungen festzuhalten.

Die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Medium zur Architekturdarstellung – und damit auch für oder gegen den Film beziehungsweise das Fernsehen als Medium einer eigenständigen Architekturvermittlung – ist somit eng verbunden mit der Haltung der Architekten gegenüber Aspekten der Nutzerperspektive oder den zeitlichen Veränderungen der Architektur in Gestalt von Bauschäden, Abnutzungs- und Aneignungsspuren. Im Gegensatz zur Fotografie als statischem Medium zeigt die Filmkamera die Gebäude in der Regel nach ihrer Inbetriebnahme – live und nicht abgerückt von den Menschen, die sie sich zu eigen machen. Ungeschönt nimmt sie die Architektur in den Blick und offenbart ebenjene Spuren, die in den Fotografien so gern wegretuschiert werden, zeigt die „unpassenden“ Möbel und Einrichtungsgegenstände, die man für das Fernsehen nicht mal eben schnell wegräumt oder austauscht. Auch die genannten Architekturporträts von Copans und Neumann stehen so bereits durch die medialen Bedingungen des Films viel stärker unter dem Motto „Architecture meets life“.
[9]

Deutlich wird dies u. a. am Gebäudeporträt von Jean Nouvels Wohnanlage Nemausus 1 in Nîmes. Bilder und Kommentare enthüllen unverblümt die erfolgte Aneignung und aktuelle Nutzung der Architektur, wobei von einem neutralen Standpunkt aus ohne Parteinahme für die eine oder die andere Seite Differenzen zwischen dem Konzept des Architekten und den Ansprüchen der Bewohner dokumentiert werden. Wenn etwa eine Standkamera für ein paar Sekunden einfängt, wie die Balkone der Sozialwohnungen mit Mofas, Fahrrädern, Wäscheständern, Vogelkäfigen etc. regelrecht „zugemüllt“ worden sind, wird dies mit dem Hinweis kommentiert, dass die Balkone den Bewohnern 15 Quadratmeter mehr Nutzfläche bieten, „[…] die meist Ersatz für die nicht vorhandenen Keller oder Dachböden sind.“ (Copans, 1997, 00:11:45) Den Umgang der Bewohner mit dem von Nouvel konzipierten Rohbaucharakter im Innenraum, der durch ein im Mietvertrag verankertes Verbot zum Tapezieren der Sichtbetonwände gewahrt bleiben sollte, dokumentieren die Regisseure ebenfalls mit Festeinstellungen des Ist-Zustands verschiedener Wohnungen, begleitet von folgendem Kommentar: „Obwohl es nicht einfach ist, gegen so viel Beton anzukommen, haben es die Bewohner versucht: Mit Teppichboden, Tapeten, Täfelungen und selbstklebenden Verkleidungen sind sie ihm zu Leibe gerückt. Sie haben Trennwände hochgezogen, die Gänge zugemauert, die Treppen verkleidet. Sie haben Vorhänge angebracht und – je nach Gewohnheit und Möglichkeiten Änderungen vorgenommen. Und natürlich haben sie diesen lang andauernden Kampf gewonnen.“ (Ebd., 00:22:00)

Somit werden Architektursendungen im Fernsehen nicht selten zu Dokumentationen des Scheiterns architektonischer Konzepte, aber nicht ausschließlich aufgrund der technischen Bedingtheiten des Mediums, sondern auch, weil sich die Regisseure zum Teil ganz bewusst für dieses Thema entscheiden. Richard Copans erläutert beispielsweise in einem Interview, dass seiner Meinung nach „[…] die Konfrontation mit einer nicht funktionierenden Utopie immer ein besseres Drehbuch liefert, als wenn man einfach nur ein nettes Gebäude filmt. Das Unglück ist schließlich auch viel häufiger die Grundlage von Drehbüchern und Erzählungen als das Glück.“ (Vgl. Copans, o. J. / 2) Tendenziell neigt Architekturdarstellung im Fernsehen somit zur partiellen Entzauberung – „Entauratisierung“ von Architektur – was zunächst nicht sonderlich verwundert: Hatte doch auch Walter Benjamin sein postuliertes Ende der auratischen Kunst im Zeitalter der Reproduzierbarkeit am Film – wenngleich damals freilich noch nicht am Fernsehen, sondern am Kino – festgemacht (vgl. Benjamin, 1936).

Resultiert aber tatsächlich die Entauratisierung der Architektur unweigerlich aus der medialen Bedingtheit von Film und Fernsehen? Einen Gegenbeweis hat Copans 2001 selbst geliefert mit seinem Porträt der Felsentherme in Vals – einem der sinnlichsten Beispiele des Architekturfilms überhaupt. Mit den gleichen filmischen Mitteln werden hier unterschiedliche Stimmungen, wird hier die Atmosphäre eines Ortes eingefangen. Die langen Einstellungen versuchen, das Erlebnis inszenierter Räume medial zu transportieren. Den Arrangements aus Bild, Bewegung und Klang gelingt es – freilich innerhalb der Grenzen des Mediums – eindrucksvoll das wiederzugeben, was Hans-Georg Gadamer einmal als „Zuwachs an Sein“ durch die Architektur bezeichnet hat (vgl. Gadamer, 2006).

Fernsehen scheint also zum einen ein gut geeignetes Medium zu sein, um Architekturkonzepte kritisch aus der Nutzerperspektive zu hinterfragen – Nouvels „Sichtbetonzwang“ in einem Sozialwohnungsbau der Achtzigerjahre muss sich durchaus auch Vorwürfen der Unmenschlichkeit einer anachronistischen Diktatur stellen. Es kann aber – wie das Beispiel Vals zeigt – ebenso gut dazu eingesetzt werden, um auf sehr sinnliche Weise die Ästhetik eines Baukörpers zu transportieren. Das dem Fernsehen zugrunde liegende Medium Film ist also gleichzeitig in der Lage, sowohl die Schwachpunkte architektonischer Konzepte und Positionen, Unstimmigkeiten im Bauprozess, Differenzen unterschiedlicher Akteure oder Veränderungen gesellschaftlicher Rahmenbedingungen schonungslos aufzudecken als auch die Stärken eines Entwurfs wirkungsvoll zu inszenieren. Dies ist eine Herausforderung, der sich eine Architektenschaft stellen muss, die sich lauthals über das mangelnde Bewusstsein für Baukultur in der breiten Öffentlichkeit beklagt.


Argumente für eine Architekturvermittlung im Fernsehen

Zwar kann durchaus bezweifelt werden, dass eine eigenständige Architekturvermittlung im Fernsehen sofort widerspruchslos von weiten Teilen der Disziplin mitgetragen wird,
[10] zumindest gibt es jedoch auch innerhalb des autonomen Diskurses beziehungsweise an der Grenze zwischen autonomem und heteronomem Diskurs verschiedene Stimmen, die sich für eine verstärkte Präsenz von Architektur im Fernsehen aussprechen. Constanze A. Petrow, Geografin und Landschaftsarchitektin der Bauhaus-Universität Weimar, betont die Chancen einer Integration von Architekturthemen in den Alltag und bezieht sich dabei auch explizit auf das Fernsehen (vgl. Petrow, 2006). Die österreichische Architekturpublizistin Karin Tschavgova, die sich selbst auch als Architekturvermittlerin sieht, setzt große Hoffnungen in „sachliche, dabei verständliche Auseinandersetzung mit Architektur“ im TV: „Welch breites Interesse ließe sich erst durch das Fernsehen wecken, gäbe es dort, was der Architekt und Lehrer Roland Gnaiger schon vor Jahren regelmäßig im Vorarlberger Regionalfernsehen praktiziert hat […]“ (Tschavgova, 2003).

Gnaiger der bis 1993 sieben Jahre lang über 150 kurze architekturkritische Sendebeiträge für den ORF gestaltet hatte, verweist u. a. auf die positiven Wechselwirkungen von Spitzen- und Breitensport und mahnt damit gerade auch für die Architektur eine sinnvolle Verknüpfung und Ergänzung der Diskurse von High- and Low-Culture unter Einbeziehung des Fernsehens an: „So wichtig die intellektuelle Tiefendebatte ist und die mediale Insiderreflexion, etwa in diversen Wochenendbeilagen, so sehr brauchen diese eine Ergänzung in die Breite. Ohne diese Breite werden die Spitzen architektonischer ,Hochkultur‘ zu filigran und angreifbar.“ Dabei müsse man zugeben, dass es sich hier auch um Versäumnisse der Architektenschaft und der Architekturschulen handle. Gnaiger betont, „[…] dass Resonanz und Interesse an Architektur sehr breit gestreut sind und dass Architekturpolitik kein Nullsummenspiel und kein Minderheitenprogramm sind.“

Es mag zunächst paradox klingen: Gnaigers Architektursendungen wurden nicht aufgrund einer zu geringen, sondern ihrer außerordentlich großen Resonanz eingestellt. Nicht der Sender, sondern Gnaiger selbst habe die Arbeit auf eigenen Wunsch beendet, da er sich als praktizierender Architekt und Professor in Linz nicht entschließen konnte, „im Interesse der Architekturkritik“ seine „Entwurfspraxis im erforderlichen Maß einzuschränken“ und zum „Ombudsmann für Architekturfragen“ zu werden: „Ich wurde von Bürgerinitiativen kontaktiert, zu Nachbarsstreitigkeiten in Bau- und Rechtsfragen gerufen, von Gemeinden in heiklen Gestaltungsentscheidungen beigezogen, von Schulen zu Vermittlung und Diskussion gebeten, aber auch zum Schiedsrichter in heißen Familiendiskursen gemacht, wenn Vater und Sohn, wenn Frau und Mann uneins waren, ob das Nachbarhaus, die neue Schule oder das Gemeindeamt schön oder hässlich seien, gesundheitsschädlich oder energieverschwendend.“ (Alle Zitate: Gnaiger, o. J.)

Neben diesem Ausnahmebeispiel aus der Praxis, das allein bereits eine große Nachfrage verdeutlicht – und damit einen tatsächlichen Bedarf für Architektur-TV-Sendungen vermuten lässt –, untermauern aber auch diverse medientheoretische und medienkritische Positionen die Sinnfälligkeit einer systematischern Erweiterung derartiger Programminhalte. Ausmachen lässt sich dies vor allem an der Bedeutung, die dem Fernsehen seitens der Theorie beigemessen wird, und zwar unabhängig davon, ob das Medium eher negativ konnotiert ist – meist als Manipulationsinstrument und Teil des Herrschaftsdiskurses – oder positiv – etwa als offene, soziale Bühne für ein pluralistisches Nebeneinander divergierender Standpunkte.

Bereits 1978 hatten John Fiske und John Hartley die so genannte „bardische Rolle“ des Fernsehens herausgestellt, die Heidemarie Schumacher wie folgt zusammenfasst: „Fernsehen spielt in unserer Zeit – so die These – eine ähnliche Rolle wie der Barde, Poet (bei Barthes: der Schamane) oder eine andere Verbindungsperson in früheren Gesellschaften, die als Mittler zwischen der Kultur und denjenigen, die dieser kulturellen Umwelt angehören, fungieren.“ (Schumacher, 2000, 169)
[11] Lorenz Engell, Medienwissenschaftler der Bauhaus-Universität Weimar, geht noch einen Schritt weiter. Er ist der Auffassung, das Fernsehen sei „nicht mehr nur ein Fenster zur Welt“, sondern regle „den Zugang zur Welt im Ganzen. Indem seine äußeren und inneren Kommunikationsstrukturen zunehmend die Welt formen und definieren [...], wird es selbst nach und nach an die Stelle der Wirklichkeit gesetzt. Die [...] Menschen verstehen sich nur noch auf die vom Fernsehen vorgeprägte Weise in der Welt zu bewegen.“ (Engell, 1989, 67)

Ganz ähnlich konstatierte 1996 Pierre Bourdieu: „Das Fernsehen hat eine Art faktisches Monopol bei der Bildung der Hirne eines Großteils der Menschen.“ Es entscheide „zunehmend darüber, wer und was sozial und politisch existiert“ – eine Auffassung, die den prominenten französischen Systemkritiker wohl zu seiner fundamentalen und viel diskutierten Kritik am Fernsehen geführt hatte. Obwohl – oder gerade weil – das Fernsehen „für verschiedene Sphären der kulturellen Produktion, für Kunst, Literatur, Wissenschaft; Philosophie, Recht, eine sehr große Gefahr“ darstelle und „eine nicht weniger große Gefahr für das politische und demokratische Leben“, appelliert er an Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler, sich dem Medium nicht zu entziehen, sondern dieses vielmehr zu nutzen um die Öffentlichkeit zu erreichen, wenngleich auch unter bestimmten Voraussetzungen (alle Zitate Bourdieu, 1998, 9ff.).

Etwas neutraler formuliert Knut Hickethier: „Wie die Medien gesellschaftlich organisiert sind, spielt für die durch sie vermittelten Angebote eine zentrale Rolle. Die Strukturen der Institutionen prägen das Angebot in seiner Zusammensetzung, seiner Platzierung und seiner internen Gestaltung. Entscheidend ist nicht nur, wie Film und Fernsehen etwas zeigen, sondern auch was sie ausklammern und damit als bedeutungslos für die gesellschaftliche Auseinandersetzung erklären.“ (Hickethier, 1993, 17). Die geringe Präsenz der Architektur im Fernsehen verweist daher sowohl auf die schwache Lobby der Architektur in der Gesellschaft als auch auf deren bisheriges Desinteresse an diesem Medium, das sich aus den bereits dargelegten Gründen ableiten mag, aber letztlich einer Selbstschädigung der Disziplin – einer „unterlassenen Hilfeleistung“ – gleich kommt.

Bourdieu spricht, dieser Logik folgend, von einer „Pflicht zur Äußerung“ (Bourdieu, 1998, 92ff.). In einer Art Gedankenexperiment geht er davon aus, dass Mallarmé, „das Symbol des hermetischen reinen Dichters schlechthin“, sich – hätte er heutige Medien zur Verfügung gehabt – folgende Frage gestellt hätte: „Soll ich im Fernsehen auftreten? Wie kann ich den jeder wissenschaftlichen oder überhaupt geistigen Tätigkeit immanenten Anspruch auf ,Reinheit‘ vereinbaren mit der demokratischen Bemühung darum, die Ergebnisse möglichst vielen zugänglich zu machen?“ (Ebd., 93). Vermutlich sehen sich viele Architekten, die sich für Baukultur engagieren, heute mit den gleichen Fragen konfrontiert, die weiteren Ausführungen Bourdieus machen allerdings implizit deutlich, dass es sich – zumindest bei der ersten Frage – um eine rhetorische handelt. Das Fernsehen produziere zweierlei Effekte: „Es senkt den Eintrittspreis in einer gewissen Reihe von Feldern, der Philosophie, Juristerei usw.: Es kann zu Soziologen, Schriftstellern, Philosophen usw. Leute ernennen, die unter dem Gesichtspunkt der internen Definition der Zunft den Eintrittspreis nicht bezahlt haben. Andererseits ist es in der Lage, das breitestmöglichte Publikum zu erreichen.“ (Ebd.)

Wenn also beispielsweise Inka Bause – in der DDR der Achtzigerjahre als Schlagerstar Inka bekannt – in ihrer Makler-Soap „Unser neues Zuhause“ mal eben zwischendurch ein paar Erd- und Höhlenhäuser von Peter Vetsch präsentiert, dann verdeutlicht das offensichtlich genau diesen Effekt des Fernsehens – den Kurzschluss zwischen Prominenz und Kompetenz –,
[12] den Bourdieu als „Senken des Eintrittspreises“ bezeichnet. Wenngleich dessen Forderung, für die „Erhöhung des Eintrittspreises“ einzutreten (vgl. Bourdieu, 1998, 94), etwas utopisch anmutet – schließlich kann „Inka“ senden, was sie will (solange freilich der Sender dies mit trägt) und auch kein Architektenverband wird sie daran hindern, solange sie nicht die Zunft oder einen ihrer Vertreter verleumdet –, so scheint doch nichts nahe liegender, als auf breiter Ebene den seltenen Beispielen wie dem des Architekturprofessors Roland Gnaiger in Vorarlberg oder auch dem des ehemaligen RIBA-Präsidenten Maxwell Hutchinson in London zu folgen und diese Felder der Medienlandschaft – denen sich offensichtlich jeder bemächtigen kann – verstärkt durch Fachleute zu besetzten, die sowohl ein hohes Maß an Architektur- als auch an Medienkompetenz aufweisen.

Zusammenfassend lässt sich somit konstatieren, dass die verschiedenen, in den vorangegangen Abschnitten wiedergegebenen Position auf der medientheoretischen Ebene geradezu die Notwendigkeit einer Aneignung des Mediums durch die Architekturvermittlung unterstreichen: Wer das Fernsehen als Medium ignoriert, dessen Anliegen wird letztlich selbst ignoriert werden, dessen Botschaften werden ungehört, dessen Kommunikations- und Vermittlungsbemühungen erfolglos bleiben.


Geeignete Strategien und Sendeformate zur Architekturvermittlung im Fernsehen

Setzt man sich mit der Zukunft der Architekturvermittlung auseinander, dann lautet die Grundsatzfrage also nicht, ob das Fernsehen als Medium dafür überhaupt geeignet ist, sondern vielmehr, wie es sich am sinnvollsten hierfür instrumentalisieren lässt. Es muss darüber nachgedacht werden, welche Grundsatzstrategien und spezifischen medialen Konzepte seitens der Vertreter des autonomen Architekturdiskurses entwickelt und verfolgt werden sollten, welche Sendeformate und -plätze denkbar und für welche Zielgruppe diese besonders prädestiniert sind. Dazu ist zunächst eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Medium Fernsehen erforderlich, für die sich auch der Austausch und Dialog mit den Kultur-, Medien- und Kommunikationswissenschaften anbietet.

Beobachtet man die Entwicklung des Fernsehens seit den Fünfzigerjahren, so ist der ursprünglich vielfach formulierte Bildungsauftrag kaum noch wahrnehmbar. Klassische Kultursendungen machen neben der Flut an Daily Soaps, Unterhaltungssendungen und Spielfilmen heutzutage nur noch einen geringen Anteil aus.
[13] „Vom Fernsehen mit bildungsbürgerlichem Anspruch zum Reklame- und Unterhaltungsfernsehen könnte man die Entwicklung des deutschen Fernsehens von den fünfziger Jahren bis heute grob skizzieren. Von einem Programm der öffentlich-rechtlichen Anstalten und seinem Bildungsauftrag ist nur noch eine Restgröße in der Programmflut übrig geblieben. Die traditionell anspruchsvollen Angebote tendieren mehr und mehr dazu, in Spartenkanäle (so genannte Kulturkanäle, wie Arte oder 3sat) abgedrängt zu werden.“ (Schumacher, 2000, 191)

Damit existiert zumindest bereits eine Plattform, auf der Architekturvermittlung auf hohem Niveau möglich wäre – und schließlich ja auch schon praktiziert wird mit Formaten wie der oben genannten Reihe „Baukunst“. Die Gefahr besteht jedoch darin, dass derartige Architektursendungen eben nicht über die Spartenangebote hinausgehen, die wiederum nur von den ohnehin Interessierten innerhalb und an der Peripherie des autonomen Diskurses wahrgenommen werden. Und wenn auch die Architekturvermittler die Auffassung vertreten, sie müssten – wie Bourdieu meint – „gegen die Einschaltquoten kämpfen“ (Bourdieu, 1998, 95), dann wäre die letzte Konsequenz dieser Haltung wohl die Etablierung eines eigenständigen Architektursenders für ein kleines, ausgewähltes Publikum.
[14]

Primäres Ziel der Architekturvermittlung sollte es jedoch gerade sein, neue – breitere und heterogenere Zielgruppen zu erschließen. Je mehr Breitenwirksamkeit also die Vermittlungsangebote im Fernsehen erzielen wollen, umso mehr müssen sie sich auf die Bedingungen, Mechanismen und Strukturen des Mediums und der spezifischen Medienpraxis einlassen. Gemäß Lorenz Engell äußert sich „fernsehgerechtes“ Verhalten in Unkonzentriertheit, beiläufigem Zuschauen, Amüsieren, Zerstreuung, Zapping – nicht vergleichbar mit Lesen oder auch einem Kinobesuch (vgl. Engell, 1989, 69). Diesem Verhalten, das zu Zeiten des großen Bildungsanspruchs der Medien mit Sicherheit noch nicht so ausgeprägt war wie heute, kann u. a. bereits durch die Länge der Sendungen Rechnung getragen werden – beispielhaft waren hier bisher wiederum Roland Gnaiger in Österreich und Maxwell Hutchinson in Großbritannien. Die von der BBC über fünf Jahre ausgestrahlten „Max Files“ hatten eine Dauer von lediglich jeweils drei bis vier Minuten. Erkannt und erfolgreich genutzt hatte Hutchinson, der mittlerweile Architekturthemen im Radio vermittelt, auch den Wert einer gewissen Theatralik der Moderation, weshalb er etwa beim Kurzporträt einer Londoner Kirche durchaus auch selbst die Kanzel bestieg.
[15]

Den Spagat zwischen gewünschter inhaltlicher Tiefe und erforderlicher Breitenwirksamkeit – zwischen Qualität und Quote –, den die Architekturvermittlung im TV leisten muss, kann man jedoch keineswegs nur mit der Avisierung eines Kompromisses – ein bisschen Tiefe, ein bisschen Breite – meistern, sondern vielmehr durch eine umfassende Ausdifferenzierung unterschiedlicher Programmsegmente und die gleichzeitige Besetzung mehrerer, ganz unterschiedlicher Sendeformate. Das heißt, Sendungen wie die „Max Files“ sind zwar als probates Mittel willkommen, um die große Lücke zwischen den Dokumentationen und Porträts der Kultursender auf der einen und den zahlreichen Wohn-Soaps auf der anderen Seite zu besetzen, sie sind aber eben nur eines unter vielen. Füllen lässt sich diese Lücke jedoch allein mit unterhaltsamen Dreiminutenfeatures keineswegs. Derzeit fehlt schlichtweg die Masse, die Präsenz.

Eine effektive Strategie könnte darin bestehen, mehrgleisig im gleichen Segment zu fahren, womit insgesamt die Präsenz von Architekturthemen im Fernsehen deutlich erhöht und gleichzeitig mehrere Zielgruppen angesprochen werden könnten. Hierzu wäre es sicherlich sinnvoll, zunächst einmal drei abgestufte Zielgruppen-Levels zu bestimmen: „Einsteiger“, „Fortgeschrittene“ und „Profis“. So könnten unterschiedlich anspruchsvolle Architektursendungen innerhalb der jeweiligen Segmente angeboten werden, die entweder unabhängig nebeneinander bestehen oder aber auch gezielt aufeinander aufbauen. Und damit könnte sich möglicherweise auch die Chance bieten, einen Weg zu finden „sowohl für die jedem Avantgardismus (zwangsläufig) immanente Hermetik einzutreten, als auch für die Notwendigkeit, das Hermetische aufzubrechen und dafür zu kämpfen, daß die entsprechenden Mittel zur Verfügung stehen“, wie Bourdieu (1998, 94) es einfordert. Will Architekturvermittlung im Fernsehen gleichzeitig anspruchsvoll und erfolgreich sein, ist ein unvoreingenommenes Nachdenken – ein Brainstorming – über mögliche neue Sendeformate unumgänglich. Dementsprechend werden im Folgenden einige denkbare Beispiele für diese Strategie der abgestuften Zielgruppen-Levels vorgeschlagen.

„Auch im Fernsehen laufen jene Themen gut, die das Publikum selbst betreffen“, meint Constanze A. Petrow. „Anders als beim Feuilleton, wo der Leser ,hingeht‘, also schon ein Interesse am Thema mitbringt, ist das TV auf publikumsträchtige Themen angewiesen.“ (Petrow, 2006, 38) Das erklärt u. a. die Flut an Talkshows und ähnlichen Sendungen, die hauptsächlich der Low-Culture zuzuordnen sind. Seit Mitte der Neunzigerjahre schießen sie auf allen Kanälen – vor allem um die Mittagszeit – wie Pilze aus dem Boden. Wieso also nicht einmal eine Talkshow, die Architektur ins Zentrum rückt? Explosiven Stoff gibt es hier sicherlich genug. Man stelle sich also vor, dass an Stelle von Familienstreitigkeiten die Probleme zwischen Architekten und Bauherren geklärt würden. Wie weit hierbei das Niveau tatsächlich sinkt, hängt letztlich nicht nur von Sender und Format der Sendung, sondern auch vom „Kaliber“ des Moderators ab. Es kann also wohl vorab nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass sich Architekt und Bauherr auch einmal öffentlich beschimpfen. Ebenso gut können aber Architekturtalkshows auch den „Fortgeschrittenen“ und „Profis“ angemessen im Sinne eines Sendeformates aufbereitet werden, wie es zu anderen Themen z. B. mit Christiansen, Riverboat und Co im Fernsehen bereits vertreten ist.

Ähnlich fließend sind die Grenzen im Falle des folgenden denkbaren Beispiels: Eine Sendung nach dem Motto „Die witzigsten Architekturen der Welt“ könnte durch die Möglichkeit der Zuschauerbeteiligung vor allem Laien dazu anregen, sich mit Architektur auseinanderzusetzen: „Senden Sie uns Fotos zu – wo haben Sie ein besonders schlechtes oder ein besonders witziges Bauwerk gesehen?“ Vermeintliche architektonische Fehlgriffe könnten im Rahmen der Sendung thematisiert werden – und müssen dabei nicht auf reine „Lacher“ reduziert bleiben. So können die vorgestellten Architekturen durch einen Fachmann und/oder Laien betrachtet, kommentiert, erläutert und möglicherweise auch mit unterschiedlichen Zielgruppen diskutiert werden.

Derartige Architektursendungen mit Zuschauerbeteiligung, die eine Plattform für Diskussion zwischen Laien und Fachleuten über Architektur bieten, könnten als eigenständige Sendung funktionieren, darüber hinaus aber durchaus auch als eine Art „Aufwärmphase“ für die so genannten Architektonischen Quartettrunden dienen, die als Veranstaltungsform in der letzten Zeit u. a. in Berlin, München, Wismar und Ludwigsburg beachtlichen Auftrieb erfahren haben.
[16] Letztere sind – nach der beispielgebenden Vorlage des Literarischen Quartetts – geradezu dafür prädestiniert, im Fernsehen übertragen zu werden. Inwiefern sich diese rein im Bereich der High-Culture bewegen müssen, wird wiederum auch vom Unterhaltungswert und Charisma der Diskussionsteilnehmer sowie von den von ihnen ausgewählten Themen abhängen. Der Literaturbereich zeigt: Auch nach Beendigung des Literarischen Quartetts, dass über ein Jahrzehnt lang den Alleinvertretungsanspruch der literarischen High-Culture inne zu haben schien, aber aufgrund des Unterhaltungswertes der Selbstinszenierungen des Literaturpapstes Reich-Ranitzky in weiten Teilen der Gesellschaft Aufmerksamkeit erregte, gibt es durchaus verschiedene Diskussionssendungen mit hohem Anspruch wie etwa „Literaturclub“ (Schweiz) und „Literatur im Foyer“.

Denkbar wäre also auch eine „Elke Heidenreich der Architektur“, die ganz im Sinne von Engells fernsehgemäßem Verhalten, Bücher nahezu innerhalb von Minuten vorstellt – und damit Bestseller generiert. Und warum sollte Jürgen von der Lippe, der sich Dirk Bach oder Hella von Sinnen einlädt, statt neuerdings Literatur nicht auch mal Architektur besprechen? Was spricht dagegen, erfolgreiche Sendeformate für die Architekturvermittlung zu nutzen? Warum also nicht auf den Zug der boomenden Rateshows aufspringen und einen geeigneten Fachmann zum Günther Jauch der Architekturquizsendung ernennen? Allerdings besteht auch hier wiederum der Spagat darin, wie Manfred Sack im Kontext der Architekturvermittlung formuliert, „die Kenntnislosen zu erreichen, ohne die Kenner zu langweilen“ (vgl. Sack, 2003).

Da zu den „Kenntnislosen“ auch die große Zielgruppe der Kinder zählt, lohnt sich auch der analytische Blick hin zu erfolgreichen Wissenssendungen für Kinder wie „Sendung mit der Maus“ und „Löwenzahn“. Auch ein „Peter Lustig der Architektur“ könnte ein weiteres fehlendes Segment besetzen, wobei die Strategie, „sich einmal janz dumm zu stellen“, nicht nur den Kindersendungen vorbehalten bleibt. Die Kunst, sich als Vertreter des autonomen Diskurses auf das Sprach- und Wissensniveau des heteronomen Diskurses einzulassen, ist eine Grundvoraussetzung für die vierte, oben definierte Funktion der Architekturvermittlung – die Animation – und somit außerordentlich gut geeignet, den „Einsteiger“, in den Diskurs einzuführen.

Szenarien für neue Sendungen wären noch viele weitere vorstellbar. „Wie wär’s mit einer Sendung über die Baugeschichte der Farbe?“
[17] fragt der Journalist Norbert Thomas. Constanze A. Petrow verweist u. a. auf England, wo Prominente durch verschiedene Gebäude führen und sieht selbst in den Wohn-Soaps ein gewisses Potenzial, „[…] das Architekturinteresse [zu] fördern. Alles in allem gilt: Sobald es menschelt und sobald ein Alltagsbezug hergestellt ist, schalten Laien nicht mehr ab.“ (Petrow, 2006, 38) Die Vorstellung einer in der medialen Öffentlichkeit weinenden Liliane Kaufmann ist also, übertragen in die heutige Zeit, so abwegig nicht…


 


 

Literatur: 

Benjamin, W. (1936). Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: Ders., Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie (11. Aufl. 1979, S. 7–44), Frankfurt/Main: Suhrkamp.

Bourdieu, P. (1998). Über das Fernsehen. Frankfurt/Main: Suhrkamp.

Copans, R. (o. J. / 1).
http://www.arte.tv/de/wissen-entdeckung/baukunst/Videos_20_26_20Interviews/769402,CmC=769408.html

Copans, R. (o. J. / 2).
http://www.arte.tv/de/wissen-entdeckung/baukunst/Videos_20_26_20Interviews/769402,CmC=769394.html

Copans, R. (o. J. / 3).
http://archives.arte-tv.com/de/archive_358429.html

Engell, L. (1989). Vom Widerspruch zur Langeweile. Logische und temporale Begründungen des Fernsehens. Frankfurt/Main: Lang.

Copans, R. (1997). Nemausus 1 – Sozialer Wohnungsbau der 80er Jahre. In R. Copans, & S. Neumann (2005). Baukunst. 23 Bauwerke in 23 Filmen auf 4 DVD (Bildtonträger), Baukunst 1. Berlin: Absolut Medien.

Feige, M. (2001). Big Brother-TV. Wie Reality-Soap das Fernsehen verändern. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf.

Fiske, J. & Hartley, J. (1978). Reading Television. London: Routledge.

Gadamer, H.-G. (2006). Architektur als „Zuwachs an Sein“. Hans-Georg Gadamer im Gespräch mit Catherine Hürzeler. In: R. Blödt, F. Bühler, F. Murat, J. Seifert. Beyond Metropolis. Eine Auseinandersetzung mit der verstädterten Landschaft (S. 246– 251). Sulgen/Zürich: Niggli.

Gnaiger R. (o. J.). Statements – 8. Roland Gnaiger. In: Anlage zum Bericht der parlamentarischen Enquete-Kommission zum Thema „Architekturpolitik und Baukultur in Österreich“ (S. 27 ff.). http://www.parlinkom.gv.at/pls/portal/docs/page/PG/DE/XXII/I/I_00824/FNAMEORIG_035724.HTML

Hickethier, K. (1993): Film- und Fernsehanalyse. Stuttgart/Weimar: Metzler.

Knauer, W. (2005). Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien für die Kultur. Stellungnahme zum Fragenkatalog. http://dasganzewerk.de//presse/20050331-ek-kid-knauer.shtml

Larson, M.S. (1993). Behind the postmodern façade. Architectural change in late twentieth-century America. Berkeley (CA): University of California Press.

Leschke, R. (2003). Einführung in die Medientheorie. Stuttgart: UTB.

Petrow, C.A. (2006). Architektur und Öffentlichkeit. Garten + Landschaft – Zeitschrift für Landschaftsarchitektur, 2, 36–38.

Rambow, R. (2000 / 1). Das Auge des Architekten.
http://wwwpsy.uni-muenster.de/inst3/AEbromme/web/veroef/2000/Arch11.htm

Rambow, R. (2000 / 2). So nun auch wieder nicht: Verständigungsschwierigkeiten zwischen Architekten und Laien.
/theoriederarchitektur/Lehrstuhl/deu/rambow/rambow2.htm

Sack, M. (2003). Komplimente und Verrisse oder: Der neugierige Beobachter.
/theoriederarchitektur/wolke/deu/Themen/022/Sack/sack.htm

Schumacher, H. (2000). Fernsehen fernsehen. Modelle der Fernseh- und Medientheorie. Köln: DuMont.

Tschavgova, K. (2003). Ach ja, die Experten!
http://www.diepresse.at/textversion_article.aspx?id=393390


 


 

Anmerkungen:
 

[1] In einer gleichnamigen Reihe fasst das Bayerische Fernsehen neben Sendungen über Cézanne oder Rembrandt, Kunstsammler, Videokunst und net.art, Schmuck und Kunsthandwerk auch Beiträge über „ Neues Bauen in der Oberpfalz“, die „Baustelle München“ oder „Münchener Architekten des 19. Jahrhunderts“ zusammen, vgl. hierzu:
http://www.br-online.de/kultur-szene/sendungen/faszinationkunst/index.xml

[2] Vgl. http://www.tu-cottbus.de/fakultaet2/de/studium/fak2-studiengaenge/architekturvermittlung-master-of-science/

[3] Ebenso wenig kann in der Kunst von einem autonomen Fachdiskurs zwischen Künstlern untereinander sowie zwischen Künstlern und Kunstkritikern bzw. -wissenschaftlern ausgegangen werden, der mit demjenigen der Architektur vergleichbar wäre. Zwar gibt es immer wieder Künstlergruppen und -vereinigungen, aber trotzdem ist der Künstler viel stärker auf sich selbst als Individualist zurückgeworfen. Auch Berufs- und Fachverbände etwa haben nicht den gleichen Stellenwert wie in der Architektur.

[4] In einem Interview beschreibt Richard Copans die Schwierigkeiten, den Architekten und Architekturprofessoren – den „Hütern der Architektur“, wie sie Copans nennt – zu verdeutlichen, dass nicht sie, sondern die Regisseure die Kommentare zu den Bauten verfassen (vgl. Copans, o. J. / 1).

[5] Rambow betont diesbezüglich, dass nicht die Wahrnehmung des Laien abgestumpft, sondern vielmehr die des Experten infolge eines langen Prozesses von Ausbildung und Praxis verfeinert und ausdifferenziert sei (vgl. Rambow, 2000 / 2). Mit reduzierter Wahrnehmung ist im vorliegenden Kontext jedoch weniger die Wahrnehmungsdifferenz zwischen Architekten und Laien, sondern eher der Unterschied zwischen alltäglicher Konfrontation mit Architektur und dem bewussten Akt der Kunstrezeption in einem eigens dafür vorgesehenen Kontext gemeint.

[6] …sofern man beispielsweise den Kunstproduzenten losgelöst vom Kunstmarkt betrachtet, andernfalls kommt auch hier zumindest noch die Animationsfunktion hinzu.

[7] Im Gegensatz zu den privaten und den großen öffentlich-rechtlichen Kanälen werden Einschaltquoten der Kultursender und die Marktanteile einzelner Sendungen nur sehr zurückhaltend preisgegeben.

[8] Im Gegensatz zu den Kommunikationswissenschaften, durch die die Metapher vom neutralen Kanal geprägt und vertreten wurde, bestreiten weite Teile der jüngeren Medienwissenschaft bei aller Vielstimmigkeit der Positionen diese These. In diesem Kontext ist auch das Diktum ihres Vorreiters Marshall McLuhan „The medium is the message“ zu lesen. Detailliertere Ausführungen hierzu finden sich u. a. bei Leschke (2003).

[9] So lautete das Thema der dritten Ausgabe des Grazer Architektur Magazins, in dem allerdings das Fernsehen nur am Rande und in einem völlig anderen, hier nicht relevanten Kontext diskutiert wird (vgl. GAM – Graz Architecture Magazine 03 und speziell den Beitrag von Knut Birkholz).

[10] Eine bezeichnende, wenn auch nicht verallgemeinerbare Glosse hierzu liefert Copans, der von der ablehnenden Haltung Peter Zumthors – „vom Film hält er nicht viel“ – und dessen Widerständen vor und während der Arbeiten am erwähnten Porträt berichtet, mit dem die Therme Vals letztlich auch im Sinne des Architekten gelungen in Szene gesetzt wurde (vgl. Copans, o. J. / 3).

[11] Vgl. hierzu auch: Fiske & Hartley, 1978, 86ff.

[12] Inkas „Kollege“, Herbert Grönemeyer, hatte sich übrigens bereits 1988 in seinem Song „Fragwürdig“ gegen diesen Kurzschluss von Prominenz und Kompetenz verwahrt
(vgl. http://portal.herbert-groenemeyer.de/discographie/cds/oe/08.html)

[13] Eine Studie, die 2004/05 anlässlich einer Anhörung der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages durchgeführt wurde, hat ergeben, dass auf 19 untersuchten Kanälen täglich von insgesamt 26760 Sendeminuten 2055 Minuten Kulturthemen gewidmet sind. Dies entspricht knapp acht Prozent der Gesamtsendezeit (…von denen Architekturthemen dann wiederum nur einen kleinen Bruchteil ausmachen).
Vgl. http://www.taz.de/pt/2005/05/06/a0185.1/text

[14] …der sich so zwar seine inhaltliche Freiheit sichert – Bourdieu würde von „Reinheit“ sprechen –, der allerdings wiederum mit ganz anderen Problemen behaftet wäre, beginnend mit den Finanzierbarkeit: Erinnert sei hier nur an die leeren Kassen der Fachverbände.

[15] Vgl. http://www.bbc.co.uk/london/yourlondon/maxfiles/index.shtml
(s. hier: MORE FILES TO WATCH / I went to visit one of the most beautiful churches in central London - St Mary-le-Strand)

[16] Titelte z. B. Ulf Meyer noch 1997 in der Berliner Zeitung: „Ein Architektonisches Quartett wird es nicht geben“, fand z.B. im Juni 2005 im NDR Funkhaus Hannover anlässlich des Tages der Architektur in Niedersachsen ein Architekturquartett statt, nachdem u. a. die Bundesarchitektenkammer seit Jahren derartige Diskussionsrunden veranstaltet (vgl.:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1997/0124/kultur/0025/
http://www1.ndr.de/ndr_pages_std/0,2570,OID1458216_REF166,00.html)

[17] Vgl. http://www.sternstadt-forum.de/pdffiles/0_1107446045.pdf

 


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11. Jahrgang
Doppelheft 1-2
Februar 2007