Thema
4. Jg., Heft 2
Februar 2000

Perdita von Kraft

Heimat - Fremde

Vertrautes und Unbekanntes

Wenn ich als Leiterin der Brandenburgischen Kunstsammlungen Cottbus heute sozusagen den Vortragsreigen zu der Konferenz Neue Kulturlandschaft. Arbeits- und Lebenswelt für die Zukunft eröffnen darf, so liegt natürlich dabei die Betonung auf dem kulturellen Verständnis von Landschaft. Ich spreche, indem ich versuche, die Brücke von bildender Kunst zur Landschaft zu schlagen, damit auch pro domo, da sich die gute Gelegenheit bietet, das inhaltliche Programm unseres Hauses vorzustellen.

Dass das Wahrnehmen von Landschaft in der Landschaft stets etwas anderes ist als die künstlerische Darstellung von Landschaft, dass man bei ersterem sich in dieser Landschaft befindet, bei der Betrachtung eines Bildes aber vor dem Geschehen bleibt - darauf haben die Veranstalter der Tagung in ihrem Arbeitspapier bereits hingewiesen.

Nun arbeiten seit der Land Art Bewegung die Künstler ja auch in der Landschaft selbst. Die amerikanische Land Art hat genuin mit der Weite und Unendlichkeit des Landes in Idaho, Nevada, Utah, Arizona und New Mexico zu tun, mit unbehausten Territorien, die diese Kunstrichtung durch Strukturierung zu erobern suchte (Abb. 1 und 2).

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Abb. 1/2:
Walter de Maria, Lightning Field, New Mexico, 1977,
400 Stahlstäbe im Geviert von 1 Meile x 1 km, Sammlung Dia Art Center for the Arts, New York

In überschaubarere Dimensionen gesetzt waren die Kunstwerke, die die Europa-Biennalen Niederlausitz der Jahre 1991, 1993 und 1995 zeigten, veranstaltet vom Förderverein Kulturlandschaft Niederlausitz e.V. / LAUBAG - Lausitzer Braunkohle Aktiengesellschaft (Abb. 3 und 4).[1]

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Abb. 3:
Die Audio-Gruppe, Benoit Maubray u.a.,
Die Audio-Ballerinas,
zweitägige Performance, 14./15. September 1991

Abb. 4:
Solveig Bolduan, Tore, 1991,
elf torartige Holzkonstruktionen bis zu 11 x 5,50 m

Andere Ausdrucksweisen von Kunst mit der Natur oder Kunst in der Landschaft sind beispielsweise mehr ökologisch orientiert, wie das Arbeiten mit Naturmaterialien oder das Aufspüren und die in ästhetischer Form vollzogene Sicherung von unbekannten botanischen Zeugnissen. Es entstehen aber überdies heute auch Bildwelten, die am Computer digitalisiert sind und uns Visionen zukünftiger Landschaften eröffnen, in denen also zukunftsorientiertes Denken und eine dementsprechende mediale Ästhetik Hand in Hand gehen.

Wir als Cottbuser Museumseinrichtung haben uns zum Schwerpunkt unserer Arbeit den Themenkomplex von Natur, Landschaft und Umwelt gesetzt, wobei nicht verschwiegen werden soll, dass wir uns mit der Begriffsfindung recht schwer getan haben. Wir wissen, wie vielschichtig eine solche Themenbindung sein kann und sein sollte. Sie muß die gesamten Fragestellungen der Künstler an dieses Feld von Landschaft, Natur und Lebensraum umfassen, wobei aber keiner dieser Begriffe dies auf den Punkt bringt und es auch gar nicht kann, genausowenig wie ein einzelnes Kunstwerk alle Ansprüche an diese Thematik erfüllen will und kann. Der Oberbegriff des Raumes wäre im Grunde passender, jedoch auch wiederum mißverständlicher.

Die drei derzeit in den Brandenburgischen Kunstsammlungen Cottbus gezeigten Ausstellungen NASS UND TROCKEN. Malerei von Emo Verkerk und Koen Vermeule (Abb. 5-8), Heimatkunde 1979 - 1989 - 1999. Plakate von Manfred Butzmann (Abb. 9-11) und „Schön ist es auch anderswo ..." Fotografien vom Ruhrgebiet 1989-99 (Abb. 12-19) geben zu erkennen, dass der genannte Themenbereich Landschaft für eine solche Museumsdefinition einen immerzu neuartigen und spannenden Diskurs erlaubt.

Stets steht, auch wenn es sich um eine Museumsarbeit handelt, vor der Komsumierung eines landschaftlich thematisierten Kunstwerkes selbstredend die künstlerische Darstellung mit einer ihr innewohnenden Intention und selbstverständlich davor noch die Wahrnehmung der Landschaft durch den Künstler.
An den künstlerischen Arbeiten erkennen Sie aber auch, dass die geographische oder biologisch-ökologische Auffassung - nicht die künstlerische Art der Umsetzung in ein anderes Medium - dass diese Begrifflichkeiten von Landschaft konservativer oder avancierter sein können.

Die gezeigten Ausstellungen führen auch zu dem für meinen Beitrag gewählten Titel Heimat - Fremde (Fremdheit). Vertrautes und Unbekanntes und der darin liegenden abstrakten Komplexität von Geborgenheit und einem Aufbruch zu neuen Ufern, einem Spannungsbogen auch in den Auffassungen und Begrifflichkeiten der neu zu entwickelnden Kulturlandschaft. Mein Vortrag jedenfalls ist, scheint mir, äußerst lückenhaft, voller Ansätze und mehr provokant als zuende gedacht.

Den Begriffswirrwarr von Gegend, Region, Provinz und Landschaft hat Bernhard Waldenfels in seinem Essay Gänge durch die Landschaft zu entflechten geholfen.
Das Wort Landschaft existiere für sich allein gesehen kaum (Adorno), nur als Wortkombination: als Landschaftsmalerei, Landschaftsfotografie, Landschaftskunst oder in umgekehrter Wortkombination als Flußlandschaft, Gebirgslandschaft, Parklandschaft, Industrielandschaft und Stadtlandschaft. [2] Somit haben wir den ästhetisch-philosophischen und den geographischen Landschaftsbegriff hier nebeneinanderstehend.
Kürzlich hat Eduard Führ in seinem Essay Ruhrgebiet. Landschaft ist Schönheit so einfach wie schlüssig darauf hingewiesen, dass Landschaft nie die eine Landschaft meint, sondern per se einen landschaftlichen Raum, der sich aus vielen Einzelräumlichkeiten zusammensetzt.[3] Eine Auenlandschaft meint in diesem Sinne sehr wohl Wiesen und einen sich schlängelnden Fluss als auch Sträucher, Bäume und Steine.

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Abb. 5: 
Koen Vermeule, o.T., 1998,
Öl auf Leinwand, 75 x 150 cm
Abb. 6:
Koen Vermeule, Weiße Bahnen in Mintgrün, 1997,
Öl auf Leinwand, 200 x 200 cm
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Abb. 7:
Koen Vermeule, Valderobres - 1, 1998,
Öl auf Leinwand, 80 x 260 cm
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Abb. 8:
Koen Vermeule, Nachtlandschaft I, 1997,
Öl auf Leinwand, 125 x 300 cm

In den Bildern der Ausstellung NASS UND TROCKEN von Koen Vermeule finden Sie die Darstellung von Landschaftsräumen (Abb. 5-8)
Welches Moment die Ausstellung nach kunsthistorischen Gesichtspunkten für mich so interessant macht, ist die Kombination von Gegenständlichem mit einem Repertoire abstrakter Kunstphänomene wie Farbanalyse, Formbewußtsein, Kontrastierung, Ponderation etc., über die der niederländische Maler zweifelsohne verfügt. Die Spannung lebt aus der Begegnung dieser beiden Felder, aus der sicheren Begehung des Landschaftlichen, wenn Sie so wollen, einerseits aus dem Umgang mit dem Gewohnten, Bekannten, dem heimatlich Vertrauten und andererseits der Konfrontation mit dem Unkannten, dem Abstarkten, dem Fremden.
Kunst ist die Begegnung mit dem Fremden, das Einlassen auf zunächst unbekannte Zusammenhänge, auf nicht zu Durchschauendes, Rätselhaftes, immer weiter zu Durchdringendes. Und diese Ästhetik ist genau das, was nicht nur ein Bild in Spannung hält, sondern auch uns als Betrachtende, die trotz analytischen Auges und besten Willens nicht fähig werden, das Geheimnis eines Bildes zu entschlüsseln.
Das Rätsel liegt in der Zeit, in der immer neuen Entdeckung durch das Auge, in der stets anderen Gepoltheit unserer Wahrnehmung, gekoppelt an eigenes Erleben. Das Rätsel liegt in dem Wandel, dem jedes Leben, nicht das Bild, unterworfen ist.

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Abb. 9:
Manfred Butzmann,
Kein Platz für Bäume,
Plakat
, 1985
Abb.10:
Manfred Butzmann,
Ich fahre gern,
Plakat, 1994
Abb.11:
Manfred Butzmann,
Wanderer achte Natur und Kunst und schone ihrer Werke,
Plakat, 1990 (sogenannter Wörlitzer Warnaltar von um 1800, der als erstes Denkmal für Natursschutz in Deutschland gilt)

Ebenso ist es mit der Landschaft. Wir sehen sie nicht nur stets neu, nicht nur abhängig von der Wetterlage, dem Stand der Sonne und den Jahreszeiten, sondern auch nach unserer Gemütslage und unserem Reifeprozeß. Das heißt, dass ohne das wahrnehmende und „leibliche Subjekt" (E. Minkowski) die Idee einer Landschaft sich gar nicht entfalten kann.
Waldenfels schlägt ferner vor, den „Handlungsraum" Landschaft auch als einen „Bezugsraum" zu verstehen.[4] Das heißt wiederum, in einer Landschaft findet immer auch ein zielgerichtetes Agieren statt. Landschaft ist einem funktionalen Streben unterworfen. Die Akteure einer Landschaft sind deren Bewohner, die dort etwas betreiben. Entstandene Landschaften sind somit die Hinterlassenschaften des gelebten Lebens. Und nur wenn wir die Landschaft also gewissermaßen als Spiegel unserer Lebenskultur verstehen, dann wissen wir auch, in welche Richtung sich die Landschaft schlechthin entwickeln wird und entwickeln muß.

Hat Landschaft auch eine Zielgruppe? Landschaft, das meint, das Land ist bestellt, wie wir sagen. Fragt sich, woher und für wen.
Die Landschaft ist von ihren Bewohnern eingerichtet, und die Bodenbeschaffenheit, die geographische Lage, die Windverhältnisse, das Klima, die Handelswege und vieles andere mehr haben etwas auf ihr wachsen lassen.
Es existert ein schönes Beispiel aus der Lausitz, in dem sich das Waldgewerbe, nämlich die Waldbienenwirtschaft in ihren Auswirkungen auf den Wald spiegelt. Bei Muskau standen im Jahr 1774 etwa 7000 sogenannter Beutkiefern, die für die Bienenhaltung hergerichtet waren. Die Bäume wurden gewipfelt, indem die Imker ihnen die Kronen abschnitten, sie höhlten sie, wenn dies nötig war, aus und präparierten sie mit Ein- und Ausfluglöchern. Starben die Kiefern ab, schnitt man die Stammpartien heraus, in denen die Bienenvölker sich niedergalssen hatten.[5] Dies hatte natürlich Einfluß auf das Waldbild, wenngleich diese Spuren, da sich diese Praxis verloren hat, Jahrzehnte später nicht mehr nachzuvollziehen sind.

Neben der Agrar- und Waldwirtschaft haben auch die Kulturen auf die Landschaften Einfluß genommen. Regierende Geschlechter haben den Bauten ihren Geschmack aufgedrückt, am Ort entstandene handwerkliche Fähigkeiten haben der Sache ein Gesicht gegeben. Gute Regierungen haben das kulturelle Klima gefördert, neuartige technische Fertigkeiten in ihr Territorium geholt und die Künste gefördert. Am Ort geborene Künstler haben ihre qualitätsvolle Edukation in die Welt getragen und so den Ruhm an den Ort zurückgebracht. Kriege haben das ganze Gefüge schließlich zerstört, Baudenkmäler vernichtet. Neue politische Systeme haben neue Ordnungen errichtet. Manchmal waren es auch Naturkatastrophen, Unwetter und Vulkanausbrüche, die einschneidende Veränderungen nach sich gezogen haben.
Wenn sich nach solchen Erschütterungen etwas hat wieder durchsetzen können, dann waren es wiederum die Spezifika des Ortes: die fischreiche Gegend, die zentrale Lage, das gewachsene kulturelle Klima.
Manchmal war eine Ära aber auch einfach zuende, und ich erinnere dabei an die Stadt Annaberg-Buchholz im Erzgebirge, die dank ihrer Silberfunde im 15. Jahrhundert zu den reichsten Städten Deutschlands gehörte.
Dass Städte wie Paris und Dresden heute enorme ökonomische Gewinne durch auswärtige Besucher haben, ist nicht etwa einem besonders cleveren Tourismusbureau zuzuschreiben, sondern ist gewachsene Geschichte. In Sachsen war es August der Starke, der ob seiner militärischen Unterlegenheit (gegenüber den Preußen) sich kompensatorisch auf die Kultur verlegt hatte. Dresden und seine Einwohner sind Jahrhunderte lang durch die Kultur und an der Kultur gewachsen.
Niemals aber hat jemand - da es den Freizeitsektor Reisen freilich auch noch nicht gab - in früheren Zeiten daran gedacht, Tourismusströme ins Land zu ziehen. Die Länder und die Landschaften sollten reich sein, an Handelsverbindungen, an Frucht- und Weinständen, an Ackerbau und Viehzucht, an handwerklichen Fertigkeiten und dem Glanz ihrer Kunst, ihrer Denkmäler und ihrer Architektur.
Und in den Zeiten der Industrie und der Kohleförderung ging es um Absatzmärkte und Brot für die Arbeiter. All diese Formen des Lebens und Lebensunterhaltes haben die Landschaft geprägt. Landschaft ist also Zweckform - auch Veränderungen im Zuge von Strukturverbesserungen für den Tourismus. Jedes Zeitalter bildet somit andere Strukturen und Formen in der Landschaft heraus.

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Abb.12:
Laurenz Berges, o.T., c-print, 40 x 49,5 cm,
aus der Serie
Florastraße, Gelsenkirchen, 1998
Abb. 13:
Joachim Schumacher, o.T., c-print, 26,7 x 39,3 cm,
aus der Serie
Köln-Mindener Eisenbahn, 1997
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Abb. 14:
Joachim Brohm, o.T., c-print, 53 x 69 cm,
aus der Serie
Kohleverladeanlage, 1991
Abb. 15:
Joachim Brohm, o.T., c-print, 18,3 x 27,9 cm,
aus der Serie
Schrottinseln, 1993
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Abb. 16:
Torsten Hattenkerl, o.T., c-print, 20,2 x 24,5 cm,
aus der Serie
B 8, 1996/97
Abb. 17:
Joachim Schumacher, o..T., Baryt-print, 29,4 x 39,2 cm,
aus der Serie
Duisburg Bruckhausen, 1990
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Abb. 18:
Brigitte Kraemer, o.T., Baryt-Print, 23 x 34,5 cm,
aus der Serie
Menschen am Kanal, 1992ff.
Abb. 19:
Florian Schwinge, o.T., digitales c-print, 34,6 x 29,8 cm,
aus der Serie
Ruhr Characters, 1998

Ein wesentlicher Punkt jeder Diskussion um den anderen Pol von Landschaft, nicht die Gestaltung, sondern die Wahrnehmung von Landschaft muß m.E. immer auch von dem Hinweis auf den subjektiven Zugang zur Landschaft getragen sein. In Walter Benjamins Erinnerungen Berliner Kindheit stoßen wir immer wieder auf die eindringlichen Erlebnisse der Jugend in einer Landschaft - hier ist es die Stadtlandschaft Berlin -, die die idealen Vorstellungen von Landschaftsräumen bis ins Alter prägen. „Landschaft ist Natur", schreibt Joachim Ritter, „die im Anblick für einen fühlenden und empfindenden Betrachter ästhetisch gegenwärtig ist. [...] Mit seinem [des Menschen, d.Verf.] Hinausgehen verändert die Natur ihr Gesicht. Was sonst das Genutzte oder als Ödland das Nutzlose ist und was über Jahrhunderte hin ungesehen und unbeachtet blieb oder das feindlich abweisende Fremde war, wird zum Großen, Erhabenen und Schönen: es wird ästhetisch zur Landschaft." [6]
Touristen haben in einer Landschaft nichts zu schaffen, sie bestaunen sie, sie überfliegen sie vielleicht wie bei einer Südafrika-Safari, sie aalen sich am Strand, sie schnorcheln und sie surfen, sie machen Picknick, Mountainbiking, und wenn sie ein bisschen altmodisch sind, durchwandern sie die Landschaft. Mit körperlichen Aktivitäten solcher Art üben sie eine größtmögliche temporäre Inbesitznahme von Landschaft aus. Ein Malen auf der Staffelei vor der Landschaft, ein Zuhören dem Zwitschern der Vögel oder ein Lauschen dem Wogem des Meeres, diese passiven Aneignungen haben hingegen mehr kontemplativen Charakter. Beide Formen von landschaftlichem Genuß mögen aber für eine Ästhetik von Landschaft nicht ohne Einfluß bleiben.
Menschen, die in oder mit der Landschaft gar nichts zu schaffen haben, suchen Center Parks und Themenparks auf. Auch hier kann man sich körperlich austoben, jedoch entwickelt sich dabei kein körperlicher Kontakt mit der Landschaft.
Dreht man den Spiess um, so kann man eigentlich sagen, man braucht sich nicht zu wundern, dass, wenn sich das Schaffen von Landschaft von der Arbeits- und Lebenswelt der Bewohner löst und sich statt dessen nur auf den geldbringenden Tourismus- und Erlebnisbereich richtet, dass dann nurmehr artifizielle Landschaften entstehen.

Die Krise von Kohle- und Stahlindustrie, die in den 60er und 70er Jahren das Ruhrgebiet erschütterte, ist durch ein politisches Umdenken in neue Bahnen gelenkt worden. Ein wesentliches Merkmal dieses Umlenkungsprozess ist jedoch, dass er in einer Region stattfand, die in Deutschland die größte Bevölkerungsdichte aufweist. Es sind schon sehr früh eine Menge von Maßnahmen ergriffen worden, wie man überhaupt alles dafür getan hat, diese Region kulturell aufzuwerten, nicht allerdings mit den heute so beliebten schnellen Events, sondern mit den besten Kräften, die Deutschlands Kultur zu bieten hatte und insbesondere mit Langzeitprojekten der zeitgenössischen Kunst und Kultur, deren hochrangiges Niveau den Städten zu neuem Ansehen verhalf. Peter Zadek wurde beispielsweise 1972 an das Bochumer Schauspielhaus berufen, die Stadt Bochum wurde zur Universitätsstadt. In Recklinghausen wurden die Ruhrfestspiele gegründet, und Hilmar Hoffmann, der spätere Kulturdezernent von Frankfurt/Main, initiierte die Oberhausener Kurzfilmtage.

Wir fragen heute nach einer Landschaftskunst - und wir kommen damit zurück zur Kunst -, die nicht bloß schönen Schein produziert, sondern Erfahrungsstrukturen verändert und neue auguriert. Stichwort Struktur: Strukturen in einer Landschaft, Flüsse, Straßennetze, Passagen, Hecken, Zäune, Pfade, zeugen von der Bewegung, der Inanspruchnahme von Landschaft, die eine tiefere Art von Schönheit ist, wie sie die Bilder Vermeules (Abb. 5-8) zeigen. Tiefe, Dichte, Masse, Härte - solche bildhaften Momente sind Spiegelbilder, sie können aber in der Tat dazu beitragen, ein Verständnis für die Spezifika von geographischen Strukturen zu entwickeln.

Zwei Werkgruppen aus einem Projekt der Jahre 1994/1995 mit dem Titel Aufriß. Künstlerische Positionen zur Industrielandschaft in der Mitte Europas, bei dem 10 Künstler und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen sich mit der vom Braunkohlentagebau devastierten Landschaft im „Schwarzen Dreieck" Tschechien, Polen, Deutschland auseinandersetzten[7], verdeutlichen dies.

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Abb. 20:
Olaf Nicolai, Schneekugeln.
Sechs ReKonstruktionen
, 1997,
Kunststoff, 5,6 x 7,2 x 5,4 cm
Abb. 21:
Olaf Nicolai, Schneekugel
„Zehmen"
, 1997,
Kunststoff, 5,6 x 7,2 x 5,4 cm

Der Leipziger Künstler Olaf Nicolai vermutet hinter der heutigen Beurteilung von der Echtheit der Natur schon längst ein Stadium, das bereits hinter der Dekonstruktion des Naturbegriffs steht, so wie - so formuliert er es selbst - „Vergiftung vor der Entgiftung [steht]". Sie ist für uns heute so selbstverständlich, dass wir ohne sie nicht mehr von guter Natur sprechen können, meint der Künstler. Sich anlehnend an eine 1958 herausgegebene Publikation hat Olaf Nicolai mit der Arbeit Schneekugeln. Sechs ReKonstruktionen (Abb. 20, 21) devastierte Ortschaften mit einer historisierenden Liebe zum Detail auferstehen lassen. „Die 24. Gemeinde muß weichen. Heuersdorf in Sachsen wird für den Braunkohletagebau geopfert", hatte es in einem Artikel der Tageszeitung Die Welt vom 10.Mai 1995 geheißen. Die erste Schlacht sei zwar verloren, konterte daraufhin der Bürgermeister, doch die Heuersdorfer würden weiter kämpfen. Die Einwohner wollten nun erreichen, dass der Ort originalgetreu nur wenige Kilometer vom alten Standort entfernt neu aufgebaut werde.
Die Schneekugel, die der Künstler Nicolai für seine rekonstruierten Dörfer verwendet, hat sich im heutigen Bewußtsein einen alltäglichen Platz erobert. Das mag darauf zurückzuführen sein, dass der Schüttelbecher als Typus einer unter Glas gesetzten und somit unerreichbaren Szenerie, unabhängig von seinem Sujet, in einer Zeit großer sachlicher Zwänge unsere Emotionen anspricht: die Erinnerung, die Sehnsucht nach dem Vergangenen, die Unwiederbringlichkeit des Erlebten, die Schützenswürdigkeit eines Gedankens. Olaf Nicolai geht, indem er sich mit seiner ReKonstruktion völlig in diesen Trend der Idealisierung stellt, anscheinend mit der Inhaltlichkeit dieses Gutes und der Wertschätzung von Landschaft konform, unterlegt das gesamte Werk aber mit einem ironischen Unterton. Die Schneekugel zeichnet sich durch die ihr eigene Verglasung schon als Scheinobjekt aus. Dieser Vitrineneffekt deutet überdies darauf hin, dass sich die dargestellten Dörfer, respektive ihre ehemaligen Bewohner in der heute in einem Zwischenstadium von Industrieregion und noch völlig offener Zukunft befindlichen Situation als museal empfinden müssen.

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Abb. 22 - 25:
Josef Koudelka, aus der Serie: The Black Triangle, 1990-1997, Panoramafotografie

Seit den 1990er Jahren ist Josef Koudelka, ein tschechischer Fotograf, in eine Reihe von Projekten involviert, in denen er sich mit landschaftsverändernden Aspekten beschäftigt. Im Jahr 1989 wurde seine Arbeit über die infolge der Industrialisierung und der im Zuge des Channel Tunnels England - Frankreich entstandenen Veränderungen großflächiger Landschaftsräume mit ehemals dörflichem Charakter und nunmehr urbanen Verkehrnetzen und neuer Infrastrukturen in Nordfrankreich publiziert.
In dem Projekt des Schwarzen Dreiecks (Abb. 22-25) sind Bilder in noch laufenden Tagebauen und den Rekultivierungsgebieten entstanden, in den Lausitzer Tagebauen Nochten und Reichwalde, Cottbus Nord und Welzow-Süd, im Tagebau Zwenkau bei Espenhain im Südraum Leipzig, im polnischen Bogatynia I und II sowie bei der Kopaenia Wegla im tschechischen Brunat nego.
In der hügeligen Bergbaulandschaft ist der Fotograf tagelang allein zu Fuß unterwegs gewesen. Buchstäblich durchwanderte er diese Region mit seiner Kamera. Anders wäre die Vielzahl der Perspektiven auf die Landschaft und ihre Veränderungen nicht zu erzielen. Es sind Bilder von innen, die sich deutlich von den von außen aufgenommenen Fotodokumentationen unterscheiden.
Die formale Gestalt der Fotoarbeiten erhöht, erhaben über jede Themenstellung, die Aufmerksamkeit des Betrachters. Dieser ist den eigenwilligen Strukturen der devastierten Landschaft in direkter Weise ausgesetzt. Die Bilder zeigen die Blessuren der Landschaft, jedoch in ihrer kraftvollen Struktur, gänzlich unabhängig davon, ob sich das jeweilige Areal noch im Prozeß des Abbaus befindet oder ihn bereits überwunden hat. Denn worauf es ankommt, ist die Tatsache der Veränderung, die bei wiederholten „Kamerabesuchen" auch schon wieder fortgeschritten ist, und ihre überall gleichen Elemente.

Die Fotografien vom Ruhrgebiet 1989-99 (Abb. 12-19) zeigen einen Blick auf eine Region, die sich ekklatant von der zu unterscheiden scheint, die wir landauf, landab in Werbebroschüren vom Ruhrgebiet, auch von der IBA Emscherpark 1999 vermittelt bekommen. Es sind dies Sichtweisen von FotografInnen, die teils in dieser Region beheimatet sind. Jedenfalls bedient keine/r von ihnen sich der gängigen Klischees des Ruhrgebietes. Alle fühlen sich - mehr als die vielfarbig angestrahlten Hochöfen in Duisburg (Abb. 26) - durch die Schrottplätze in ihrer Nachbarschaft angezogen, von öden Plätzen, nichtssagenden Bürogebäuden, Krahn-Ungetümen, von oberirdischen Versorgungsleitungen und anderem industriellen Bauwerk, von Straßenbau, Brachland, Baustellen, von „Restnatur", tristen Wohnblocks, knalliger Werbung, von Menschen aus der Umgebung, Menschen in ihrem Freizeitverhalten und von Mitbewohnern der Siedlung, vielleicht der Verkaüferin vom Sparmarkt.

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Abb. 26:
Hochofen des Hüttenwerkes in Duisburg-Meidrich, Landschaftspark Duisburg-Nord
Abb. 27:
Zeche Zollverein XII, Essen
Abb. 28:
Wolfgang Christ, LIT Fischer, Tetraeder, Bottrop, 1999

Im Gegenzug dazu stehen die bunten Illuminierungen der Industriebauten des IBA Emscher Park Finales. Es manifestiert sich darin, wenn man so will, ein sehr romantisches Bild von den Zeugnissen der Arbeit unseres Jahrhunderts, und dieses Verständnis einer IBA der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts ist auch durchaus legitim und erfolgreich. Sensibel in eine neue kulturelle Nutzung überführte Industriebauwerke, wie die 1986 stillgelegte Zeche Zollverein XII (Abb. 27) in Essen, und moderne Landmarken, wie der als begehbare pyramidale Aussichtsplattform errichtete Tetraeder von Wolfgang Christ (Abb. 28) in Bottrop, sind dauerhafte und ernstzunehmende Zeugnisse dieses Umwandlungsprozesses.

Wenn eine nächste Internationale Bau-Ausstellung sich im darauffolgenden Jahrzehnt erneut der Thematik einer Neudefinition einer Region widmet, so sollten hier, meine ich, neue Horizonte entstehen, obwohl natürlich auch in der Lausitz durchaus bewahrenswerte Industriedenkmale zu finden sind, wie die 1955 erbauten Biotürme in Lauchhammer, eine noch funktionsfähige Anlage von 24 sogenannten Turmtropfkörpern (Abb. 29) und die Förderbrücke F 60, dem in der Geschichte der Braunkohlenförderung größten beweglichen Objekt dieser Art (Abb. 30).

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Abb. 29:
Biotürme,

bei Lauchhammer/Lausitz
Abb. 30:
Förderbrücke F 60
,
Gesamtlänge über 500 m, Höhe bis zu 74 m

Diese IBA Fürst-Pückler-Land steht nun am Beginn des 21. Jahrhunderts, eines Jahrhunderts mehr der Zeit, als des Ortes, eines Jahrhunderts der Beschleunigung des Wandels und des Transitorischen,[8] in dem es gerade darum geht, eine ästhetisch homogene Nivellierung zu verhindern.

In seiner Geschichte des Waldes hat Hansjörg Küster dargestellt, wie die falsche Rezeption eines Satzes über die Wildheit des Waldes in den Schriften von Tacitus zu Deutungen und Mißdeutungen führte und das eigenartige Verhältnis des Deutschen zum Wald seit dem 18. Jahrhundert prägte, das in noch übersteigerter Form zur Ideologie der Nationalsozialisten gehörte. Dieser Wald-Mythos in Deutschland veränderte und gestaltete letztlich die Landwirtschaft sowie auch die Landschaft Mitteleuropas nachhaltig. Ob in falsche oder richtige Richtung, ist hier nicht die Frage, sondern lediglich die Feststellung, dass kulturelle Prozesse über weite Teile Europas fehlgeleitet werden können.[9]
Bleiben wir beim Beispiel Wald: An die Pflege eines Waldes sind immer auch verschiedene Intentionen gebunden: Naturschützer haben ein Interesse an möglichst abwechslungsreich aufgebauten Beständen. Der Jäger liebt es, große Wildbestände aufzubauen, er benötigt weiträumige Schneisen, um das Wild beobachten zu können. Spaziergänger und Wanderer, so Küster, freuen sich über abwechslungsreiche Landschaftsbilder im Wald. Dies alles führt zu verschiedenartigen Ausprägungen des Waldes und hat ihn über Jahrhunderte bestimmt, ohne dass man von einer einzigen richtigen Art der Behandlung sprechen könnte. Die zentrale Aussage der Waldgeschichte sei es nicht, so Küster weiter, auf einen konkreten und stabilen Zustand der Natürlichkeit hinzuweisen, sondern darauf, dass die natürliche Entwicklung von Ökosystemen wie dem Wald - und eben auch der Landschaft - auf Wandel und Dynamik beruht. „Es ist also von Natur aus kein Zustand im Wald langfristig stabil; es herrscht ein ewiger, aber langsam verlaufender Wechsel der Waldbilder. ... Dynamik im Wald besteht allein schon, weil die Bäume wachsen und absterben, Sukzessionen stattfinden, die Wuchsgebiete von Baumarten größer werden und die Areale anderer Pflanzen begrenzt werden ... Veränderungen des Klimas und des menschlichen Einflusses verstärken die Dynamik der Entwicklung von Ökosystemen lediglich, sie lösen sie nicht allein aus."[10]

Dass die Böden in Brandenburg, vor allem in den Dünengebieten seitwärts der eiszeitlichen Urstromtäler trocken und mineralarm sind, wissen wir. Sie sind dafür verantwortlich, dass sich aus den Kieferngebieten keine Landschaften mit anderen Waldbildern verwandeln konnten. Aber auch technische Errungenschaften und historische Begebenheiten prägen ja die Landschaftsstrukturen, denken wir an Bahndämme, Müllhalden, Militärsperrgebiete und die Tagebaue.
In einer Zeit von zunehmender Arbeitslosigkeit, die nicht nur durch den Rückbau der Braunkohlenförderung ansteigt, sondern durch neue, menschliche Arbeitskraft sparende Technologien, dies alles in einer Region, die durch ihre Geschichte und ihre Bodenbeschaffenheit dünn besiedelt und strukturschwach ist, in der die Abwanderung rapide ansteigt - müssen wir für diese Region die Entwicklung der Kulturlandschaft nicht anders denken, als es die Macher des Ruhrgebietes taten? Nutzer dieser, unserer Landschaft sind nicht in der Anzahl vorhanden, wie sie sich im Ruhrgebiet finden. Müssen die Narben, die durch die Industrialisierung der Landschaft das Gesicht der Landschaft verändert haben, kosmetisch geklärt werden? Mit welchem Nutzen und für wen?

Küster unterscheidet zwei Arten von Naturschutz, einen konsequenten reinen Naturschutz und einen Kulturschutz. Beim reinen Naturschutz müssen alle natürlich ablaufenden Sukzessionen zugelassen und die dabei stattfindenden Floren- und Faunenverarmung hingenommen werden. Daneben existiert ein Verständnis von einem auch auf die Natur angewendeten Kulturschutz, der vornehmlich darauf angelegt ist, das Bestehende zu schützen.
Ein „Schutz der Kulturlandschaft" (Küster) kann aber mit der Kenntnis von stetigem Wandel und Dynamik in der Landschaft auch bedeuten, dass einerseits die Konstanz bestimmter Lebensräume gepflegt wird, andererseits aber ebenso das Entstehen neuer Lebensräume nicht unterbunden wird. Brachflächen aus einer Nutzung vorläufig auszugliedern hieße in diesem Sinne auch, neue Landschaftselemente anzulegen, die mit Sicherheit neue Fauna und Flora sich entwickeln ließen, letztlich die Diversität der Räume förderten.
Die Kulturlandschaft des 21. Jahrhunderts ist uns heute noch fremd. Sie wird aber mit Sicherheit eine andere sein, als die, die wir kennen. „... Die enorm flackernde, irrlichternde und vergängliche Pluralität verschwindet", schreibt Rolf-Peter Sieferle, „wenn man die heutige Information mit der Vorstellung einer ‘totalen Industrielandschaft’ beschreibt. Ich halte die Momente des Verschwindens und der Flüchtigkeit für wichtiger als die Ansicht, alles sei durch Industrie, Staat, Apparate durchgeformt und kontrolliert. Wir leben in einer Ära der Transformation. Hier finden sich nebeneinandergelagerte, disparate und flüchtige Welten. Auch die Versuche zur Kontrolle sind nur ein Element dieser Flüchtigkeit und Vergänglichkeit. Viele Beobachter sind noch viel zu sehr von Visionen des 20. Jahrhunderts geprägt, vom ‘großen Bruder’, von den übermächtigen Institutionen. Das ist heute alles anachronistisch geworden. Worauf wir uns einstellen müssen, das ist eben der vollständige Transformationscharakter unserer Gegenwart. Die stabilen Strukturen der Natur- und Agrikulturlandschaft gehören der Vergangenheit an, und es ist zweifelhaft, ob die Transformationslandschaft tatsächlich erste kristalline Formen aufweist. Sicher ist zunächst nur: Alles ist im Fluß, und der Wandel rapid."[11]

Das Ruhrgebiet ist heute stolz auf seine wertvollen künstlerischen Fotografien aus der Ruhrgebietslandschaft, die den immensen Wandel dieser Region im Rückblick wach halten.
Alfred Renger Patzsch (1897-1966) übersiedelte 1928 nach Essen. Seine Fotografie der Neuen Sachlichkeit im Ruhrgebiet stammt aus den Jahren 1927 bis 1935 (Abb. 31-33).

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Abb. 31:
Albert Renger- Patzsch,
Kohlenturm, Klöcknerturm Zeche Königsborn,
23,3 x 17,3 cm
Abb. 32:
Albert Renger-Patsch,
Kohlenmischanlage der Vereinigten Stahlwerke,
13,2 x 10,4 cm
Abb. 33:
Albert Renger-Patzsch,
Kreuzkopf und Nockenwelle einer 1000 P.S. Dampfmaschine der Continental Werke
17,2 x 23,3 cm/ 17,3 x 23,3 cm

Chargesheimer (1924-1972) publizierte in den späten fünfziger Jahren zwei Bücher über das Ruhrgebiet, Unter Krahnenbäumen. Bilder aus einer Stadt (Text: Heinrich Böll, Greven Köln 1958) und Im Ruhrgebiet (Text: Heinrich Böll, Kiepenhauer & Witsch, Köln/Bonn 1958). Und nach dem Zweiten Weltkrieg begannen Bernd und Hilla Becher, ansässig in Düsseldorf, ihre konzeptuelle Fotografie zu Industriebauten in Europa und in den USA ebenfalls im Ruhrgebiet (Abb. 34-36).

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Abb. 34:
Bernd und Hilla Becher,
Zeche Hannover, Bochum-Hordel, Ruhrgebiet
Abb. 35:
Bernd und Hilla Becher,
Zeche Helene, Essen-Altenessen, Ruhrgebiet
Abb. 36:
Bernd und Hilla Becher,
Zeche Pötingsiepen, Essen-Werden, Ruhrgebiet

Ein Projekt in der Lausitz, vielleicht unter dem Titel Abschied und Aufbruch. Heimat und Fremdheit in der Lausitz zu Beginn des 21. Jahrhunderts, zu dem zwanzig ausgesuchte Fotografen und Fotografinen aus dieser Region, aus Deutschland und der Welt eingeladen würden, den Umbruch vom 20. zum 21. Jahrhundert fotokünstlerisch mit ihrer genuin eigenen Ausdruckssprache zu begleiten, würde nachhaltig Zeugnis darüber ablegen, was in dieser Region und in dieser Landschaft mit der IBA beispielhaft passieren wird. Es könnte in das Programm der IBA aufgenommen werden, würde den Prozeß begleiten, könnte via Ausstellungen das Geleistete in der Welt verbreiten und wäre ein ideeller sowie künstlerischer und - betrachtet man die Wertsteigerung künstlerischer Fotografie über die Jahrzehnte hinweg - eines Tages auch ein großer materieller Gewinn für dieses Land Brandenburg, ganz zu schweigen von der Brücke zwischen Kunst und Landschaft, um die es uns an diesem Museum geht. Wir würden ein solches Projekt sehr gerne auf den Weg bringen.

 

Anmerkungen:

[1] Kunstszene Tagebau. Dokumentation eines ungewöhnlichen Kunsterreignisses. 1. Biennale der europäischen Länder für Land Art, Objektkunst und Multimedia in der Niederlausitz/Land Brandenburg, Tagebau Nord, Heidelberg 1992
[2] Bernhard Waldenfels, In den Netzen der Lebenswelt, Frankfurt/Main 1985, w.a. in: Landschaft, hrsg. von Manfred Smuda, Frankfurt/Main 1986, S. 29-42, hier S. 29
[3] Eduard Führ, Ruhrgebiet. Landschaft und Schönheit, in: „Schön ist es auch anderswo ...", Fotografien vom Ruhrgebiet 1989-99, Katalog Rheinisches Industriemuseum Oberhausen, Landschaftsverband Rheinland, Heidelberg 1999, S. 13-19, hier S. 15f
[4] A.a.O., S.35f
[5] Hansjörg Küster, Geschichte des Wald. Von der Urzeit bis zur Gegenwart, München 1998, S. 165
[6] Joachim Ritter, Subjektivität, Sechs Aufsätze, Frankfurt/Main1970
[7] Perdita von Kraft; Whispering a secret, in: Aufriß. Künstlerische Positionen zur Industrielandschaft in der Mitte Europas, Hrsg. Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und Siemens Kulturprogramm, Dresden 1997 (Ausst. Leipzig 1997/Cottbus 1998), S. 137-177
[8] Rainer Wirtz, Industrielandschaft und Empfindlichkeit, in: „Schön ist es auch anderswo ...", op. cit., S. S. 7-12, hier S. 10
[9] Küster, Geschichte des Wald, op. cit., S. 237-240
[10] Ebenda
[11] Die Wege der Transformation. Ein Gespräch zwischen Rolf Peter Sieferle und Olaf Nicolai, in: Aufriß, op. cit., S. 131-136

 

Abbildungsnachweis:

1, 2: Patrick Werkner, Land Art USA. Von den Ursprüngen zu den Großraumprojekten in der Wüste, München 1992
3, 4: Kunstszene Tagebau. Dokumentation eines ungewöhnlichen Kunstereignisses. 1. Biennale der europäischen Länder für Land Art, Objektkunst und Multimedia in der Niederlausitz/Land Brandenburg, Tagebau Nord, Heidelberg 1992
5-8: NASS UND TROCKEN. Emo Verkerk - Koen Vermeule, Katalog Brandenburgische Kunstsammlungen Cottbus, Cottbus 1999
9-11: Heimatkunde 1979 - 1989 - 1999. Plakate von Manfred Butzmann, Katalog Brandenburgische Kunstsammlungen Cottbus, Cottbus 1999
12-19: „Schön ist es auch anderswo ...". Fotografien vom Ruhrgebiet 1989-99, Katalog Landschaftsverband Rheinland, Rheinisches Industriemuseum Oberhausen, Oberhausen 1999
20-25: Aufriß. Künstlerische Positionen zur Industrielandschaft in der Mitte Europas, Hrsg. Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und Siemens Kulturprogramm, Katalog Dresden 1997
26: Werbeflyer IBA-Emscher Park
27: IBA ‘99 Finale. IBA Emscher Park - Kurzinfo, Essen 1999
28: Foto: Werner J. Hannappel, Essen
29, 30: Stationen der Industriekultur in Brandenburg - Kalender 2000, hrsg. vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg und Brandenburgische Museen für Technik, Arbeit und Verkehr e.V., Berlin 1999, Fotos: Ulrich Mertens, Atelier für Kunst und Fotografie, Fürstenberg
31-34: Albert Renger-Patzsch. Katalog Bahnhof Rolandseck, Rolandseck 1979
35-37: Bernd und Hilla Becher. Fotografien 1957 - 1975, Katalog Rheinisches Landesmuseum Bonn 1975

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