Zum Interpretieren von Architektur
Konkrete Interpretationen

13. Jg., Heft 1, Mai 2009

 

___Sokratis Georgiadis
Stuttgart
  Koren und Antefixe
Metamorphosen der menschlichen Figur in der griechischen Architektur und ihre Deutung

 

   

Nur eine Säule blieb noch stehn vom Vaterhaus –
So träumte mir – und blondes Haupthaar wallt’ hinab
Vom Knauf der Säule, die mit Menschenstimme sprach.
Ich, meinem Amt, dem menschenmordenden, getreu,
Besprengte sie, als wäre ihr der Tod bestimmt.
Und weinte laut. Dies Traumgebilde deut ich so:
Orestes starb, ich weihte selbst zum Opfer ihn;
Denn Säulen unsrer Häuser sind die Söhne ja,
Und sterben muss, wenn man geweihtes Wasser netzt.
(Euripides. Iphigenie bei den Taurern, 50-59).[1]



Im ersten Kapitel seines dritten Buches erläutert Vitruv die Frage nach den Proportionen der Tempel und entwickelt dabei eine Theorie deren architekturgeschichtliche Folgen bis zu unseren Tagen noch spürbar sind:

„… kein Tempel kann ohne Symmetrie und Proportion eine vernünftige Formgebung haben, wenn seine Glieder nicht in einem bestimmten Verhältnis zu einander stehen, wie die Glieder eines wohlgeformten Menschen.“

Die Maßverhältnisse des architektonischen Körpers, präzisiert Vitruv, sind von denjenigen des menschlichen Körpers entlehnt und hergeleitet und dies betrifft sowohl die einzelnen Glieder als auch die Erscheinung der beiden Körper als Ganzes (3.1.1-9).[2]

Im vierten Buch seines Traktats, das mit der „Entstehung der drei Säulenordnungen“ beginnt, konkretisiert der römische Architekt seine Überlegungen über die Menschenanalogie der Tempel und führt eine wichtige Differenzierung in sie ein. Er greift dabei ein einziges Architekturglied heraus, die Säule, und spricht nicht mehr über eine einfache, sondern über „zwei unterschiedliche Entlehnungen“, „eine (Entlehnung) vom männlichen Körper ohne Schmuck – nackte Schönheit –, die andere mit fraulicher Zierlichkeit, fraulichem Schmuck und fraulichem Ebenmaß“ – zwei Entlehnungen, die gleichsam zwei unterschiedliche Säulenarten zur Folge haben. Eine dritte Säulenkategorie kommt schließlich hinzu, die sich aus der „Nachahmung“ „jungfräulicher Zartheit“ ergibt (4.1.3-8). Die drei Säulenarten entsprechen den drei klassischen Säulenordnungen, die gemäß ihrer vermeintlichen Geschlechtsmerkmale die dorische als männlich, die ionische als weiblich und die korinthische als jungfräulich bezeichnet werden. Vitruv versäumt es nicht, sich über den korrekten Einsatz der drei Säulenordnungen in der Tempelarchitektur zu äußern: zu ihrer angemessenen Anwendung bedarf es nämlich eines festen Schlüssels. Das Wesen oder besser der Geschlechtscharakter der Gottheit, der der Tempel jeweils geweiht werden soll, ist das entscheidende Kriterium, nach welchem die Wahl der anzuwendenden Ordnung erfolgt. So entspricht dem mannhaften Wesen von Minerva, Mars und Herkules die dorische Ordnung; für Juno, Diana und Bacchus ist hingegen die ionische die angemessene Ordnung usw. (1.2.5).

Vitruv begnügt sich nicht mit der eben dargelegten Säulensystematik, sondern ist zudem bemüht, seine Theorie zu historisieren; er gerät dabei in beträchtliche Schwierigkeiten. Der Umstand etwa, dass schon der, nach seiner Schilderung, in Argos errichtete allererste (männlich) dorische Tempel gerade einer weiblichen Gottheit, Juno (Heratempel), geweiht war, lässt die Gültigkeit des Kanons der Geschlechtsanalogie schon in einem frühen Stadium recht fragwürdig erscheinen. Die Ordnung des von Vitruv ebenfalls erwähnten ersten ionischen Tempels, des Dianatempels in Ephesos, war wiederum zwar geschlechtlich korrekt, doch Vitruv hebt gerade hier, wenn auch zwischen den Zeilen, ein völlig anderes Kriterium bei der Anwendung der Ordnung heraus, das die Prämisse der Geschlechtsanalogie in den Schatten stellt. Nicht das Geschlecht der Gottheit spielt die ausschlaggebende Rolle bei der Wahl der Ordnung, sondern die Region und die Stammeszugehörigkeit der den Tempel bauenden Gemeinschaft. Demzufolge bauten die Dorier des griechischen Festlandes und der Peloponnes in der Regel dorisch, die an der kleinasiatischen Küste lebenden Ionier hingegen ionisch (4.1.3-7).

Sowohl hinsichtlich der Übereinstimmung der proportionalen Ordnungen des menschlichen und des architektonischen Körpers als auch bei der Geschlechterzuordnung der drei Säulenarten vermittelt sich bei Vitruv die Analogie zwischen Mensch und Architektur über recht abstrakte Körpermerkmale. Im ersten Fall geht die Beziehung der beiden Körper über die Feststellung von entlehnten Maßverhältnissen nicht hinaus, die Architektur ist eher anthropometrisch als anthropomorph. Im zweiten Fall beschränken sich die Geschlechtsattribute der Säulenordnungen auf ihre relative Höhe bzw. auf das jeweilige Verhältnis zwischen Säulendicke und -höhe, d. h. wieder einmal auf mathematische Analogien; ferner auf die Art und den Reichtum des jeweiligen ornamentalen Schmucks, die den Geschlechtscharakter nun auf einer allegorischen Ebene kennzeichnen und erkenntlich machen. Eine unmittelbare, im wörtlichen Sinn mimetisch gefasste Menschenähnlichkeit der Architektur oder einzelner architektonischer Glieder zieht Vitruv in den erwähnten Abschnitten „über die Symmetrien der Tempel“ und „über die Entstehung der drei Säulenordnungen“ nicht in Betracht.

Dies ist umso erstaunlicher, als Vitruv von solchen Möglichkeiten der griechischen Architektur wusste. Er wusste etwa über „mit langen Obergewändern bekleidete Marmorstatuen, die Karyatiden heißen“ und die an Stelle von Säulen an einem Bau aufgestellt werden konnten. Er wusste ebenso über die auch von Pausanias (3, 11) erwähnte „persische Halle“, die die Spartaner in ihrer Stadt nach dem Sieg über die Perser in der Schlacht von Plataiai errichtet hatten, deren Gebälk von Perserstatuen statt von Säulen getragen wurde. Seine diesbezüglichen Ausführungen sind Teil des ersten Kapitels seines ersten Buches (1.1.5-6), in welchem er „Die Ausbildung des Baumeisters“ behandelt; sie dienen ihm als Beispiele historischen Wissens, über welches ein Architekt verfügen muss, wenn es darum geht, über den Schmuck, den er in seinen Gebäuden anwendet, Rechenschaft abzulegen. Obwohl Vitruv gerade an diesen Beispielen hätte demonstrieren können, dass anthropomorphe Stützfigur und Säule ihrer architektonischen Bedeutung nach identisch und daher beliebig austauschbar sind, lässt er sie gerade in den Abschnitten, in denen er die doppelte Menschenähnlichkeit (Maßverhältnisse / Geschlecht) der Säule thematisiert, völlig unberücksichtigt.

Wie akkurat sind aber Vitruvs Ausführungen in historischer Hinsicht? Viel zu römisch mutet zunächst der im Zusammenhang mit der Perserhalle von ihm beschriebene Triumphzug der Spartaner nach der Vernichtung des Perserheeres an, um im Sparta des fünften Jahrhunderts tatsächlich stattgefunden haben zu können. Es handelt sich offensichtlich um einen Anachronismus. Aber selbst die Beschreibung der Halle weicht von derjenigen des Augenzeugen Pausanias ab, der – wie aus seinem Text unmissverständlich hervorgeht – in diesem Bauwerk Statuen auf Säulen und nicht statt Säulen gesehen hatte.[3] Nicht weniger unbefriedigend ist Vitruvs historische Erzählung im Fall der Karyatiden, doch hier sind die Dinge weitaus komplizierter. Die Karyatiden stellten, laut Vitruv, die Frauen von Karya dar, einer peloponnesischen Stadt, die während des Perserfeldzugs mit dem Feind paktierte, an der griechischen Sache Verrat beging. Nach ihrem Sieg über die Perser nahmen die Griechen die abtrünnige Stadt ein, töteten die Männer und führten die Frauen in die Knechtschaft ab. Die Stützfiguren mit dem Namen Karyatiden galten seitdem als Symbol der Buße für ein kollektiv begangenes Verbrechen. Die Erzählung des Römers ist nicht unproblematisch, denn die tatsächliche Zerstörung von Karyai, hatte nicht nur viel später (370/69 v. Chr.) stattgefunden, als Vitruv vermutet, sondern auch in einem ganz anderen historischen Kontext – während eines internen griechischen Konflikts.[4] Eine in diesem Zusammenhang erfolgte Versklavung der Frauen der Stadt ist zudem nirgends belegt. Vitruv nennt seine historischen Quellen nicht, doch scheint es, dass die historischen Nachrichten, auf die er seine Erzählung bezieht, ihn in recht verzerrter Form erreicht hatten.

Das eigentliche Problem der Darlegungen Vitruvs liegt jedoch nicht auf der Ebene der historischen Fakten, sondern eher in den Schlussfolgerungen, die er daraus für die Architektur zieht. Denn er scheint in der Tat geglaubt zu haben, dass menschliche Stützfiguren – und dies bestätigt sich in seinem Bericht sowohl am Beispiel der Perserstauen als auch an dem der Karyatiden – einen primär lebensweltlichen Bezug hatten und daher auch in ihrer architektonischen Anwendung wohl nur profanen Aufgaben vorbehalten waren. Dies erklärt zwar, weswegen Vitruv die Karyatiden in seinen Überlegungen über die Säulen der Tempel – also über stützende Glieder schlechthin religiöser Gebäude – unerwähnt ließ,[5] macht aber zugleich deutlich, dass dem römischen Theoretiker grundlegende Sachverhalte gerade der religiösen Architektur der Griechen verborgen geblieben waren.


Karyatiden – die Mädchen von Karyai

Wer aber waren die Karyatiden? Der Ort, dem sie ihren Namen verdankten, Karyai, taucht in Pausanias’ Reisebericht auf; dessen Lage wird von ihm mit großer Präzision angegeben. Karyai befanden sich in der nordlakonischen Berglandschaft, unweit der Grenze zu Arkadien:

„Eine dritte Abzweigung vom geraden Weg nach rechts führt nach Karyai und zu dem Heiligtum der Artemis. Denn der Ort Karyai gehört Artemis und den Nymphen, und es steht dort im Freien eine Statue der karyatischen Artemis. Hier stellen die spartanischen Mädchen jährlich Chöre, und der Tanz ist ein einheimischer.“  (3, 10, 7.)[6]

Über den mythologisch/religiösen Hintergrund und damit auch den Charakter und die Bedeutung des Artemis-Heiligtums klärt ein Kommentar des römischen Gelehrten Servius zur 8. Idylle (Vers 30) Vergils auf: Dionysos, der sich als Gast des Königs Dion in Sparta aufhielt, vereinigte sich mit dessen Tochter, der Artemis-Priesterin Karya. Alle Warnungen des Dionysos missachtend, getrieben nur von Eifersucht, mischten sich ihre beiden Schwestern in die Liebesbeziehung ein, um ihr Fortbestehen zu verhindern. Der verärgerte Gott ließ sie in Raserei fallen, dann verwandelte er sie in Felsen. Seine geliebte Karya hingegen machte er zu einem Nussbaum. Die Geschichte wurde von Artemis an die Spartaner weiter getragen, die daraufhin ihr zu Ehren den Tempel der Artemis Karyatis errichteten.[7]

Dem Aition des von Pausanias erwähnten (aber nicht ausführlich beschriebenen) am Heiligtum vorgeführten Ritualtanzes der Jungfrauen, fügt indes der lateinische Rhetoriker Laktanz[8] ein zusätzliches Element an: Jungfrauen, die zum karyatischen Heiligtum tanzten, spürten ein (nicht weiter definiertes) herannahendes Unheil, flüchteten in einen Nussbaum und erhängten sich an einem seiner Äste. In jüngerer Zeit deutet K. A. Rhomaios, der die beiden Varianten der Sage zu verbinden sucht, die von den Jungfrauen empfundene Gefährdung, als Furcht vor der Wut des Dionysos, den kollektiven Tod durch Erhängen als Erlösung. M. P. Nilsson hingegen ignoriert den Akt des Erhängens und spricht von einer Verwandlung der Nymphen in Nüsse.[9] Nach Richard Seafords Deutung schließlich ruft die Verhinderung der erotischen Vereinigung den Tod hervor. Beim vermuteten Aition des Kulttanzes findet, nach seiner Ansicht, eine Verdoppelung des Karya-Mythos statt. Die Gefahr des Unheils wird dabei als Vergewaltigungsdrohung interpretiert. Schließlich entspricht der Kult zu Ehren der jungfräulichen Göttin an einer Grenzregion gängigen Ritualen des Übergangs von der Adoleszenz zum Erwachsenenalter, bei denen die Idee des Todes stets präsent ist.[10]

Trotz der Unklarheiten, die die Quellen und ihre Interpretationen hinterlassen, kann mit Blick auf die vitruvsche Erzählung über die Karyatiden mit Sicherheit festgehalten werden, dass sowohl die Artemis Karyatis wie auch die tanzenden lakonischen Jungfrauen, die Karyatiden, mit versklavten lasttragenden Bürgerinnen einer Verräterstadt nicht im entferntesten in Beziehung stehen. Zu fragen bleibt dennoch, ob der Karyatiden-Mythos überhaupt architektonische Folgen gehabt hatte.

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Abbildung 1:
Säule mit den Tänzerinnen (4. Jh.), Delphi Museum

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Abbildung 2:
Erechtheion von SW

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Abbildung 3:
Erechtheion, Korenhalle von SO

 
  Vitruv ist die erste erhaltene literarische Quelle, in der die Karyatiden mit einem Werk der Kunst in Verbindung gebracht wurden. Aus dem späteren Schrifttum[11] geht allerdings hervor, dass mit eben diesem Begriff ein gewisser Korentypus (nackte Füße, kurzer Chiton, erhobener Arm und korbähnliche hierartische Kopfbedeckung) mit einer langen Tradition in der Skulptur und in der toreutischen Kunst bezeichnet wurde. Die „Säule mit den Tänzerinnen“ von Delphi aus dem 4. Jh. (Abbildung 1), die in der entsprechenden Literatur je nachdem als Karyatiden, Thyiaden oder einfach Koren angesprochen werden, ist wohl eines der berühmtesten Beispiele der Gattung. Ob nun der mythologische Kontext, aus dem die Karyatiden entspungen waren, architektonische Auswirkungen hatte, bleibt zunächst fragwürdig. Heinrich Drerup behauptet etwa, dass es in Griechenland nur eine einzige Gattung weiblicher Stützfiguren gab, die der „ruhig stehende(n) Frauenstatuen“; er bringt sie mit der Korenhalle des Erechtheion auf der Athener Akropolis in Verbindung, ferner  mit den Stürtzfiguren der Delphischen Schatzhäuser der Knidier und Siphnier. Hatte aber Vitruv diese Beispiele im Sinn, als er über die Karyatiden schrieb, oder waren westgriechische Karyatiden des späten Hellenismus – etwa weibliche Pendants der Atlanten des frühklassischen Olympeion von Agrigent – Anlaß seiner Ausführungen, wie Drerup vermutet?[12]


Die Korenhalle des Erechtheion


Für das Athener Beispiel als Bezugspunkt Vitruvs spricht dessen Entstehungsdatum. Der Baubeginn des Erechtheion wird gemeinhin ins Jahr 421 gelegt, acht Jahre nach Perikles’ Tod, unmittelbar nach dem Nikias-Frieden, der dem Peloponnesischen Krieg ein vorläufiges Ende setzte. Vollendet wurde das Bauwerk gegen 405/6. Das Erechtheion mit seiner Korenhalle war mithin das früheste nach den Perserkriegen entstandene und erhaltene Bauwerk, bei welchem der Typus der weiblichen Stützfigur auftauchte (Abbildung 2). Jedoch bereits das auffällig leichte Gebälk der Korenhalle (statt eines Frieses erscheint über dem recht niedrigen Architrav ein ionischer Zahnschnitt) zeigt deutlich an, dass ihr Architekt sich bemüht hatte, die auf den Häuptern der Koren ruhenden Teile des Bauwerks alles andere als schwer wirken zu lassen. So scheinen die Koren das Dach der Halle mit charakterisitscher Bequemlichkeit tragen zu können. Vielmehr nehmen sie „durch keinerlei Gestus auf die von ihnen getragene Last Bezug“.[13] Von einer drückenden Last, die etwa der Schuld, die die Karyaten auf sich geladen hatten, entsprechen würde, kann hier also gar keine Rede sein. Genausowenig vermitteln die Koren den Eindruck von Personen, die unter Knechtschaft stehen. „Fürwahr“, schreibt Panajotis Michelis,

„wird kein Beobachter je auf den Gedanken kommen, die Karyatiden des Erechtheion trügen das Gebälk als Zeichen der Unterjochung. Ihre Haltung und die von ihnen suggerierten Bewegungen drücken Freiheit aus, doch eine der Durchführung der Aufgabe entsprechende, disziplinierte Freiheit. Das Gebälk ist absichtlich leicht gestaltet und besitzt keinen Fries; nur ein Zahnschnitt schaltet sich zwischen Epistyl und Geison ein. Auf ihren Häuptern tragen die Koren ein einem Echinus ähnlich geformtes Behältnis, als wären auch sie Kanephoren des Festzuges der Panathenaien und das Epistyl scheint über ihnen zu schweben, um ihre rhythmische Anordnung zur Einheit zu verbinden. Die Stellung ihrer Beine ist derart, dass das Standbein jeweils gerade steht, während das andere leicht angehoben ist, als ob die Koren eben losziehen wollten oder als ob sie gerade anhielten. Auf der Symmetrieachse der Halle wechselt das Spielbein der Koren so, dass sich das Standbein jeweils an der Ecke befindet. Mit dem Spielbein entsteht wohl der Eindruck der Bewegung, doch auch eine scheinbare Neigung des Körpers nach hinten verweist auf Ruhe. Die Koren muten letztlich wie Priesterinnen an, die ihre heilige Pflicht nach freiem Willen erfüllen“.[14] (Abbildung 3)

Das ausschlaggebende Argument, das gegen eine Verknüpfung der Athener Korenhalle mit Vitruvs Karyatiden-Erklärung spricht, ist jedoch die Tatsache, dass die Athener Stützfiguren integraler Teil eines Bauwerks waren, des Erechtheion, welches kultischen, nicht profanen Zwecken gedient hatte. Die Art und der Charakter dieser Zwecke waren dabei sicher nicht primär auf die jüngste Geschichte Athens bzw. Griechenlands, d.h. auf den über die Perser errungenen Sieg und auf damit zusammenhängende Ereignisse bezogen, sondern vielmehr auf die Anfänge der Stadt, auf Gründungsmythen der Polis und auf ihre heroische Vergangenheit. Nach heutigem Verständnis wurde das Gebäude als eine Art Ersatz des, wie Xenophon berichtet,[15] während der Perserkriege zerstörten Tempels der Athena Polias oder παλαιός της Αθηνάς oder αρχαίος νεώς errichtet. Die dort aufbewahrte hölzerne Kultstatue (άγιον βρέτας) der Athena sollte im Erechtheion ein neues Obdach finden. Diesem Zweck diente der Ostteil des neuen Gebäudes, welches aber auch andere, mit dem älteren Tempel verknüpfte Kulte einbeziehen sollte. Der in Pausanias’ Reisebericht  zuerst belegte Name Erechtheion[16] verwies auf Erechtheus, einen der Urkönige Athens, der in der mythologischen Überlieferung gelegentlich mit Erichthonios, dem Sohn des Hephaistos und der Gaia, verschmolz. Eine weitere Kraft, mit welcher Erechtheus identifiziert wurde, war sein eigener Mörder, Poseidon, eine selbst der Erde eng verbundene Gottheit. Altäre für all diese Gestalten sowie für den Heros Boutos aus dem aristokratischen athenischen Geschlecht der Eteoboutadai waren, laut pausanischem Bericht, im Westteil des Erechtheion untergebracht; dort hörte man auch das Wellengeräusch aus Poseidons Wasserquelle (Ερεχθηίς θάλασσα). Das Erechtheion als Gesamtanlage, in der, laut Pausanias, sich auch der Ölbaum Athenas und Poseidons Dreizackmal befanden, d. h. die Erkennungszeichen ihres Wettstreits um das attische Land, stand also vor allem für den gemeinsamen Kult dieser beiden Gottheiten, in dem Himmlisches und Chthonisches als Leben spendende Kräfte der Polis wirkten. Darin eingeflochten war die Verehrung der eher weltlichen Gründer und Heroen der Stadt.

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Abbildung 4:
Erechtheion, Grundriss

 
  In diesen für das Selbstverständnis der Polis-Gemeinschaft konstituierenden kultischen Zusammenhang eingebunden war der südliche Anbau des Erechtheion, die Korenhalle (die übrigens vom Pausaniasbericht ebenso wie die ionische Nordhalle, von der aus der Westteil des Erechtheion betreten werden konnte, schlichtweg übersehen wurde). Die Halle, die inschriftlich überlieferte (409/8) „Prostasis zum Kekropion“ (πρόστασις η προς τω Κεκροπίω) stand über dem gleichnamigen Bezirk, in welchem sich, dem Volksglauben gemäß, das Grab des Kekrops, des ersten Königs von Athen befand.[17] (Abbildung 4) Das Kekropion grenzte in klassischer Zeit gegen Osten an die Südwestecke des Erechtheion; an seiner nordwestlichen Seite befand sich das Pandroseion, das der Kekrops-Tochter Pandrosos gewidmete Heiligtum, in dem auch der Ölbaum von Athena stand; seine Südseite wurde schließlich durch eine Mauer begrenzt, die über dem Fundament des alten Tempels stand. Über dem Nord-Stylobat des alten Tempels und direkt gegenüber dem Nord-Pteron des Parthenon erhob sich auch die Südseite der Sockelwand, auf der die Koren standen. Die Korenhalle konnte von außen von einer kleinen Öffnung an ihrer nordöstlichen Ecke betreten werden. Wichtiger aber scheint ihre Verbindung mit dem Westteil des Erechtheion gewesen zu sein, die über eine Treppe im Inneren der Halle erfolgte. Die „Verbundenheit“ der Korenhalle mit dem Westteil des Erechtheion erhielt einen zusätzlichen architektonischen Akzent durch die Ähnlichkeit ihrer Disposition mit der 6-säuligen ionischen Halle an der Nordseite des Erechtheion,[18] aus der sich der Westteil des Erechtheion erschloss. So gesehen, erscheint die Korenhalle als eine Art architektonisches und vermutlich auch symbolisches Gelenk, zwischen dem Alten Tempel, dem Grab des Kekrops und dem Kernbau des Erechtheion.

Verschiedentlich ist auf den konservativen Zug der Gesamtplanung des Erechtheion hingewiesen worden.[19] „Manchen“, bemerkt J. M. Hurwit dazu,

„schien das Erechtheion gewissermaßen als eine exzentrische, ja sogar kritische Antwort auf das perikleische Gebäude (den Parthenon), als Bekräftigung der Vorrangstellung der ältesten Kultorte Athens, die während der Herrschaftszeit Perikles’ vernachlässigt worden waren. Von diesem Blickpunkt her stellte dieses Gebäude des späten fünften Jahrhunderts ein Wiederaufleben des Fundamentalismus oder der Irrationalität des religiösen Glaubens dar, die der Beförderung der Idee einer imperialen Athena mittels des symmetrischen, umsäulten Parthenons und dem perikleischen Rationalismus gegenüber standen“.[20]

Hurwit selbst stellt sich einer so gedachten Antithese zwischen Parthenon und Erechtheion kritisch gegenüber. Doch unabhängig von dieser Problematik, kann man festhalten, dass nach Beendigung des zehnjährigen Archidamischen Krieges durch den kurz vor Baubeginn des Erechtheion abgeschlossenen, jedoch brüchigen Nikias Frieden dieser Komplex sehr wohl als architektonische Verdichtung  eines kollektiven Vergewisserungsaktes gedient haben könnte, der von dem Rückbezug und der Wiedererweckung fast des gesamten Konglomerats der Ursprungslegenden, der heroischen Traditionen, und der altehrwürdigen Kulte der Polis gekennzeichnet war und daher nirgendwo sonst als in diesem kultischen Kernbereich der Stadt Athen in Szene gesetzt werden konnte. Ausdruck des konservativen Zuges des Erechtheion mochten auch die vielfach festgestellten archaisierenden Elemente bei der Gestaltung der sechs Frauenfiguren der Korenhalle gewesen sein. So erinnerten die eng gebundene Körperhaltung, die dicht am Körper herabhängenden (nunmehr abgeschlagenen) Arme und die Frisur (vor allem die vom Hinterkopf nach vorne geführten spiralförmig gedrehten Zöpfe) der Frauen unmissverständlich an die Korenplastik des 6. Jahrhunderts.[21]

Über die Bedeutung der Koren (und damit auch der Korenhalle) herrscht in der Forschung Uneinigkeit. Angesprochen werden sie je nachdem als die Töchter des Athener Urkönigs Kekrops, die den Baldachin über dem Grab ihres Vaters tragen, als Töchter des Erechtheus, d.h. als Dienerinnen der Athena-Polias, deren heroischer Tod die Stadt gerettet hat, ferner als Opferkörbe tragende Kanephoren oder als Arrhephoren, junge, im Dienste Athenas stehende Athenerinnen.[22] Als Ausweg aus dieser Aporie schlägt Evamaria Schmidt (im Anschluss an K. Schefold) eine semantische Entschärfung der Korendeutung:

„Liegt es nicht näher, (…) der Vielschichtigkeit und Vielgesichtigkeit des Bauwerks entsprechend auch die Korendeutung möglichst weit zu fassen? Schon allein die Verschmelzung ‚realistischer’ Details und ‚abstrakter’ Formen, dürfte einen solchen Vorschlag rechtfertigen. Trifft diese Interpretation zu, so können sich im Bild durchaus verschiedene sakrale Aspekte vereinen, die sich mit Dienerinnen der Gottheit, Kekropiden, Arrhephoren oder lediglich Schmuck des Tempels umschreiben lassen, ob sie vom Betrachter in diese einzelnen konkreten Vorstellungen aufgelöst werden oder nicht“.[23]

Die Mehrfachkodierung der Koren weicht zwar dem Problem ihrer eindeutigen ikonographischen Bestimmung auf elegante Weise aus, macht aber die Beantwortung der Frage nach der Bedeutung der Korenhalle als Gebäudeteil des Erechtheion umso dringlicher.

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Abbildung 5:
Erechtheion, Korenhalle von NO

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Abbildung 6:
Erechtheion von S0

 
  Im tektonischen Zusammenhang der Halle an der Südseite des Erechtheion, lassen sich die Koren in recht unmissverständlicher Weise als Säulenersatz oder besser Säulenäquivalente deuten. Mit Bezug auf die Gesamtkonzeption des Gebäudes liefert die Analogie der Korenprostase zur 6-säuligen ionischen Nordhalle ein zusätzliches Argument dafür. Attribute der Korenkörper machen die Annahme zur Sicherheit: solche Charakteristika sind einerseits ihre „säulenhafte Rundung“ (Lauter), vor allem aber die über dem Standbein vorne und unter den fließenden Stoffbahnen des Mantels hinten steil abfallenden Falten des von den Koren getragenen dorischen Peplos, die eine beinahe zwingende Assoziation zu Säulenkanneluren erwecken. (Abbildung 5) Werden in der Gesamterscheinung der Koren Stasis und Bewegung in meisterhafter Weise kombiniert, so entsteht in der Feinbehandlung der Körper und ihrer Kleidung eine subtile Spannung zwischen Naturalismus und Abstraktion,[24] bei der eine Metamorphose der stereometrischen Form der Säule in die organische gegenständliche Form des Frauenkörpers thematisiert wird – Meta-Morphose oder besser Ana-Morphose im Sinne der Rückverwandlung der Säule in das, wofür sie ursprünglich stand, was sie ursprünglich repräsentierte; so könnte man sagen, wenn man den Anthropomorphismus Vitruvs ins Spiel zurücknehmen würde, der einige Jahrhunderte nach Entstehung des Erechtheion bei der Deutung der drei klassischen Säulenordnungen die Körpersemantik der Säule bemühte. Der Rückgriff auf erste Ursachen und Gründe der Architektur bei der Gestaltung eines Gebäudes, das der Rückbesinnung der Polis auf ihre althergebrachten  Traditionen diente, erscheint hier folgerichtig und sinnvoll. Die anthropomorphen Stützfiguren des Erechtheion sind aber nicht nur hinsichtlich ihrer individuellen Präsenz Säulenäquivalente; sie stehen darüber hinaus in Formation oder in einer architektonischen Ordnung, die derjenigen der Säulen einer Peristase entspricht. Vielmehr könnte man die Halle als Peristasenfragment ansprechen oder besser um die Andeutung eines solchen.[25] Die Funktion des Erechtheion als neuer Aufbewahrungsort des „vom Himmel gefallenen“ (Pausanias) hölzernen Kultbildes Athenas und als neue Heimstätte anderer mit dem alten Tempel der Athena Polias im Zusammenhang stehender Kulte, die topographische Lage der Korenprostase über dem Nordfundament des alten Tempels lassen die Korenhalle als architektonisches Erinnerungszeichen der Peristase des αρχαίος νεώς erscheinen. (Abbildung 6) Dabei erfüllte die Ersetzung der Säulen durch Korenstatuen die Funktion, den Vektorpfeil der Zeit nach hinten zu drehen und damit die Erinnerung zu aktivieren.

Nun befinden sich die Koren der Peristase nicht nur in Formation, sondern auch in Bewegung. Vielfach wurde in diesem Zusammenhang ihre Ähnlichkeit zu den am Ostfries der Parthenoncella dargestellten Mädchen festgestellt.[26] Diese befinden sich auch in Bewegung, an der Spitze eines Prozessionszuges nämlich, der von der Westseite des Cellafrieses beginnend, und von seiner Nord- und seiner Südseite herkommend, an dessen Ostseite seine Steigerung und Ende findet. Dies legt den Schluss nahe, dass die sechs Koren des Erechtheion in ähnlicher Weise wie ihre Genossinnen des Parthenonfrieses als Teilnehmerinnen eines Prozessionszuges zu verstehen sind.[27]

Bei der genealogischen Herleitung der Erechtheion-Koren ist es üblich, auf die beiden Vorgängerbeispiele zurückzugreifen, bei denen plastische Figuren mit menschlicher Gestalt als Säulenäquivalente fungieren: den „Thron des Apollon“ über dem Hyakinthosgrab in Amyklai, einer Ortschaft 5 km südlich von Sparta, und die Koren der archaischen Schatzhäuser in Delphi.

So behauptet Kontoleon, dass das Hyakinthosgrab „den unmittelbarsten archaischen Vorläufer“ der Athener Korenhalle darstelle.[28] Die ähnliche Typologie, so suggerieren seine Ausführungen, geht auf die Ähnlichkeit der Aufgabe der beiden Bauwerke zurück. Kontoleon bringt in der Tat den Poseidon-Erechtheus-Mythos mit dem Apollon-Hyakinthos-Mythos in Verbindung; die Korenhalle des Erechtheion, die Kontoleon für das Dach über dem Grab des Erechtheus-Kekrops hält, mit dem Thron über dem Grab des von Apollon getöteten und anschließend mit ihm eins gewordenen Hyakinthos. Beide Bauwerke haben sepulkralen Charakter und stehen in Verbindung mit chthonischen Kulten. Als Indiz für die typologische Ähnlichkeit verweist Kontoleon auf Rekonstruktionsversuche des Amyklaiischen „Thrones“. „Die Rekonstruktion Fiechters“, schreibt er, „die ein zweiteiliges Gebäude zeigt, weist eine erstaunliche Ähnlichkeit des oberen Teils dieses ‚Thrones’ mit der Prostase der Koren auf.[29] Einer damit vergleichbaren Argumentationslinie (auch in Anlehnung an S. Wide) folgt auch Schmidt-Colinet, der beide Gebäude dem sakral-sepulkralen Bereich zuordnet. Er erweitert zudem die Traditionslinie um die Schatzhäuserkoren von Delphi:

„Möglicherweise ist es kein Zufall“, bemerkt Schmidt-Colinet, „wenn sich im heiligen Bezirk von Delphi, wo die frühesten Stützfiguren auf griechischem Boden auftreten, ebenfalls ein Heroengrab befand. Nicht weit vom Apolltempel entfernt verehrte man nach Pausanias das Grab des Neoptolemos, jenes Lokalheros, der durch Apoll den Tod gefunden hatte, aber zugleich mit diesem verbunden wurde.“[30]


Amyklai


Jahrhunderte lang existierte als einzige historische Spur des Amyklaiischen Bauwerks der einschlägige Bericht in Pausanias’ Reisebuch. Der antike Schriftsteller ist darin jedoch recht ausführlich. Der größte Teil des Berichts über den „Thron“ des Apollon Amyklaios besteht aus Beschreibungen der Reliefs und der Bildwerke, die das Gebäude schmückten. Demnach fanden sich Reliefdarstellungen im Äußeren (3, 18, 10-13) des Bauwerks, im Inneren des Bereichs unter dem „Thron“ (3, 18, 15-16) und schließlich an der Basis der Apollonstatue in der Mitte des „Thrones“, die als Altar ausgebildet war, innerhalb dessen Hyakinthos begraben war (3, 19, 3-5). Weitere, wohl plastische Werke befanden sich an den oberen Enden des „Thrones“. Gleich am Anfang des Berichts erzählt Pausanias von den menschengestaltigen Figuren, die den „Thron“ stützten:

„Vorn und ebenso hinten tragen ihn (den Thron) zwei Chariten und zwei Horen, links steht Echidna und Typhos, rechts Tritonen“ (3, 18, 9).[31]

Jenseits der Reliefbeschreibungen sind die Angaben über den „Thron“ spärlich. Im Wesentlichen beschränken sie sich auf einen einzigen und obendrein recht rätselhaften Satz:

„Der Thron ist da, wo der Gott sitzen müsste, nicht ganz durchgehend, sondern hat mehrere Sitze, und neben jedem Sitz bleibt ein Zwischenraum; die Mitte ist besonders weiträumig, und dort steht die Statue darin.“ (3, 19, 1).

Die dreißig Ellen (13.32 m) hohe Statue selbst war nach Pausanias nicht Werk des Thronarchitekten, sondern „alt und kunstlos“ (αρχαίον και ου συν τέχνη πεποιημένον). Im Wesentlichen handelte es sich bei ihr um eine bronzene Säule, der ein behelmter Kopf, mit Bogen und Lanze bewaffnete Hände und dazu Füße beigegeben wurden. Man erfährt auch den Namen des Architekten des Amyklaion: Bathykles aus dem kleinasiatischen Magnesia; wessen Schüler er war und unter welchem König er nach Sparta berufen wurde, weiß Pausanias allerdings nicht zu sagen.

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Abbildung 7a:
Quatremère de Quincy. Thrône et simulacre d’Apollon à Amyclée

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Abbildung 7b:
Fiechter. Amyklaiischer Thron: Versuch einer Wiederherstellung

 
  Für diejenigen, die angefangen mit Quatremère de Quincy[32] (Abbildung 7a) sich mit der Rekonstruktion des Amyklaiischen „Thrones“ befassten, stellte die Tatsache, dass zum Gebäude nur diese eine textliche Quelle existierte eine besondere Herauforderung dar. Ausnahmslos gingen die Bemühungen dahin, aufgrund der Angaben Pausanias’ ein Möbelstück – den Thron – mit den Dimensionen eines Gebäudes auszustatten. Selbst nach der ersten Ausgrabung im Jahre 1890 durch den griechischen Archäologen Tsundas, die allerdings wenig ergiebig war, bestand etwa Adolf Furtwängler auf eine Rekonstruktion, die das Amyklaiische Bauwerk in Form eines aufgeblasenen Sofas wiedergab.[33] Dieselbe Einstellung wiederholte sich auch nach den Ausgrabungen, die im Jahre 1904 begannen und die zur Entdeckung des Fundaments des „Thrones“ führten sowie weiterer architektonischer Werkstücke, die als Teile dieses Bauwerks identifiziert werden konnten. Dem Ausgrabungsbericht von 1918 fügte E. Fiechter einen Wiederherstellungsversuch bei,[34] der, wie schon angedeutet, von der Thronidee getragen war. (Abbildung 7b) Natürlich versuchte er dabei die materiellen Funde und den antiken textlichen Bericht in Einklang zu bringen – mit fragwürdigem Erfolg: „Aber die Funde“, gab er selbst zu,

„reichen nicht aus, uns ein Bild des von Pausanias so unklar gezeichneten Thronbaues zu entwerfen. Es fehlt der Grundriss ganz, es fehlt fast ganz an Stücken, die irgendeine besondere Vorstellung vom Aufbau geben könnten, es fehlen alle figürlichen Reste. Die Aufgabe erscheint daher hoffnungslos. Sie stellt Forderungen, die nicht erfüllt werden können“.[35]

Um dennoch einer Rekonstruktion näher zu kommen, machte sich Fiechter auf die Suche nach einem vorgängigen architektonischen Throntypus, mit der Absicht, ihn dann in Begriffen einer (zumindest gewissen) Kontinuität auf die Gestalt des Amyklaiischen „Thrones“ übertragen zu können. Erwartungsgemäß gelangte er ins Zweistromland und nach Persien und wurde dort fündig. Die kleinasiatische Herkunft des Architekten des Amyklaion, Bathykles, machte ihn in diesem Rahmen zum idealen Kandidaten zur Übernahme der Rolle des Transmissionsriemens zwischen Orient und Okzident. „Der Thronbau von Amyklae“, so konnte Fiechter schlussfolgern,

„setzt sich demnach zusammen aus verschiedenen Motiven: Das eine ist der Thronbau = Heroengrab, zu dem wahrscheinlich einige Stufen heraufgeführt haben, und auf dem oben das große Idol stand. Das andere aber ist die kleinasiatisch-jonische Umgestaltung des uralten Thronmotivs, die ausgebaute Grabkammer mit dem daraufgestellten Göttersitz ohne Idol. Diese Motive hat Bathykles zu einem seltsamen Gemisch vereinigt. Die merkwürdige Gestalt des Ganzen ist daher nicht verwunderlich“.[36]

Was aufgrund dieser Überlegungen als Rekonstruktion herauskam, war ein zweigeschossiges Gebäude. In dessen unterem Geschoss befand sich innerhalb einer rechteckigen Kammer das Grab des Hyakinthos. Teile ihrer Wände trugen einen skulptierten Fries. Der Kammer vorangestellt war eine dorische hexastyle Halle mit Triglyphen- und Metopenfries, der sich auf allen vier Seiten des unteren Geschosses fortsetzte. Auf dem Dach dieses Geschosses stand die Kolossalstatue des Apollon. Eingerahmt war sie vom zweiten Geschoss des Gebäudes, das die Form einer ionischen Korenhalle aufwies.[37] Die Koren repräsentierten wohl Pausanias’ Chariten und Horen, während an den vier Ecken des Unterbaus Echidna und Typhos, bzw. zwei Tritonen standen. In einer zweiten Rekonstruktionsvariante[38] führte eine quer zur Hauptfront des Gebäudes stehende einläufige Freitreppe zum oberen Geschoss. Es wäre müßig die Rekonstruktion im Spiegel des Pausanischen Berichts zu überprüfen. Festzuhalten sei nur, dass Fiechter bei der Repräsentation der Horen und Chariten sich des Korentypus des Erechtheion bediente; seinem Korengeschoss verlieh er – in Anlehnung an die Athener Korenhalle – eine baldachinartige Gestalt. In der Darstellung der Chariten und Horen als Koren folgte Fiechter der Tradition, die bei Quatremère de Quincy ansetzte und die Rekonstruktionsversuche des Amyklaion seitdem insgesamt kennzeichnete. Diese Tradition wurde auch von Ernst Buschor wieder aufgenommen und fortgesetzt, obwohl er in anderen Fragen der Rekonstruktion die bis dahin herrschenden Konventionen verließ. So äußerte Buschor in der Einleitung des zusammen mit Wilhelm von Mussow verfassten Ausgrabungsberichts des Jahres 1925[39] als erster die Vermutung, dass die Verwendung des Wortes „Thron“ im Pausanischen Bericht wahrscheinlich in metaphorischer Absicht erfolgte und dass die Statue Apollons eher als mitten in einem offenen Hof platziert vorgestellt werden sollte. Wie dem auch sei, die Darstellung der Horen und Chariten als Koren nach dem Vorbild der Stützfiguren des Erechtheion war auch bei Buschor ein Anachronismus. Der Pausanische Bericht legt übrigens eine solche Interpretation keineswegs nahe, denn er lässt keine Rückschlüsse auf die konkrete Gestalt der Chariten und Horen am Amyklaion zu.[40] Vor Ort wurden überdies keinerlei Reste der genannten Stützfiguren gefunden. Ihre Darstellung als Koren nach dem „Vorbild“ der Erechtheionmädchen entspricht also eher entwicklungsgeschichtlichem Wunschdenken als einer stichhaltigen Ableitung aus dem vorhandenen textlichen und materiellen Bestand.

Unter diesem Licht erscheint die etwa von Kontoleon und Schmidt Colinet behauptete oder suggerierte Genealogie des Erechtheion mit dem Amyklaion als einen gültigen Vorgängerbau als übertrieben. Zweifellos existiert eine strukturelle Ähnlichkeit der religiös-mythologischen Hintergründe der beiden Bauwerke, die „Verschmelzung des alten Erdgottkultes mit dem lichteren des olympischen Gottes“, wie Buschor anmerkte.[41] Aber daraus führt leider kein direkter Weg zum Einsatz anthropomorpher Figuren als architektonische Glieder.

Das Entstehungsdatum des Monuments kann nicht präzise bestimmt werden. Die vermutete Entstehungszeit (wohl gegen Ende des 6. Jahrhunderts) war jedenfalls eine „Zeit der Transformation“,[42] des raschen Wandels mithin, wohl auch der Befindlichkeiten und der Impulse, die den besonderen Charakter dieses merkwürdigen Monuments beeinflusst haben mochten. Zweifellos entsprach die Errichtung des „Thrones“ einem allgemeinen Monumentalisierungstrend der griechischen Architektur, der seit Beginn des Jahrhunderts währte und gegen dessen Ende seinen Höhepunkt erreichte. Während aber im restlichen Land, etwa in Korinth oder auf Aigina, sich die architektonischen Bemühungen auf die Aufstellung eines mehr oder weniger verbindlichen Regelwerks der dorischen Architektur gerichtet waren, zog man es hier, in Sparta, vor, Dorisches mit Ionischem am Amyklaion zu vermischen, ähnlich wie dies auf der Athener Akropolis der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts und zum Teil selbst in der Korenhalle des Erechtheion geschehen würde.[43] Die Herkunft Bathykles aus dem ionischen Megnesia ist ein zu schwacher Grund zur Erklärung dieser Eigentümlichkeit, denn die Rolle des Auftraggebers, Spartas, bei der Berufung des Architekten und natürlich auch bei der Konzeption des „Thrones“ wäre dabei unterbewertet gewesen. Andererseits sind für das Amyklaion nicht nur das Zusammenwirken des ionischen und des dorischen Formvokabulars, nicht nur die hybride typologische Form kennzeichnend, sondern überdies die Verbindungen heterogener Elemente auf kultisch/religiöser Ebene. Die Errichtung des Thrones war der architektonische Eingriff in ein Heiligtum, in dessen kultischem Mittelpunkt die Vereinigung eines Erdgottkultes mit demjenigen eines olympischen Gottes stand und damit die Verschränkung uralter achaischer und jüngerer, dorischer (religiöser) Traditionen, deren kombinierte Repräsentation auf politischem Felde nun wohl Sparta für sich in Anspruch nahm. Die jeweiligen Affinitäten zu den beiden formalen Systemen der griechischen Architektur, dem ionischen und dem dorischen, liegen auf der Hand; ihre gleichzeitige Verwendung am Amyklaion wird erst vor diesem Hintergrund plausibel. Die unter Bathykles’ Leitung erfolgte bauliche Maßnahme zielte sicherlich von Seiten Spartas auf die Aufwertung des Heiligtums ab; die kultische Einheit von Hyakinthos/Apollon und ihre politischen Konnotationen – Sparta als Symbol der Einheit gesamtgriechischer religiöser Traditionen –, sollten dadurch ein markantes und unverwechselbares Zeichen erhalten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in dieser Strategie aktuelle politische Erwägungen Spartas eine Rolle gespielt hatten. Sie dürften im Zusammenhang mit der um diese Zeit unter spartanischer Führung vollzogenen Konstituierung des Peloponnesischen Bundes gestanden haben, aber auch mit den Ambitionen auf eine quasi panhellenische Rolle, die Sparta in der Zeit um die Jahrhundertwende entwickelte, wie dies etwa durch dessen mehrfache Eingriffe in die Athener inneren Angelegenheiten belegt werden kann. Bei der politischen Instrumentalisierung der kultisch-religiösen Traditionen spielte die Architektur eine wesentliche Rolle und war ihrerseits von dieser ihr zugewiesener Rolle bis zum letzten Detail durchdrungen.

Pausanias hatte die Korenprostase des Erechtheion übersehen, dem Amyklaion hingegen widmete er eine ausführliche Beschreibung. Er verzichtete dabei auf eine typologische bzw. gattungsspezifische Bestimmung des Bauwerks – Buschor hatte Recht: die Bezeichnung als „Thron“, zumal bei einem stehenden Apollon kann nur eine behelfsmäßige Umschreibung gewesen sein. In Pausanias’ Augen musste also dieses Monument als architektonisches Kuriosum erschienen sein. Was ihn dabei am meisten beeindruckt hatte, waren weder die Chariten und Horen noch die Tritonen und der restliche plastische Schmuck des Bauwerks, sondern ausschließlich die Kolossalstatue des Apollon, einmal wegen ihrer schieren Größe, dann aber auch wegen ihrer Altertümlichkeit und Kunstlosigkeit. Für einen Betrachter des 2. nachchristlichen Jahrhunderts konnte nun das Wort „kunstlos“ im gegebenen Kontext nichts anderes bedeuten, als „nicht naturalistisch genug“ (was im Übrigen von antiken Münzendarstellungen des Apollon Amyklaios  sich vollumfänglich bestätigt). Im selben Atemzug mit dem Vorwurf der Kunstlosigkeit fiel seitens Pausanias’ auch die Beurteilung der Wirkung der Apollonstatue als altertümlich, ein Attribut, das dadurch selbst eine negative Konnotation erhielt. Gegen die Chariten und Horen hatte er hingegen in dieser Beziehung nichts anzusetzen. Sie erschienen ihm wohl in einem akzeptablen Maße „modern“ und kunstvoll. Es ist aber fraglich, ob er den Sachverhalt in dieser Frage, d. h. in der Beurteilung und Zuordnung des jeweils Zeitgemäßen und Antiquierten, richtig getroffen hatte, denn einerseits waren die anthropomorphen Stützfiguren Teil der baulichen Hülle des Grabes von Hyakinthos, der einstigen chthonischen Gottheit, die erst mit der Ankunft des Apollon sterblich wurde, um von ihm schließlich einverleibt zu werden, aber dennoch älter war als er, andererseits verwiesen die anthropomorphen Figuren (folgerichtig) in einem viel stärkeren Maße als die abstrahierende säulenförmige Apollonstatue auf die ursprüngliche Bedeutung der Säule als (abstrahiertes) Bild des menschlichen Körpers. Die Apollonstatue und die menschengestaltigen Stützfiguren waren homolog; sie repräsentierten in unterschiedlichen Medien (jeweils der Skulptur und der Architektur) zwei unterschiedliche zeitliche Momente der Oszillationsbewegung der Säule zwischen Figürlichkeit und Abstraktion. Berücksichtigt man ihren semantischen Kontext, so repräsentierten dabei die Horen und Chariten den früheren dieser beiden Momente. Und an diesem Punkt gebe es womöglich eine Berührung des Amyklaion mit der Athener Korenprostase.


Delphische Schatzhäuser

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Abbildung 8:
Schatzhaus der Siphnier, Delphi. Ansicht

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Abbildung 9:
Siphnier-Kore, Delphi-Museum

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Abbildung 10:
Ex-Knidier-Kore, Delphi-Museum

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Abbildung 11:
Schatzhaus der Athener, Delphi

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Abbildung 12:
Schatzhaus der Siphnier, Delphi. Erhaltener Gebäudesockel

 
  Kaum geringere Schwierigkeiten als beim Erechtheion und Amyklaion hat der Forschung die ikonographische Bestimmung der anthropomorphen Stützfiguren der Schatzhäuser von Delphi bereitet.[44] In einem unlängst publizierten Aufsatz zur „Politik des Schatzhauses der Siphnier“ machte Richard T. Neer den Interpreten dieses am aufwändigsten und prächtigsten geschmückten delphischen Thesauros[45] und insbesondere der beiden seinen Eingang schmückenden Frauenstatuen den Vorwurf, dass sie um „einer abstrakten und allgemeinen Bedeutung“ willen, das „konkrete und besondere Schauspiel (spectacle)“ übersehen. (Abbildung 8) Neer hat mit der Feststellung dieser beiden Forschermentalitäten, die sich übrigens nicht nur im vorliegenden Fall manifestieren, durchaus Recht. Er rechnet sich selbst der zweiten Kategorie zu und meint, dass die „Siphnischen Karyatiden“ eine Doppelbedeutung besitzen: einerseits seien sie Überbringerinnen von Weihgeschenken, andererseits wirkten sie als Last tragende Dienerinnen. Die erste Funktion leitet er dabei von der Annahme ab, dass die Mädchen in ihren angeblich ausgestreckten Händen Geschenke hielten. Da aber vom einzigen erhaltenen Fragment der beiden anthropomorphen Stützfiguren beide Arme abgeschlagen sind, dienen Neer bei seiner imaginären Rekonstruktion die über ein Jahrhundert nach den Siphnierinnen entstandenen Erechtheion-Koren (oder besser ihre römischen Kopien) als „Vorbild“. Die zweite Funktion übernimmt er von Vitruvs Karyatidenlegende und bezieht sie auf ein Bauwerk, das allem Anschein nach ein halbes Jahrhundert vor den Perserkriegen errichtet wurde. Alles in allem: zweifacher symmetrischer Anachronismus.[46] Andere, behutsamere Interpreten, ziehen es vor, die Frage nach der Ikonographie völlig offen zu lassen.[47] Nun sind die anthropomorphen Stützfiguren des Siphnier Schatzhauses kein Einzelfall in Delphi. (Abbildung 9) Schon im um ein paar Jahrzehnte früher entstandenen Thesauros der Knidier, der ebenso wie das siphnische Schatzhaus die Form eines Distylos in antis aufwies, standen, wie aus zwei fragmentarisch erhaltenen mit Chiton und Himation gekleideten Mädchentorsi hervorgeht, zwischen den beiden Mauervorsprüngen des Eingangs anstelle der Doppelsäule zwei plastische Mädchenfiguren. Ein einzelner Mädchenkopf, der ursprünglich dem Knidierschatzhaus zugewiesen wurde (Ex-Knidierin), erwies sich schließlich mit den beiden Torsi als nicht vereinbar, so dass es nicht unwahrscheinlich erscheint, dass auch ein drittes Schatzhaus Mädchenstatuen als Stützfiguren besaß.[48] Die mindestens dreifache Anwendung des Typus in Delphi kann vielleicht erklären, weshalb die zwei Sipnierinnen in das ikonographische Programm des sonstigen plastischen Schmucks des Schatzhauses nicht integrierbar sind. Der Einsatz des Typus weist nämlich auf einen anderen semantischen Zusammenhang hin. (Abildung 10)

Wie bereits angemerkt, deutet Schmidt-Colinet, der sicherlich der (nach Neer) ersten Forscherkategorie gehört, an, dass die Stützfiguren etwas mit dem unweit vom Apollontempel befindenden Grab des Neoptolemos zu tun haben könnten. Wer war aber Neoptolemos? Pausanias erzählt über die Ermordung des diesen Namen tragenden Sohnes von Achill am Apollonaltar in Delphi (4, 17, 4) und berichtet an anderer Stelle von einem umgrenzten Bezirk im delphischen Heiligtum, wo sich dessen Grab befand und an dem die Delpher jährlich opferten (10, 24, 4 und 6). Nicht klar ist jedoch, wann genau die Verehrung des Neoptolemos in Delphi begann. In viel größerer zeitlicher Nähe zur Entstehung der delphischen Schatzhäuser als Pausanias schrieb Pindar über Neoptolemos. Im VI. Paian besingt der boiotische Dichter den Groll des Apollon auf Achill und die Rache des Olympiers an dem Mörder des Trojanerkönigs Priamos. In der siebten Nemeischen Ode wandelt sich jedoch die Szenerie grundsätzlich: Neoptolemos will Apollon mit den in Troja erbeuteten Schätzen beschenken, wird aber in einem Streit (fast zufällig) erschlagen. Sein Tod erfüllt die Delpher mit Leid, die daraufhin zu seinen Ehren Festzüge und Opfer an seiner Ruhestätte im „altheiligen Hain“,[49] in der Nähe des Tempels veranstalten. Die erste Variante schließt jede Möglichkeit einer auf Neoptolemos bezogenen Heroenverehrung in Delphi aus; in der zweiten wird im Gegensatz dazu gerade von Kulthandlungen, die zu Ehren des Achillessohnes stattfanden, ausdrücklich berichtet. Die Abweichung ließe sich zwar dadurch erklären, dass Pindar in den genannten Fällen für jeweils andere Auditorien schrieb; doch lassen die Diskrepanzen auch die Vermutung zu, dass es sich beim Neoptolemos-Kult in Pindars Zeit um eine verhältnismäßig junge Veranstaltung handelte. Nicht nur die fehlende Gewissheit über die zeitliche Bestimmung des Neoptolemos-Kultes ist jedoch das Problem des Neoptolemos-Bezuges bei der ikonographischen Bestimmung der weiblichen Stützfiguren der delphischen Schatzhäuser. Hinzu kommt, dass Neoptolemos und dessen wie auch immer gestarteter und gearteter Kult im delphischen Universum eher als Randerscheinungen eingestuft werden können. Es kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass man die ikonographischen Koordinaten der delphischen Schatzhäuser – die immerhin den Stellenwert architektonischer Botschafter ihrer Stifterpoleis in diesem wichtigsten panhellenischen Heiligtum hatten – auf religiös/mythologische Außenseiterthemen ausgerichtet haben könnte. Andere thematische Bezüge, die eine unmittelbarere Verbindung mit den zentralen kultischen Abläufen am Heiligtum gewährleisten würden, kämen da eher in Frage. Dabei ist es wichtig, die Schatzhäuser als Einheit zu betrachten, zumindest diejenigen, die in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts entstanden sind.[50] Zweifellos herrschte unter den Stifterpoleis bei der Errichtung und Ausschmückung ihrer architektonischen Repräsentanten im delphischen Heiligtum Wettbewerb. Und der agonische Impuls beim Streben um die großartigste Erscheinung führte gewiss zu einer großen Vielfalt von Einzellösungen. Diese Vielfalt bewegte sich allerdings innerhalb gesetzter oder stillschweigend akzeptierter Grenzen, die der Versammlung der baulichen Einzelpersönlichkeiten den Charakter eines Ensembles verliehen.

Angefangen vom ersten um 550 entstandenen ionischen Schatzhaus von Knidos bis hin zum vermutlich gegen 507 errichteten dorischen Schatzhaus der Athener (Abbildung 11) folgten die Thesauroi, soweit ihre Form noch ermittelt werden kann, einem einzigen Bautypus, demjenigen des Distylos in antis; ihre Volumetrie wies zwar keine Einheitsgröße auf, aber sehr wohl eine einheitliche Größenordnung; die beiden Ordnungen – die ionische und die dorische – wurden bis zu einem gewissen Grad angeglichen, insofern als bei den ionischen Schatzhäusern statt des kanonischen Zahnschnitts ein Fries über dem Architrav erschien;[51] bei den meisten Häusern wurde das gleiche  Material, parischer Marmor, verwendet; obwohl sie nicht, wie etwa die Schatzhäuser zu Olympia parataktisch, nach einem geometrischen Prinzip, angeordnet waren, folgte ihr Arrangement sehr wohl einer Logik: es handelte sich dabei um eine Sukzession von baulichen Episoden, die sich nach topologischen Kriterien entlang der beiden Flanken der heiligen Straße entfaltete und zum Zentrum des Heiligtums führte.[52] (Abbildung 12) Dort stand der Tempel, der Apollon gehörte. Aber eben nicht nur ihm. Bewohnt wurde er auch von seinem Halbbruder Dionysos. Wie Pausanias über diesen Tempel erzählt, hielten Apollon, Artemis, Leto und die Musen das Giebeltympanon am einen Ende des Tempels besetzt, am anderen Ende, am Westgiebel, befand sich aber Dionysos mit den Thyiaden (10, 19, 4).[53] Die Thyiaden waren attische Frauen, so erklärt an anderer Stelle Pausanias, welche alle zwei Jahre zum Berg Parnass kamen, um zusammen mit den delphischen Frauen dem Dionysos ein Fest zu feiern (10, 4, 2). Thyia, erläutert der antike Schriftsteller anderswo, war die erste Priesterin Dionysos’. Alle Frauen, die im Kult in Wahn gerieten, nannte man Thyiaden, fügt er hinzu (10, 6, 2).[54] Im 4. Jahrhundert glaubte man, dass sich im Apollontempel neben dem Omphalos und dem mantischen Dreifuss das Grab Dionysos’ befand. Jedes Jahr verließ Apollon mit Anbruch des Winters für drei Monate das Heiligtum. Das Orakel schwieg und anstelle der Paiane ertönten dionysische Dithyramben.[55]

„Der wichtigste Ort der Begegnung und des Ausgleichs von Apollon und Dionysos ist Delphi“, bemerkt Walter Burkert und fügt bezüglich dieses „Ausgleichs“ erläuternd hinzu: „Religionsgeschichtlich pflegt man dieses Ineinander auf einen Akt der Delphischen Priesterschaft zurückzuführen, die in archaischer Zeit die dionysische Bewegung aufnahm, legalisierte und zugleich in Schranken hielt“.[56]

Diese Hypothese versetzt die Zusammenführung der beiden konträren Gottheiten des griechischen Pantheons in die Entstehungszeit der delphischen Thesauroi. Unter diesem Aspekt gewinnt die als Fragment erhaltene Darstellung auf dem zwischen Mädchenkopf und Glockenkapitell der noch vorhandenen Frauenskulptur im Siphnierschatzhaus geschalteten Kalathos eine besondere Bedeutung. Das korbförmige Stück trägt Figuren von Silenen und Mänaden, die unmittelbar mit dem Dionysoskult in Zusammenhang stehen. In Verbindung damit stehen Stierkampfszenen an der Vorderseite des Blattkranz-Kapitells. Nun befindet sich aber auch über dem Kopf der Ex-Knidierin ein ähnliches Verbindungsstück, auf dem jedoch diesmal Apollon, Hermes und ein Mädchenchor dargestellt sind. Die Attribute der anthropomorphen Stützfiguren entsprechen, mit anderen Worten,  zusammengenommen dem doppelten ikonographischen Programm des von Pausanias überlieferten Skulpturenschmucks der  Tympana der beiden Giebel des Apollontempels, was wiederum für eine kultische Kontinuität vom 6. bis zum 4. Jh. spricht.[57] Dabei überlappen sich der apollinische und der dionysische Bereich: beide können sich anthropomorph artikulieren. Auch ist keine der beiden Gottheiten imstande, Ausschließlichkeitsansprüche auf die eine oder andere Säulenordnung für sich zu erheben.[58] Die Mädchenfiguren können wiederum mühelos je nachdem als Thyiaden oder Musen angesprochen werden und diese Bedeutung überträgt sich natürlich auf den gesamten Chor der delphischen Schatzhäuser, unabhängig davon ob die jeweils zwei Stützen, auf denen ihre Architrave ruhen, in Mädchengestalt oder eben in der abstrakten Form der Säule erscheinen. Das Wechselspiel zwischen Figürlichkeit und Abstraktion erscheint hier viel ungebundener als in Amyklai, denn keine der beiden Gottheiten vermag die zeitliche Priorität am Heiligtum für sich beanspruchen zu können. Der Dionysoskult war zwar der eindeutig jüngere, doch stand die Gestalt Dionysos, des Gottes des Weins und der Fruchtbarkeit auch mit jenen delphischen chthonischen Urkräften in Verbindung, mit Gaia, ihren Töchtern Themis und der Titanis Phoibe[59] und schließlich mit der weiblichen Schlange,[60] die Apollon zu besiegen hatte, ehe er die Herrschaft über diesen heiligen Ort errang.


Apollon Thermios

Die delphischen Schatzhäuser sind die ältesten Belege für die Anwendung menschlicher Figuren in der Funktion stützender Glieder von Bauwerken. Hier wie auch im Athener Erechtheion und wahrscheinlich auch im lakonischen Amyklaion wurden Frauenstatuen als Säulenäquivalente, d. h. als integrale Bestandteile des tektonischen Organismus der Gebäude eingesetzt. Sie sind aber doch nicht die ältesten Beispiele der Verwendung der menschlichen Figur in der Architektur. Eine Archäologie eines breit gefassten Anthropomorphismus wird die allerersten Spuren der architektonischen Präsenz der menschlichen Figur in der Gestalt von Gesichtsantefixen an den Dachrändern früharchaischer Tempel des griechischen Raumes erkennen. Diejenigen des Apollontempels im aitolischen Thermos sind die frühesten. Zur selben Familie – weil derselben Kategorie von Dächern angehörig[61] – sind noch die Antefixe des „bunten Daches“ (nach Dyggve dem Gebäude B1, nach Dinsmoor dem Gebäude A1 zugehörig) am Artemis Laphria Heiligtum von Kalydon ebenfalls in Aitolien (600-590 v. Chr.), diejenigen des „blassgelben Daches“ im selben Heiligtum (550-540 v. Chr.) und die Antefixe eines nicht identifizierten Gebäudes in Taxiarchis, nahe Thermos (530 v. Chr.). Weitere Beispiele befinden sich auf der Insel Korfu und nämlich am Dach des frühen Hera Tempels in Mon Repos (610 v. Chr.) und am „Korinthischen Dach“ im Artemis-Heiligtum (580-570 v. Chr.).

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Abbildung 13:
Tempel des Apollon, Thermos

 
  Der Apollontempel von Thermos wurde im Jahre 1898 vom griechischen Archäologen Georgios Sotiriadis entdeckt. Auf einem 38.23 x 12.13 m großen, nach Norden orientierten Stylobat, der sich über einer einzigen im Boden versenkten Steinplattenschicht erhob, fanden sich Spuren von Säulenbasen, die darauf hindeuteten, dass der Tempel eine Peristase von 5 x 15 Säulen besaß. Die schmale (lichte Breite 4.70m) und auffällig lange Cella (32.09 m) wies einen Opisthodomos, aber keinen Pronaos auf. Eine entlang der Längsachse der Cella verlaufende, aus 12 Säulen bestehende Säulenreihe teilte sie, sowie den Opisthodom in zwei Schiffe. Von den Cellawänden war nur ein 0,78 m dicker Steinsockel in geringer und einheitlicher Höhe erhalten, was (trotz der vom Ausgräber geäußerten Zweifel) für eine Mischkonstruktion aus Rohziegeln und Holz sprach. Von einer Gebälk- oder Dachkonstruktion fand sich keine Spur, und dies deutete wohl darauf hin, dass selbst diese Teile ursprünglich aus Holz waren.[62] Diese Reste stammten aus dem 3. Jh. v. Chr. und gehörten einem Tempel an, der wohl nach den von Philipp V. von Mazedonien in seinen beiden Feldzügen in den Jahren 218 und 206 in Thermos verursachten Zerstörungen (Polyb. 5.9.; 11.7.2) errichtet wurde. (Abbildung 13) Der erste Ausgräber hatte die Vermutung geäußert, dass der Tempel des 3. Jh. genau auf den Fundamenten eines etwa aus der Mitte des 6. Jh. v. Chr. stammenden Tempels stand. Dieser erste Tempel ist später auf das späte 7. Jh. zurückdatiert worden.[63] Für dieses frühe Datum sprach nicht nur die Form der Tempelcella, sondern auch andere vor Ort gemachte beachtliche Funde. Zahlreiche bemalte Terrakottafragmente, die dicht neben dem östlichen, dem nördlichen und teilweise auch dem westlichen Stylobat gefunden wurden, konnten zu sechs großen Platten (Breite ca. 1 m, Höhe ca. 90 cm, Dicke ca. 6-7 cm.) recht vollständig zusammengesetzt werden. Die Darstellungen, die darauf zu sehen waren, konnten als bekannte Szenen aus der griechischen Mythologie gedeutet werden.[64] Stil und Technik brachten sie mit ziemlicher Sicherheit mit der spätprotokorinthischen Vasenmalerei in Verbindung. Damit stand das Entstehungsdatum des Tempels fest, vorausgesetzt, die Platten gehörten tatsächlich zum Tempel.

In der Fundstelle der großen Platten wurden weitere Terrakottastücke entdeckt. Bei fast allen handelte es sich um Teile der Dachkonstruktion und -dekoration des Tempels. Am eindrucksvollsten waren etwa dreißig Stirnziegel mit Darstellungen von Frauen-, Männer- und Silensköpfen. Nicht minder bemerkenswert waren jedoch auch Wasserspeier in Löwen- und Menschenkopfgestalt, Geison- und Giebelsimafragmente, Firstpalmetten, und ein Akroter in Gestalt einer Sphinx. Dieser reichhaltige Fundus stammte allerdings aus unterschiedlichen Zeiten und teilweise auch aus unterschiedlichen Gebäuden.

So erkannte Herbert Koch je nach Entstehungszeit, und darin folgte er gewiss bereits formulierten Vorstellungen von Sotiriadis, zwei Kategorien, eine „hochaltertümliche“, der er auch die großen Terracottaplatten zuordnete, und eine „reifarchaische“.[65] Sotiriadis Nachfolger, K. A. Rhomaios, glaubte, dieses auch aufgrund seines Erhaltungszustandes „schwer zähmbare“ Material je nach Ziegelart in fünf Gruppen unterteilen zu können, die er drei bzw. vier unterschiedlichen Gebäuden zuwies.[66] Die jüngere Forschung[67] geht zumindest hinsichtlich der Gesichtsantefixe von Zugehörigkeiten zu drei unterschiedlichen Dächern aus:
 
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Abbildung 14a:
Tempel des Apollon, Thermos.
Enddeckziegelantefix, Dach I

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Abbildung 14b:
Tempel des Apollon, Thermos. Giebelantefix, Dach I

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Abbildung 15:
Tempel des Apollon, Thermos. Rekonstruktion des Gebälks

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Abbildung 16:
Tempel des Apollon, Thermos
  1.      Am frühen Apollontempel (Dach I, 630-620 v. Chr.) kamen Gesichtsantefixe an zwei Stellen vor: Entlang der Dachkante auf drei Seiten des Daches (nur an der vorderen Schmalseite des Tempels wies das Dach einen Giebel auf, dessen Rückseite war als Walmdach ausgebildet) trugen die Enddeckziegelstirnen fünfeckige, ihrem Umriss entsprechende Platten, die mit Reliefs von Polos-tragenden Frauengesichtern des daidalischen Typus dekoriert waren. Es gab zwei Varianten hinsichtlich der Frisur: Köpfe mit Etagenfrisur oder solche mit Perllocken. (Abbildung 14a) Gesichtsantefixe gab es ferner am Giebel des Tempels über der 16 cm breiten dreigliedrigen Sima. Hier waren wahrscheinlich jene daidalische Köpfe angebracht, die zwar stilistisch mit den Deckziegelantefixen identisch waren, jedoch nicht wie jene auf fünfeckige Platten gepresst waren. (Abbildung 14b) Die Geisoneckziegel der Dachrückseite trugen an zwei Seiten als Wasserspeier ausgebildete Löwenköpfe (ein deutlicher Hinweis auf den Walm der Rückseite).  

2.      Halbrunde Deckziegel des Daches eines unbekannten Gebäudes (580-570 v. Chr.) waren mit Männekopfantefixen geschmückt. Bart und Haare waren schwarz bemalt. Derselben Kategorie gehören Fragmente an, bei denen zwischen Haar und Plattenrand eine erhobene Hand zu sehen war.  

3.      In den Jahren 540-530 v. Chr. erhielt der Apollontempel ein neues Dach (Dach II). Es ist nicht sicher, ob der Walm der Dachrückseite beibehalten wurde. Über dem Geisonziegel war das Dach jedenfalls mit drei Arten von Gesichtsantefixen dekoriert. Frauengesichter wechselten sich mit etwas größeren Männer- bzw. Silenenköpfen ab. Alle waren auf viereckigen Platten befestigt. Dadurch entstand als Hintergrund der Antefixe ein kontinuierliches Band von Platten.Trotz der Fülle des Fundbestandes hielt sich der erste Thermos-Ausgräber, Sotiriadis, vor einer Rekonstruktion des Tempels zunächst zurück. Erst im Jahre 1908 nahm sich Georg Kawerau (wohl in Zusammenarbeit mit seinem griechischen Kollegen) dieser Aufgabe an.[68] Die Zeichnung Kaweraus (Abbildung 15, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ad1908/0109 [13.05.2008]) beschränkte sich auf das Gebälk des Tempels, das Resultat war gleichwohl in jeder Hinsicht erstaunlich! Auf hölzernen kannelierten Säulen mit aus Echinus und Abakus bestehenden Kapitellen ruhte ein ebenfalls hölzerner Doppelbalken; eine Tainia aus Ton trennte Epistyl und Fries, der sich aus den gefundenen Tonplatten, die als Metopen gedeutet wurden, und aus hölzernen oder tönernen Triglyphen zusammensetzte. Die Triglyphen standen genau auf den Säulenachsen. Eine über dieser Zone lagernde Abdeckplatte aus Holz diente zur Befestigung der Tonplatten. Der Leerraum hinter den Terrakottaplatten war mit Ziegelmauerwerk ausgefüllt. Die Stirn des sich darüber befindenden auskragenden Tongeison war nach einem Flechtbandmuster bemalt. Auf dem Geison lagerten die Dachziegel. Ihre Terrakottaantefixe (sie entsprachen dem Antefixtypus von Dach II) waren als Frauen- (bei den Enddeckziegeln) bzw. Männerköpfe (bei den Endflachziegeln) ausgebildet.

Was Kawerau präsentierte, war eine (abgesehen von einigen Details) perfekte hölzerne Antizipation der steinernen dorischen Säulenordnung, gleichsam die ultimative Bestätigung für Vitruvs entwicklungsgeschichtliche Herleitung des dorischen Steintempels aus einem Vorgängerbau aus Holz (4.2.1-4). Das in der entlegenen aitolischen Berglandschaft versunkene Thermos schien das Zeug für ein architekturgeschichtliches Spektakel zu haben, und die Suggestion der Bilder hat dazu beigetragen, dass der Apollontempel für lange Zeit tatsächlich als architektonisches Großereignis gehandelt wurde. Selbst spätere Rekonstruktionen wie diejenige von Gruben/Ring[69] oder diejenige von Immo Beyer,[70] die im wesentlichen in einer Rückprojektion des voll ausgebildeten steinernen dorischen Gebälks auf die Holzbauweise bestand, und selbst die Kritik, die sie begleitete,[71] folgten in der Grundtendenz dem Paradigma von Sotiriadis/Kawerau. Kaum anfechtbar schien das Vorhandensein der Peristase, ebenso der dorische Stil des Tempels und besonders des Gebälks. So bezeichnete Dinsmoor den Apollontempel als einen „der ältesten Peripteraltempel in definitiv dorischem Stil“,[72] während die vermeintlichen Metopen A. W. Lawrence dazu veranlassten, von einem „normalen Fries dorischer Ordnung“ zu sprechen.[73] Überhaupt keine Rolle schien in alldem die Tatsache zu spielen, dass der in situ vorgefundene Bestand des ersten Apollontempels sich ausschließlich auf die Terrakottaplatten mit den mythologischen Darstellungen und die Dachterrakotten beschränkte. Doch selbst Sotiriadis, der als erster von einem hölzernen Peripteraltempel geträumt hatte, betonte in seinem Ausgrabungsbericht ausdrücklich, dass von einem Gebälk jede Spur vor Ort gefehlt hatte. Die Rekonstruktion von Kawerau war also lediglich eine gewagte Hypothese, die vom materiellen Bestand nicht unterstützt wurde. Auch der den Bericht von Sotiriadis aus dem Jahr 1900 begleitende Grundriss von Alex. Lykakis auf dem der Apollontempel als 5 x 15-säuliger Peripteraltempel erschien (und seitdem in zahlreichen Handbüchern zur antiken griechischen Architektur aufgenommen und stets als Grundriss des Tempels aus dem 7. Jahrhundert ausgewiesen wird),[74] bildete die Situation des Bauwerks im 3. Jahrhundert ab. Dass der Tempel des 7. Jahrhunderts eine Peristase hatte, war von Anfang an eine Vermutung, zu der es allerdings – außer entwicklungsgeschichtlichen Spekulationen – keinen stichhaltigen Grund zu geben schien. Aber damit nicht genug: die Terrakottaplatten erschienen auf Kaweraus Rekonstruktion als Metopen. Sie waren bereits von Sotiriadis als solche angesprochen worden. Als Beleg für diese Behauptung dienten Baudetails der Platten und die malerische Umrahmung der Darstellungen. Die Annahme, dass Thermos der Schauplatz sei, auf welchem die hölzerne Antizipation der Steinperistase auftrat, erfuhr damit eine Steigerung: Das aitolische Heiligtum wurde zudem die Stätte der Erstgeburt des dorischen Triglyphen- und Metopenfrieses. Die Platten wiesen in der Tat an ihrem oberen Rand zwei zahnartige Vorsprünge, die auf eine Befestigung an einem Rahmen hindeuteten, d. h. auch auf die Möglichkeit ihrer Zugehörigkeit zu einer größeren Struktur. Außerdem war das Bildfeld jeweils von einem breiten Streifen umrandet, was den Schluss nahe legte, dass die Platten durch Zwischenglieder getrennt sein mussten. Diese Details geben aber keinen dorischen Fries her, höchstens die Fortsetzung und Vervollkommnung der zuerst beim Poseidontempel von Isthmia aufgekommenen Praxis der Wandbemalung, die hier, in Thermos, eine dauerhaftere Ausdrucksform (Terrakottaplatten im Holzrahmen oder als Füllungen eines größeren, womöglich in die Wand eingesenkten Holzgerüsts – dafür spräche das fast einheitliche Format der Platten) gefunden hatte. (Abbildung 16)

Aus diesem daidalischen Exkurs in die Archäologie sollte zunächst ein Aspekt festgehalten werden, an dem kein Zweifel zu bestehen scheint und der als eines der beiden wichtigsten und gewiss weittragenden Ereignisse der thermotischen Bauleistung eingestuft werden kann: Der Dachrand des ersten Tempels von Thermos war mit Tonantefixen in regelmäßiger Aufstellung geschmückt, welche die Gestalt von Menschenkopfreliefs aufwiesen. Eine derartige Dekoration architektonischer Glieder war ein absolutes Novum.[75] Wenn auch als Fragment, als menschliches Gesicht, erschien die menschliche Figur am Dach des ersten Apollontempels zum allerersten Mal in plastischer Form in der Architektur. Zwar übernahm sie dabei keine tektonische Funktion, gehörte der Architektur aber systemisch an. Darin unterschied sich diese Art der Anwendung der menschlichen Figur von der später etwa im Rahmen des Skulpturenschmucks der Giebelfelder oder der Metopen üblich gewordenen, die sich den architektonischen Gliedern unterordnete. Anders als der spätere Giebel- und Metopenausstattung folgte die Aufstellung der Figuren am Thermos-Dach als Reihe (beinahe) identischer Teile der allgemeinen geometrischen (und baukonstruktiven) Ordnung des Bauwerks (in diesem Fall seines Daches).

Der Gesichtsantefix war jedoch ein Architekturelement von verhältnismäßig kurzer Dauer. Die Erstanwendung der Menschenfigur in Dach I war ein einschneidender innovativer Akt; dessen Wiederholung in Dach II. bereits unzeitgemäß. Koch nannte die Bildung des Traufrandes des Daches II singulär und bezeichnete sie als lokalen Anachronismus.[76] Dach II war unzeitgemäß, weil im Jahrhundert, das zwischen den Entstehungszeiten der beiden Dächer lag, sich ein epochaler Wandel im griechischen Tempelbau ereignet hatte, als dessen Ergebnis die Entstehung des monumentalen Peripeteraltempels aus Stein stand. Das erste materiell belegte Beispiel des neuen Typus, der Artemistempel auf Korfu,[77] war bezeichnenderweise im selben baukulturellen Kontext wie der Apollontempel von Thermos eingebettet. Nur, der korfiotische Artemistempel bedurfte der Gesichtsantefixe nicht mehr und zwar aus einem ganz einfachen Grund: er hatte Säulen. Die Gesichtsantefixe wurden, mit anderen Worten, architekturgeschichtlich obsolet, sobald die steinerne Säule als abstraktes Bild des menschlichen Körpers die hellenische architektonische Bühne betrat. Mit dem Übergang vom Ton zum Steinmaterial, mit dem derart erfolgten Stoffwechsel (um sich einmal des semperschen Jargons zu bedienen) und mit der Metamorphose eines dekorativen Körperfragments in einen tektonischen Anforderungen genügenden Vollkörper ging ein Abstraktionsprozess einher, der der Säule ihre figurativen Elemente beinahe vollständig fortnahm und ihr recht schlagartig ihre typische Form verlieh. Es ist kein Zufall, dass der Übergang von der Figürlichkeit zur Abstraktion, das Wechselverhältnis zwischen diesen beiden künstlerischen Ausdrucksformen ein Thema des ikonographischen Programms der so genannten Metopen des thermotischen Apollontempels war, des Bauwerks, in welchem die menschliche Figur zum ersten Mal architektonisches Terrain betrat.

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Abbildung 17:
Tempel des Apollon, Thermos. Proitiden-„Metope“
  Im Bericht zum Apollontempel zu Thermos, der in Antike Denkmäler 1908 aufgenommen wurde, äußerten sich Sotiriadis und Kawerau mitunter zur Ikonographie der so genannten Metopen des Tempels. Auf einer davon (sie bestand aus fünf Bruchstücken) identifizierten sie zwei thronende Gestalten

„wohl weibliche Gottheiten (…), beide wie es scheint in Vorderansicht mit linkshin profilierten Köpfen und reich gemusterten Gewändern, wohl Chiton und Mantel, dessen Enden sie in die Höhe halten.“

Sie erwähnten nicht, dass durch das Hochhalten ihrer Gewänder sich die beiden Figuren – wie in der ebenfalls im Bericht aufgenommenen Abbildung recht deutlich zu erkennen ist – entblößen. (Abildung 17), Taf. 52A, 5, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ad1908/0113 [13.05.2008]) Die Unschlüssigkeit bei der Identifizierung der beiden Gestalten blieb eine Zeitlang bestehen.[78] Schließlich wurden die beiden Figuren als Proitiden erkannt.[79] Apollodoros erzählt die Sage nach, die über den Hintergrund der Darstellung aufklärt: Die drei Töchter des Königs von Tyrins (in dessen Herrschaftsbereich auch das argivische Heraheiligtum gehörte), Lysippe, Iphinoe und Iphianassa fielen, als sie das Erwachsenenalter erreichten, „in Raserei, weil sie, nach Hesiod, die Mysterien des Dionysos verweigerten; nach Akusilaos, weil sie Heras Holzbild missachteten“ (2, 26). Die zweite von Apollodoros erwähnte Quelle ist von besonderem Interesse, da sie wieder einmal die Spannung zwischen Abstraktion und Figürlichkeit thematisiert. Heras Kultbild war ein kaum gestaltetes Stück Holz, das seine Kraft bestimmt nicht der Erfüllung eines (anthropomorphen) Schönheitsideals zu verdanken hatte.[80] Dass es die drei Töchter missachteten, es sogar nach einer anderen Variante der Sage[81] mit ihrer eigenen Schönheit verglichen und es daher für minderwertig hielten, impliziert gleichwohl, dass sie  im Prinzip von der Statue eine Formvollendung erwarteten, die der Vollkommenheit der Göttin entspräche und dass sie sich zur Hybris nur dann verführen ließen, als sie feststellten, dass Erwartung und Erfahrung auseinanderklafften. Diese Variante der Sage muss also zu einer Zeit entstanden sein, in der die naturalistische Menschendarstellung in der antiken Kunst sich bereits durchgesetzt hatte. Dies war zu Hesiods Zeit noch nicht der Fall, doch aber längst in der Periode, in der Akusilaos (Ende des 6. / Anfang des 5. Jahrhunderts) schrieb, während im historischen Kontext von Thermos der Naturalismus noch das Gehen lernte. Nur zwei der Proitiden überlebten die Strafe der Göttin. Nach Pausanias landeten sie in Sikyon, der Heimat jenes Töpfers, der nach Plinius das tönerne Reliefportrait erfand. Zwischen Sikyon und Titane, nahe am Meer, so Pausanias, stiftete Proitos der Vater der drei Prinzessinnen ein Heraheiligtum (2, 12, 1) und in der Agora von Sikyon eins für Apollon (2, 7, 7). In Argos lieferte die Sage der Proitiden den Hintergrund eines Festes mit dem Namen Agronia oder Agrania.[82]

In Thermos hingegen übernahm die bildliche Thematisierung des Übergangsmythos (Eintritt der Proitiden ins Erwachsenenalter) zugleich die Funktion eines Lehrstücks über die Versuchungen und die Verführungen der naturalistischen Darstellung sei es der Götter oder der Menschen. Die Bestrafung der Töchter war eine Mahnung an die Menschen, dass

in der Stufenleiter der 'Vollkommenheit', die höchste Stelle von  den Göttern und deren niederen Ränge von den menschlichen Wesen auf unterschiedlichen Ebenen besetzt war[83]

und dass demzufolge die architektonisierte Menschenfigur niemals mit der materialisierten Gestalt der Götter, welche Form sie immer auch annimmt, in Konkurrenz treten darf. Darin liegt womöglich der Grund für die abstrakte Form der Säule, selbst wenn sie auf den menschlichen Körper verweist; daher auch die Kurzlebigkeit der Dachantefixe und ihres Antidots in Form einer bemalten Tonplatte, die genauso wie jene den Tempel schmückte, der das Gottesidol in sich barg; daher schließlich die Seltenheit des Vorkommens anthropomorpher Stützfiguren in der griechschen Tempelarchitektur.

Wer waren aber die Frauen der Gesichtsantefixe von Thermos? Mertens-Horn führt sie auf eine am Ort gepflegte Verehrung der Göttin Artemis zurück, die sie wiederum mit einem vordorischen chthonischen Kult für Artemis Potnia im Heiligtum der Artemis Orthia in Sparta in Verbindung setzt. In diesem Heiligtum wurden Masken gefunden, die Mertens-Horn als Weihgaben deutet, welche zum Tempel gebracht und dort aufgehängt wurden.[84]
Die Gesichtantefixe wären demzufolge eine monumentalisierte Form dieser Masken. Die von Mertens-Horn hergestellte Verbindungslinie Thermos-Sparta ist aber keineswegs zwingend, denn, laut Nilsson, kam der Brauch, an Tempelwänden und Bäumen des heiligen Schreins Weihgeschenke aufzuhängen, auch an anderen griechischen Kultstätten vor.[85] Im Hintergrund dieses Brauchs standen zumeist mit Artemis und Dionysos verknüpfte Kulte, wie jene der Aspalis (Thessalien), der Erigone (Ikaria), der Helena Dendritis (Rhodos), der Ariadne und der Artemis Apaghomene (Arkadien). Zurselben Kategorie gehörte auch der Kult der Artemis Karyatis, von dem bereits die Rede war und dessen  aitiologischer Mythos – laut Laktanz – mit dem Erhängen der Jungfrauen, der Karyatiden endete. Der erste Thermos-Ausgräber Sotiriadis ging nicht soweit wie Mertens-Horn und stellte eher intuitiv die Vermutung auf, dass „diese mannigfaltigen Gesichter die Darstellung eines Festvereins oder einer Schar von Nymphen und Göttern“ sein könnte.[86] Zur ikonographischen Bestimmung der Dachantefixe würde aber vielleicht auch schon deren Deutung als abbreviiertes Abbild eines festlichen Umzuges der aitolischen Frauen ausreichen. Im Mittelpunkt der kollektiven Kulthandlung würde das göttliche Idol stehen, das letztlich in der Tempelcella seinen festen Platz gefunden hat.

 



 

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Abbildungsnachweis:

Abb. 1-3, 5-6, 9-13 und 16: Autor
Abb. 4 und 8: Die Zeichnungen wurden von Bernita Le Gerette erstellt. Als Vorlage für Abb. 8 hat Fig. 136 in Daux (1987) gedient.
Abb. 7a aus: Quatremère de Quincy (1814)
Abb. 7b aus Fiechter (1918)
Abb. 14a aus Sotiriadis (1900)
Abb. 14b aus Koch (1914)
Abb. 15 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ad1908/0109
Abb. 17 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ad1908/0113

 


 

 

Anmerkungen:

 

[1] Nach der Übersetzung von J. J. C. Donner, neu bearbeitet von Curt Woyte. Stuttgart 1966 (1952).

[2] Alle Vitruv-Zitate nach der Übersetzung von Curt Fensterbusch. Wenn nicht anders angegeben, stammen die Zitatübersetzungen aus dem Griechischen und Englischen vom Autor.

[3] Charles Picard (CRAcInscr 1935, 215ff.) übersetzt Pausanias’ „επί των κιόνων“ mit „an den Säulen“. Zit. nach: Schmidt-Colinet (1977), S. 55.

[4] Xen. Hell. 6, 5, 25 und 7, 1, 28.

[5] Eine andere Auffassung vertritt in dieser Frage Hugh Plommer, der Vitruvs Verzicht auf eine Erwähnung der Karyatiden im Zusammenhang mit seiner Proportionslehre darauf zurückführt, dass für den römischen Theoretiker Säule und menschengestaltige Stützfigur beliebig austauschbar waren. Plommer (1979), S. 98 f.

[6] Die Zitate aus Pausanias’ Beschreibung Griechenlands erscheinen in der Übersetzung Ernst Meyers. Zusätzlich wurde der griechische Text benutzt.

[7] Vgl.: Ρωμαίος (1958).

[8] Lact. Zu Stat. Theb. 4, 225.

[9] „…omnis chorus in arborem nucis fugit et in ramo eius pependit“, lautet die entsprechende Stelle des Laktanz. Aus welchem Grund Nilsson im Wort pependit (aus pendeo = an die Waage hängen) eine Verwandlung hineinliest, bleibt unklar. Vgl.: Nilsson (1995), S. 196 f.

[10] Seaford (2003), S. 464 ff. Die von Seaford suggerierte Vergewaltigungsdrohung geht aus den Texten nicht hervor. Offensichtlich ließ er sich zu seiner Vermutung von einem anderen Erhängungsmythos, den Aspalis Mythos, inspirieren.

[11] Plutarch, Artaxerxes 18; Plinius d. Ä., N. H. 36, 23; Athaenaeus, VI, 241d.

[12] Drerup (1975-76).

[13] Schmidt-Colinet (1977), S. 49.

[14] Michelis (1972). S. 193. Einen Gegenstandpunkt vertritt Vickers, der die positive Deutung der Karyatiden des Erechtheion auf den Philhellenismus des 19. Jahrhunderts zurückführt: Vickers (1985).  Eine Mittelstellung nimmt die Position Ridgways an: „Yet to my mind, the figures themselves express no message, whether negative or positive, and appear relaxed in supporting their relatively light weight.” Vgl.: Ridgway (1999), S. 146. Das was Michelis als „scheinbare Neigung des Körpers nach hinten“ sieht, ist in Wirklichkeit eine leichte Neigung der Körperachsen der Koren nach außen bzw. nach vorne, die der üblichen griechischen Praxis der Einwärtsneigung der Tempelsäulen widerspricht. Vgl. dazu: Lauter (1976), S. 12f. Siehe auch: Gruben (2001), S. 219.

[15] Xen. Hell. 1, 6, 1.

[16] Paus. 1. 26-27. In seinem Bericht bezeichnet Pausanias nur den Westteil des Bauwerks als Erechtheion; seinen Athena gewidmeten Ostteil hingegen als „Tempel der Polias“. So erstaunlich es auch sein mag,  findet Pausanias es überflüssig zu erwähnen, dass das „Erechtheion genannte Gebäude (οίκημα)“ und der „Tempel (ναός) der Polias“ Teile ein und desselben Bauwerks waren. Eine Aussage von Strabo (9. 1. 16), die in seinem sonst spärlichen Bericht über die Akropolis enthalten ist, hat dieses Problem recht frühzeitig gelöst. Über die Austauschbarkeit der Wörter Gebäude (οίκημα) und Tempel (ναός) vgl.: Κοντολέων (1949), S. 40 f.

[17] Wie Kontoleon mit Bezugnahme auf Nilsson (M. P. Nilsson, Min.-Myc. Religion 491-2) anmerkt, handelte es sich bei Kekrops und Erechtheus womöglich um die Verdoppelung einer ursprünglich singulären Figur – beide galten jedenfalls als Anführer und Heroen der Polis und als Quelle ihrer Kraft. Kontoleon (1949), S. 9.

[18] Doch anders als die Korenhalle harmoniert die Nordhalle hinsichtlich der Höhe mit dem restlichen Gebäude, dessen Fries sie auch aufnimmt und fortsetzt.

[19] Gruben (2001), S. 212 f. Siehe auch: Scholl (1998), S. 51 ff.

[20] Hurwit (2004), S. 179.

[21] Vgl.: Schneider / Höcker (2001), S. 179 f.

[22] Vgl.: Schmidt-Colinet (1977), S. 107 f. Ferner: Schmidt (1982), S. 83. Lauter kritisiert die These von Kontoleon, der (im Anschluss an Tetáz und Dörpfeld) die Korenhalle als Mal über dem Kekropsgrab deutet, und hält die Arrhephorenvariante als die wahrscheinlichste. Demgemäß wäre die Halle Austragungsort nächtlicher Zeremonien der Arrhephorie. Lauter stützt seine Vermutung auf  Pausanias und dessen Beschreibung des Arrhephorenkultes. Pausanias erwähnt dabei das „nicht weit vom Tempel der Polias“ entfernte Arrhephorenhaus auf der Akropolis und dessen unterirdische Verbindung mit dem Aphroditeheiligtum. Aber er hält die Korenhalle des Erechtheion für keinen einzigen Wortes würdig. Dies scheint paradox, wäre aber in doppelter Hinsicht unerklärlich, wenn sich bei der Prostase tatsächlich um den Ort der Arrhephorenriten gehandelt hätte: Lauter (1976), S.10 und 15f. Ein anderer Schönheitsfehler dieser Deutung wäre das Alter der Koren. Arrhephoren waren 7-11jährig (Oxford Classical Dictionary, Artikel: Arrephoria).

[23] Schmidt (1982), S. 84. Wesenberg fügt ein zusätzliches Argument, das für diese Deutung spricht, hinzu: „Die sehr allgemeine Bezeichnung der Stützfiguren als ‚Korai’ im Bericht der Erechtheionkommission von 409/08 … scheint anzuzeigen, dass einer ikonographischen Bestimmung der Statuen keine besondere Beachtung geschenkt wird“: Wesenberg (1984), S. 180 (mit Bezug auf IG I2 372 Z.86).

[24] Vgl. auch: Schmidt (1982), S. 82 und 84.

[25] Die Säulen einer „echten“ Peristase würden unmittelbar aus dem Stylobat herauswachsen. Die Koren stehen hingegen auf einer Sockelmauer. Es ist oft darauf hingewiesen worden, dass eine akzeptable Dimensionierung und Proportionierung der Prostase und ihrer Teile dem Architekten keine andere Möglichkeit ließ, als die Höhe der Koren zu verringern und sie auf den Sockel zu stellen. Ein ähnliches Prinzip wandte der Architekt im Übrigen auch bei der Gestaltung der Westfront des Erechtheion. Um brauchbare Säulenhöhen und –dicken zu erhalten, hatte er die Fassade zweigeschossig konzipiert, obwohl sich hinter ihr ein eingeschossiger Raum verbarg.

[26] Platte II und Platte VII des Ostfrieses. Die Ähnlichkeit bezieht sich auf ihre Körperhaltung und Kleidung wie auch auf das von einigen von ihnen getragene Gerät. Konkret handelt es sich dabei um Phialen (Opferschalen). Dass auch die Erechtheionkoren solche Schalen trugen, kann wegen ihrer nunmehr fehlenden Arme nicht aus den Figuren selbst, sondern aus originalgetreuen römischen Kopien der Koren ermittelt werden. Solche befanden sich im Attikageschoss der Säulenhallen des Augustusforums in Rom und in der Villa Hadriana in Tivoli.

[27] Diese Bemerkung ist allerdings nicht hinsichtlich der Ikonographie der Koren von Belang, sondern eher derjenigen ihres Äquivalents: der Säulen, berührt mithin das Problem der ikonographischen Bestimmung der Peristase als typisches Charakteristikum des griechischen Tempels im Allgemeinen. Die Erörterung dieser Frage ist aber nicht Gegenstand dieses Aufsatzes. Es ist hier auch nicht der Ort, auf die über die ikonographische Bedeutung des Parthenonfrieses entbrannte Debatte einzugehen. Vgl.: Connelly (1996).

[28] Kontoleon (1949), S. 86.

[29] Kontoleon (1949), S. 75.

[30] Schmidt-Colinet (1977), S. 109.

[31] Die nicht menschenähnlichen Gestalten sind von mehreren Kommentatoren auch als Stützfiguren gedeutet worden, was allerdings nicht unangefochten geblieben ist.

[32] Quatremère de Quincy (1814).

[33] Furtwängler präsentierte, nach seinen eigenen Worten, diese Rekonstruktion, („aufgrund von Pausanias und von Erkenntnissen vor Ort im Jahre 1878) an die Öffentlichkeit im Februar 1885 [Fiechter (1918), S. 107 f.]. Dieselbe Rekonstruktion verwendete er in einer Publikation im Jahre 1893 wieder [Furtwängler (1893), S. 706].

[34] Fiechter (1918), S. 166 ff.

[35] Fiechter (1918), S. 176.

[36] Fiechter (1918), S. 187.

[37] Fiechter (1918), S. 191 und Tafel 19.

[38] Fiechter (1918), Tafel 20.

[39] Buschor (1927). Vgl. auch: Buschor (1941), S. 36.

[40] Anders verhält es sich mit der Apollonstatue. Nicht nur die Beschreibung Pausanias’ ist hier präziser; spartanische Münzen und ein Weihrelief vermitteln eine deutliche Vorstellung des kolossalen Standbildes: Burkert (1977), S. 15.

[41] Buschor (1927), S. 11. Zu Amyklai schreibt Walter Burkert: „Hyakinthos, Gott und Blume zugleich, ist im griechischen Mythos ein von Apollon geliebter Jüngling, den der Gott mit einem Diskoswurf getötet hat; er wird in Amyklai, dem vordorischen Königsort, als Unterirdischer verehrt und gilt doch zugleich als in den Himmel eingegangen“. Und mit Bezug auf die Verbindung von Götterstatue und Heroengrab in Amyklai: „Im Mythos haben die Götter dementsprechend oft einen sterblichen Doppelgänger, der dem Gott fast zum Verwechseln ähnlich wird, nur dass er vom Tod gezeichnet, ja vom Gott selbst getötet ist: wie Hyakinthos neben Apollon, steht Iphigeneia neben Artemis, Erechtheus neben Poseidon.“ Burkert (1977), S. 47 bzw. 311.

[42] Osborne (1996), Kap. 9.

[43] Vgl. dazu zuletzt und ausführlich: Rhodes (1995).

[44] Ein typisches Beispiel dafür ist Heiner Knells Beschreibung der „Skulpturen des Schatzhauses von Siphnos“. Ausführlich wird das ikonographische Programm des Frieses und der Tympana erläutert. Das Vorhandensein der beiden Mädchenstatuen wird hingegen lediglich erwähnt und ansonsten der Eindruck vermittelt, als spielten sie in der plastischen Ausstattung des Bauwerks überhaupt keine Rolle: Knell (1998), S. 24 ff.

[45] Daux / Hansen (1987).

[46] Neer (2001), S. 315 ff.

[47] Vgl. beispielsweise Martini (1990).Vor allem wendet sich Martini – sich dabei von Francis/Vickers (s. u.) distanzierend – gegen die These, dass die tektonische Funktion eine Symbolik von Knechtschaft und Unterwerfung impliziert.

[48] Schmidt (1982), S. 72 f. Siehe auch: Boardman (2002), S. 158.

[49] Nach der Übersetzung von Ludwig Wolde. Zur Frage der Datierung des Neoptolemos-Kults s. Nilsson (1995),  S. 461 f.

[50] Mit ziemlicher Sicherheit ist das Entstehungsdatum nur eines einzigen Schatzhauses bekannt, desjenigen der Siphnier. Es muss errichtet worden sein kurz bevor samische Invasoren im Jahre 525 die bis dahin dank ihrer Silber- und Goldminen prosperierende Insel Siphnos überfielen. (Herodot, III, 57). Der Versuch einer Datierung des Schatzhauses in die Zeit nach den Perserkriegen, die Francis und Vickers unternahmen, um mitunter die Vitruvschen Karyatiden-Aussage mit den Stützfiguren des Siphnierthesauros in Einklang zu bringen, hat sich nicht durchgesetzt. Siehe vor allem: Francis / Vickers (1983); Vickers (1985). Für eine Bibliographie der einschlägigen Debatte, s. Kokkinos,
URL: http://www.centuries.co.uk/f&v-chronology.pdf (24.03.2008).

[51] Siehe Rekonstruktionsskizzen von Dinsmoor der Thesauroi von Knidos, Massalia und Siphnos in: Dinsmoor (1975), S. 138.

[52] Eine Ausnahme ist das wahrscheinlich nach 548 errichtete Schatzhaus von Massalia, das sich im Bezirk der Athena Pronaia befand.

[53] Er bezog sich dabei wohl auf den dritten Apollontempel, der nach einem Brand des zweiten 525-505 errichteten Hauses in den Jahren 369-330 neu erbaut wurde.

[54] Vgl. dazu: Harrison (1903), S. 389 ff.

[55] Vgl. dazu: Themelis (1983), S. 6.

[56] Burkert (1977), S. 342 f.

[57] Siehe: Schmidt (1982), S. 78 und Anm. 423. Schmidt spricht die Mädchenfiguren am Kopfaufsatz der Ex-Knidierin als Musen an, ohne jedoch die Verknüpfung mit dem Apollontempel herzustellen.

[58] Beim ionischen Schatzhaus der Siphnier wird mittels der Stützfigurenausstattung der dionysische Bereich berührt. Eine Inschrift am ebenfalls ionischen Schatzhaus der Knidier verkündet, dass sowohl das Haus selbst als auch die Standbilder (αγάλματα) dem pythischen Apollon gewidmet seien. Siehe Gruben (2001), S. 83.

[59] Aesch. Eum. 1-8.

[60] Hom. Hymn. Apoll. 302.

[61] Nach Winter handelt es sich dabei um das nordwestgriechische Dachsystem. Von Winter sind die hier benutzten Datierungen übernommen. Winter (1993), besonders S. 110-133.

[62] Σωτηριάδης (1900).

[63] Koch (1914), S. 251.

[64] Sotiriadis / Kawerau, (1908). Eine erste, recht lückenhafte Beschreibung der Terrakottaplatten findet sich bereits in Σωτηριάδης (1903).

[65] Koch (1914), S. 237 ff. Vgl. dazu auch Koch (1915), S. 51-74.

[66] Ρωμαίος (1915), 225-279. Vgl.: AA (1913), Beiblatt 2, 98 f.

[67] Vgl. Winter (1993).

[68] Sotiriadis / Kawerau (1908).

[69] Gruben (2001), S. 35.

[70] Beyer (1972).

[71] Kalpaxis (1974).

[72] Dinsmoor (1975), S. 51.

[73] Lawrence (1996), S. 66.

[74] Auch neuere Rekonstruktionen des frühen Tempels folgen paradoxerweise dem von Sotiriadis vorgegebenen Weg. Vgl.: Waele (1995), S. 85-98.

[75] Nach Koch ging die Tradition auch im Falle der Antefixe auf Korinth zurück. Gestützt auf Plinius (Plin, n.h. 35, 151) nannte auch er den in Korinth tätigen siykyonischen Töpfer Butades als Erfinder der tönernen Reliefportraits. Das erste davon, ein Bildnis des scheidenden Geliebten seiner Tochter, soll bis zur Zerstörung Korinths in einem Nymphenheiligtum der Stadt existiert haben [Koch (1915), S. 112; Thieme Becker (Robert), 5, 298]. Den korinthischen Einfluss sowohl bei den Antefixen als auch bei den bemalten Tonplatten stellte Madeleine Mertens-Horn in Frage. Eine Reihe von hauptsächlich stilistischen und ikonographischen Vergleichen und Bemerkungen zu den Inschriften der Tonplatten führten sie zum Ergebnis, dass die Bemalung der Platten als aitolisch anzusprechen sei; sie räumte aber gleichzeitig ein, dass der Maler von Thermos in argivischen Werkstätten ausgebildet worden sein könnte. Hinsichtlich sowohl der ältesten Antefixfragmente als auch der jüngeren „Göttinnenköpfe“ des Daches II vermutete Mertens-Horn einen ebenfalls argivischen Hintergrund. Mertens-Horn (1978). Zur Gegenposition s. Heiden (1987), S. 53 ff.

[76] Koch (1914), S. 239.

[77] Etwa zeitgleich entstanden der dritte Heratempel auf Samos als ionischer Dipteros und der Apollontempel von Syrakus als dorischer hexastyler Peripteros.

[78] Vgl. z.B. Payne (1926). Payne fragt sich sogar, ob diese Platte in denselben Zusammenhang gehöre wie die anderen.

[79] Dörig (1966), S. 94. Dörig vergleicht die Thermos Darstellung mit dem Elfenbeinstatuettenpaar aus dem zweiten Viertel des 7. Jahrhunderts, das sich im New Yorker Metropolitan Museum befindet: s. Tafel 65. Vgl. auch: Boardman (1991), S. 41, Abb. 39.

[80] Pausanias spricht von einer Statue „aus dem Holz eines wilden Birnbaums gemacht“ – einem „nicht großen Sitzbild“ (2, 17, 5).

[81] Serv. ad Virg. Eclog. VI. 48.

[82] Nilsson (1995), S. 271 ff.  Vgl. auch: Baudy,
URL: http://www.uni-konstanz.de/paech2002/zdm/beitrg/Baudy.htm.

[83] Vernant (1989), S. 18-47.

[84] Mertens-Horn (1978), 63 f. Bei ihren Überlegungen stützt  sich Mertens-Horn auf den ausführlichen Grabungsbericht der Britischen Archäologischen Schule in Sparta, Dawkins (1929).

[85] Nilsson (1995), S. 234.

[86] Σωτηριάδης (1900), S. 202.

 


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