Positionen

  Heft 1, November 2001
Wael
Houssein


Kharkov
Stil und Dynamik
Die gegenwärtigen Probleme der arabischen Architekturästhetik>

In der arabischen Region kann man das intellektuelle Schlüsselproblem bei der Herausbildung einer dynamischen Gemeinschaft mit Autorität in der internationalen Architektur auch mit bloßem Auge erkennen. Es besteht in der Interpretation des arabischen Architekturerbes im System der Mittel und Methoden der internationalen Architektur des XXI. Jahrhunderts - in den kreativen Paradigmen des Konzeptualismus, des Kontextualismus, des "Milieu-Ansatzes" und des "kritischen Regionalismus". Im professionellen Bewusstsein ist hier eine dramatische Lücke zwischen dem hohen Niveau der theoretischen Erschließung der Prinzipien der traditionellen arabischen Baukunst und der realen Einbeziehung des Erbes in die architektonisch-urbanistische Praxis entstanden.
Das Wiedererstehen der nationalen Eigenart der arabischen Architektur liegt nicht in der Ebene der Wahl der traditionellen Prototypen oder Stilformen.
Die Konkurrenzfähigkeit der modernen arabischen Architektur wird durch die Entwicklung einer zeitgemäßen und dynamischen kreativen Aktivität in den Ländern der Region bestimmt sein.
Die Hauptwege bei der Gewährleistung einer systematischen Vollständigkeit der modernen Architekturtätigkeit sind die Trennung der arabischen und der europäischen Architekturtraditionen im gesellschaftlichen Bewusstsein; die Entwicklung professioneller Körperschaften, eines Interaktionssystems von Auftraggeber, Behörden und Gesellschaft, einer professionellen Kommunikation und eines kreativen Austausches; die Umgestaltung der nationalen Architekturschule.

Yelena
Remizova


Kharkov
Architektur als Theater oder das Theater der "klassischen" Architektur von Ricardo Bofill

Architektur und Dramaturgie als zwei Sphären der Kreativität existieren eigenständig und unabhängig voneinander. Im Artikel wird der Versuch gemacht zu untersuchen, wie Theater- und Architekturideen ineinander übergehen, von einem Gebiet in ein anderes eindringen, sich gegenseitig ergänzen und entwickeln. Genaue Grenzen und Unterschiede in ihrer Sinnentstehung gibt es nicht. Das Schaffen von Ricardo Bofill und die Kreativität seines Studios "Talier de Architecture" ist eine Bestätigung dessen. Die Arbeit des Meisters basiert auf dem Prinzip der polyphonen Musik, auf der Einbeziehung und dem Konflikt unterschiedlicher Logiken, zumeist antiker mit modernen. Am Beispiel der französischen Wohnviertel von R. Bofill sehen wir, dass sich der Postmodernismus in seinem Bestreben, eine eigene Kunstsprache zu entwickeln, der lange vor ihm entstandenen Idee des Dialogs mit der historischen Vergangenheit zuwendet und dafür die Mittel von Regie und Dramaturgie einsetzt.

Natalia
Khoroyan


Kharkov
Kharkov an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert: Unkritischer Realismus.
Architekturschule ohne Vernakular

Im Jahre 1805 wurde in Kharkov die Kaiserliche Universität eröffnet - die zweite in Russland. Ende der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts verlief die Eisenbahnstrecke von Moskau zur Krim und in den Kaukasus durch Kharkov, die damit das wirtschaftliche und politische Zentrum des Imperiums mit dem Süden verband. Das hatte ein stürmisches wirtschaftliches und soziales Wachstum der Stadt zur Folge.
Die Kharkover Architekten erhielten ihre Ausbildung zum Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zumeist an den Bildungseinrichtungen von Petersburg und Moskau; Einige hatten Auslandsaufenthalte, vorwiegend in Deutschland. An den neu gegründeten Einrichtungen des Kharkover Technologischen Instituts und der Kunstschule unterrichteten Meister auch als Gastdozenten. In der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts an der Grenze des "Wilden Feldes" gegründeten Stadt Kharkov, die keine eigenständige Architekturtradition vorweisen konnte, bildete sich ein tolerantes Verhältnis zu neuen Ideen heraus.
Mit der Schaffung einer eigenen Bildungsbasis erlangte Kharkov die Bedeutung eines der wichtigsten Architekturzentren. In den Jahren von 1918-1934, als Kharkov die Hauptstadt der Ukraine war, wurden die Architekten, die Kharkover Bildungseinrichtungen absolviert hatten, zu Beförderern eines ideologischen und künstlerischen Pluralismus.

  Heft 2, Februar 2000
Kirsten
Wagner


Oldenburg
Informations- und Wissensorganisation anhand räumlicher Ordnungsmodelle
Das Spatial Data-Management System der Architecture Machine Group als Fallbeispiel

In den Jahren 1976-78 entwickelt die Architecture Machine Group am Massachusetts Institute of Technology das sogenannte Spatial Data-Management System, das eines der ersten räumlichen Datenverwaltungssysteme bezeichnet. Das Spatial Data-Management System knüpft zum einen an die Konzeption einer Schnittstelle* zwischen Benutzer und Computer an, über die verschiedene Medienformen, etwa Texte, Grafiken, Fotografien und Filme, ein- und ausgegeben und mit der mehrere Sinne angesprochen werden sollen. Beides zielt auf eine vereinfachte Handhabung und Funktionserweiterung des Rechners ab. Einer der zentralen Grundgedanken stellt in diesem Zusammenhang die Visualisierung von Informationen anhand grafischer und bildhafter Repräsentationen dar, die im Verlauf der 70er Jahre die alpha-numerischen Befehlsketten der ersten Computergeneration ablöst. Zum anderen steht das Spatial Data-Management System für den Entwurf eines räumlichen, topologischen Ordnungsmodells ein, welches für die Organisation und Wiedergewinnung der vom Rechner gespeicherten Informationen erschlossen worden ist. Anleitung zu diesem Modell findet die Architecture Machine Group in der Kognitionspsychologie der 60er Jahre, in der die räumliche Disposition des natürlichen Gedächtnisses und tradierte Mnemotechniken neue Aufmerksamkeit gewinnen.

Sophie
Wolfrum

(Stuttgart/ Karlsruhe)
Landschaft als Element des Urbanen
  Heft 1, Mai 1999
Andrzej
Piotrowski


Minneapolis
GEDÄCHTNISSTRUKTUREN IN DER ARCHITEKTUR

Dieser Artikel gibt einen Überblick über die theoretischen Voraussetzungen und die Methodik meiner Forschungsarbeit, deren Ziel es ist, Architekturphotographie und Computergraphik zu integrieren. Ich entwickelte ein Verfahren, das ich „Photographic Mapping" nenne, um darzustellen wie ein Gebäude eine Serie zusammenhängender Erlebnisse erzeugt, welche die Wahrnehmung der symbolischen Realität des Gebäudes strukturieren. Für den Artikel werde ich zwei spezifische Abbildungen verwenden als Grundlage für die Diskussion ihrer Kompositionen sowie der Ideen, die sie verkörpern.
Obwohl ich mich hier auf den Teil der Forschung konzentriere, der sich mit den digitalen Darstellungsmöglichkeiten von existierender Architektur befaßt, muß dieser Artikel als integraler Bestandteil meines gegenwärtigen Forschungsprojektes verstanden werden, welches die Geschichte und Theorie derArchitekturdarstellung allgemein behandelt und auf der Annahme basiert, daß digitale Technologien im größeren Zusammenhang von Verfahren der Architektursignifikation erforscht werden müssen.

Nana
Pernod


Zürich
Theorie und Methodologie eines offenen Systems: Der Umgang mit der Architektur von Philip Johnson: Ein Lernprozess fuer eine allgemeine Erneuerung und Legung einer theoretisch-methodologisch gemeinsamen Diskussionsgrundlage der gegenwaertigen Architekturkritik.

Der folgende Text zeigt, dass Sokals und Bricmonts 'Fashionable Nonsense (Picador 1998)auch bedeutuend in Bezug auf die gegenwaertige Architekturkritik, wo heutzutage eine Art wirres Durcheinander innerhalb der gefuehrten Diskussion herrscht, ist. Das Beispiel der Architekturkritik das architektonische Werk von Philip Johnson (phj) betreffend zeigt dies deutlich. Es fehlt eine gemeinsame Diskussionsgrundlage, die auf einem gemeinsamen theoretisch-methodologischen Fundament aufbaut. Der folgende Text ist ein Auszug aus meiner Dissertation und versucht Bausteine fuer eine solche gemeinsame Diskussionsgrundlage aufzuzeigen, dies am Beispiel des architektonischen Werkes von phj.

  Heft 2, Juni 1998
Angeli
Janhsen- Vukicevic


Bochum
Gottfried Böhms Wallfahrtskirche in Neviges

Gottfried Böhm hat seine Wallfahrtskirche in Neviges (1968 geweiht) von den in dem bergischen Städtchen vorgefundenen Bauten ausgehend geplant. Er wiederholt u.a. die Neigungen der Dachschrägen der umstehenden Häuser durch Parallelen im Kirchendachäußeren. Dies Äußere bestimmt dann das Innere der Kirche. Auf diese Weise ordnet, bindet und kristallisiert der Kirchenbau die zufällig gewachsene Ansammlung von Häusern.
Bezüge zur Liturgie, zum kontextbezogenen Bauen, zum Pittoresken, zur Perspektive, zum Expressionismus und zur gegenstandslosen Plastik werden diskutiert, um die mit der Wallfahrtskirche mögliche Erfahrung des Verhältnisses zwischen „Gotteshaus" und „Menschenhäusern" zum Verständnis des hier angenommenen Verhältnisses zwischen Gott und Menschen zu verdeutlichen.

Anette
Sommer


Cottbus
Mega Malls auf dem Vormarsch!
Demokratie als Fluch oder Chance?

Shopping Malls, gerade auch in ihrer Kombination mit Vergnügungseinrichtungen, sind spätestens seit der Wende nicht mehr ein nur nordamerikanisches Phänomen. Shopping Malls werden auch in Deutschland zur vertrauten alltäglichen Lebenswelt am Rande der Städte.
Selbstverständlich lehnt man diese Erscheinungen an den Stadträndern zumindest im intellektuellen und professionellen Diskurs ab. Sie beeinflussen jedoch zunehmend das öffentliche und städtische Leben und werden zu den neuen Stadtzentren in privater Hand. Die Innenstadt, traditionelles Sinnbild für politischen, gesellschaftlichen und kulturellen öffentlichen Raum, versucht, sich zu behaupten, und kämpft, um zu überleben.
Am Beispiel der derzeit größten Mega Mall, der West Edmonton Mall in Kanada, soll untersucht werden, ob der Wunsch nach belebten Innenstädten heute vielleicht schon obsolet und nicht mehr zeitgemäß ist oder ob er doch wahrhaft progessiv ist.

Tom
Hanchett


Cornell
Talking Shopping Center

Die meisten Amerikaner meinen, daß das nationale Überangebot an suburbanen Shopping Malls von einem Bedarf der Konsumenten herührt. Tatsächlich ergab sich ein beachtlicher Teil der Bautätigkeit aus Steuervergünstigungen durch die US Regierung, welche 1954 einsetzte und in den frühen 80ern ihren Gipfel erreichte. Diese Bautätigkeit hat eine tiefgreifende Auswirkung auf die Lebensqualität für alle Amerikaner.

Elizabeth
Birmingham


Ames (Iowa)
Reframing the Ruins:
Pruitt-Igoe, struktureller Rassismus und afrikanisch-amerikanische Rhetorik als Raum für Kulturkritik

Charles Jencks datiert das Ende der Modernebewegung auf den Moment, als 1972 die ersten drei Gebäudekomplexe des verrufenen Wohngebietes Pruitt-Igoe in St. Louis gesprengt wurden. Pruitt-Igoes Scheitern wird seitdem als ein architecktonisches Scheitern bezeichnet und auch so erinnert – als ein Entwurfsfehler, der den unwissenden Armen von den wohlwollenden Intellektuellen vorgesetzt worden war. In diesem Mythos wird die Frage des Rassismus– von den über 10 000 Bewohner von Pruitt-Igoe waren 98% afrikanisch-amerikanisch - und die Frage der Armut – die Bewohner gehörten zu den Ärmsten der Armen - nicht berücksichtigt. Obwohl Pruitt Igoe eine physische Struktur darstellte, wird es in diesem Artikel als eine Metapher für eine rassistische Struktur diskutiert – eine Struktur, welche die schon existierende Kluft, die afrikanische Amerikaner von der kulturellen Identität, der politischen Macht und den Aussichten auf Ausbildung und wirtschaftlichem Erfolg trennt, vertiefte, da ihre Prämissen und ´enkodierten´ Botschaften zusammen mit den unreflektierten Annahmen des strukturellen Rassismus dort mit eingemauert wurden.
Ich werde das Scheitern Pruitt-Igoes nicht als ein Symbol für das Scheitern der Moderne diskutieren, sondern als eine Möglichkeit, urbane Texte neu zu lesen und zu schreiben, so daß eine Kritik des strukturellen Rassismus gegeben ist und offengelegt wird, wie dieser durch architktonische Systeme (wie auch andere soziale Systeme) unterstützt wird.

Anders
Linde- Laursen


Lund
Solvang:
Eine historische anthropologische Betrachtung zu einem ethnizierten Raum

In diesem Artikel diskutiere ich die Beziehungen zwischen Ort und Zugangs berechtigung mit Identitätsbildung. Dies geschieht auf dem Hintergrund von Untersuchungen, die ich in Solvang, Californien (auch die dänische Hauptstadt von Amerika genannt) durchgeführt habe. 1911 versuchten die Gründer der Stadt Solvang bewußt, die dänischen sozialen Einrichtungen in einen amerikanischen Kontext zu setzen. Während dänische Sprache und Einrichtungen nach dem zweiten Weltkrieg langsam verschwanden, wurde der öffentliche Raum komplett reorganisiert. Heute ist Solvang eine Touristenstadt, deren Zentrum aus so verstandenen architektonischen Wahrzeichen Dänemarks besteht. Ich diskutiere, wie die sozialen Beziehungen den Raum in Solvang formen und wie andererseits der Raum die sozialen Beziehungen zwischen drei Gruppen formt: den weißen Stadtbewohnern, den Besuchern aus der Region und lokal ansässigen "Mexikanern ". Insbesondere werde ich auf die letzte Gruppe eingehen. Obgleich die wachsende Bevölkerung der ortsansässigen "Mexikaner" im Hintergrund arbeitet und für die Tourismusindustrie entscheidend ist, ist sie dennoch zweifach ausgeschlossen. Es ist den "Mexikanern" nicht erlaubt, sich in der vorherrschenden Geschichte über die Stadt darzustellen, und ebensowenig dürfen sie sich im öffentlichen Raum zeigen.

  Heft 1, Mai 1998
Jurij
Nikitin


St.-Petersburg
Von Leningrad nach Sankt-Petersburg.
Stadtentwicklung in den letzten 30 Jahren

Der Artikel befaßt sich mit der Restaurierung des historisch wertvollen Stadtensembles Sankt-Petersburgs und mit der Rekonstruktion bedeutender Bauwerke sowie dem Entstehen moderner Architektur.
Es werden ein kurzer historischer Abriß der Entwicklungsprobleme dieser weltberühmten Großstadt gegeben und aktuelle Stadtentwicklungsprobleme vorgestellt, wobei die natürlichen geographischen Gegebenheiten und gesellschaftspolitische Anforderungen und die damit verbundenen Probleme besonders hervorgehoben werden.

Michael
Haerdter


Berlin
Mythos Mitte

Ein Rückblick auf 200 Jahre Moderne, exemplifiziert an einer ihrer Hauptstädte : Berlin. Die moderne Epoche setzt mit der Aufklärung gegen Ende des 18. Jahhrhunderts ein und bringt einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit. In konservativer Sicht : "eine ungeheuere innere Katastrophe" (Hans Sedlmayr). Sie löst zahllose Gegenstrategien aus. Dem modernen Trend zu steter Veränderung wird das Beharren auf dem Hergebrachten entgegengesetzt. Der Auflösung genuiner Traditionen antwortet deren künstliche Rekon-struktion. Dem realen Verlust von Mitte, von verbindlichem Maß, versucht die Erfindung von Mitte zu wehren - so entsteht ihre Legende, ihr Mythos. "Mythos Mitte" analysiert und belegt die Zerrissenheit der Moderne an zahlreichen Beispie-len, nicht zuletzt an den Wechselfällen der außergewöhnlichen deutschen Hauptstadt.Findet sie ihren Weg aus der Sackgasse des modernen "Entweder-Oder" in eine neue mensch- liche, urbane Dimension des "Und", der Offenheit und Synthese?

(Text auch in Englisch)

Ilse
Helbrecht


München
The Creative Metropolis
Services, Symbols and Spaces

Kreative Dienstleister wie z.B. Werbung, Innenarchitektur oder Graphik-Design sind eine Untergruppe produktionsorientierter Dienstleistungen. Ihre Produkte bestehen vorwiegend aus Images, Stilen und Zeichen. Deshalb nehmen sie eine zentrale Stellung ein in der Ökonomie der Zeichen. Als Trendsetter und kulturelle Mediatoren versuchen sie, die Lebensstile, Konsumgewohnheiten und Ästhetikvorstellungen von weiten Teilen der Mittelschicht zu beeinflussen. Kreative Dienstleister sind in ihrem Standortverhalten hochgradig urban. Sie konzentrieren sich in den Innerstadtgebieten größerer Metropolen. In diesem Aufsatz wird die Frage diskutiert, warum und auf welche Weisen kreative Dienstleister einen Nutzen ziehen aus der urbanen Umwelt. Was macht Städte aus ihrer Sicht produktiv? Basierend auf einer empirischen Studie in Vancouver wird der Zusammenhang zwischen der Produktion von Zeichen, Images und Stilen und den städtischen Imaginationen der Kreativen diskutiert: die Entstehung der „kreativen Metropolis".

(Text in Englisch)

Petra
Stojanik


Stuttgart
Eileen Gray oder die Freiheit des Wohnens

Eileen Gray zählt zu den wenigen weiblichen Protagonisten der klassischen Moderne. Aufsehen erregte sie zunächst durch ihre extravaganten Möbelentwürfe und Interieurs. Trotz offensichtlicher Affinitäten zu den Einrichtungen des "Neuen Wohnens" zeichnen sich ihre Vorschläge durch eine eigenständige Qualität aus. Was aber unterscheidet Grays Wohnkonzepte von denjenigen ihrer avantgardistischen Kollegen? Welche Rolle kam dem Benutzer ihrer Räume zu?
Grays Inneneinrichtungen folgen weder dem traditionellen Muster der Verschmelzung von Möbel und Raum zu einem einheitlichen, unauflösbaren Ganzen, noch lassen sie sich in die Reihe der ausschliesslich mit Typenmöbeln bestückten, dekontextualisierten Einrichtungen einordnen. Vielmehr gelangen ihr durch die Kombination von selbstentwickelten Prototypen und speziell auf Raum und Architektur abgestimmte Einbaumöbel einmalige, der jeweiligen Aufgabe und Situation entsprechende Entwürfe, die dem Benutzer sein Recht auf Unabhängigkeit und Zurückgezogenheit garantieren sollten.

  Heft 2, November 1997
Hans
Friesen


Cottbus
Von der Moderne zur Postmoderne
Zur Genealogie der Architektur im 20. Jahrhundert

Der Vortrag, der im Oktober 1997 an der Staatlichen Universität für Architektur und Bauwesen in St. Petersburg gehalten wurde, beschäftigt sich mit der Entwicklung der Architektur im 20. Jahrhundert. Dabei sollen in erster Linie die Begriffe von Moderne und Postmoderne erläutert werden. Der Begriff der Postmoderne wird als relationaler Begriff aufgefaßt, d. h. er bleibt, obwohl er sich durch eine Absetzungsbewegung definiert, letztlich auf die Moderne rückbezogen. Es bleiben also vielfältige Bezüge zwischen Moderne und Postmoderne, so daß in der kritischen Auseinandersetzung eine genealogische Betrachtungsweise sachdienlich erscheinen muß.

(Text auch in Russisch)

Pavel I.
Loshakov


St.-Petersburg
Der Pulsschlag der Architektur. Philosophie und Form

In der architektonischen Umgebung verschiedener historischer Epochen kann man die Existenz von veränderlichen Komponenten - Objekten und Objektgruppen - feststellen, die ihre funktionalen und räumlichen Parameter periodisch verändern (z. B. in Beziehung zu den Jahreszeiten). Solche Veränderungen sind reversibel: Die veränderlichen Objekte weisen einen Zyklus auf, nach dem sie im Verlaufe verschiedener Transformationsphasen wieder in den Ausgangszustand zurückkehren. Das erfordert von uns, adäquate Mittel für ihren formalen Ausdruck zu finden – für ein Szenarium veränderlicher Kompositionen – und somit eine Erweiterung der Vorstellung über die Sprache der Architektur vorzunehmen.
Als Erben der Renaissance-Tradition stimmen wir mit Alberti überein, daß "Schönheit die strikte und ausbalancierte Harmonie aller Teile bedeutet – in der Weise, daß durch Ergänzung oder Weglassen oder Wechsel die ganze Sache nur schlechter wird." Jedoch sind die dynamischen architektonischen Objekte nicht weniger expressiv. Das historische architektonische Umfeld erweist sich ohne sie als unvollständig und das gegenwärtige als arm und einseitig.
Was bedeutet Harmonie in der veränderlichen Welt der dynamischen Architektur? In welchem Wechselverhältins befinden sich die "stabilen" und "veränderlichen" Formen und Objekte? Die Antwort findet man zum einen Teil im Rahmen der traditionellen Sprache der architektonischen Kompostition, zum anderen Teil erfordert sie eine neue Form der Aussage und des Verstehens.

(Text auch in Russisch)

Alexander
Bouryak

Charkow
Antitraditionelles Denken

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Denken zum zentralen ideologischen Gegenstand in allen modernistischen Architekturschulen. Denken wurde praktiziert in seinen wissenschaftlichen Formen (naturalistischen, experimentellen und ingenieurwissenschaftlichen).
Und gerade die sowjetischen Neuerer - Dokucharev, Ladovsky und Ginzburg - waren diesbezüglich beseelt, die Säulen des Hercules zu erklimmen, indem sie alle kreativen Prozesse dem wissenschaftlich- methodischen Schema unterordneten und die kreative Intuition und professionelle Tradition zurückzudrängen - inclusive aller ihrer Kunsterfahrung und kulturellen Symbole.
Die methodologischen Konsequenz davon war einerseits fundamentaler Antitraditionalismus, der die völlige Herausnahme der Geschichtsbetrachtung der Kunst und Architektur aus den Bildungsprogrammen darstellte, und anderseits offene Forschung, die zum ersten Mal als der Hauptregulator von Lernen und pädagogischer Arbeit gewürdigt wurde. Forschung war durch nichts begrenzt, außer daß sie "korrekt", d. h. ingenieur-wissenschaftlich betrieben werden mußte.

(Text in Englisch)

(Text auch in Russisch)

Thomas Y.
Levin

Princeton
Geopolitik der Überwinterung:
Urbanismus und die Situationistische Internationale
  Heft 1, Mai 1997
Klaus
Kornwachs


Cottbus
Zur Programmierung des Bauens

Mein Beitrag versteht sich als Gesprächsangebot an die Kolleginnen und Kollegen aus der Architektur, da ich selbst, außer dem Erleiden bestimmter Architekturen und der Erfahrung einiger Umbauten auf diesem Gebiet, als ideal-naiver Benutzer des umbauten Raumes angesehen werden kann.

  Heft 1, Oktober 1996
Hans
Friesen


Cottbus
Autonomie und Öffentlichkeit in der Kunst

Der Künstler des Modernismus hatte sich von der Tradition gelöst, deren Wesen sich in der Darstellung der Welt äußerte. Die bildhafte Darstellung diente nicht mehr den repräsentativen Zielen, sondern erlangte die Bedeutung der Autonomie. Damit vereinsamte jedoch der Künstler des Modernismus, d. h. seine Verschränkung mit Gesellschaft und Welt wurde aufgehoben. Der postmoderne Künstler der 80er Jahre versuchte erneut, sich den Traditionen und damit der öffentlichen Welt zuzuwenden.

(Text in Russisch)

Achim
Hahn


Bernburg
Zur Pragmatik des Wohnens

Im Aufsatz wird die These vertreten, daß die Wirklichkeit des Wohnens durch sprachliche Konzeptionen gefaßt wird, die mit der aktuellen sozialen Lage der Menschen verknüpft sind. Was die Menschen im Nahbereich des Wohnens seit der "Wende" erfahren, ist das Umschlagen von Vertrautem in Nichtvertrautes. Dies kann sich z.B. in der Verwendung von vertrauten Worten in unvertrauter Weise zeigen. Dieser ungewöhnliche Gebrauch weist zugleich hin auf ein Umorientierungsgeschehen in der Lebensführung, insofern routinemäßige soziale Beziehungen durch nicht routinemäßige ersetzt werden.

(Text in Deutsch)