Zum
Interpretieren von Architektur Konkrete Interpretationen 13. Jg., Heft 1,Mai 2009 |
___Ulrike
Sturm Cottbus |
‚Against Interpretation‘ oder eine Begegnung mit dem Bauhausgebäude in Dessau |
Als Susan
Sontag in den 1960er Jahren mit ihrem Aufsatz „Against Interpretation“ Aufsehen
erregte, zog sie gegen eine Haltung zu Felde, die ihres Erachtens dem Kunstwerk
seine Lebendigkeit und damit die Fähigkeit zu bewegen raubte. Im Blick hatte
sie dabei vor allem die Literaturkritik, aber auch die Kritik bildender
Kunst, die sie als Instrument des Übersetzens von ambivalenten und vor allem
sinnlichen Gebilden in einen Übertext sah, der das Kunstwerk auf einen verstehbaren
Inhalt reduzierte. Sie plädierte für einen anderen Umgang mit Kunstwerken,
eine Art sympathetischer Beschreibung anstelle einer Übersetzung in verständnisfähige
Inhalte. „The function of [art] criticism should be to show how it is what it is, even that it is what it is, rather than to show what it means.“ (Sontag, 1967, 14) Anlog zur Literatur- und Kunstkritik, nicht allein der 60er Jahre, wie Susan Sontag sie im Visier hatte, deutet auch die Architekturkritik ihren Gegenstand vielfach als Träger von Bedeutungen. Oft genug wird durch diese Art der Architekturinterpretation das Gebäude so, wie es ist und wie es erlebt wird, geradezu verdeckt. Der Architekturtheoretiker Juhani Pallasmaa diagnostiziert gegenwärtig einen „architektonischen Autismus“ bei den Architekten selbst, der zur Verselbständigung eines intellektuellen Diskurses über das Gebaute führe: “The current over-emphasis on the intellectual and conceptual dimensions of architecture further contributes to the disappearance of the physical, sensual and embodied essence of architecture. Contemporary architecture posing as the avant-garde is often more engaged with the architectural discourse itself and mapping the possible marginal territories of the art, than responding to human existential questions. This reductive focus gives rise to a sense of architectural autism.” (Pallasmaa, 1996, 22) Die Qualität eines Gebäudes
wird häufig von Kritikern wie von den Architekten selbst nicht nach seinen
primären Gebäudeeigenschaften, über die noch zu sprechen sein wird, sondern
nach seinem Symbolwert in einem bedeutungs-orientierten Diskurs bemessen. „Der Bauhauskomplex war ein Zusammenspiel von Kuben, die einander gegenübergestellt wurden, Kuben verschiedener Größe, Material and Lage. Das Ziel war nicht, sie im Boden zu verankern, sondern sie gleichsam über dem Grund schweben zu lassen. Das war der Anlaß für die flügelähnlichen Verbindungsbrücken und die großzügige Verwendung von Glas. Glas wurde wegen seiner entmaterialisierenden Qualität verwendet. [...] Diese Kuben wurden einander gegenübergestellt und miteinander in Beziehung gesetzt. Tatsächlich durchdrangen sie einander so subtil und eng, dass die Grenzen der verschiedenen Volumen nicht mehr scharf voneinander geschieden werden konnten.“ (Giedion, 1992, 313) Das Bauhaus wird hier als Verschmelzung unterschiedlicher Kuben interpretiert, die, so die Kernaussage, nicht lasten, sondern schweben. Architektonische Elemente wie Brückenbauten und das für die Schaufassade des Werkstattgebäudes vorwiegend verwendete Material Glas dienen nach Giedion dazu, den Eindruck des Schwebens hervorzubringen. Die kubische Komposition aus drei Hauptbaukörpern und ihren Verbindungstrakten führt zu einem Gebäude, das als statisches Gebilde die Bewegung im Raum symbolisiert. Diese Eigenschaft zeitigt, so Giedion, neue Betrachtungsformen. So heißt es im Anschluss an die eben zitierte Passage: „Die Vogelschau zeigt, wie sorgfältig jedes Element in der
einheitlichen Komposition aufging. Das Auge vermag diesen Komplex nicht
mit einem Blick zu umfassen; es ist nötig, ihn von allen Seiten her zu
umschreiten und ihn von oben sowie von unten zu betrachten. Dieses ergab
neue Dimensionen für die künstlerische Imagination, eine vorher unbekannte
Vielseitigkeit. Die Idee, das Gebäude müsse zunächst umgangen werden, um sich zu „erschließen“, ist komplexer als sie zunächst anmutet. Bewegung lässt sich als Bestandteil zweier unterschiedlicher Haltungen zur Architektur begreifen, zum einen derjenigen des Architekturkritikers oder -theoretikers, der das Prinzip des Gebäudes verstehen soll, zum anderen derjenigen des Architekturbenutzers, der das Gebäude gewissermaßen aus der Bewegung heraus wahrnimmt. Bei Gropius selbst finden sich Belege für beide Sichtweisen. In seiner Publikation über die Bauhaus-Gebäude in Dessau (1930) untertitelt er den Lageplan der Gesamtanlage, der nach einer Serie von Luftbildern gezeigt wird, mit folgenden Worten: „der typische bau der renaissance, des barock zeigt die
symmetrische fassade, auf deren mittelachse der zuweg führt. das bild,
das sich dem nahenden beschauer bietet, ist flächig, zweidimensional. Die Sicht des Architekturtheoretikers,
dem es bei der Betrachtung des Gebäudes darum geht, „seine körperlichkeit
und die funktion seiner glieder zu erfassen“, wird als angemessene
Haltung gegenüber Architektur betont. Dennoch ist zunächst von einem „nahenden
Beschauer“ die Rede, der andere Interessen verfolgen mag. Ohne auf die
wenig treffende Deutung von Renaissance- oder Barockarchitektur durch
Gropius näher eingehen zu wollen,[3]
stellt sich die Frage, was sich seit der Renaissance für den „nahenden
Beschauer“ verändert hat. Derjenige, der auf eine axial-symmetrischen
Anlage, sei es der Renaissance oder des Barock, auf den mittig platzierten
Haupteingang zuschreitet, kann, so die Grundaussage von Gropius, bereits
aus der Ferne die Anordnung der Anlage und ihre Grundidee erkennen. Dies
ist beim Bauhausgebäude nicht möglich. Die Wirkung des Ensembles verändert
sich je nach Stand- (oder Schreit-) punkt des Betrachters. „Dem ‚dynamisch-exzentrischen‘ Prinzip entsprechend, erscheint das Bauhaus-Gebäude nur in der Bewegung in seiner ‚Harmonie‘ erfassbar – in der fotographischen Reproduktion wird seine ‚Idee‘ wohl am ehesten mit einer Ansicht aus der Vogelschau zum Ausdruck gebracht. Aus diesem Blickwinkel erscheint das Gebäude fast wie ein Propeller, dessen ungleiche Flügel eben in der Bewegung inne hielten.“ Am Ende dieser Beschreibung wird die Perspektive ganz auf den „Besucher“ in architekturtheoretischer Absicht verengt: „Etwas schwerer als der gedachte Pilot hat es da der tatsächliche Besucher, dem sich das Gebäude erst in der Umgehung erschließt.“ (Grohn, 1991, 34) Für die Absicht, das Gebäude schlicht aufsuchen zu wollen, ist gedanklich kein Raum mehr. Tatsächlich haben es die Nutzer des Bauhausgebäudes weit weniger schwer, und dafür hat der Architekt Gropius wohlweislich gesorgt, der nicht allein ein Symbol sondern vor allem auch ein brauchbares Gebäude schaffen wollte. In einer Reflexion über das Verhältnis von Architektur und Bild im Vorwort des Buches von 1930 lesen sich seine Überlegungen zur Dreidimensionalität des Gebäudes entsprechend anders. „die mittel der darstellung von bauten in einem buch sind sehr beschränkt. die fotografie vermag das erlebnis des raumes nicht wiederzugeben. die wahren maßverhältnisse eines raumes oder eines baukörpers im verhältnis zu unserer feststehenden, absoluten körpergröße erzeugen vor dem bauwerk selbst im beschauer erregende spannungen, die das verkleinerte flächenabbild überhaupt nicht zu vermitteln vermag. Schließlich sind masse und raum auch gehäuse und hintergrund für das leben selbst, dem sie dienen sollen, – die bewegungsvorgänge, die sich in ihnen abspielen, sind nur in übertragenem sinne darstellbar. ich glaubte, das wesentliche dieser bauten, die ordnung der sich in ihnen abspielenden lebensfunktionen und den daraus resultierenden räumlichen ausdruck, aus allen diesen gründen nur dadurch wiedergeben zu können, dass ich den leser nacheinander an zahlreichen bildausschnitten vorüberführe, um ihm durch diesen wechsel der sichten die illusion des gedachten räumlichen ablaufs zu vermitteln.“ (Gropius, 1930, 11) Es geht Gropius also
wesentlich um einen Bewegungsablauf, der dem Leben im Bauhaus entspricht,
und nicht ausschließlich um eine architekturtheoretische Besichtigungstour.
Das Wechselverhältnis von Raum, Baukörper und „Beschauer“, das Gropius
bei der Renaissance- und Barockarchitektur nicht gelten lassen wollte,
bestimmt dabei die Wahrnehmung des Gebäudekomplexes.[4] „Der Hauptakzent des Komplexes liegt auf dem Bauhaus selbst mit seinen berühmten Glaswänden. Es enthält Werkstätten, Hörsäle und Ausstellungsräume, die zum Teil kombiniert werden können. Das Atelierhaus für Studenten, Prellerhaus genannt, umfaßt 28 Zimmer, die, auf sechs Stockwerke verteilt, in einem höheren Block zusammengefasst werden. [...] Brückenartig erfolgte die Verbindung mit dem Hauptbau, dem eigentlichen Bauhaus, durch einen einstöckigen, auf Pfeiler gestellten Querbau, der Kantine, Bühne und Aula enthielt und in das Vestibül des Hauptbaues mündete. [...] Eine Passerelle mit Verwaltungsräumen stellte die Verbindung mit der im rechten Winkel abgebogenen Fortbildungsschule her.“ (Giedion, 1992, 310; Hervorhebungen U.S.) Abgesehen von der Fehldeutung des Aulagebäudes als Brücke geht Giedions Beschreibung über eine Auflistung der Bauelemente, wie sie auch Gropius gegeben hat, hinaus, wenn er fortfährt: „Dadurch entstand jener merkwürdige, in verschiedenen Höhenlagen sich durchdringende Komplex, der aus zwei sich überschneidenden L-förmigen Gruppen besteht. Durch Passagen und Pfeiler wurde dem Komplex die Schwere genommen (praktischer Grund: kurze, zeitsparende Verkehrswege). Die Glaswände des Bauhauses geben dieser Tendenz das Relief.“ (Giedion, 1992, 311) Um die Komposition der
Körper zu beschreiben, genügt in der Tat die Liste der Bauelemente nicht.
Giedion gelingt hier jedoch keine klare geometrische Beschreibung, denn
das Bauhausgebäude besteht keineswegs aus „zwei sich überschneidenden
L-förmigen Gruppen“. Möglicherweise war die strukturelle Beschreibung
an dieser Stelle auch nicht das Ziel, denn Giedion geht nahtlos zur symbolischen
Deutung der – unklar gebliebenen – Form über. „Das Gebäude besteht aus drei L-förmigen Flügeln, worin jeweils verschiedene Funktionen konzentriert sind – dem Flügel mit den ‚Laboratoriumswerkstätten‘, dem Atelierhaus mit Mensa und Bühne und der ‚Brücke‘, verbunden mit dem Trakt für die gewerbliche Berufsschule der Stadt. Diese ‚Glieder‘, wie Gropius sie nennt, erstrecken sich in drei Richtungen und fügen sich additiv zum Gebäudekomplex.“ (Hilpert, 1999, 15) Hilpert untersucht den
Gebäudekomplex auch nach seinen Proportionen und kommt zu dem Schluss,
dass die Grundanlage den Maßverhältnissen des Goldenen Schnitts entspricht.[6]
So liefert eine genaue strukturelle Betrachtung weitaus mehr zu Tage als
schwebende Körper und ein semi-transparentes Glasrelief.[7] „Das Bauhaus ist nicht abzubilden. Man hat seit seiner Erbauung
(1925-26) dieses Gebäude mehr abgebildet als die meisten anderen, sogar
in dieser die Architekturfotografie liebenden Epoche. Wir alle haben es
auswendig gekannt und anerkannt oder abgelehnt. Und dann kommt einer als
uralter Mann endlich nach Dessau – und erblickt das Bauhaus zum ersten
Male.“ (Posener, 1995, 171) |
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Abbildung 1: Lageplan Bauhausgebäude Dessau |
Beginnen
wir mit einem Selbstversuch: ich besuche das Bauhausgebäude zum ersten Mal.
Woher komme ich? Wie gehe ich darauf zu? In den 1920er Jahren lag der Bahnhof
von Dessau an anderer Stelle. Davon ausgehend, dass damals die Anreise per
Bahn üblicher war als mit dem Auto oder dem Flugzeug, sieht der Besucher,
vom Bahnhof kommend, das Gebäude zunächst von Süden. (Abbildung 1) Aus diesem Grund befindet sich an dieser Fassade in großen Lettern der Name der Institution. Die Bauhausecke, deren Einzelelemente so komponiert sind, dass bei Sonne sich die Schrift im Schatten verdoppelt, ist ein Nebenausgang des Werkstattflügels. Läge es nicht nahe, als Besucher auf diesen Ausgang zuzugehen, um das Gebäude zu betreten? Wohl kaum. Zwar ist der Eingang mit Vordach und Treppenstufen deutlich als solcher zu erkennen, doch ebenso deutlich sehe ich, dass er in ein Treppenhaus führt. Die opake Tür öffnet sich dem Besucher nicht, der Treppenblock lässt keinen Empfangsbereich vermuten. |
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Abbildung 2: Bauhausgebäude, Südansicht |
Was ich
sehe, ist ein Gebäudekomplex – einfach Gebäude zu sagen, wäre verkürzt –,
der sich aus verschiedenen Teilen zusammensetzt, aber keinerlei Zweifel
aufkommen lässt, wohin ich mich wenden muss. (Abbildung 2) Vor mir liegt
das Treppenhaus als Träger der Schrift, rechter Hand, angebunden durch einen
Flachbau der Turm des Ateliergebäudes, geradezu, vor mir die Glasfassade
des Werkstattgebäudes und, sich ein wenig weiter zur Straße vorschiebend,
der Gebäudetrakt der Fachschule mit einer weißen Wand. Zwischen Werkstatt
und Fachschule deutet sich bereits ein „Hohlraum“ an, eine räumliche Figur,
die mir zeigt, wohin ich mich wenden muss: nicht der kleine Treppenturm
mit Vordach an der Bauhausecke ist es, der den Eingang anzeigt, sondern
vielmehr der asymmetrische Vorhof, der von dieser Stelle aus bereits zu
ahnen ist. Wohl kaum einer der Besucher des Bauhauses dürfte sich deshalb
in den Nebeneingang verirrt haben, trotz der großen Schrift. Zwischen dem ersten „schriftlichen“ Auftreten des Bauhauses und dem „Vorhof“ erstreckt sich die Glasfassade des Werkstattflügels, die einen Einblick in das Leben „dahinter“ zulässt. Die Durchsichtigkeit nach innen hängt jedoch ganz von den Lichtverhältnissen ab, sie ist insbesondere nachts bei voller Beleuchtung eindrücklich. Tagsüber, wenn das Licht changiert, wechseln Einblicke mit den Spiegelungen des Lichts. Der fulminante Eindruck, den diese changierende Transparenz als neue Bauform gemacht hat, ist von ersten Besuchern beschrieben worden.[8] Posener, offensichtlich ein Besucher bei Tag, diagnostiziert jedoch zutreffend: „Wenn man aber das berühmte Glashaus sieht, ist das erste, was auffällt, dies: wie wenig durchsichtig es wirkt. Das liegt ganz wesentlich daran, dass die durchgehenden ‚Glasflächen‘ mit einem durchgehenden engmaschigen Rahmen aus Stahl versehen sind.“ (Posener, 1995, 172) Ob mit oder ohne Einblick, den die Glasfassade zu Zeiten gewährt, der Weg in das Gebäude ist deutlich vorgegeben und ich gehe, mit neugierigen Seitenblicken an der Glasfassade entlang. Sobald ich die so häufig fotografierte Ecke des Werkstattflügels im Blick habe, sehe ich quer über den Vorhof bereits den Eingang zur Fachschule. Ich wende meine Schritte also nach rechts zu den Eingängen. |
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Abbildung 3: Nordwestecke des Werkstattbaus mit Blick auf den Eingang zu den "Technischen Lehranstalten" Abbildung 4: Der "Vorhof" am Tag der Eröffnung Abbildung 5: Haupteingang Abbildung 6: Vestibül mit den Türen zur Aula Abbildung 7: Der Verbindungsgang im Brückengebäude Abbildung 8: Arbeitszimmer des Direktors Abbildung 9: Bauhausgebäude, Webereiwerkstatt Abbildung 10: Haupttreppenhaus |
Der Vorhof,
den ich jetzt betrete, ist eine Art „Pseudo-Ehrenhof“, der dennoch diesen
Namen verdient. (Abbildung 3) Im Gegensatz zu seinen berühmten Vorgängern
an barocken Palais’ und Gebäuden in ihrer Nachfolge ist dieser Ehrenhof
nicht dreiseitig geschlossen und er ist auch nicht symmetrisch. Vor mir
befindet sich nicht der Haupteingang, sondern die Verbindungsbrücke, unter
der die Straße hindurchführt und unter der ich hindurch sehen kann. Den
weiteren Verlauf der Straße zur Kenntnis nehmend, sehe ich anschließend
zur Brücke hinauf, eine unwillkürliche Reverenz an die Bauhausleitung und
die Architekturabteilung, die dort ihren Sitz haben. Im Gegensatz zu den
Bauhausschülern, deren Tun ich durch die Werkstattfassade hätte erahnen
können, zeigt sich die Direktion jedoch nicht: ich sehe nur auf den Gang,
der hier als Vorraum dient. Mein Verhalten wird zu einer Art visuellen Antichambrierens. Rechts und links der Brücke sehe ich zwei Eingänge, unter der Brücke hindurch einen weiteren zu Mensa- und Ateliergebäude, der sich durch die vorgelagerte Freitreppe unmissverständlich als öffentlicher Eingang zu erkennen gibt. (Abbildung 4) Die räumliche Rahmung des Hofes lässt mich jedoch nicht daran zweifeln, dass sich hier die Haupteingänge befinden. Wären die beiden Seiten gleich, bliebe mir nur die Orientierung an der Beschriftung, die mir hier auch, wie ich es aufgrund der Lage des Werkstattflügels erwarte, rechts den Eingang zum Bauhaus anzeigt. Aber auch die architektonische Gestaltung hierarchisiert die beiden Eingänge. Formal sind diese gleich gestaltet: ein durchgehendes Treppenhausfenster mit kleinen Profilen reicht bis an ein leicht vorgezogenes Dachgesims heran. Ein Vordach auf vier Pfeilern – zwei schmaleren seitlichen und zwei nach vorne tretenden breiteren in der Mitte – und ein kleiner Sockel, der über drei Stufen erreichbar ist, bilden einen äußeren Vorraum. Stellung und Breite der Pfeiler betonen den mittleren Durchgang.[9] Die Flügeltür in der Mitte ist klar zu sehen. Wie aber drückt sich dann die Hierarchie zwischen den Eingängen zum Bauhaus und zur Berufsfachschule aus? Da die Glasfassade des Werkstattgebäudes über den Sockel auskragt, wirkt der Haupteingang zum Bauhaus – der sich in der Flucht des Sockels befindet – zurückgesetzt. Es ist diese Wirkung des Rücksprungs, welches die Eingangselemente (Vordach, Stützen, Sockel) eindrücklicher macht als den Eingang zur Schule auf der gegenüberliegenden Seite. Dort liegt der helle Hauptbau auf dem dunklen Sockel auf, der Eingang befindet sich in der gleichen Ebene. Die Sockelgeschosse, so sei nebenbei bemerkt, treten durch ihren dunklen Anstrich optisch in den Hintergrund und werden zunächst kaum wahrgenommen.[10] (Abbildung 5) Einmal im Gebäude, bieten sich mir zwei Möglichkeiten: ich kann die Treppe nach oben oder einen der Treppenläufe nach unten wählen. Die Wahl wird mir vorgegeben durch den mittigen Zugang, der mich direkt auf die Treppe nach oben leitet. Nach einem Halbgeschoss erreiche ich durch eine Flügeltür das Vestibül mit seinem großen Schaufenster mit Blick auf die Rückfassade des Werkstattflügels. Linkerhand sind die Eingänge zur Aula als wichtigste Zugänge klar erkennbar. Die Wendung zur Aula wird durch die Fußbodengestaltung und die Beleuchtungskörper noch unterstützt. Bei den Zugängen zum Werkstattflügel handelt es sich um Seitentüren, die rechts der Treppe und des großen Fensters liegen. Die unmittelbar an die Werkstätten grenzende Wand ist geschlossen. Gegenüber den Flügeltüren zur Aula sind die Zugänge zu den Arbeitsbereichen des Bauhauses zurückhaltend gestaltet, eine Verwechslung ausgeschlossen. Der offizielle Besucher wird in die Aula geführt. (Abbildung 6) Im zweiten wie auch im dritten Stockwerk befindet sich links neben der Treppe der Zugang zur Verbindungsbrücke. Der Weg zum Bauhausdirektor führt über einen schmalen Gang, der durch seine Fenstergestaltung und die offenen Träger an der Decke das Tragverhalten der Konstruktion anzeigt und dadurch gleichzeitig den Gang gliedert.[11] (Abbildung 7) Nach diesem „Lehrpfad“ erreicht man das – trotz aller Abneigung gegen überkommene Repräsentationsgesten – mittig gelegene Direktorenzimmer, das in seiner Deckengestaltung den Platz des Direktors markiert. Die Decke über dem Arbeitsplatz ist erhöht und von innen erleuchtet: Der Direktor sitzt hier nicht auf einem Sockel, sondern unter einem modernen Licht-Baldachin. (Abbildung 8) Den Eindruck der Werkstätten hat Julius Posener eindrücklich beschrieben. „Diese Räume werden von den konstruktiven Betonrahmen beherrscht, die in ihnen einander folgen. Die Rahmen sind so: in der Mitte des Raumes steht eine Stütze – der Raum ist sehr weit –, und die beiden Seitenstützen stehen vor den gläsernen Außenwänden. Um diese – und die Raumdecke – zu halten, muß der Rahmen oben eine Auskragung haben, die bis zur Außenwand reicht. Diese Auskragung wird nicht nur gezeigt, sie wird betont. Der Rahmen ist überhaupt das Element in diesen Räumen, nicht die Außenwand.“ (Posener, 1995, 172)
Der Haupteindruck, den diese Werkstättenräume hinterlassen,
ist derjenige einer großen Raumtiefe. Tragkonstruktion und Glasfassade
sind die statischen bzw. licht-technischen Elemente, welche die große
Raumtiefe ermöglichen.[12]
Der Blick nach außen ist demgegenüber zunächst sekundär. Allein in den
Eckräumen – dem Ausstellungsraum und dem Lehrsaal für den Vorkurs – tritt
die Fassade stärker in Erscheinung. (Abbildung 9) „Die Raumaufteilung ist im Grunde einfach, und man kommt immer wieder auf die Treppe, die Dielen, die Gänge zurück. Man versteht, warum Schlemmers Gruppenbild zugleich ein Bild dieser Treppe ist: jawohl, sie ist das Kernstück des Bauhauses.“ (Posener 1995, 173)
Die Treppe als Ort der Architekturinszenierung zu deuten,
setzt einige Grundeigenschaften voraus, die selten erwähnt werden: aufgrund
ihrer zentralen Lage und Funktion wurde die Treppe von vielen Leuten gleichzeitig
genutzt. Dimensionierung und Gestaltung führen dazu, dass die Treppe nicht
nur ein Mittel zum Zweck, d.h. die kürzeste Verbindung von A nach B, ist.
Der Gesamteindruck hängt von Details der Gestaltung ab, insbesondere von
der Entscheidung, alle horizontalen Flächen der Treppe, einschließlich
der Sockelleisten, dunkel zu gestalten, alle vertikalen Elemente hell.
Der dunkle Handlauf verbindet sich farblich mit den Abdeckplatten der
Brüstung. Die Trittstufen sind dunkel, die Setzstufen hingegen bleiben
weiß.[14]
Als Effekt stellt sich eine Art körperlicher Zuordnung ein. Dunkel sind
die Flächen und Elemente, die ich berühre, hell bleibt alles, woran ich
vorbeigehe. Die Treppe ist als solche sofort verständlich und lässt mir
die Möglichkeit, beim Hinaufgehen aus dem Fenster zu schauen, ohne zu
stolpern. Erst dadurch kann sie zur „Bühne“ werden. Karin Wilhelm schildert
eindrücklich, wie auf der Treppe die Architektur des Gebäudes selbst in
Szene gesetzt wird.[15]
(Abbildung 10) „den schöpferisch arbeitenden architekten interessiert es in erster linie, neue funktionen aufzudecken und sie technisch und gestalterisch zu bewältigen. entscheidend für die beurteilung eines bauwerkes bleibt die feststellung, ob der architekt und ingenieur mit einem geringsten aufwand an zeit und material ein instrument geschaffen hat, das funktioniert, d.h. das dem geforderten lebenszweck vollendet dient, wobei diesem lebenszweck sowohl seelische wie materielle forderungen zugrunde liegen können.“ (Gropius, 1930, 83) Funktion und Wirkung
gehören bei dem so verstandenen Dienst am Lebenszweck untrennbar zusammen,
denn nur, wenn ein Gebäude und seine Teile auch ganz praktisch vermitteln,
wozu sie gut sind, ist die Architektur gelungen. „[...] dass ein Gebäude, welches, vergessen wir das nicht,
durchaus eigenwillige Architektur ist, dadurch, dass es sich selbst ständig
erklärt, eine uns beruhigende Wirkung hat, das, meine ich, geht uns an;
das ist Ziel einer jeden Architektur fürs Leben. Und dass der Sinn dafür
zusehends geringer wird, macht die Begegnung mit dem Bauhaus so wichtig.“
(Posener, 1995, 173) Literatur:
Behne Adolf (1926): Der moderne Zweckbau. Wien, Berlin: Drei Masken Verlag [Reprint: Berlin [u.a.]: Ullstein, 1964 (Bauwelt Fundamente 10)] Behrendt, Walter Curt (1927): Der Sieg des neuen Baustils. Stuttgart: Wedekind. Platz, Gustav Adolf (1927): Die Baukunst der neuesten Zeit. Berlin: Propyläen-Verlag Giedion, Sigfried (1928): Bauen in Frankreich. Bauen in Eisen. Bauen in Eisenbeton. Leipzig: Klinkhardt & Biermann Gropius, Walter (1930): Bauhausbauten Dessau. Fulda: Parzeller & Co. [Reprint: Mainz und Berlin: Florian Kupferberg, 1974] Hitchcock, Henry-Russell, Johnson, Philip (1932): The International Style. Architecture since 1922. New York: W. W. Norton & Company Pevsner, Nicolaus (1937): Pioneers of the Modern Movement from William Morris to Walter Gropius. New York: Frederick A. Stokes Giedion, Sigfried (1941): Space, Time, Architecture. The Growth of a New Tradition. Cambrigde: Harvard University Press Giedion, Sigfried [1945] (1992): Raum, Zeit, Architektur. Die Entstehung einer neuen Tradition, 5. Auflage, Zürich, München, London: Artemis Sontag, Susan (1967): „Against Interpretation“ In: S. Sontag, Against Interpretation and other Essays, London: Eyre & Spottiswoode, S. 3-14 Rowe, Collin; Slutzky, Robert (1968): Transparenz. Basel [u.a.]: Birkhäuser Nerdinger, Winfried (1985): Walter Gropius. Ausstellungskatalog Bauhaus-Archiv. Berlin: Gebrüder Mann Norberg-Schulz, Christian (1988): Architecture: Meaning and Place. New York: Rizzoli International Publications Thies, Harmen (1989): „Glasecken“ In: Daidalos 33, S. 110-119 Grohn, Christian (1991): Die „Bauhaus-Idee“: Entwurf – Weiterführung – Rezeption. Berlin: Gebrüder Mann Conrads, Ulrich [u.a.], (1994): Die Bauhausdebatte. Dokumente einer verdrängten Kontroverse. Wiesbaden: Vieweg (Bauwelt Fundamente 100) Posener, Julius (1995): „Ein Besuch im Bauhaus Dessau“ In: J. Posener, Was Architektur sein kann. Neuere Aufsätze. Basel [u.a.]: Birkhäuser, S. 171-173 Pallasmaa, Juhani (1996): The Eyes of the Skin. Architecture and the Senses. London: Wiley & Sons Engelmann, Christine; Schädlich, Christian (1998): Die Bauhausbauten in Dessau. 2. bearb. Aufl., Berlin: Verlag für Bauwesen Stiftung Bauhaus Dessau, Kentgens-Craig, Margret (Hrsg.) (1998): Das Bauhausgebäude in Dessau 1926-1999. Basel; Berlin; Boston: Birkhäuser Hilpert, Thilo (1999): Walter Gropius – Das Bauhaus in Dessau. Von der Idee zur Gestalt. Frankfurt/Main: Fischer Müller, Ulrich (2004): Raum, Bewegung und Zeit im Werk von Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe. Berlin: Akademie-Verlag Rehm, Robin (2005): Das Bauhausgebäude in Dessau. Die ästhetischen Kategorien Zweck Form Inhalt. Berlin: Gebrüder Mann Thöner, Wolfgang (2005): Das Bauhaus leuchtet: die Dessauer Bauhausbauten im Licht. Leipzig: Seemann Droste, Magdalena (2006): Das Bauhaus. 1919-1933. Reform und Avantgarde. Köln: Taschen Prigge,
Walter (2006) (Hrsg.), Ikone der Moderne. Das Bauhausgebäude in Dessau.
Berlin: jovis (edition bauhaus 24)
[1] Siehe Behne (1926), Platz (1927), Behrendt (1927), Giedion (1928), Hitchcock; Johnson (1932) und Pevsner (1937). [2] Siehe Thöner, Wolfgang: „Lesarten“ In: Prigge (2006), S. 12-17 und Thöner, Wolfgang (1998): „Symbol einer Hoffnung oder eines Scheiterns? – Das Bauhausgebäude in der Literatur“ In: Stiftung Bauhaus Dessau (1998), S. 123-133. [3] Die Beschreibung von Bauformen der Renaissance oder des Barock durch Gropius als flächig ist alles andere als zutreffend und ihrerseits eher dem Abbild dieser Architektur als ihr selbst abgeschaut. Gropius betont, dass bei einem repräsentativen Ensemble der Renaissance oder des Barock der Hauptzugang mittig liegt und der „sich nahende Beschauer“, der sich auf der Mittelachse auf die Anlage zu bewegt, die Zuordnungen der Baukörper schon von weitem erfassen kann. Was sich jedoch auf diesem Weg erheblich ändert – und von Gropius unterschlagen wird –, ist das Verhältnis der Baukörper zum Betrachter. Mit den sich ändernden Dimensionen verändert sich der gesamte räumliche Eindruck des Ensembles. Auch wenn aufgrund der symmetrischen Anordnung die Idee der Anlage für den Besucher bereits aus der Ferne erfassbar scheint, entsteht auf dem Weg ein sich verändernder räumlicher, und d.h. dreidimensionaler und keineswegs flächiger Eindruck. [4] In seiner Untersuchung zur Ästhetik des Bauhausgebäudes zeigt Robin Rehm auf, in welcher Tradition die Idee der Bewegung als Form der Raumerfassung steht. Er nimmt dabei insbesondere auf August Schmarsow und Hermann Sörgel Bezug. Siehe Rehm, 2005, S.104 ff.
[5]
„der gesamte baukomplex besteht aus drei teilen:
[6]
„Für die Komposition des asymmetrischen Grundrisses des Komplexes
hat Gropius ein klassisches Proportionssystem benutzt, den Goldenen
Schnitt, dessen Verwendung allenfalls von den Entwürfen Le Corbusiers
bekannt ist. Aber Le Corbusier war kein Ausnahmenfall; selbst im kompositorischen
Grundgerüst von Schlemmers ‚Bauhaustreppe‘ läßt sich der Goldene Schnitt
nachweisen. [7] Zur Diskussion des Begriffs der Transparenz und der Transparenz des Werkstattbaus in Dessau siehe Rowe, Colin; Slutzky, Robert (1968) und die Erwiderung von Harmen Thies in Thies (1989). [8] Siehe beispielsweise den Bericht „Das neue Bauhaus“ von Nelly Schwalacher im Abendblatt der Frankfurter Zeitung vom 31.10.1927: „Ich komme im Morgengrauen in Dessau an. Über der Stadt liegt Nebel. Hier und dort dringen unsichere Lichtscheine durch die feuchte Luft. Aber von drüben zeiht ein strahlender Lichtkegel das Auge auf sich. Ein Riesenlichtkubus: das neue Gebäude des Bauhauses. Später, bei heller Sonne und blauem Himmel, wirkt das Gebäude noch immer als Konzentrationspunkt allen Lichtes, aller Helle. Glas, Glas und dort, wo Wände aufsteigen, strahlen sie ihre blendende weiße Farbe aus. Ich habe noch nie einen solchen Lichtreflektor gesehen. Und die Schwere der Wände hebt sich in diesen beiden Faktoren auf, an den hohen Glasmauern, die unverbrämt die leichten Eisenkonstruktionen des Gebäudes zeigen, und in der ausstrahlenden weißen Farbe [...]. Einen besonderen, fast unvergeßlichen Eindruck bietet das Riesengebäude bei Nacht, wenn wie am Tage der Einweihung sämtliche Räume beleuchtet waren und so einen Lichtwürfel bildeten, der durch und durch sichtbar an seinen Außenseiten durch die Eisenkonstruktionen quadriert und gefasst wurde.“ (zitiert nach Droste, 2006, 122) [9] Diese Konstellation wird von Andreas Haus und anderen als klassizistische Geste interpretiert. Der Eingang besitzt entsprechend die Würde einer Tempelfront. Siehe Haus, Andreas: „Fotografische Aneignung“ In: Stiftung Bauhaus Dessau (1998), S. 34-38, insbes. 37. [10] Der dunkle Sockel bildet, auch wenn er nur unbewusst wahrgenommen wird, ein Gegengewicht zum schwebenden Glasbau. Ich habe keinen Moment lang das Gefühl, das Gebäude stünde nicht auf der Erde. Der Eindruck des Schwebens wird durch die „erdverbundenen“ Sockel im Zaum gehalten. Christian Norberg-Schulz hat auf die tragende Wirkung des Sockels besonders hingewiesen. Siehe Norberg-Schulz, 1988. [11] Siehe hierzu Poseners detailreiche Beschreibung in dem erwähnten Aufsatz: „Die Decke über dem Gang besteht aus schräg auskragenden Balken: die Auskragung soll betont werden. Diesen Teil der Konstruktion mag man logisch nennen: der Gang kragt aus, man soll das sehen. Daß aber das durchgehende Fenster des Ganges nicht ein durchgehendes Fenster ist, sondern aus zwei weniger breiten, aber tieferen Fenstern an den Seiten und einem breiten – und weniger tiefen – Mittelfenster besteht, und dass die Seitenfenster weiter außen liegen als das breite Mittelfenster, das sieht man wirklich erst, wenn man den Gang betritt; von außen ist das wenig sichtbar. Innen allerdings ist die Wirkung so stark, dass man in den Gang – oder die Gänge – immer wieder hineingeht. Gänge sind ja immer schwierig. Diese hier sind ganz gelungen, auf künstliche Art, wie ich zugebe. [...]“ (Posener, 1995, 172) [12] Die wärmetechnischen Mängel der Glasfassade werden sowohl von Posener als auch von zahlreichen anderen Autoren thematisiert. Siehe hierzu beispielsweise Nerdinger, 1985, 74. [13] Siehe Wilhelm, Karin: „Sehen – Gehen – Denken“ In: Stiftung Bauhaus Dessau (1998), S. 10-27. Wilhelm sieht die Bauhaustreppe typologisch in der Tradition des Barock: „Denn die Anlage dieser Treppenhäuser knüpfe bautypologisch an die Tradition der großen barocken Treppe an, den Ort, der die Soziologie der höfischen Gesellschaft wie kein anderer repräsentiert hat. Weit ausladend, zweihüftig und in der Form geradezu klassizistisch, wirkten die Bauhaustreppen in der Dominanz der Farben Weiß und Schwart vornehm und kühl.“ (23) [14] Wie wichtig der Umgang mit Farbe, nicht nur in der Extremvariante schwarzen und weißen Terrazzos, für das Bauhaus war, zeigen eindrücklich die Farbvorschläge von Hinnerk Scheper. Siehe hierzu u.a. Schöbe, Lutz: „Schwarz/Weiß oder Farbe?“ In: Stiftung Bauhaus Dessau (1998), S. 43-65 [15] Inszeniert wird die Architektur, wie sie in der Bewegung, d.h. also im Blick des Einzelnen, der sich durch das Gebäude bewegt, erlebt wird: „Das Sehen ereignete sich im Gehen, und mit dem Herauf- oder Herunterschreiten entstanden beständig neue Blickwinkel. Die Augen kommunizierten mit wechselnden Gegenübern, und ebenso, wie man mit den Beinen sah, ging man mit den Augen – eine promenade architecturale, die den Vorkurs tagtäglich und ganz nebenbei ergänzte. Nach und nach erschloß man sich im Gehen verschiedene Aufmerksamkeitsräume, die die kommunikative Kraft der Sinne geradezu zelebrierten.“ (Wilhelm, 1998, 23)
[16]
Entsprechend hat sich Gropius immer wieder gewehrt, als kruder Funktionalist
missverstanden zu werden. Siehe hierzu die Dokumente im Sammelband
zur Bauhaus-Debatte 1953 (Conrads, 1994). |
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