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Methodische
Argumente[2]
Die
Objektive Hermeneutik ist von Ulrich Oevermann im Zuge der soziologischen
Ausdeutung verschrifteter Tonbandprotokolle von Interviews und von familialen
Interaktionen entwickelt worden. Sie hat also ihren Ausgangspunkt zunächst
in der soziologischen Hermeneutik sprachlicher Ausdrucksgestalten. Sehr
bald schon wurde deutlich, dass sich diese Methode der Interpretation
auch auf außersprachliche Gebilde anwenden lässt. Für das methodische
Konzept sind hierbei zwei Begriffe zentral: der Begriff der Ausdrucksgestalt
und der Begriff der Sinn- bzw. der Bedeutungsstruktur. Sinnstrukturen
verkörpern sich in Ausdrucksgestalten, die sprachlich sein können oder
aber nicht-sprachlich. Die Sprachfähigkeit eröffnet nach Oevermann dem
Menschen den Zugang zu Bedeutungswelten. Hat er jenen einmal erlangt,
so vermag er Bedeutung auch in außersprachlichen Texten auszudrücken.
Der Begriff des Textes wird also entkoppelt von der Sprachlichkeit und
ausgeweitet auf jegliche Verkörperungsform der Sinnstruktur. Die Sprache
ist zwar konstitutive Voraussetzung für die Fähigkeit des Menschen, Sinnstrukturen
zu realisieren. Sprache ist also einerseits der privilegierte Zugang zur
Sinnstruktur. Die Sprachpraxis ist andererseits jedoch nicht die einzige
Form der Sinnproduktion. Nicht nur verschriftete Interaktionen können
so zum Gegenstand der Interpretation gemacht werden, sondern auch Gemälde,
Landschaften, Maschinen etc. und eben auch Architektur. Hier lässt sich
die Verbindung zwischen soziologischer Architekturanalyse und Objektiver
Hermeneutik ansetzen.[3]
Aber was besagt das Attribut objektiv? Die Objektive Hermeneutik unterscheidet
sich von anderen Auslegungsverfahren in der Annahme, dass Praxis einen
objektiven im Gegensatz zum subjektiv gemeinten Sinn (Weber) hervorbringt.
Soziales Handeln konstituiert sich also nicht – wie Weber es ausdrückt
– aufgrund des Zusammentretens von Verhalten und subjektivem Sinn, sondern
das Subjekt des Handelns ist immer schon Produzent eines objektiven Sinns.[4]
Der Bedeutungsgehalt einer Äußerung erschöpft sich nicht in dem, was dem
Handlungssubjekt bewusst zugänglich ist und von ihm kontrolliert werden
kann, sondern jede Handlung ist Ausdruck von Sinnstrukturen, die sich
unabhängig von der bewussten Auffassung des Handlungssubjekts realisieren.
Natürlich hat ein Handelnder eine Vorstellung davon, was er tut, und dieses
Bewusstsein erlaubt es ihm, überhaupt zu handeln, jedoch kommt dieses
Bewusstsein niemals ganz mit dem rekonstruierbaren objektiven Sinn seiner
Handlung zur Deckung. Immer gibt es Anteile, die der Handelnde nicht kontrollieren
kann, etwa weil er im Vollzug der Handlung keine Zeit hat, die Rekonstruktionsperspektive
einzunehmen. Sofern man in der Aktualität des Handelns unter Zeitdruck
steht, hat man gar nicht die Möglichkeit, sich den Sinn einer Äußerung
in allen Einzelheiten klar zu machen. Diesem Dilemma kann man ebenso wenig
entgehen wie der Tatsache, dass manche Ausdrucksgestalten flüchtig sind
und sich niemals vollständig protokollieren lassen.
Man könnte meinen, dass bei edierten Texten – und um solche handelt es
sich bei Kunstwerken und Architektur – subjektiver und objektiver Sinn
nicht auseinandertreten. Hier scheint doch der Autor des Sinns länger
Zeit für die Sinnproduktion zu haben. Er handelt weniger spontan als kontrolliert
und vielleicht sogar mit maximaler Überlegung. Die Differenz von objektivem
Sinn und subjektiv gemeintem Sinn wird durch diese aufwendige Praxis der
Sinnproduktion vielleicht gemildert, niemals jedoch ganz aufgehoben. Auch
hoch edierte Texte, wie eben Architektur, können einen objektiven Sinn
haben, der für den hermeneutischen Sozialforscher rekonstruierbar ist,
obwohl er dem Architekten oder anderen an dem Bau beteiligten Personen
nicht bewusst war. Letztlich ist die Frage, was dem Autor von dem objektiven
Sinn in der Produktion bewusst war, auch nachrangig, wenn man einmal anerkennt,
dass er sich in einem objektiven Sinn entäußert hat. Methodisch hat diese
Einsicht jedoch die folgenreiche Konsequenz, dass nicht primär die Äußerungen
des Autors über sein Handeln in einem konkreten Fall interessant sind,
sondern vielmehr dieses Handeln selbst in Gestalt des analysierten Protokolls,
also im Falle von Architektur die Gebäude selbst.
Allerdings reicht diese methodologische Begründung noch nicht aus, um
eine spezifisch objektiv hermeneutische Architekturanalyse von anderen
Formen der Architekturinterpretation abzugrenzen. Dazu sind noch zwei
weitere Begriffe notwendig: der angedeutete Begriff des Protokolls und
der Begriff der Sequenz. Die Voraussetzung der objektiv-hermeneutischen
Interpretation sprachlicher Ausdrucksgestalten ist das Vorliegen eines
Protokolls. Mündliche Sprache – die Urform der sprachlichen Ausdrucksgestalt
– ist flüchtig, sie muss verschriftet werden, damit man sie der Flüchtigkeit
entziehen und auf eine überprüfbare Basis Bezug nehmen kann, anhand derer
man Argumente für oder wider einzelne Lesarten entwickelt. Die Praxis
muss der zeitlichen Flüchtigkeit entzogen werden, damit sie der hermeneutischen
Interpretation zugänglich ist. Bei edierten schriftlichen Texten ist dies
kein Problem, da hier bereits eine schriftliche Gestalt vorliegt. Bei
mündlicher Sprache bietet sich der Einsatz eines Tonbandes an, das man
anschließend zu einer Verschriftung nutzen kann. Die technische Entwicklung
von Tonbandprotokollen hat überhaupt erst dazu geführt, dass man das reichhaltige
Interpretationspotential lebendiger Interaktion methodisch heben kann.
Vor der Möglichkeit der Tonbandaufnahme und ihrer Verschriftung war man
bei der hermeneutischen Auslegung von Texten entweder auf die Erinnerung
der beteiligten Personen oder aber auf die schriftliche Notation in actu
angewiesen, bei der jeweils wichtige Anteile der Ausdrucksgestalt verloren
gehen. Nun ist dieser Verlust niemals ganz zu vermeiden und auch bei Tonbandprotokollen
vorhanden, wenn auch wesentlich geringer ausgeprägt. Die Differenz zwischen
Protokoll und protokollierter Praxis bleibt unhintergehbar. Es hängt etwa
von der Fragestellung der Untersuchung ab, wie detailliert das Protokoll
sein muss. Während mündliche Interaktion erst protokolliert werden muss,
haben sich edierte Texte, wie ästhetische Ausdrucksgestalten, häufig schon
selbst protokolliert.
Ästhetische
Ausdrucksgestalten sind für die Soziologie besonders deshalb sogar privilegierte
Gegenstände – freilich nur für eine, die nicht mit standardisierten Instrumenten
an die Realität herantritt –, weil sie die Realisation eines edierten
Textes unter Bedingungen der Außersprachlichkeit sind. Es geht bei ästhetischen
Ausdrucksgestalten gerade darum, nicht einen sprachlichen Sinn zu produzieren,
sondern vielmehr einen Sinn, der primär durch die selbstgenügsame Wahrnehmung
sinnlich erfahrbar ist. Ästhetische Gegenstände haben die vor- bzw. unbewussten
Anteile einer Sinnstruktur zum Gegenstand. Diese lassen sich sprachlich
rekonstruieren mit Hilfe der objektiv hermeneutischen Auslegung der Sinngestalt.
Da edierte Texte, insbesondere Kunstwerke, eine Verdichtung aufweisen,
eröffnen sie dem Sozialforscher einen privilegierten Zugang zu sozialen
Krisenkonstellationen. Über die Werkanalyse lassen sich Strukturkonstellationen
rekonstruieren, die man über die direkte Befragung, Interviews, oder über
verschriftete Protokolle lebendiger Interaktion nur sehr vermittelt greifen
könnte, da diese Ausdrucksgestalten häufig nicht so verdichtet sind. Zudem
sind ästhetische Werke in der Regel auf ein Überdauern angelegt. Ihre
Analyse erlaubt die Rekonstruktion allgemeiner Merkmale von Krisenkonstellationen,
die in die ästhetischen Werke eingehen. Die Aufgabe der objektiv-hermeneutischen
Werkanalyse ist es, den Gehalt der „sinnlichen Erkenntnis“ (Baumgarten)
in eine begriffliche Erkenntnis zu überführen, also den objektiven Sinngehalt
zu versprachlichen. Latent ist der Sinn in ästhetischen Ausdrucksgestalten
nicht, weil er prinzipiell dem bewussten Erkennen enthoben wäre, sondern
weil die Ausdrucksgestalt als solche nicht begrifflich konstituiert ist.
Bei ästhetischen Ausdrucksgestalten der bildenden Kunst und Architektur
liegt bereits ein der zeitlichen Flüchtigkeit enthobenes Protokoll vor,
so dass diese Ausdrucksgestalten für die objektiv hermeneutische Interpretation
sogar ausgesprochen gut geeignet sind.
Es gilt nun noch zu beachten, dass die objektiv hermeneutische Interpretation
von sprachlichen Gebilden als Sequenzanalyse erfolgt. Dies hängt damit
zusammen, dass Praxis immer als eine Sequenzfolge vollzogen wird. Sequenz
bedeutet nicht einfach nur eine Kette von Elementen, sondern die Verbundenheit
dieser Elemente durch ein jeweiliges Verweisen aufeinander. Die Sequenzstelle
S1 eröffnet mögliche Anschlüsse an der Sequenzstelle S2. Eine dieser Möglichkeiten
wird an der Sequenzstelle S3 realisiert, und damit werden die anderen
Möglichkeiten ausgeschlossen. Möchte man nun die Bedeutung einer Sequenz,
z. B. eines Wortes oder eines Satzes explizieren, so muss man sich klar
machen, welche Anschlussmöglichkeiten diese Sequenz eröffnet hat, und
welche Möglichkeiten der vorausgehenden Sequenzstelle sie ausgeschlossen
hat. Die Bedeutung ergibt sich also nicht einfach abgelöst von der Sequenzstelle
als eine generalisierte Festlegung, die etwa in einem Wörterbuch expliziert
werden kann, sondern sie stellt eine Verbindung von generalisierter Explikation
und Bestimmung der Einbettung in eine Sequenzfolge dar. Objektiv ist die
Bedeutung in zweierlei Hinsicht, im Hinblick auf ihren generalisierbaren
Gehalt, der als Bedeutungsgehalt auch bei der Analyse anderer Sequenzstellen
zur Verfügung steht, und im Hinblick auf die Position in einer spezifischen
Sequenz. Was in klassischen Hermeneutiken als Kontextabhängigkeit der
Bedeutung gilt, ist also in der Methodologie der Objektiven Hermeneutik
eine der Komponenten, die dann die generalisierbare Fallstruktur ergeben.
Sprache und Musik realisieren als diachrone Ausdrucksgestalten Bedeutung
sequentiell. Inwiefern sind aber synchrone Ausdrucksgestalten einer Sequenzanalyse
zugänglich? Ästhetische Ausdrucksgestalten der bildenden Kunst und der
Architektur sind solche synchronen Ausdrucksgestalten. Was kann hier Sequenzanalyse
bedeuten? Zunächst ist festzuhalten, dass ästhetische Praxis immer auf
einen Akt der ästhetischen Wahrnehmung bezogen ist. Dieser Akt ist eine
diachrone Praxis, also sequentiell strukturiert. Die ästhetische Gestalt
kann diese diachrone Rezeptionspraxis durch Hierarchien der Aufmerksamkeit
strukturieren. Die synchrone Struktur der Ausdrucksgestalt kann selbst
bestimmte Sequenzen des Wahrnehmungsvollzugs privilegieren. Ein einfaches
Beispiel wäre hier etwa die Platzierung einer auffälligen Farbe oder Form,
die die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zieht. Insofern ist diese
Gestaltung wiederum auf eine Sequenz bezogen.
Im Falle von Architektur ist zu berücksichtigen, dass sie nicht nur zur
selbstgenügsamen Wahrnehmung da ist, wie etwa ein Gemälde, sondern in
nicht-ästhetische Praxisvollzüge eingebettet ist. Jeder Grundriss ist
die generalisierte Ausdrucksgestalt von unterschiedlichen eröffneten praktischen
Vollzügen der Bewegung durch das Gebäude. Der Grundriss ist also auf diese
verschiedenen durch ihn eröffneten Praxisvollzügen hin zu interpretieren.
So ist etwa eine wesentliche Bedeutungsdimension der Architektur die Positionierung
des Eingangs sowohl im Verhältnis zum Außenraum als auch zu der inneren
Gliederung des Gebäudes. Damit ist die entscheidende Leitdifferenz für
Architektur angesprochen, die das Zentrum der soziologischen Analyse bilden
muss: die Innen-Außen-Abgrenzung.
Im Unterschied
zu autonomen Kunstwerken wird Architektur als ästhetische Ausdrucksgestalt
nicht primär zur selbstgenügsamen Wahrnehmung realisiert, sondern sie
ist zugleich ein funktionales Instrument des Vollzuges von Praxis. Das
heißt, sie ist als ästhetisches Gebilde mit funktionalen Anforderungen
vermittelt. Die soziologisch hermeneutische Rekonstruktion des objektiven
Sinns der Architektur muss diese Differenz berücksichtigen. Die Architektur
sagt etwas darüber aus, welche Praxis sich in ihr als Innen-Außen-Abgrenzung
und Selbstrepräsentation verkörpert.
Als überdauernde Ausdrucksgestalt hat sich Architektur gleichsam bereits
selbst protokolliert. Die Analyse lässt sich am Objekt selbst vollziehen.
Allerdings gerät man dabei in ein erhebliches Darstellungsproblem. Das
als dreidimensionale Gebilde vorliegende Datenmaterial ist nur mit Hilfe
zusätzlicher Protokollierungstechniken in eine Form zu bringen, die eine
überprüfbare Darstellung der Interpretationen im Rahmen einer wissenschaftlichen
Diskussion erlaubt. Man kann nicht unterstellen, dass alle Rezipienten
Argumente am realen Gebäude überprüfen können. Dabei ist eine Abstraktion
notwendig, wobei einerseits wiederum mit einem Datenverlust zu rechnen
ist, andererseits aber auch mit einem Gewinn an Information. Ein Grundriss
abstrahiert die innere Gliederung eines Gebäudes als ganze so, wie sie
in der Realität des Gebäudes, solange es steht, nicht erfahrbar ist. Die
Darstellung des Grundrisses fügt also anderen Datenmaterialien, z. B.
Aufrisse, Fotografien etc. durchaus etwas hinzu.
Ein weiteres Kennzeichen der Sequenzanalyse ist die Einnahme einer Haltung
der künstlichen Naivität. Dies bedeutet, dass man so gut es geht Informationen,
die über den Gegenstand, den man untersucht, schon bekannt sind, bei der
Analyse des Datenmaterials zunächst außen vorlässt. Man interpretiert
also möglichst nicht auf der Basis des schon bekannten speziellen Wissens
über die im Datenmaterial ausgedrückte Praxis, sondern maximal auf der
Basis von generalisiertem Wissen. Es gibt Forschungsgegenstände, z. B.
in der Ethnologie oder Archäologie, in denen diese Unvoreingenommenheit
nicht künstlich eingenommen werden muss, da sie ohnehin besteht. Bei der
Untersuchung von Praxis der Gegenwart ist diese Distanz jedoch nicht immer
gegeben. Man weiß in der Regel wenigstens rudimentär über spezielle Zusammenhänge
bereits Bescheid. Der Grund für das Ideal der Unvoreingenommenheit besteht
darin, dass man sich mit der Orientierung an diesem Ideal maximal dazu
zwingt, die Möglichkeiten, die einer Praxis gegeben waren, auch dann noch
zu explizieren, wenn bei Kenntnis des weiteren Verlaufs oder anderen Kontextinformationen
schon gesagt werden könnte, dass sie später ausgeschlossen werden. Dies
bedeutet z. B. bei einer Gebäudeanalyse, wie der im Folgenden vorgestellten,
dass man in der Interpretation zunächst das Wissen um die Funktion des
Gebäudes (das private Wohnhaus einer Fabrikantenfamilie) ausklammert,
sondern begründete Vermutungen darüber formuliert, welche Praxis sich
in dem Gebäude beherbergen könnte. Man zwingt sich dadurch dazu, zu begründen,
aufgrund welcher Gestaltungselemente das Gebäude als Privatwohnhaus erkennbar
ist. Dadurch gewinnt man zusätzlich Generalisierungsmöglichkeiten. Man
kann vielleicht Regeln formulieren, nach denen sich Privathäuser generell
von anderen Gebäuden unterscheiden lassen. Dieses Ideal der Unvoreingenommenheit
widerspricht einer gängigen Auffassung in den Geisteswissenschaften, die
die hermeneutische Auslegung mit der Darlegung des Kontextwissens erledigt
sieht oder aber relativistisch behauptet, man könne der Voreingenommenheit
gar nicht entgehen und daher nur verschiedene Voreingenommenheiten beschreibend
gleichberechtigt nebeneinander stellen.
Nach dieser kurzen methodischen Einleitung soll im Folgenden anhand eines
Beispiels das methodische Vorgehen verdeutlicht werden.
Interpretation von „Robie House“
Wie geht man bei einem Bau wie dem um 1908 von Frank Lloyd Wright
für den Bauherrn F. C. Robie entworfenen Wohnhaus vor? Der Rahmen dieses
Aufsatzes ist zu begrenzt, um das oben beschriebene komplexe Analyseprogramm
erschöpfend anzuwenden. Eine systematische Architekturanalyse sollte jedoch
drei Datentypen berücksichtigen:
1. Aufrisse der Fassaden,
2. Grundrisse aller Stockwerke,
3. Fotografien, die mögliche Blicke während möglicher Bewegungen außerhalb
und innerhalb des Gebäudes protokollieren.
Fotos geben den Realeindruck für einen Betrachter am besten wieder. Allerdings
lassen sich die Systematik einer Gliederung und damit auch mögliche Diskrepanzen
zwischen Sichtbarkeit und faktischer Gliederung nur anhand der zusätzlichen
abstrahierten Datenmaterialien erkennen. Daher sind Zeichnungen ebenfalls
wichtig. Im Folgenden soll zunächst eine Interpretation der Aufrisse der
vier Perspektiven erfolgen.[5]
Fassadenzeichnungen
Bei synchronen Ausdruckgestalten ist es in der Objektiven Hermeneutik
zunächst sinnvoll, die Frage danach zu stellen, was sichtbar ist. Man
sieht in der Südperspektive ein sehr breites Gebäude. Markantes
ästhetisches Merkmal ist die breite Horizontalgliederung. In der Mitte
erhebt sich ein dreigeschossiger Bau über die restlichen Gebäudeteile,
der an ein Stellwerk oder eine Schiffsbrücke erinnert. Das oberste Geschoss
wird von sechs Fenstern beherrscht, die ein Band bilden, das die Wand
von der Dachtraufe trennt. Als tragende Elemente sind nur die Fensterzwischenräume
sichtbar. Das Dach ist stark abgeflacht und kragt hervor. Dadurch entsteht
der Eindruck, als ob es durch die Fenster von der massiven Mauer her angehoben
wird. Das starke Hervorkragen des flachen Dachs verbunden mit den fehlenden
durchgehenden Wandflächen geben dem Dach etwas Schwebendes und darin Gefährdetes.
Ein Gegengewicht bilden diesbezüglich die vertikalen Mauerelemente der
Schornsteine und seitlichen Abschlüsse. Durch diese vertikal betonten
Stützen kommt ein Eindruck von aufrechter Leichtigkeit ins Spiel, der
die vorherrschende Horizontalbetonung konterkariert. Die Horizontale wird
nicht zuletzt durch die massiven Mauern zum beherrschenden Merkmal. Einerseits
wird der Fassade scheinbar viel Fensterfläche zugestanden. Die Fenster
ersetzen durch die dichte Reihung visuell die Wand. Andererseits scheinen
die Fensterreihen gedrungen. Das Gebäude wirkt insgesamt als sich duckend.
Der Fassade in dieser Darstellung ist schwer zu entnehmen, welche Praxis
das Gebäude beherbergt. Fensterreihen verweisen auf identische Räume,
die in einer Verwaltungspraxis üblich sind, oder aber Versammlungsräume,
die sehr groß sind. Die Anmutung eines Stellwerks wurde schon erwähnt.
Damit kommt ein technisch verwaltungsrationales Element ins Spiel. Allerdings
verweisen die massiven Wände, mit denen das Gebäude festungsartig von
der Umgebung abgeschlossen wird, demgegenüber entweder auf eine Praxis,
für die der Privatheitsschutz im Zentrum steht, oder aber auf eine Sicherheitsanforderung
(z. B. die einer Botschaft). Der stellwerkartige Mittelturmbau erlaubt
einerseits den Überblick über die Umgebung und damit Kontrolle, wie sie
technisch in einem Stellwerk ja auch notwendig ist, schafft aber zugleich
einen privaten Rückzugsbereich, wie er in einem Administrationsgebäude
kaum nötig erscheint. Das Gebäude ist ein Solitär, der sich städtebaulich
nur bedingt in eine Straßenflucht integrieren lässt, vielmehr die Eigenständigkeit
betont.
Die Ost- und Westperspektive werden hier gemeinsam behandelt, da
sie einander stark ähneln. Es wird deutlich, wie extrem sich die Seitenlängen
des Rechteckgrundstückes unterscheiden. Behandelt man die beiden Perspektiven
zunächst ohne Rücksicht auf die Nord- und Südfassade, ist die enorme Länge
nicht erkennbar. Die turm- bzw. stellwerkartige Vertikalbaumasse der Südfassade
wird an der Westfassade reproduziert. Dies vollzieht sich insbesondere
durch die zentralen Schornsteine, die hier eine massive Wand konstituieren
und links flankierend die Baumasse in der Senkrechten verankern. An der
Ostfassade unterbleibt die Unterbrechung des Fensterbandes durch diese
Schornsteine, so dass sich die Anhebung des Daches durch die Fensterbänder,
die an der Südseite nur ein Merkmal des mittleren Turmes ist, über die
ganze Fassade erstreckt. Wiederum fungiert der nördliche Schornstein wie
eine rückseitige Stütze, an der die Baumassen verankert sind. In der Zeichnung
ist die symmetrische Gestaltung des Vorbaus im Mittelgeschoss deutlich,
wobei an der Ostseite eine massive Mauer das Gesamtgebäude von der Umgebung
abschirmt. Diese Mauer erscheint an der Westfassade wie ein Sockel an
das Gebäude angenähert.
Die Nordperspektive zeigt eine Fassade, die auch unabhängig von
dem Wissen um den das Gebäude umgebenden Straßenverlauf als Rückseite
erkennbar ist. Obwohl auch hier das Motiv der Fensterbänder erneut reproduziert
wird, ist die Fassade durch Wände dominiert, in der kleinere Fenster eingefügt
sind. Diese Fensterformen einer klassischen Lochfassade fehlen an den
anderen Hausseiten und markieren vermutlich Funktions- und Wirtschaftsräume.
Die gestufte Etagengliederung wird hier besonders deutlich durch Gesimsbänder
markiert, die an den anderen Fassadenseiten ebenfalls vorhanden sind,
aber als Gliederungselement weniger auffallen und dadurch hinter die Baumassengliederung
zurücktreten. Es ist auffällig, dass diese Horizontalgliederung im Mittelteil
teilweise unterbleibt. Die Vertikalverankerung der Schornsteine wird betont.
Nur das Obergeschoss wird durch ein Fenstergesimsband vollständig abgetrennt
und in seiner Herausgehobenheit noch betont. Zusätzlich verwundern die
Fenster in der Mitte des linken Schornsteins. Es handelt sich vielleicht
um einen Scheinschornstein. Das technische Element der Schornsteine wird
genutzt, um eine vertikale Verankerung zu vollziehen, ist also ein ästhetisch
wesentliches Gestaltungselement. Der ästhetische Sinn dieser Gestaltung
ist in der vertikalen Stabilisierung der auseinanderstrebenden Horizontalbaumassen
zu suchen.
Man sieht, dass die Horizontale und Vertikale streng aufeinander bezogen
bleiben, ja beide voneinander abhängig sind. Die horizontal betonten Baumassen
kommen nicht einfach übereinander zum Liegen, sondern scheinen an den
vertikalen Elementen eingehängt zu sein. Auf diese Weise kommt gleichsam
nichts ins Rutschen. Die Mitte des Gebäudes erscheint vertikal betont.
Der Gegensatz von Vertikale und Horizontale wird hervorgehoben.
Durch vertikale Gebäudeelemente wird in der Regel die selbstbewusste Markierung
eines Ortes, einer Mitte der Sesshaftigkeit vollzogen. Zentrierung erfolgt
über die Vertikale. Geht man davon aus, dass der Gebäudeform eine Grundstückform
entspricht, so ist auch das Grundstück sehr schmal. Das Grundstück ist
viel ungünstiger für die Markierung einer Zentrierung als etwa ein Quadrat.
Ein Quadrat ist visuell scheinbar wie von selbst mit einer Mitte versehen.
Ein langes Rechteck hingegen hat zwar geometrisch natürlich genauso einen
Mittelpunkt. Es wirkt jedoch immer eher wie ein Randstück. Diese einschränkende
Bedingung wird im vorliegenden Fall genutzt, um aus der Not eine Tugend
zu machen. Einerseits werden die auseinanderstrebenden Baumassen betont,
andererseits wird das gesamte Gebäude von einem klaren Zentrum her organisiert,
das zugleich vertikal stark hervorgehoben ist. So gelingt ein spannungsvolles
und dynamisches Ensemble von vertikalem Selbstbewusstsein, schwebendem
Abheben und Bindung an die Erde.
Eine weitere Auffälligkeit, die bereits bei den Zeichnungen ins Auge springt,
ist die Tatsache, dass nur ein einziger Eingang erkennbar ist, der eher
randständig platziert ist. Die realen Eingangssituationen sind auf den
Zeichnungen nicht erkennbar und werden daher erst in der folgenden Grundrisszeichnung
interpretiert.
Grundrisszeichnungen und Lageplan
Die Interpretation von Grundrissen ist sinnvoll durch eine Interpretation
des Lageplans zu ergänzen. Der Ort, an dem ein Gebäude steht, ist ein
Datenmaterial mit reichhaltigen Informationen über die in ihm beheimatete
Praxis. Es stellt sich die Frage nach der Begrenzung des Lageplans, da
im Prinzip die Positionierung des Gebäudes im globalen Kontext Schlüsse
über die in ihm beheimatete Praxis zulässt. Es wäre möglich, die Positionierung
auf der Erde als solche, innerhalb der politischen Herrschaftsgebietes
eines Landes, in der Landschaftsgeographie, in dem Siedlungszusammenhang
zu interpretieren. Im vorliegenden Fall stößt die Erhebung von Datenmaterial
an ihre Grenzen. Die Daten müssten für das Jahr 1907 erhoben werden, um
die Auswahl des Ortes durch den Bauherrn und die Bedeutung dieses Ortes
für die Praxis des Bauherrn deuten zu können. Neben den oben verwendeten
Zeichnungen steht ein allerdings nachträglich bearbeiteter Lageplan der
University of Chicago in der Publikation von Donald Hoffmann[6]
zur Verfügung, der aber nur wenig über die vorhandene Siedlungsstruktur
der Umgebung deutlich macht. Letztlich müsste ein Stadtplan aus der Zeit
hinzugezogen werden. Dies kann im Rahmen dieses Aufsatzes nicht geleistet
werden. Daher soll eine Beschränkung auf die Kontextinformationen genügen,
dass das Grundstück im Straßenraster Chicagos eher am Rande gelegen und
ein Eckstück ist. Auf die Möglichkeit einer erweiterten Interpretation
soll hier nur verwiesen werden. Damit bewegt sich die vorliegende exemplarische
Analyse im Rahmen einer Beschränkung, die in der Architekturinterpretation
häufig zu finden ist. Die beiden einschlägigen Publikationen zu dem Gebäude
von Joseph Connors und Donald Hoffmann[7]
widmen sich der Positionierung des Gebäudes im urbanen Umfeld ebenfalls
nur kaum, obwohl ansonsten Parallelen zur folgenden Interpretation zu
finden sind.
Wesentliches Kennzeichen des Grundrisses ist die schmale Form. Dies stellt
ein besonderes Problem dar, weil das Grundstück in zwei Richtungen an
öffentliche Straßen grenzt und so die Anforderung besteht, in zwei Richtungen
die Innen-Außen-Abgrenzung in einer direkten Konfrontation zur Öffentlichkeit
zu gestalten. Die nördliche und die östliche Seite des Grundstücks grenzen
direkt an andere private Grundstücke, so dass diese Seiten für die Rückseiten
des Gebäudes prädestiniert sind.
An dieser Stelle ist es sinnvoll, generalisiertes Wissen zu explizieren.
Die Unterscheidung von vorne und hinten bedeutet immer eine Unterscheidung
zwischen zugewandt und abgewandt, im Falle von Architektur dem Außen gegenüber
zugewandt oder abgewandt. Dies gilt allgemein für den menschlichen Leib.
Das Gesicht ist eine Öffnung des leiblichen Innens nach außen. Es ist
nur an der zugewandten Seite sichtbar. Diese Unterscheidung von vorne
und hinten wird auf die räumliche Gliederung übertragen. Dabei besteht
ein Wechselverhältnis zwischen der Strukturierung des Außens und der Strukturierung
eines Gebäudes. Das Gebäude selbst sorgt mit seiner Präsentation einer
Vorderseite (z. B. einer Fassade) dafür, dass der Straßenraum als ein
öffentlicher markiert wird. Verliefe die Straße auf der Rückseite des
Gebäudes, so wäre sie immer noch ein öffentlicher Außenraum, aber weniger
als solcher städtebaulich gestaltet. Die Strukturierung des Verhältnisses
von Öffentlichkeit und Privatheit wird ästhetisch vorgenommen. Die Strukturierung
jeglichen Handelns durch Eröffnung und Beschließung findet in der räumlichen
Unterscheidung von vorne und hinten eine Entsprechung. Im Hausbau bedeutet
die Unterscheidung, dass sich das Haus mit einer oder mehreren Seiten
dem Außen direkt zuwendet bzw. abwendet. Diese Unterscheidung ist dabei
weniger als eine Eigenschaft des Gebäudes relevant, sondern eher als eine
Gliederung der Umgebung des Gebäudes, in die das Gebäude eingebettet ist,
und die durch das Gebäude räumlich in einen Vorplatz und einen Hinterhof
gegliedert wird.[8]
Sofern ein Grundstück als Parzelle zwischen anderen Grundstücken positioniert
ist, wie es in einer Zeilenbebauung der Fall ist, sind Vorder- und Rückseite
allein schon aufgrund der Lage des Grundstückes her vorgeprägt. Ein Eckgrundstück
hat zur Folge, dass zwei Seiten gleichermaßen zugewandt und zwei abgewandt
sind. Es stellt sich die Frage, ob eine der beiden Seiten selbst noch
einmal gegenüber der anderen hervorgehoben wird und ihre Zuwendungsfunktion
als Fassade privilegiert wird.
Kehren wir zum vorliegenden Fall zurück. Es ergibt sich ein Ungleichgewicht
aus der Tatsache, dass die Süd- und Nordseiten sehr viel länger sind als
die West- und Ostseiten. Dadurch kommt den langen Seiten automatisch die
Position einer direkteren Konfrontation mit dem Außen zu. Durch das schmale
Grundstück kann das Gebäude in nur sehr geringem Maße zur Umgebung auf
Distanz gehen. Dieses Problem wird auf der Ostseite durch eine Mauer gelöst,
die teilweise sogar direkt an den Weg grenzt und durch ein relativ schmales
Tor unterbrochen wird. Auf diese Weise wird an der Südost-Ecke eine Differenzierung
von vorne und hinten her gestaltet. Hinten ist von der Vorgabe in dem
Fall die Nordseite des Grundstückes, vorn die Südseite. Indem der Ostseite
eine Mauer vorgelagert wird, werden nun auch Ost- und Westseite in Vorn
und Hinten geteilt, verstärkt noch dadurch, dass nur die Westseite eine
Distanz zum Weg einnimmt und dabei recht viel von dem knappen Grundstück
ungenutzt lässt.[9]
Die Grundrisse des Gebäudes sind grob in zwei Gebäudeteile getrennt, zwei
lange Rechtecke, die zueinander versetzt sind. Der sich überschneidende
Bereich in der Mitte bildet den zentralen Erschließungsbereich. Der Haupteingang
ist umständlich an der Rückseite positioniert. Die starke Trennung der
zwei Gebäudeteile entspricht einer funktionalen Trennung zwischen Wohnen
und Arbeiten. Der vordere Bereich ist ein Trakt, dessen Räume als Räume
des Müßiggangs kategorisiert sind (Living, Dining, Billard, Games). Der
Trennung entspricht aber nicht nur die Innengliederung, sondern auch die
Aufteilung in zwei Zugänge, die an gegenüberliegenden Gebäudeseiten liegen.
Sie werden von daher einerseits voneinander distanziert, obwohl sie andererseits
durch die Positionierung beider Eingänge am Mitteltrakt einander angenähert
sind. Hätte man den Haupteingang etwa an das Ende des Wohntraktes Richtung
Westen gesetzt, wäre dort die Praxis des Wohnens durch die Bewegung gestört
worden. Es befinden sich dort zwar Ausgänge, die aber mehr als Austritte
auf die Westterrasse gestaltet sind, denen also keine primäre Funktion
in der Anbindung des Hauses an das Außen für die ankommenden Besucher
zukommt. So gibt es einen zentralen Erschließungsbereich, der die Räume
als von der Bewegung im Haus distanzierte organisiert. Der Gegensatz von
Ruhe und Bewegung wird mit dem Gegensatz von Arbeit und Muße verschränkt.
Dies verweist auf eine moderne Trennung von Arbeit und Freizeit. Es entspricht
aber auch der klassischen Trennung von Repräsentation und Funktion.
Auffällig ist das zusätzliche „Verstecken“ des Haupteingangs durch die
seitliche Versetzung, die anhand der Fotos noch deutlicher interpretiert
werden kann. Das Zentrum des Hauses bildet ein Schornstein für die zahlreichen
Kamine. Jedes Stockwerk verfügt über einen Kamin, in Billard-, Wohn- und
Schlafzimmer sind Kamine vorhanden. Diese Feuerstellen als archaischer
Ort der Wärme und natürliche Symbolisierung von Sesshaftigkeit werden
in jedem wichtigen Raum platziert. Das Haus lässt sich mit den Kaminen
allein nur bedingt heizen. Eine zusätzliche Heizungsanlage ist nötig.
Dem Bauherrn muss aber das sichtbare Vorhandensein von Feuerstellen wichtig
gewesen sein. Kamine üben einen besonderen Reiz aus. Sie spenden nicht
nur Wärme, sondern erlauben es, unter kontrollierten Bedingungen das Element
Feuer, das in seiner offenen Form eine massive Bedrohung darstellt, in
eine Sesshaftigkeitspraxis zu integrieren. Brände können Häuser zerstören:
ein Kamin konstituiert einen Brand unter gezähmten Bedingungen. Er macht
ein wichtiges Element der Sesshaftigkeit (die Herdstelle) symbolisch sichtbar
und ist Ausdruck der technischen Fähigkeit, die destruktiven Kräfte der
Natur zu bändigen. Kamine konstituieren im Innenraum Vergemeinschaftungsmittelpunkte,
so wie offene Feuer im Außenraum auch. Man sitzt in der Regel um den Kamin
herum und vollzieht eine Praxis der Muße.
Weiteres auffälliges Merkmal der drei Grundrisse ist die Vermittlung zwischen
Innen und Außen in den Wohnräumen. Jedem Wohnraum ist ein Balkon oder
eine Terrasse vorgelagert. Die Fenster an der nördlichen Seite des Billardzimmers
grenzen an den Eingangshof, der durch seine mehrfach markierte Abtrennung
als Terrasse im weitesten Sinn bezeichnet werden kann. Damit ist an allen
Wohnräumen ein Austritt ermöglicht. Das heißt, man kann den Übergang in
den Außenraum vollziehen, ohne das Gebäude wirklich verlassen zu müssen.
Die Terrassen und Balkone distanzieren das Innen und gewähren zusätzlichen
Blickschutz, verknüpfen jedoch von innen her gesehen das Innen mit dem
Außen.
Im Erdgeschoss grenzen die Südfenster des Billard- und Gamerooms an die
durch eine niedrige Mauer vom Bürgersteig abgetrennte Terrasse. Die Türen
zum Betreten dieser Terrasse sind in der Mitte platziert, dort wo ein
schmaler Verbindungsgang die beiden Räume miteinander verbindet. Die Türen
sind durch fünf Querstützen hervorgehoben. Zugleich verhindern diese Stützen
wie eine vertikale Jalousie den Blick in das Innere. Auffällig ist die
Positionierung des Gamerooms im Erdgeschoss unter dem Speisezimmer. Kinder
werden dadurch von der Familie distanziert, so dass vorausgesetzt werden
kann, dass diese schon älter sind und allein gelassen werden können. Man
gesteht ihnen Autonomie zu. Oberhalb der Garagen befinden sich die Räume
des Dienstpersonals, so dass eine klare Trennung zum Wirtschaftstrakt
besteht, was sich auch darin ausdrückt, dass dem Personal ein eigenes
Speisezimmer zugestanden wird. Zwei verschiedene Gastschlafzimmer repräsentieren
eine Differenzierung der Gäste in solche, die der Familie nahe stehen,
und in eher distanziertere. Das weitere Kinderzimmer im Dachgeschoss ist
sicher für jüngere Kinder gedacht.
Der Gameroom ist nach Osten hin durch einen Dreieckserker abgeschlossen.
Dies schafft eine Nische, von der aus der Court Yard beobachtet werden
kann. Sofern sich hier Kinder aufhalten, sind diese relativ distanziert
vom Geschehen in den oberen Etagen. Vom Vestibül her geht eine zentrale,
aber unauffällig schmale Treppe in das Speisezimmer der mittleren Etage.
Es fehlt ein repräsentativer Treppenaufgang, was die Obergeschosse distanziert.
Die Wirtschaftsräume in diesem Geschoss sind vom Wohnbereich vollständig
abgetrennt. Man muss das Haus verlassen, um zu ihnen zu gelangen. Auffällig
ist ein separates Außentreppenhaus, über das die Küche von außen her zu
erreichen ist.[10]
Damit werden die Dienstpersonalräume oberhalb der Garagen, mit für 1910
ungewöhnlich vielen Autostellplätzen, direkt an das Außen angeschlossen
und somit Wohnen und Service zusätzlich getrennt. Zentrales Vermittlungsglied
ist die Küche, die ebenfalls an das Vestibül per Treppe angeschlossen
ist. Zwischen Küche und Esszimmer besteht keine direkte Verbindung, sondern
nur über einen kleinen schleusenartigen Raum. Dies hält Gerüche fern und
distanziert die zwei verschiedenen Praxen voneinander. Wohn- und Esszimmer
sind durch zwei seitliche Gänge miteinander verbunden. Die lange Fenstertürenreihe
wird nicht unterbrochen, so dass beide Räume als ineinander übergehende
erfahrbar sind. Sie enden beide jeweils in einer Art Apsis, einem Dreieckerker.
Es gibt wenig Wandfläche, an die man Mobiliar (z. B. Bücherregale) stellen
könnte. Der Treppenaufgang endet im Esszimmer, so dass eine offene Verbindung
zum Erdgeschoss hergestellt wird. Das Wohnzimmer ist durch zwei seitliche
Türen mit dem Außenraum der Westterrasse verbunden, von der jeweils zu
beiden Seiten Treppen zum Eingangsvorhof bzw. der Terrasse des Erdgeschosses
führen. Faktisch sind dem Gebäude also Zugänge zum Außenbereich direkt
vom Wohnzimmer her eröffnet. Im Prinzip ist ein Gästeempfang von der Westterrasse
her möglich. Gleichwohl bleiben die Terrassentüren schmal und von daher
als Eingänge kaschiert. Das Konzept der ineinander übergehenden Räume
in der Beletage kontrastiert zur starken Separierung der einzelnen Räume
in den anderen Gebäudeteilen. Allein im Obergeschoss, dem Privatbereich,
verliert der Grundriss das Auseinanderstrebende und ist zentral integriert.
Der Aufgang von der Küche her führt zu einem Gästeschlafzimmer, das eine
privilegierte Position in der Mittel-Etage einnimmt. Es ist über den Balkon
und den Flur mit dem Wohnzimmer verbunden und überblickt den Hof vor dem
Haupteingang. Das Treppenhaus und eine Sitzbank bilden zusammen mit der
Wand des Kaminschornsteins einen offenen Abschluss, eine Art Flur, der
den Ost-West-Durchblick in der Länge nach wie vor erlaubt. Das Zentrum
des Hauses bildet der Kamin. Das dritte Obergeschoss bildet ein privates
Refugium mit Toilettenräumen, Kinderzimmer (sicher eher für die kleineren
Kinder), Wohn- und Schlafzimmer. Auf diese Weise erfolgt eine Trennung
zwischen Privat- und Repräsentationsbereich. Das Wohnen ist also wiederum
in eine Abstufung von öffentlich und privat gestaffelt.
Fotografische Ansichten der Außengestalt des Gebäudes[11]
und isometrische Zeichnungen von Frank Lloyd Wright
Es wird eine Idealperspektive auf das Gebäude nahe gelegt: der Blick von
Südwesten. Somit erfolgt eine starke Betonung der Plastizität des Gebäudes,
die von der Schmalheit des Gesamtgrundstückes her eigentlich eher ausgeschlossen
ist. Ein rückseitiger Garten ist durch die Form des Grundstückes nicht
realisierbar. Indem nun auf der Ostseite eine schroffe Abtrennung durch
eine hohe Mauer erfolgt, wird eine Art privater Außenbereich geschaffen,
der einem Garten entspricht, allerdings gleichzeitig mit dem Garagenhof
gepaart ist. In den fotografischen Darstellungen wird die Eingangssituation
deutlich. Man kann das Gebäude zwar auch vom Garagenhof her betreten und
es spricht alles dafür, dass dieser Eingang in der Alltagspraxis auch
sehr viel häufiger genutzt wurde, als der Haupteingang, allerdings handelt
es sich bei diesem Eingang eher um einen Zugang zum Wirtschaftstrakt bzw.
über die Treppe direkt ins erste Geschoss. Es gibt dort keine Halle für
den Empfang von Gästen. Der Haupteingang ist durch die Position der Eingangshalle
deutlich an der Nordseite markiert, also an einer Position, die von der
inneren Gliederung her weit von der Umgebung entfernt, ja regelrecht versteckt
erscheint. Der Eingang befindet zudem an einem für sich genommen wiederum
durch Mauern von der Umgebung abgetrennten Innenhof, welcher selbst nur
durch einen schmalen Gang erreichbar ist und von der Straße aus kaum einsehbar
ist. Wer dort hingeht, ist also bereits eingedrungen. In der von Wright
selbst herausgegebenen Darstellung[12]
werden die wuchernden Pflanzen so gezeichnet, dass sie den schmalen Gang
fast gänzlich unpassierbar machen, so als ob ein Zugang von dieser Seite
her gar nicht vorgesehen wäre. Die nördliche Fensterreihe macht den Eingangshof
vollständig einsehbar und kontrollierbar. Das Billardzimmer wird auf diese
Weise von beiden Seiten her mit Licht versorgt. Eine durchgehende Fenstertürenreihe
öffnet im leicht erhöhten Erdgeschoss das Gebäude zur Straße hin. Diese
Öffnung wird jedoch außen durch eine niedrige Mauer und im Obergeschoss
durch massive Mauerbrüstungen dementiert.[13]
Die Unterscheidung von Wand und Fensteröffnung ist verwischt. Die Konfrontation
von Innen und Außen geschieht, wie erwähnt, nicht direkt, sondern vermittelt
über die Terrassen und Balkone. Die Fassade ist keine Lochfassade, sondern
ein komplexes Ineinander von Offenheit durch Fensterreihen und Geschlossenheit
durch massive Wände. Radikal kommt dies in der Terrasse auf der Westseite
zum Ausdruck. Hier wird das Dach fast bis an die Terrassenbrüstung fortgeführt.
Das Dach kragt gewagt hervor, und die Mauerwand wird mit einem Erker weit
zurückgesetzt, so dass Raum für eine an dieser Stelle unerwartet große
Terrasse gegeben ist. Diese wird durch massive Wände, die der Mauer an
der Ostseite entsprechen, festungsartig geschützt. So wird ein Teil des
Außenraums in das Innen eingegliedert, ohne dass die Terrasse von außen
erkennbar wäre. Insgesamt realisiert das auch an allen anderen Stellen
recht weit auskragende Dach durch den niedrigen Steigungswinkel etwas
Behütendes und Schützendes. Das Dach ist ohnehin das wesentlichste Element
der Betonung der Horizontalen. Gleichzeitig verankert, wie erwähnt, eine
Vertikale das Gesamtgebäude. Das lange Dach wirkt wie daran aufgehängt.
Es scheint über dem Gebäude zu schweben wie eine schützende Hand. Die
Geschossschichtung ist durch die Horizontalelemente sehr stark betont,
aber erschöpft sich nicht in der Konstitution eines Stapels, sondern die
Horizontalen werden voneinander distanziert, so als würden die Ebenen
übereinander schweben. Der Eingang ist direkt am „Kern“ des Gebäudes positioniert,
dort wo sich auch der vertikal betonte Kamin befindet.
Das Obergeschoss ist klar der privateste Teil des Hauses. Von außen erhebt
es sich wie eine Stellwerkstation über die anderen Teile des Hauses und
bekommt dadurch trotz der starken Horizontalbetonung etwas Turmartiges,
ein erhobenes Refugium. Wie bereits oben angedeutet, wird eine direkte
Konfrontation der Fenster und Hauswände mit dem Außen vermieden, in den
ersten beiden Etagen durch Terrassen und Balkone im Obergeschoss durch
eigene Blumenbalkone.
Die Darstellung von Frank Lloyd Wright selbst betont dieses Sich-Hinter-Blumenstauden-Verstecken
sehr stark.[14]
Die Pflanzen quellen gleichsam aus den Balkonen hervor und zwar so, dass
sie kaum beschnitten sind. Das Haus wirkt in der Darstellung fast wie
eine Ruine, von der die Natur wieder Besitz genommen hat. So wird das
Haus sehr stark in die Umgebung eingebettet, allerdings nicht in die Siedlungsumgebung,
sondern in die Natur. Natur und Kultur treten gewissermaßen gegeneinander
an. Die klaren rechtwinkligen Quader und das hervorkragende Dach behaupten
sich gegen die wuchernde Pflanzenwelt. Durch die lang gestreckte Gebäudeform
bekommt das Gebäude zusätzlich eine schiffsartige Anmutung, unterstützt
durch die gleichwohl versteckten Ost- und Westerker.
Erst auf den Fotos wird die Materialität des Gebäudes sichtbar (etwa die
verwendeten Baustoffe). Hier lassen sich grob drei Gestaltungselemente
unterscheiden: die roten Backsteinwände, die grauen Gesims- und Sockelbänder
und die braunen Fensterrahmen bzw. Dachtraufen. Neben der bereits erwähnten
Baumassenordnung betont auch die Anordnung der Materialien im Detail die
Horizontale. Das ganze Gebäude scheint von einem grauen Sockelband am
Fuße der Baumassen umlaufen und wird dadurch scheinbar auf eine Art Fläche
gestellt. Sichtbar sind in erster Linie die darüber emporwachsenden Backsteinmauern,
die sehr filigran die durchlaufenden Horizontalbänder im Detail reproduzieren.[15]
Die Mauern finden oben ihren Abschluss in aufliegenden grauen Bänken,
die sich um die Ecken herum scheinbar bruchlos fortsetzen. Die Fenster
wirken stark zurückgesetzt und dunkel, was durch die dunkelbraune Farbe
der Rahmen verstärkt wird. Die Rahmen sind als Rahmen nicht wirklich erkennbar.
Die Fenster werden dadurch vereinheitlicht als dunkle Öffnungen.
Die Analyse ließe sich nun bei einer Interpretation fotografischer Ansichten
der Innenräume fortsetzen. Dies muss im Rahmen dieses Aufsatzes unterbleiben,
zumal entsprechendes Datenmaterial, das eine vollständige fotografische
Erfassung der inneren Gestaltung des Gebäudes liefert, erst noch zu erstellen
wäre. Daher wird die Architekturinterpretation der Fotografien an dieser
Stelle abgebrochen und nun eine Interpretation der Gesamtgestalt unternommen.
Soziologische Deutung der Architektur des Gebäudes als Gesamtgestalt
Bislang erfolgte eine – zweifellos recht grobe – Beschreibung hervorstechender
Merkmale und Gliederungselemente der sichtbaren Baumassengliederung, der
Fassaden, Materialien und der Grundrissgliederung. Diese Darlegung bewegt
sich im Rahmen der auch in der Kunstgeschichte und allgemeinen Architekturanalyse
zu findenden Hermeneutik der Architektur. Das Prinzip der Sequenzanalyse
scheint in der bisherigen Darlegung über die sequentielle Abhandlung der
verschiedenen Datenmaterialien und der Benennung von sequentiellen Anordnungen
der inneren Räume auf. Ein wesentliches Prinzip des Verfahrens der Objektiven
Hermeneutik besteht darin, dass man ausschließlich Aussagen formuliert,
die sich aus den analysierten Datenmaterialien heraus begründen lassen.
Es werden also zunächst keine Deutungen entwickelt, die aus zusätzlichen
Informationen, z. B. aus Gesprächen, Briefen oder dem Vergleich mit anderen
Gebäuden gewonnen werden. Man versucht vielmehr, die Schlussprozesse maximal
an das vorhandene Datenmaterial der sichtbaren Gebäudegestalt zu binden.
Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass eine objektiv hermeneutische
Sequenzanalyse eine primär soziologische Deutung zum Ziel hat, dieser
Bezug ist bislang noch kaum entfaltet worden und soll im Folgenden gewagt
werden. Die Schlüsse lassen sich als Hypothesen über die soziale Realität
interpretieren, die sich aus der sichtbaren Gebäudegestalt ergeben.
Das Haus repräsentiert die in ihm sesshafte Praxis und damit auch bestimmte
Merkmale der Sozialverhältnisse, in denen diese Praxis und ihre Umgebung
leben. Der Trennung zwischen Wohnen und Arbeiten entspricht eine Trennung
von Personen, die jeweils das eine oder das andere vollziehen. Die Bewirtschaftung
des Hauses setzt das Vorhandensein von Dienstpersonal voraus. Das Wohnhaus
(eine andere Funktion, z. B. die eingangs noch erwähnte Administrationspraxis,
ist von der inneren Gliederung her ausgeschlossen) ist für die Praxis
primär ein Haus der Muße. Arbeit ist Zuarbeit von Dienstpersonal, das
in separierten Räumen die Bedingungen der Muße schafft. Diese Konzeption
entspricht einer vormodernen gesellschaftlichen Hierarchie. Zugleich ist
das Haus darin modern, dass es keine Wirtschaftseinheit ist. Das Einkommen
der Bewohner wird woanders erwirtschaftet.[16]
Die Fabrikation und damit auch die Arbeitspraxis befinden sich woanders.
Das Haus steht in der Tradition der Architektur der Fabrikantenvillen.
Diese sind Ausdruck der bürgerlich-kapitalistischen Industriegesellschaft.
Anders als die stadtbürgerlichen Adelspaläste fügen sich diese Häuser
nicht in eine verdichtete urbane Stadtstruktur, sondern siedeln sich in
Randgebieten der Stadt an. Die städtebauliche Struktur ist weniger urban
als parkartig aufgelockert. Die Ensemblebildung erfolgt als Ansammlung
von Solitären nicht als Strukturierung von Straßenfluchten.
Die Gestaltung entfernt sich vom klassischen Formenkanon der Architektur
und gewinnt dadurch neue Möglichkeiten. Das Gebäude ist keine Kombination
überlieferter Formelemente (Portikus, Erker, Risalit, Giebel, Gesims etc.),
die an eine Baumasse appliziert werden, sondern eine Komposition von Bauvolumina,
die im Gesamtbau jeweils ihre Eigenständigkeit wahren. Die Fassade ist
nicht eine Wand mit Fensterlöchern, sondern eine Komposition aus massiven
und perforierten Wänden. Die Fenster werden in Reihen angeordnet. Dadurch
wird einerseits eine stärkere Öffnung nach außen erzielt (mehr Fensterfläche),
diese Öffnung findet aber andererseits ihr Widerlager in einer stärkeren
Betonung der Massivität der Terrassenwände, die dem Gebäude etwas Festungsartiges
verleiht. Der Kontrast zwischen Öffnung und Schließung wird verschärft,
gleichzeitig durch die Betonung der Horizontalen das Gebäude insgesamt
in die Umgebung stärker eingebettet. Durch die Komposition von Bauvolumen
und die zum Teil versteckte Positionierung der Eingänge und Fenster treten
Innen und Außen in eine verschachtelte Beziehung zueinander. Der Übergang
zwischen Innen und Außen wird nicht nur als eine Staffelung gestaltet,
sondern die privateren Räume werden an das Außen näher herangerückt (vgl.
die Konfrontation des Erdgeschosses mit dem Außenraum des Gehsteigs) und
die Räume des Übergangs, wie z. B. des Eingangs, vom Außen distanziert.
Gleichzeitig wird die Unverwechselbarkeit des Gebäudes, in der sich die
Unverwechselbarkeit der im Gebäude beheimateten Praxis ausdrückt, nicht
in einer spezifischen Variation weniger Formelemente erzielt, sondern
in einer Gesamtgestalt, die nur dem einen Gebäude zukommt.[17]
Zugleich erlauben diese Gestaltungsprinzipien eine weitaus differenziertere
Innengliederung, weil nun auch die Innenräume in vielfältigerer Weise
zueinander in Beziehung gesetzt werden können. Das bedeutet nicht lediglich,
dass bei der Gestaltung individuelle Wünsche des Bauherrn berücksichtigt
werden können, sondern vor allem, dass Bauherr und Architekt vor die Aufgabe
gestellt sind, zu bestimmen, wie das Gebäude die Innen-Außen-Abgrenzung
der Praxis verkörpern soll, die in ihm sesshaft sein wird. Die Zusammenarbeit
zwischen Architekt und Bauherrn beschränkt sich nicht mehr auf eine Auswahl
und Kombination bekannter Formen bzw. Stile. Die architektonische Gestaltung
erzwingt daher notwendigerweise ein Arbeitsbündnis zwischen Architekt
und Klient, denn der Architekt muss seinen Klienten interpretieren.[18]
Sozialer Raum organisiert sich wesentlich in den Grundgegensätzen von
innen/außen, vertikal/horizontal, sakral/profan, öffentlich/privat.[19]
Diese Gegensatzpaare, die jeweils komplementär zueinander stehen, werden
in der Architektur des Robie-Hauses in eine spezifische Spannung zueinander
gebracht. Obwohl die Horizontale betont ist, und damit die Einbettung
des Gebäudes in die flache Landschaftsmorphologie der Prärie markiert
wird, spielen die vertikalen Elemente doch eine große Rolle dabei, eine
Mitte zu schaffen, von der aus die Gliederung sowohl in der Außenansicht
als auch in der Innengliederung her organisiert ist. Obwohl Fenster nicht
als Aussparungen in einer Lochfassade gestaltet sind, sondern als Reihen,
die selbst wie eine Wand fungieren, und damit eine starke Öffnung erfolgt,
wirkt das Gebäude doch zugleich insgesamt eher als abweisend geschlossen,
was durch die massiven Backsteinmauern hervorgerufen wird. Dadurch entsteht
der eigentümliche Gegensatz von der Anmutung des Sich-Duckens und der
selbstbewussten Vertikalität des Gebäudezentrums, das stabil die Geschossebenen
übereinander zum Schweben bringt. Die Trennung von Sakral und Profan lässt
sich in der Gebäudegliederung darin erkennen, dass der Arbeitsbereich
fast vollständig vom Bereich des Wohnens abgetrennt wird und der zentrale
Wohnraum der Beletage wie ein langer Versammlungsraum mit Apsis gestaltet
ist. Die Praxis des müßigen Wohnens in Form des geselligen Beisammenseins
und des Gästeempfangs wird gleichsam sakralisiert. Die Arbeit, mit der
die Bewohner ihren Lebensunterhalt verdienen, findet offensichtlich woanders
statt und ist so auskömmlich, dass im Wohngebäude selbst Arbeitsstellen
für Dienstpersonal bereitgestellt werden können. Muße steht also im Vordergrund,
gearbeitet wird woanders. Die Bedingungen dieser Muße werden von Dienstpersonal
möglichst wenig sichtbar in abgetrennten Bereichen realisiert. Der müßigen
Wohnpraxis wird ein Rückzugsraum geschaffen, und sie verschanzt sich dabei
hinter Mauern und blumenbewachsenen Balkonen. Der Vermeidung der Blicke
von außen nach innen steht der Versuch gegenüber, die Umgebung zu überblicken,
die sich im mittleren Teil des Gebäudes in dem stellwerkartigen Turm realisiert.
Das Gebäude ist ein Solitär. Es fügt sich nicht in eine Straßenflucht.
Dadurch repräsentiert sich die dort sesshafte Praxis als individuiert
und unverwechselbar, als auf Autonomie bedacht. Die Praxis versteht sich
selbst nicht als eine, die sich ästhetisch in die Tradition eines vorhandenen
Ensembles einfügt, sondern nimmt in Anspruch, innovativ zu sein und die
Traditionen der umgebenden Architektur für neue Lösungen zu öffnen. Diese
Innovation wird ästhetisch radikal vollzogen und durch die technische
Innovation unterstützt, die allerdings kaum sichtbar gemacht ist, sondern
nur aufgrund von Zusatzinformationen deutlich wird (Stahlträgerkonstruktion,
modernes Heizungssystem).[20]
Das Technische wird in dem Gebäude nicht wie in späteren Architekturentwicklungen
ästhetisch hervorgehoben, sondern dient eher im Hintergrund dazu, das
komplexe Ineinander der oben genannten Gegensätze möglichst radikal zu
gestalten. Der modernsten Technik steht die Inszenierung archaischer Kaminfeuerstellen
gegenüber, die aber – ihres funktionalen Sinns entledigt – vollständig
auf die Praxis der Muße bezogen sind. Die Wuchtigkeit und Massivität der
Backsteinwände repräsentiert eine starke Ortsbindung, geradezu eine Erdung,
die aber durch das Reisemotiv der Schiffs- bzw. Stellwerkanmutung konterkariert
wird.[21]
Die ästhetische Betonung der Gegensätze lässt die Praxis, die sich in
ihm verkörpert, auf spezifische Weise unsicher erscheinen. Sie scheint
zu einem enormen Wohlstand gekommen zu sein und bemüht einerseits die
für Industriebarone der Gründerzeit übliche soziale Hierarchie der bürgerlichen
Repräsentation, die durch Dienstpersonal sichergestellt wird. Zugleich
verweigert sie sich einer Repräsentation von herrschaftlicher Macht.[22]
Methodische Schlussbemerkung
Nach der Darlegung der Gebäudeanalyse lässt sich noch einmal methodisch
reflektieren, was das Besondere an der objektiv hermeneutischen Analyse
von Architektur ist. Die Analyse bleibt nicht bei der Beschreibung ästhetischer
Valenzen und Merkmale stehen, sondern stellt sich der Anforderung, auch
Lesarten zu entwickeln, die angeben, welche Bedeutungen durch bestimmte
Gestaltungen realisiert werden. In der Bestimmung der architektonischen
Besonderheiten kommt die objektive hermeneutische Interpretation mit anderen
bekannten Praxen der Interpretation ästhetischer Gebilde zur Deckung.
Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch darin, dass der Versuch unternommen
wird, nur Argumente zu entwickeln, die sich aus der sichtbaren Gestalt
des Gebäudes (repräsentiert in den Datenmaterialien) ableiten lassen.
Anders als in anderen Gebäudeanalysen, werden die Deutung der Gebäudegestalt
und die Deutung weiterer Materialien (Briefe, Interviews etc.) klar getrennt.
Auch der in der Kunstgeschichte so relevante Vergleich mit anderen Gebäuden,
die einen Bezug zum analysierten Gebäude aufweisen, wäre erst in einem
methodisch begründeten weiteren Schritt zugelassen. Die Deutung wird anhand
des gewählten Datenmaterials entwickelt. Dadurch soll erreicht werden,
dass man bestimmen kann, welche architektonischen Eigenheiten genau in
einem realisierten Gebäude Schlüsse über die in dem Gebäude verkörperte
soziale Realität erlauben. Die ästhetische Gestaltung eines Gebäudes lässt
Rückschlüsse auf eine soziale Realität zu, ganz im Sinne des Diktums von
Norbert Elias von „Wohnstrukturen als Anzeiger gesellschaftlicher Strukturen“[23],
allerdings über die Grundrissanalyse hinaus bezogen auf die architektonische
Gesamtgestalt.
Literaturverzeichnis:
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Elias, Nobert, Die höfische Gesellschaft, Frankfurt am Main: Suhrkamp,
1999.
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2001.
Hoffmann 1984:
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Story of an Architectural Masterpiece, New York: Dover, 1984.
Oevermann
1993: Oevermann, Ulrich: „Die objektive Hermeneutik als unverzichtbare
methodologische Grundlage für die Analyse von Subjektivität. Zugleich
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den Kultur- und Sozialwissenschaften, Frankfurt am Main: Suhrkamp,
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Oevermann
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Perspektive“, in: Rohde-Dachser, Christa (Hg.): Unaussprechliches gestalten.
über Psychoanalyse und Kreativität, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht,
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Oevermann
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der quantifizierenden Bildungs- und Sozialforschung“, in: Sozialer
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Oevermann
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Krambeck, Jürgen: „Die Methodologie einer ‚objektiven Hermeneutik‘ und
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und Textwissenschaften, Stuttgart: Metzler, 1979, S. 352-434.
Schmidtke 2006:
Schmidtke, Oliver: Architektur als professionalisierte Praxis – Soziologische
Fallrekonstruktionen zur Professionalisierungsbedürftigkeit der Architektur,
Frankfurt am Main: humanities-online, 2006.
Wright 1998: Wright, Frank Lloyd, Studies and Executed Buildings by
Frank Lloyd Wright, New York: Rizzoli, 1998.
Anmerkungen:
[1]
Ich danke Dr. Axel Jansen für die Diskussionen zu der Gebäudeanalyse.
[2]
Die methodische Darstellung referiert Argumente, die in folgenden
Aufsätzen von Ulrich Oevermann dargestellt sind: Oevermann 1993; Oevermann
2000; Oevermann 2003; Oevermann 2004; Oevermann et. al. 1979.
[3]
Vgl. hierzu auch Barth 2004.
[4]
Weber trennt mit der Kategorie des subjektiven Sinns die Soziologie
von anderen Wissenschaften. Diese Trennung wird zugunsten einer Betonung
der Gemeinsamkeiten in der objektiven Hermeneutik überwunden.
[7]
Vgl. ebd. und Connors 1984
[8]
Einen interessanten Grenzfall bilden hier hohe Bauten (Hochhäuser,
Türme etc.), die häufig so gestaltet sind, dass eine Differenzierung
zwischen Vorne und Hinten kaum oder gar nicht erkennbar ist. Nicht
selten spielt diese Unterscheidung nur im unteren Bereich also dem
Bereich eine Rolle, der relevant ist, wenn man direkt vor dem Gebäude
steht, während in den oberen Geschossen die Gestalt nach allen Seiten
hin identisch sein kann, z. B. der Messeturm in Frankfurt am Main.
Dass ein Gebäude, welches die Traufhöhe der umgebenden Gebäude kaum
überragt, nach allen Seiten hin identisch gestaltet ist bzw. keine
Differenzierung nach vorne und hinten aufweist, ist selten. Ein Gebäude,
bei dem es sich so verhält, ist die Villa Metzler am Mainufer in Frankfurt
am Main. Dort ist es so, dass dem Gebäude allein aufgrund seiner Positionierung
an der Straße eine Differenzierung zwischen Vorder- und Rückseite
zukommt, nicht aber das Gebäude selbst die Strukturierung vornimmt.
Trotzdem reagiert die Eingangsgestaltung minimal auf diese Realität.
Es bleibt aber, dass das Gebäude unnahbar wirkt und ein städtebaulicher
Anschluss nur indirekt erfolgen kann. Hochhäuser sind demgegenüber
der räumlichen Gliederung ihres direkten Umfeldes aufgrund ihrer Höhe
entrückt. Sie sind so groß, dass sie häufig die durchschnittliche
Traufhöhe ihrer Umgebung bei Weitem überragen und somit auch der räumlichen
Gliederung mit ihren Differenzierungen von Vorder- und Rückseite.
In ihrer Höhe nehmen die Hochhäuser vielmehr Bezug auf den Raum einer
Siedlung. Sie setzen die gesamte Siedlung ins Verhältnis zur Weite
des Raumes, der die Siedlung überspannt, z. B. ein Talkessel oder
eine weite Ebene. So lange der hohe Bau ein einzelnes Exemplar bleibt,
gewinnt er eine Zentrierungsfunktion für die gesamte Siedlung. Ein
gängiges Muster hierfür sind die traditionellen Kirchtürme europäischer
Dörfer. Die Zentrierungsfunktion für den Gesamtraum blieb lange Zeit
ein Privileg der Sakralbauten. Eine interessante Ausnahme bilden hier
die Geschlechtertürme in der Toskana. Es gibt aber auch niedrigere
Sakralbauten wie der Felsendom in Jerusalem oder das Baptisterium
in Florenz, welche nur eine geringe Differenzierung zwischen Vorn
und Hinten aufweisen. Die Zentrierung ist auch hier aufgrund der Repräsentation
der religiösen Bindung angemessen. Vor diesem Hintergrund sind moderne
Bürohochhäuser ästhetisch prekär, weil es sich um Bürobauten handelt,
deren Praxis eigentlich keine Zentrierungsfunktion im Siedlungsensemble
zukommt. Als direkte Verkörperung formaler Rationalität bringen sie
allenfalls deren Bedeutung in der modernen Industriegesellschaft zum
Ausdruck, daher gewinnen sie über die sekundäre Einbettung in eine
Skyline eine Angemessenheit zurück, die ihnen als Solitäre häufig
abgeht.
[9]
Für eine detailliertere Analyse der verschachtelten Symmetrien der
Fassaden vgl. Connors 1984, S. 19f.
[10]
Vgl. hierzu auch Connors 1984, S. 25.
[12]
Vgl. Wright 1998, S. 58.
[13]
„The heights and pyramidal massing of the brick piers and walls
in section are carefully calculated to allow views out from the main-floor
rooms but block views into the rooms from the sidewalk.“ Mc Carter
2001, S. 94.
[14]
Vgl. Wright 1998, S. 58.
[15]
Vgl. hierzu auch Connors 1984, S. 25.
[16]
Im Falle des Fabrikanten F. C. Robie (Kontextwissen) war dies eine
Fahrradfabrik.
[17]
Gleichwohl folgt auch Wright bestimmten Gestaltungsprinzipien und
verwendet bestimmte ästhetische Elemente, die in vielen seiner Gebäude
wiederkehren. Dies ist nicht grundsätzlich neu, denn auch viele Gebäude,
die einen klassischen Formenkanon anwenden, gelingen ästhetisch, weil
sie zu einer eigenständigen unverwechselbaren Gesamtgestalt integriert
werden. Gleichwohl wird die vormoderne Architektur grundsätzlich als
Komposition aus kodifizierten relativ festgelegten Architekturformen
verstanden, während Frank Lloyd Wright sich nicht mehr an diesem klassischen
Formenkanon orientiert. Dies lässt sich u. a. daran ablesen, dass
sich für die Beschreibung von vormodernen Gebäuden eine Terminologie
herausgebildet hat, die es erlaubt, die Elemente des Gebäudes zu bezeichnen.
Dieses Vokabular lässt sich nicht einfach auf moderne Gebäude übertragen.
Die Beschreibung eines Gebäudes von Frank Lloyd Wright lässt sich
mit dem Architekturvokabular der vormodernen Architektur nicht vollziehen.
Die Termini zur Bezeichnung von Elementen des Gebäudes reduzieren
sich auf Wand, Fenster, Vorsprung, Dach etc. Spezifische Bezeichnungen
wie Auslucht, Walmdach, Fledermausgaube etc. werden irrelevant.
[18]
Dies hat Wright auch klar so gesehen. In Briefen zeigt sich, dass
er schnell die Vertrauensgrundlage im Arbeitsbündnis thematisierte,
wenn es um ästhetische Strittigkeiten ging. Vgl. hierzu Schmidtke
2006, S. 239ff. Connors charakterisiert die typischen Klienten von
Frank Lloyd Wright wie folgt: „Leonard
Eaton has drawn a convincing profile of the typical Wright client
in the period up to 1910. Many were managers in small and medium sized
companies, and often they were concerned with the mechanical side
of production. Many had technical training, and if they had degrees,
they tended to be from state universities or engineering schools.
They were mobile, middle-class Republicans who married suffragette
wives, practiced liberal religions like Unitarianism or Christian
Science, and were passionately interested in music. They were self-made
men with considerable money to spend on a house but few preconceptions
as to what it should look like, and they lacked great collections
of art or heirlooms that would have to be accommodated in their new
houses. As a group they stand in marked contrast to the upper-class,
North Shore establishment that patronized revivalist architects like
Howard Van Doren Shaw. These men represented second or third generation
wealth. They were East Coast educated, often with degrees from Ivy
League schools. They were high level executives, salesmen, and financiers,
who belonged to five or six Chicago clubs, were Episcopalians, collected
antiques, and seldom married Suffragette women. They often patronized
the orchestra but seldom played instruments or sang themselves. They
were not the inventor type, and they tended to look upon culture as
something to be imported.”
Connors 1984, S. 6.
[19]
Vgl. hierzu Schmidtke 2006.
[20]
Vgl. hierzu die Darstellung des Bauprozesses in Connors 1984 und Hoffmann
1984.
[21]
Insofern ist der Prärie-Stil Frank Lloyd Wrights nicht ausreichend
bestimmt, wenn man nur die Horizontale erwähnt. Es ist vielmehr der
spezifische Antagonismus, der den Reiz der Gebäude ausmacht. Hoffmann
bringt die gegensätzlichen Tendenzen in der Architektur des Gebäudes
wie folgt auf den Punkt: „Surely
no one else
would have embraced so many opposite tendencies to resolve them so
well. If the Robie house plays with ideas of speed, it also
weighs heavily on its site. It
can speak of democracy, free and open, but from almost every direction
it is closed or cunningly screened. It honors nature, but by meeting
nature's soft shapes with its own order of sharp edges and planes.
Low to the ground, the house nevertheless has its primary spaces,
a full
story above, and its sleeping rooms in an aerie. It is conceived in
terms of space, and from some points of view is even transparent;
but the strength of its mass remains inescapable.”
Hoffmann 1984, S. 35.
[22]
Diese ist etwa auch in der Villa Hügel in Essen noch protzig oder
schon stark abgeschwächt im Hohenhof in Hagen zu finden. Der Vergleich
zum Hohenhof ließe sich noch weiter treiben und kann hier nur angedeutet
werden. Eine Analyse der objektiven Daten des dortigen Bauherrn Karl-Ernst-Osthaus
führt zu dem Ergebnis, dass sich dieser in der prekären Lage befand
ein enormes Vermögen geerbt zu haben, das er aber nicht unternehmerisch
investieren konnte, sondern im Dienste der kulturellen Förderung seiner
Heimatstadt Hagen zu Gute kommen ließ. Die ästhetische Ambition ist
ein direktes Ergebnis der sozialen Besonderheit des Bauherrn. Eine
Analyse der objektiven Daten des Bauherrn Robie wäre viel versprechend
und kann hier nicht vollzogen werden. Sein Wohnhaus kann jedoch als
Ausdruck einer durchaus prekären Ambition gesehen werden. Auffällig
ist sicherlich, dass beide Häuser nicht sehr lange durch den Bauherrn
bewohnt wurden und heute Museen sind. Darin drückt sich aus, dass
die ästhetische Ambition sich gewissermaßen verselbständigt hatte.
Vgl. hierzu meine Analyse in Schmidtke 2006, S. 149ff.
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