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Vorbemerkung
Mit der Untersuchung des konjunktivischen Charakters einer selbstbewussten
Theorie der Architektur geht es mir um die Fragen, ob und inwieweit Architektur
als Kunst auch Wissenschaft ist, was die Wissenschaftlichkeit der Architektur
als Wissenschaft ausmacht, ferner was in diesem Zusammenhang eine Theorie
der Architektur sein könnte und welche Aufgaben sie hätte.
1. Architekturverständnisse und die Wissenschaftlichkeiten von Architektur
Ob Architektur als
Kunst auch Wissenschaft oder Kunst ist, hat natürlich viel damit zu tun,
wie man Architektur versteht[2].
- architectura als ‚Theorie’
Der
architectura-Begriff in Antike und Mittelalter unterscheidet sich
von unserem heutigen Verständnis von Architektur. Liest man bei dem bis
zum Ende des Mittelalters als Referenz genommenen Vitruv nach, so erkennt
man, wie wichtig es diesem ist, zwischen aedificatio und architectura
zu unterscheiden. Aedificium/aedificatio ist das, was wir heute
unter Gebäude/Bauwesen verstehen, architectura hingegen wird ganz
im Unterschied zum heutigen Verständnis von Architektur als ‚theoretische’[3]
Ordnung verstanden, die sowohl für die aedificatio wie aber auch
für den Maschinenbau oder in der Astronomie gilt (dazu siehe Führ 2000);
architectura bei Vitruv lässt sich deshalb weder als Architektur
noch als Baukunst (Fensterbusch) übersetzen. Ich halte den Begriff der
Ordnung für angemessener, wobei sie nur als Ordnung von etwas – eben der
aedificatio – existieren kann und sich nicht verselbständigen
oder verabsolutieren lässt. Vitruv kannte sicherlich[4]
Marcus Terrentius Varros Aufzählung der neun Disziplinen (siehe die Fragmente
aus Disciplinarum libri IX), zu denen dieser neben der Medizin
und den später klassisch werdenden sieben ‚artes liberales’ der Dialektik,
Grammatik, Rhetorik (Trivium) sowie Musik, Astronomie, Geometrie, Arithmetik
(Quadrivium) auch die architectura hinzuzählte. architectura
ist wie die Geometrie oder die Grammatik ‚Kunst’, d. h. zu dieser Zeit
ein absolutes, regelhaftes und regelgebendes sowie in einer spezifischen
Ordnung strukturiertes und Ordnung verleihendes System, das so ist und
nicht anders sein kann, mit der das Konkrete, das so oder anders sein
kann, in eine wahre Ordnung gebracht wird. architectura ist kein
materialer Gegenstand, keine bauliche Anlage, nicht Architektur.
Dieses Verständnis hält sich bis weit in das späte Mittelalter[5].
Thomas von Aquin (ca. 1226-1274) etwa differenziert in untere artes
mechanicae und übergeordnete artes liberales, wobei jede ars
mechanica aus einer ars architectonica (imperans, principalis,
superior), d. h. aus einer leitenden Kunst und zum anderen aus einer ars
famulans (subministrativa, subserviens, exsequens, subalterna inferior),
also aus dienenden und ausführenden Bereichen (Th.v.A.; In librum Boethii
de trinitate, ps 1 qu2, ar2,ra1; S. 524 und Th.v.A.; summa contra gentiles,
1,1,2; S. 1) besteht
[6].
architectura ist immer noch nicht Architektur in unserem heutigen
Sinne.
architectura ist ei diesen Autoren insofern Wissenschaft – und
ich benutze den Begriff von Wissenschaft hier ganz vorwissenschaftlich
– als sie den Grund des Seienden, arche, enthält und insofern wahr
ist. Sie ist insofern keine Wissenschaft, als sie das Haben und das theoretische
Gewinnen der Prinzipien und der Wahrheit weder methodisch durchdenkt noch
die Ergebnisse reflektierend evaluiert.
- Architektur als Zivilisation
Zugleich
setzt sich aber im Spätmittelalter das heutige Verständnis von Architektur
durch. Vinzenz von Beauvais (ca. 1190-1264) etwa schildert in seiner Schrift
speculum majus (Spec doctr. 11,1) das Verhältnis von liberalen und mechanischen Künste.
Letztere bestehen nach seiner Meinung ebenfalls aus sieben Disziplinen,
aus lanificum, armatura, navigatio, agricultura, venatio, medicina,
theatrica, wobei armatura auch die architectura umfasst,
mit der – wie aus dem Kontext ersichtlich – nun das Bauwesen/die Architektur
gemeint ist.
Mit Alberti dann wird der Umbruch zu einem neuen Verständnis von architectura
deutlich.
Dabei bin ich der Meinung, dass Alberti zwei (!) größere Publikationen
zur Architektur veröffentlicht hat, die sich beide ergänzen und seinen
weiten Architekturbegriff deutlich machen. Dies ist einmal die Schrift
della famiglia mit ihren vier Büchern aus den dreißiger Jahren
des 15. Jahrhunderts (erst 1843 gedruckt) und die Schrift de re aedificatoria[7]
mit ihren zehn Büchern von 1452. In beiden geht es um „multas
et varias artes que uitam
bene
beateque
agendam" (Alberti
1452, Blatt 1), um unterschiedliche Künste, welche zu einem guten und
glücklichen Leben führen. Im Gegensatz zu Vitruv, für den es das Feuer
war, ist es für Alberti die Architektur selbst, ihre Mauern und Dächer,
die die Menschen in eine humane und res-publikanische Zivilisation bringt.
Dabei dient die Architektur zwar auch zum Schutz vor den Unbillen der
Natur, besonders aber geht es darum, die Bedürfnisse des Lebens
zu befriedigen, die Menschen zu humanisieren und das öffentliche und private
Wohl zu befördern (Alberti 1452/1912, S. 10). Architektur ist für Alberti
das Medium, das Leben der Menschen miteinander zum Guten hin zu entwickeln
und in allen Hinsichten harmonisch (concinnitas) zu gestalten,
um sie glücklich zu machen. Da die Menschen und ihr Leben im Mittelpunkt
des Architekturverständnisses von Alberti stehen, werden seine Propositionen
über die Gestaltung von Architektur in Bezug auf Wahrnehmung, Erfahrung
und Aneignung der Architektur gemacht. Dabei spielt die architectura
(im alten, theoretischen Verständnis) bei ihm als linea mentis
(als anzeichnende geistige Struktur) durchaus noch eine wichtige Rolle,
solle aber nicht verabsolutiert werden, sondern müsse von dem Architekten
zur Form der Materie praktisch umgesetzt und realisiert werden.
Ich kann hier nicht ausführlicher auf die weitere Geschichte dieses Verständnisses
von Architektur eingehen, zu erwähnen wären aber sicherlich der Funktionalismus,
der Architektur als gute poietische und praktische materiale Ordnung eines
Lebens-Mittels versteht oder die Environmentalisten, für die Architektur
eine gute materiale Umwelt, die in der wahrnehmenden und handelnden Aneignung
sowie im praktischen Gebrauch den Menschen ein gutes Leben ermöglicht,
ist oder das politische Verständnis von Architektur, das sie als bauliche
Erzeugung einer guten res-publica sieht.
Bei Alberti besteht die Wissenschaftlichkeit in der klaren sprachlichen
Setzung und Verfasstheit seiner Aussagen, im klassifizierenden Unterscheiden
von Sachverhalten, im Bezug auf Autoritäten und damit in der Einbindung
in einen Wissenskontext und in einer als Ursprungsforschung verstandenen
Ursachensuche, was nun einem modernen Verständnis von Wissenschaftlichkeit
nicht entspricht. Die Funktionalisten sehen die Wissenschaftlichkeit in
der Übernahme soziologischer Denkweisen und im Übergang vom Zufälligen
zum Notwendigen und Absoluten, indem die Inhalte und Funktionen der Architektur,
die zugleich die Inhalte des Lebens sind (Wohnen, Arbeiten, Freizeit /
Essen, Schlafen, Kochen) je nach Architekten, als überhistorische Wesen,
als überindividueller Habitus, als traditionale Typologien oder als flexible
Kombinationen fixer kultureller Patterns genommen werden. Die so verstandene
Wissenschaft führt zum Verlust des Transitorischen, Unfassbaren, Individuellen,
Konkreten und Komplexen der Wirklichkeit.
- Architektur als Schöne Kunst / bel art
Bereits
mit der Gründung der Académie royale d’architecture, 1671, wurden
wichtige Schritte getan, die Architektur als Schöne Kunst zu denken.
In der Mitte des 18. Jahrhunderts macht dann Abbé Batteux in seiner Schrift
'Les beaux arts réduit à un même principe' (1746) den entscheidenden
Schritt (ich folge hier weitgehend Kristeller 1952) zur Etablierung eines
Systems der 'Schönen Künste' (Musik, Literatur, Malerei, Skulptur, Tanz),
zu dem er allerdings die Architektur noch nicht zählt. Weitgehend im Bezug
auf Batteux wird dann aber bereits drei Jahre später in einer anonymen
englischen Publikation[8]
die Architektur dem Bereich der Schönen Künsten zugeordnet.
D'Alemberts setzt in Frankreich in der von der Sinnlichkeit ausgehenden
Einleitung zur 'Encyclopädie' die Definition der Schönen Künste
durch und zählt zu ihr dann auch die Architektur; sie sei zwar aus dem
Bedürfnis heraus entstanden, überwinde es dann aber durch das Prinzip
der Symmetrie und sei so zur Nachahmung des Schönen fähig.
Das Schöne der Architektur als Kunst liegt zum einen in der gelungenen
Verwirklichung von nunmehr ästhetisch verstandenen Proportionen bzw. in
der Transitfähigkeit zu einer de- oder entmaterialisierten, höheren und
eigentlichen geistigen, göttlichen, metaphysischen, idealen oder traditionalen
Wirklichkeit.
Die Verständigung über Architektur als Schöne Kunst ist dabei zweitens
– und in gewisser Weise folgerichtig
- verbunden mit einer Ablehnung eines Funktionalismus’; dabei hat diese
Haltung zwei Richtungen, einmal gegen die utilitas und zum anderen
gegen eine Zweckmäßigkeit.
Utilitas wird in der Folge einer idealistischen Romantik , wie sie etwa
von Schlegel oder Novalis formuliert wurde und des – vor allem deutschen
– Idealismus, für die Kunst eine wie auch immer geartete Repräsentation
oder Realisation eines numinosen, absoluten oder vollkommenen Seins ist,
als Bindung an das Materiale, Zufällige, Banale, Alltägliche, Vergängliche
und Animalische angesehen und deshalb als Gegenpart zur Kunst, als dasjenige,
das man gerade zur Kunst verlassen muss. Mit der Ablehnung der utilitas
wird das Niedere (das vorher als das ‚Niedere’ definiert wird), das Materiale,
das alltägliche Leben, die Welt (in allen ihren Verständnissen), der körperlich
gebundene Leib, das Konkrete, verdrängt. Es findet sich in einigen Neogotiktheorien
(hier sei Pugin erwähnt), aber auch Symbolismus, in einem Verständnis
von Architektur als Bedeutungsträger, heute in idealistischen Architekturphänomenologien.
Zweckmäßige Architektur, also Architektur, die sich definiert durch einen
Zweckbezug auf ein Anderes, steht seiner eigenen Vollkommenheit entgegen
und kann deshalb Kunst nicht sein. Nur eine innere Zweckmäßigkeit, eine
In-Sich-Vollendetheit, könne Kunst sein (so etwa Karl Philipp Moritz,
1785).
Ein zweiter Ansatz des Verständnisses von Architektur als Schöner Kunst
bietet sich in einer Art phänomenischem Verständnis von Baukunst, die
dabei Architektur nicht zur Aufschließung metaphysische Entitäten, sondern
zur Generierung ästhetischen Wohlgefallens der Rezipienten und Nutzer
verstehen[9].
Das Verständnis von Architektur als Schöner Kunst sperrt gegenüber
der Wissenschaft weitgehend. Das liegt am Verständnis von Architektur
als Kunst, aber auch am – in den unterschiedlichen Positionen stets etwas
unterschiedlichen – Verständnissen von Wissenschaft. Wissenschaft zerstöre
– so wird gesagt – durch Rationalisierung die Numinosität oder das unmittelbare
und damit eigentliche Erlebnis und durch zerlegende Analyse die ideale
durch Einheitlichkeit ausgezeichnete Identität. Selbst eine methodisch
einigermaßen abgesicherte Interpretation wird bereits als Verwissenschaftlichung
und damit als Zerstörung des Kunstcharakters der Architektur angesehen.
Ein drittes Verständnis definiert Architektur als ein Objekt, das sich
zu einem Kunstwerk durch seine formalästhetische Gestaltung etabliert,
möge diese nachmessbar oder vom Geschmack abhängig sein und als formales,
skulpturales, lichtdramaturgisches, raumkünstlerisches, materiales oder
technisches ästhetisierendes Spiel verstanden sein.
Wissenschaft ist akzeptiert als Untersuchung, wie man die Kunstwerk herstellt,
als Beschreibung bzw. Verbalisierung seiner Wirkung und als methodisch
reflektierte, kunstwissenschaftliche Untersuchung der Reaktionen der Rezipienten.
- Architektur als Kunst der Erkenntnis
Natürlich
wird das Machen von Architektur insgesamt – nicht nur der bauingenieurliche
Anteil, für den wissenschaftliches Denken selbstverständlich ist – wissenschaftstheoretisch
ganz klassisch auch als Gewinnung von Erkenntnis genommen und verstanden.
Das Bauen wird dabei gewissermaßen als eine Art Experiment verstanden,
das Gelingen des Baus als Wahrheitsbeweis des dem Bauen zugrunde liegenden
Entwurfs’konzepts‘[10],
bzw. der Erkenntnishypothese. Das ‚Gelingen‘ wird dabei bisweilen bereits
in der Vollendung der Realisierung oder als Akzeptanz (formuliert als
die Aussage, der Bau werde ‚angenommen‘[11])
gesehen. Dieses Vorgehen wird aber kaum systematisch, methodisch und wissenschaftstheoretisch
abgesichert durchgeführt, was auch damit zu tun hat, dass die zu gewinnende
Erkenntnis, das Hypothetische des ‚Konzepts‘ des Experiments nicht explizit
gemacht ist und deshalb nicht rational und methodisch abgesichert überprüft
werden kann.
Es sind eher alltägliche Dramen und menschliche Schicksale, die
zur Reflektion über die tatsächliche Qualität des Wohnungsbaus, Aufruhr
und angezündete Autos in den Vorstädten, die zum Anlass zur Überprüfung
stadtplanerischer Setzungen führen.
Die Frage ist auch weniger, ob man Erkenntnisse über Architektur gewinnt,
auch nicht ob man vorab gewonnene Erkenntnisse in der Architektur materialisiert,
sondern ob die Architektur als solche eine Kunst des Erkennens ist.
Ein intendierte Verständnis von Architektur als Kunst der Erkenntnis findet
sich bereits in Baumgartens Schriften (1750, 1758), in denen Ästhetik
als eine, neben einem oberen Erkenntnisvermögen (Logik des Verstandes)
stehende Möglichkeit zu sinnlicher Erkenntnis gesehen wird. Eine scientia
cognitionis sensitivae sei in der Lage, die durch die Abstraktheit
des Begriffes nicht zu fassende konkrete Fülle und Komplexität der Wirklichkeit
zu ergreifen. Wie der Verstand die Logik, so hat auch diese scientia
ein spezielles Erkenntnisvermögen (analogon rationis), mit dem richtige
und vollständige Erkenntnis (Schönheit) gewonnen werden könne.
Das Verständnis von Kunst als eine spezifische Weise von Erkenntnis basiert
zumeist auf einer Aufhebung der ansonsten oft gemachten strikten –
und wie ich meine, auch artifiziellen – Trennung von Sinnlichkeit und
Verstand, bzw. von Sinnlichkeit und Begriff oder Sinn.
John Dewey geht es in Art as Experience (1934); in deutsch
Kunst und Erfahrung) um die Erfahrung von Architektur und in Architektur;
der Parthenon ist für ihn erst dann von ästhetischer Bedeutung, wenn er
in einem Menschen eine Erfahrung bewirkt (Dewey 1934/1988, S. 10) und
wenn sich in ihm Erfahrung der Menschen verdichtet hat. Erfahrung wiederum
ist für Dewey nur dann als solche anzusprechen, wenn sie mehr ist als
simple psychische Affiziertheit durch einen äußeren Reiz, wenn sie einen
Vorgang vollständig erfasst, seine Entwicklung bis zu seiner Vollendung
durchläuft und wenn sie zu einer abgegrenzten, bewusst gewordenen, sinnhaften
und in eine Welt eingeordneten Entität geworden ist (Dewey 1934/1988,
S. 47) Für ihn ist Kunst ein spezielles Medium der aktiv zu unternehmenden
Erfahrung, die sich im Grunde nicht von der Erfahrung im Alltag unterscheidet,
dennoch aber sich im Kunstwerk verdichtet und totalisiert: „Wir werden
sozusagen in eine diese Wirklichkeit transzendierende Welt eingeführt,
die gleichwohl die tiefere Wirklichkeit der Welt ist, in der wir mit unseren
gewöhnlichen Erfahrungen leben“ (Dewey 1934/1988, S. 226). Die Einheit
von Kunst und Erkenntnis stellt ganz besonders deutlich der von der Gestaltpsychologie
her kommende Rudolf Arnheim in seinen beiden Publikationen Art and
Visual Perception. A Psychology of the Creative Eye (1954; deutsch
als Kunst und Sehen, 1965) und in Visual Thinking (1969; deutsch:
als Anschauliches Denken, 1972) theoretisch und in beeindruckenden Beispielen
dar. Kevin Lynch hat die gestaltpsychologischen Ansätze direkt in die
Architektur umgesetzt und daraus eine städtebauliche Entwurfstheorie entwickelt
(Lynch 1960). Für die Architektur ist dieses Verständnis zudem sehr eng
an die Phänomenologie gebunden, insbesondere an Martin Heideggers Vortrag
Bauen Wohnen Denken (1951). Heidegger sieht die Architektur (als
Wohnen und vom Wohnen her gedachtes Bauen) nicht nur als Mittel der Erkenntnis
einer vorab bestehenden Wirklichkeit, sondern als erkennendes herstellendes
Hinstellen einer weltlichen Wirklichkeit.
Wissenschaft wird hier nicht als ein in seiner doppelten Bedeutung objektiver,
d. h. sowohl allgemeingültiger oder gar absoluter und zugleich gegenständlich
externalisierter Corpus angesehen, wie man ihn in naturwissenschaftlicher[12]
Sicht der Naturwissenschaftler findet, wo jede neue Forschung ein Stück
weiter an dem einen Körper des Wissens weiterbaut oder in Promotionsordnungen
deutscher Universitäten, wenn diese einen ‚Fortschritt des Standes der
wissenschaftlichen Erkenntnis‘ verlangen oder bei Kulturhistorikern, wenn
diese personalisiert davon sprechen, dass ‚wir dies noch nicht wissen‘[13].
Wissenschaft ist für die Theoretiker von Architektur als Erkenntnis oder
Erfahrung eine wiederum in doppeltem Sinne subjektive, d. h. kulturell
bestimmte und innersubjektive zum Teil sozial verankerte, jedenfalls durchstrukturierte
und in Architektur umgesetzte Welt.
Im Gegensatz zur externalisierten Wissenschaft fehlen hier allerdings
Wahrheitskriterienkataloge und Methoden, die sich in den naturwissenschaftlich
gesehenen Naturwissenschaften so einfach durch die Mathematisierung ergibt.
Was heißt denn ‚analogon rationis‘ wenn sie eben gerade nicht ratio
sein darf? Wie kann man in seiner Entscheidung sicher sein, ob die Heidelberger
Brücke, an die Heidegger in seinem Vortrag denkt, eine Landschaft und
damit eine Welt und sich selbst als Brücke entwirft? Wie kann man erfassen,
was das für eine Landschaft, was das für eine Welt und was das für eine
Brücke ist? Wie kann man die Wahrheit der Brücke unabhängig von Heideggers
Statement erfassen? Was sind die Kriterien, was ist das Maß, mit dem ich
das messe?
Was ist das Wahrheitskriterium einer Hermeneutik?
2. Über die Wissenschaftlichkeit der Architektur als Kunst
Ich hatte schon gesagt, dass es durchaus möglich ist, das antike Verständnis
von architectura als Wissenschaft zu bezeichnen, wenn man nicht
den modernen Wissenschaftsbegriff als Maßstab anlegt. Zudem steht außer
Frage, dass es sich bei einer Reihe von Teilfächern um Wissenschaften
handelt. Die Wissenschaftlichkeit der Ingenieurwissenschaften etwa
liegt darin, dass sie sich auf Empirie bezieht, sie mathematisiert, die
der Geschichtswissenschaft, weil sie mit historischen Fakten und auch
mit Empirie (wie etwa in der Bauforschung) arbeitet.
Es gibt einige Versuche, Baukunst zur Wissenschaft auszuweiten, etwa indem
sie sie durch Einzelergebnisse anderer Wissenschaften bereichert. So
etwa in technischer Hinsicht, Viollet-Le-Ducs Aufnahme von Untersuchungen
Cuviers zum Knochenbau und zum Funktionieren von Gelenken (siehe Picon
1999, S. 315) oder die – zeitverzögerte – Übernahme des Begriffs der ‚circulation‘
aus William Harveys Arbeit über den Blutkreislauf (siehe Forty 1999, S.
213ff). Das gilt auch für die Integration von Erkenntnissen wie etwa im
Funktionalismus aus der Betriebswissenschaft.
Diese einzelnen Übernahmen machen teilweise Sinn, manchmal schaden sie
zumindest nicht. Oft erhalten sie bei Weiterführung der vorgegebenen Sprachregelungen
eine neue, genuin architektonische Bedeutung; z. B. führt die Übernahme
und Umwandlung von Konzept und Begriff der ‚circulation‘ in der
Architektur letztlich zum Konzept des ‚Fließenden Raums‘.
Zumeist aber werden die jeweiligen epistemologischen Bilder und die wissenschaftstheoretischen
Paradigmen aus den Ursprungswissenschaften in die Architektur übertragen,
formen so Problemlösungsverhalten und blockieren genuin architektonische
Lösungen. Der Bezug der Funktionalisten auf das ‚Scientific Management‘
der amerikanischen Autoindustrie in ihrem Versuch zur Verwissenschaftlichung
der Architektur etwa führt zur unreflektierten Übernahme eines Verständnisses
von ‚Analyse‘ als Zerlegung der Gesamtheit einer Sache bzw. als Zerlegung
von Abläufen in distinkte Einheiten und zu einer Reduktion auf das Wesentliche,
wobei das Wesentliche mit dem Wesen gleichgesetzt wird, ohne dass es zu
einer eigentlichen Wesensforschung, bzw. -erforschung gekommen wäre. Das
Wesentliche wiederum wird als Reduktion des Material- und Arbeitsaufwandes,
also des Aufwands zu einem gegebenen Zweck, nicht als Reflexion über den
Zweck und nicht als Chance über die Entwicklung eines neuen ‚wahreren‘
Zweckes genommen. Die Inhalte der Architektur, die zugleich die Inhalte
des Lebens sind (Wohnen, Arbeiten, Freizeit / Essen, Schlafen, Kochen)
wissenschaftlich zu nehmen, bedeutet je nach Architekten, sie als überhistorische
Wesen, als überindividuellen Habitus, als traditionale Typologien oder
als flexible Kombinationen fixer kultureller Patterns zu verstehen.
Bisweilen sind aber auch die Versuche, wie etwa die Umwandlung der Stadtplanung
in eine Fraktalwissenschaft, nichts weiter als ein Cargo-Kult[14].
Zugleich gab es immer wieder Ansätze, die Architektur vollständig in eine
andere, vorgegebene Wissenschaft umzuwandeln, ich darf hier nur an die
Versuche der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erinnern, Architektur
zur Kybernetik, zur Informationsästhetik, zur Semiotik oder zu einer Sozialwissenschaften
umzudenken. So verstandene Verwissenschaftlichung macht Architektur eindimensional
(und führt nebenbei zum Verlust des Transitorischen, Unfassbaren, Individuellen,
Konkreten und Komplexen der architektonischen Wirklichkeit).
Ganz eigenartig und eulenspiegelig kommt mir der Versuch vor, eine Identität
von Architektur und Wissenschaft zu konstatieren, indem man Bauten der
Wissenschaft (wie Museen, Krankenhäuser oder Universitäten und physikalische
Forschungseinrichtungen / dazu etwa Galison/Thompson 1999) untersucht
und damit – eher klammheimlich – Architektur nicht mehr als Disziplin
und damit Wissenschaft nicht mehr als spezifisch begründete und spezifisch
verfasste Ordnung der Erkenntnis, sondern beide als singulare tantum,
zum einen für das Gebaute und zum anderen für konkrete akademische Institutionen
nimmt. Das hat seinen Zusammenhang mit der Kulturtheorie Michel Foucaults,
insbesondere seiner Analyse der Geburt des Gefängnisses und der dort vorgeführten
Analyse von Benthams Idee eines Panopticons (Foucault 1975) oder mit der
Diskussion von Athanasius Kirchers Versuch, im Bau- und Belegungsplan
der Arca Noë (1675) eine frühe Form klassifizierender Biologie
zu verwirklichen. Wichtig – und das kennzeichnet das Architekturverständnis
der Autoren – ist, dass Architektur hier in einer impliziten wissenschaftstheoretischen
Setzung allein als Plan, also als explizites Wissen, verstanden wird und
nicht die Umsetzung und der Gebrauch untersucht werden.
Das trifft sich mit Ansätzen, Architekturen in explizite Wissensbestände
umzuwandeln. Ganz wichtig war in diesem Zusammenhang ein Buch von Frances
Yates (The Art of Memory, 1966), das allerdings weniger für seine
Entstehungszeit und auch weniger für die dort eigentlich betriebene geisteswissenschaftliche
Untersuchung zur Rhetorik und der Benutzung von Gebäuden als mit Wissen
assoziierbares Ordnungsgerüst, das das Memorieren erleichtert steht,
als vielmehr als Beleg und Beispiel für eine Umwandlung von Architektur
in Wissensbestände und damit einer Entmaterialisierung der Architektur
diente.
- Bauwissenschaft und Wohnwissenschaft
In den
letzten Jahren etabliert sich im Rahmen der Diskussionen über Wissensgesellschaft
in der Philosophie und Technikphilosophie in der Architektur eine ‚epistemic
history of architecture‘. Sie überwindet zwei Gefahren. Zum einen
vermeidet sie, Wissen einseitig als im Kontext von Theorien stehende und
in eine Wissenschaft eingebundene, explizite Denkinhalte zu definieren.
Wissen wird hier in seinen unterschiedlichen Formen, als ausdrückliches
Wissen, als Erfahrung, als Intuition und als im Tun impliziertes Wissen
angesehen. Zum zweiten geht es ihr nicht um addiertes und assoziiertes
Wissen oder um Absichten (Pläne); das konkrete Gebäude wird als Quelle
genommen (Bühring, Kieven, Renn, Schlimme 2006).
Das erforschte Wissen ist das Bauwissen, wenn ich das einmal so bezeichnen
darf. Bauen ist handlungstheoretisch der poietische Teil der Architektur,
das herstellende Tun, an dessen Ende der Bau steht. Man bezeichnet diesen
herstellenden Anteil gewöhnlich auch als Architektur (1), etwa wenn man
sagt, ‚ich studiere Architektur‘. Dies unterscheidet sich aber vom Verständnis
von Architektur (2) als singulare tantum für die Gebäude, baulichen
Anlagen, urbanen Räume und Strukturen. Es gibt noch einen eher ungewöhnlichen
dritten Begriff von Architektur (3), mit dem man die Aufführung, die Aneignung
als Gebrauch, Kontextualisierung und Weltentwurf bezeichnen kann, den
man in gewöhnlicher Weise als Wohnen[15]
bezeichnet.
Beim Bauwissen geht es um das Wissen der Produzenten von Architektur,
nicht um das ihrer Nutzer, es geht nicht um deren Erfahrung. Es geht letztlich
nicht um das Werk, sondern um die Bedingungen der Entstehung des Werks.
Das ist natürlich mit Recht Gegenstand wissenschaftlicher Forschung.
Gleichwohl gibt es ein eigenständiges Wohnwissen. Der Unterschied zeigt
sich aber z. B. bei einer gotischen Kathedrale: Natürlich steht hinter
ihrem Innenraum das explizite, praktische und intuitive Wissen der Baumeister,
wie er gebaut wird und wie er hält. Im Werk ästhetisch vermittelt
wird das aber gerade nicht. Es vermittelt den Besuchern einer Kathedrale
eine Erfahrung vermittelt, die ihrem außerkirchlichen Alltag widerspricht:
‚es kann nicht halten, hält aber doch‘. Das Werk erzeugt bei den
Nutzern das intuitive Wissen, dass es eine reale Möglichkeit zu einer
außeralltagsphysikalischen Wirklichkeit gibt (wenn ich das einmal so sagen
darf) mit allen theologischen Implikationen, auf die ich hier nicht näher
eingehen kann.
Diese intuitive Erfahrung führt uns zum zweiten Wissens- und Wissenschaftsbereich
der Architektur, dem Wohnwissen und der Wohnwissenschaft.
Auch hier ist es richtig, vom Werk auszugehen, und in der historischen
Forschung bleibt auch in der Regel nicht viel mehr als das Werk. Gleichwohl
geht es in der Frage nach einer Architekturwissenschaft um das in der
Aneignung generierte Wissen. Blieb nur das Werk, so kann durch dieses
hypothetisch und im Modus der Möglichkeiten auf dieses Aneignungswissen
geschlossen werden.
Bei der Erforschung des Bauwissens sind die Forscher Experten, die sich
aus einer positiven superioren Position des kumulierten und entwickelten
Mehrwissens historisch zurück an Kollegen wenden. Beim Wohnwissen sind
sie Experten, deren superiore Position ein Positivum und ein Manko zugleich
ist. Ein Positivum, weil ihnen ein distanzierter Analysestandpunkt, wissenschaftlicher
Kontext, Fachsprache und Rationalisierungskompetenz zu eigen ist, ein
Manko, weil ihnen der unmittelbare Zugang, das eigentliche Haben der Architektur,
der Einstieg in die Aufführung und die Aneignung fehlen.
- Der Wissenschaftsbegriff in der Architektur
Im
18. und 19. Jahrhundert löst sich die Wissenschaft von der Philosophie,
dieser geht es um den direkten
Zugang zur Wahrheit, der Wissenschaft um eine mediatisierte Wahrheit.
Sie wird im 19. Jahrhundert ein „…konditional-formuliertes, hypothetisch-deduktiv
organisiertes System von Propositionen über einen begrenzten Erfahrungs-
und Gegenstandsbereich …“ (Artikel ‚Wissenschaft’ im Histor. Wörterbuch
der Philosophie, Bd. 12 2004, Spalte 921)
Beim klassischen Wissenschaftsbegriff wird Wissenschaft als Bereich über
dem Gemachten (Fakten), nach dem Gemachten oder vor dem Machen gedacht,
nicht als die Tätigkeit des Machens. Wissenschaft, so wie sie real existiert,
konzentriert sich auf einzelne Kausalketten oder Prinzipien, die sie aus
den Fakten herauszieht. Sie will erklären, warum der Apfel fällt, schon
nicht mehr, warum dieser Apfel genau an diese Stelle gefallen ist und
schon gar nicht, warum ein selbst gepflückter Apfel anders schmeckt als
ein aufgelesener. Wissenschaft betreibt man als Grundlagenwissenschaft,
bevor man handelt oder als Wissenschaft zur Gewinnung von Erkenntnis von
den Ergebnissen des Handelns. Wissenschaft ist nicht gedacht als Erkenntnisgewinnung
im Handeln. Wissenschaft und Anwendung sind kategorisch voneinander
getrennt. Man neigte lange Zeit dazu, dieses formalisierte und rationalisierte
Wissen als das höhere anzusehen, weil man es als absolut, überindividuell,
überkulturell und überhistorisch ansah. Im Rahmen der Entwicklung epistemologischer
Forschungen (ich verweise hier wieder auf Bachelard) zeigten sich jedoch
auch deren kulturelle Bedingtheiten und Bilderwelten.
Der bauwissenschaftliche Ansatz der ‚epistemic history of architecture‘
ist mir auch insofern sympathisch, als er als Wissen und Wissenschaft
auch akzeptiert, was es neben dem ‚konditional-formulierten, hypothetisch-deduktiv
organisierten System von Propositionen über einen begrenzten Erfahrungs-
und Gegenstandsbereich‘ noch gibt.
Für die Wohnwissenschaft gilt hier sogar, dass das Erfahrungswissen eigentlich
die höhere Wissensform ist. Denn unser Leben besteht nicht in einer Denkwirklichkeit[16],
sondern ist eine leibliche Praxis innerhalb von uns entworfenen sinnhaften
Welten. Das Wissen besteht aus Erfahrungswissen, Anwendungswissen und
bewusstem Wissen; in jedem Fall ist es eingebettet in die Ordnung der
Welt, die man in der Praxis stets generiert. Das Erfahrungswissen geht
aufs Ganze. Das Wissen ist nicht ‚über einen Leisten geschlagen‘, es ist
nicht in sich und miteinander konsistent. Das widerspricht dem klassischen
Wissenschaftsbegriff, ist teilweise auch problematisch. Zugleich aber
entgeht es dem großen Fehler, in der Generierung einer Wissenschaft die
tatsächlich komplexe Wirklichkeit in eine eingegrenzte, klassifizierte,
durchrationalisierte und damit eindimensionale Unterwelt umzuwandeln,
der der weite Horizont und die Fülle des Lebens fehlt. Die im klassischen
Wissenschaftsbegriff vorgenommene Trennung in Wissenschaft und Anwendung
wissenschaftlicher Ergebnisse entfällt. Wissenschaft wird im Machen gemacht.
- Der Begriff der Theorie in der Architektur
‚Theorie‘
bezeichnet – vor allem oft in der Meinung von Praktikern – Traumtänzerei,
Spinnerei und ein von der Wirklichkeit abgezogenes und bisweilen sogar
abgehobenes Wissen, das kein Fleisch und Blut hat und die Unwägbarkeiten
der Tatsächlichkeit nicht aufnimmt. Und diese Gefahr besteht in der Tat.
Theorie kann aber auch
- ein
verallgemeinertes aus der konkreten Praxis entwickeltes, strukturierendes
Begreifen im Kontext meinen, das als mathematische Formel oder in
generellen Aussagen formuliert wird,
- meinen,
dass das Einzelwissen zu einem Gesamtsystem entwickelt wird,
- ein
verallgemeinertes ohne eine Ableitung aus der Empirie ins Wesen einer
Sache zielendes Verständnis meinen, bei dem das Konzeptuelle dieses
Verständnisses, sein Entwurfscharakter, gleich mitgemeint ist. (Was
hast Du denn für eine Theorie über die Ursachen der Bankenkrise?),
- im
Gegensatz zum Wissenschaftsbegriff ein das Sinnliche mit aufnehmende
Begreifen von Wirklichkeit sein (Ritters Theoriebegriff als schauendes
Begreifen),
- als bewusstes –
versprachlichtes und verschriftlichtes – Begreifen und Reflektieren
über das eigene Tun
verstanden
werden.
Etymologisch und begriffsgeschichtlich kommt das Wort ‚Theorie’ aus dem
Griechischen und meint Anschauung, Betrachtung, Erkenntnis. In dem bereits
benutzten ‚Historischen Wörterbuch der Philosophie’ wird auf den ‚theoros’,
den Theoretiker, verwiesen, der in der Antike durch eine polis
zur Teilnahme an Götterfesten und Orakeln abgeordnet wird. (Bd. 10, Spalte
1128)
Theorie ist Anteilnahme an der göttlichen Weisheit. Mit der Bezeichnung
als Theorie geht es weniger um das Strukturelle, das Systematische, als
vielmehr um das Dabeisein und um den Vollzug des höchsten Wissens.
Wenn man also fragen würde, ob Theorie Wissenschaft sei, so müsste man
das strikt verneinen. Theorie ist nicht gleich Wissenschaft, sie ist vielmehr
die einer Systematisierung zur Wissenschaft vorausgehende, arbeitende,
prozessurale Anteilnahme an der Wirklichkeit; sie ist Präsenz der Wirklichkeit;
sie bringt die arche, den Urgrund des Seienden zur Präsenz.
- Architekturtheorie und Theorie der Architektur
Als
Architekturtheorie wird der Theoriebegriff im Sinne von bewusstem, versprachlichtem
und verschriftlichtem Begreifen und Reflektieren von Architekten über
das eigene Handeln und von dem praktischen Handeln in dieser Disziplin
Nahestehenden über das Tun in dieser Disziplin verstanden. So ungefähr
sind die in der unfassbar reichen und präzisen Anthologie Hanno-Walter
Krufts versammelten Autoren und Schriften zu verstehen.
Kruft hat ein Verständnis von Architektur als Baukunst, dann wiederum
ein Verständnis von Kunst bzw. von Baukunst, das sich weitgehend auf das
Machen der Kunst und auf Intentionen des Künstlers von seinem Werk, nicht
auf das Werk in seiner ästhetischen und praktischen Autonomie und nicht
auf Gebrauch und Aneignung des Werkes und also auf die Nutzer bezieht.
Damit ist gesetzt, dass nur Autoren, die mit dem Herstellen befasst sind
oder die ihnen oder dem Herstellen sehr nahe stehen, als Architekturtheoretiker
einbezogen sind. Personen, die Architektur nutzen oder als Wissenschaftler
und Theoretiker aus Nichtarchitekturdisziplinen kommen und deren Äußerungen,
Texte und Schriften, sind hier nicht aufgenommen.
Ich würde diese Ausgrenzung als nicht gerechtfertigt ansehen. Ich würde
von Theorie der Architektur sprechen, die zum einen die klassische Architekturtheorie
als einen Teil in ihre Disziplin aufnimmt, zugleich aber Theorien über
Architektur, die die erforderliche wissenschaftliche Substanz haben und
den Gegenstand treffen, aufnehmen, egal von wem und woher sie kommen.
3. Über das Theoretisieren
Vitruv erläutert im ersten Buch seiner Schriften das innere – zeitlose
– Grundgerüst der Architektur, ihre arche. Im zweiten Buch schildert
er dann den zeitlichen Ursprung der Menschen und der Architektur und deren
beider historische Entwicklung vom einfachen Menschsein und ihren Hütten
hin zum Theoretiker und der Architektur. Bereits bei Vitruv liest
man, dass es das Feuer als kontingenter und äußerer Anlass, die Geselligkeit
der Hominiden, die Entwicklung ihrer Sprache und ihre Fähigkeit, voneinander
zu lernen, als gattungsspezifischer innerer Anlass waren, die die Hominiden
zu Menschen zivilisierten und sich zu Theoretikern mit Blick aufs Ganze
entwickeln ließen. Kommunikatives Sprechen (auf das ich mich im Folgenden
noch genauer beziehen werde), Menschwerdung, Entwicklung zur Theorie und
zur Architektur ist ein einziger – wenn auch komplexer – Prozess.
- Indikatives Sprechen
In
der Architektur werden Aussagen zumeist im Indikativ gemacht. In Geschäft und Disziplin der Architektur
werden zumeist der Indikativ und die Sprache überhaupt vorbewusst benutzt,
um in ihr eine Aussage über eine Sache zu machen.
Nehmen wir einen Beispielsatz: Architektur ist Wissenschaft.
So weit so gut. Das ist die Sprache der Manifeste, des Entwurfs-
und Projektmarketings und vieler Produzenten- und Nutzerstatements. Auch
das ist wiederum OK, es ist aber nicht Theorie.
Wenn ich diesen Satz nicht nur als Feststellung und Aussage über eine
Wahrheit nehme, sondern nach der in der Sprachlichkeit des Satzes formulierten
Wahrheit frage, also die Sprache, die Versprachlichung der Aussage in
den Focus meines Interesses nehme, so breche ich sofort durch das dünne
Eis der Scheingewissheit.
Architektur ist Wissenschaft
Was besagt das Wort ‚Architektur’? Den Gegenstand, die Disziplin,
Ordnung, ein Gebäude oder was sonst?
Was besagt das Wort ‚Wissenschaft’?
Oder was besagt das Wort ‚ist’?
Besagt es – um mich bei letzterem festzubeißen –
dass a (Architektur) = a (Wissenschaft) ist, also dass Architektur und
Wissenschaft identisch sind und es sich hier nur um zwei unterschiedliche
Wörter für die gleiche Sache handelt? Architektur also zur Wissenschaft
steht wie der Morgenstern zum Abendstern und zur Venus, die alle drei
den gleichen Gegenstand bezeichnen?
Oder besagt es, dass a = a’ ist, dass also zwei ungleiche Entitäten
gleich sind: Der Abendstern ist der Morgenstern, aber als Abendstern ist
er etwas anderes – hier durch seinen zeitlichen Kontext am Ende des Tages
im Gegensatz zu seiner Existenz am Anfang des Tages.
Oder gilt a = b, dass also a (der Abend- und Morgenstern)
b (Planet Venus) ist, dass also ein Stern (a) ein Planet (b) ist.
Oder ist ausgesagt a = A, wobei damit a die Venus, ein Individuum und
A die Gattung der Planeten gemeint ist?
Was ich also gerade metaphorisch als ‚Durchbruch durch das dünne Eis der
Selbstgewissheit’ bezeichnet habe, führt in eine ‚negative Dialektik’
zwischen Begriff und Gegenstand und damit zur Theorie. Die Sprache selbst
– wenn ich in ihr nicht nur den versprachlichten Aussagegegenstand sehe,
sondern die Sprache selbst und ihre Beziehung zur Aussage – ist eigentlich
bereits Erkenntnisarbeit und damit Theorie.
- Konjunktives Sprechen
Ich
meine aber, erst im Konjunktiv entwickelt die Sprache ihre volle Macht
als Theorie.
Nur zur Erinnerung: den Konjunktiv benutzt man im Deutschen beim Zurücknehmen
des Wichtigkeit der Aussage oder des Sprechenden, zur Betonung des Meinungscharakters
einer Aussage, zur Präsenz von Fraglichkeit, bei einer irrealen
Kondition, bei einer irrealen Konsekution, bei einer irrealen Konzession,
in der indirekten Rede und für den Potentialis, also zum Ausloten
von Möglichkeitsräumen.
Ich möchte nun aber nicht der linguistischen Frage nachgehen, wie ich
ein Verb konjugieren muss, um es für den Fall des Auftretens eines Konjunktivs
richtig zu benutzen. ES geht mir vielmehr um das Sprechen im Konjunktiv,
sogar um ein Denken im Konjunktiv, weil darin in besonderer Weise das
Sprechen und Nachdenken über Architektur zur Theorie der Architektur werden
könnte.
Lassen Sie mich aber dennoch ein paar Beispiele geben:
- Konjunktives Denken
Bei
der Benutzung des Konjunktivs der indirekten Rede (I) (Vitruv sagt,
Architektur sei eine Wissenschaft) wird der Autor in die Aussage hineingezogen
und damit die Gemachtheit der Aussage, ihr Aussagecharakter
hervorgehoben. Obwohl in voller Formulierung übernommen distanziert sich
der Sprechende von der Aussage, er hält sie vor sich selbst, stellt sie
sich gegenüber und tut anderen kund, dass sie einen Dritten als Autoren
hat. Der Konjunktiv zeigt den Hypothesencharakter der Aussage an.
Die Benutzung des Konjunktivs (II) (Vitruv sagt, Architektur wäre eine
Wissenschaft)
durch einen Autoren kann – in der indirekten Rede – einem Leser oder Zuhörer
anzeigen, dass hier eine Aussage in der gleichen Form und im gleichen
Sinn reproduziert wird, wie er ursprünglich gesagt oder geschrieben und
gemeint war, dessen Wahrheit aber offen gelassen oder sogar in Zweifel
gestellt wird.
Wir haben uns angewöhnt, in diesem Zusammenhang von indirekter Rede zu
sprechen; das soll so sein, ist aber unglücklich, weil es nur auf die
linguistische Funktion, aber nicht auf den neuen komplexen Gehalt der
Aussage hinweist. Die indirekte Rede markiert den Unterschied zwischen
selbstreflexionslosem Statement (auf der einen Seite) und (auf der anderen
Seite) das Selbst ihrer eigenen Autoren reflektierende Theorie, es zeigt
den Unterschied zwischen Manifest und Theorie. Die in der indirekten Rede
mögliche und oft vorgenommene Bewertung der Validität, also der Wissenschaftlichkeit
der Aussage, und damit auch – im Konjunktiv II –
die Infragestellung der Wissenschaftlichkeit des Inhalts der Aussage
erhöht die Wissenschaftlichkeit der Aussage. Mit dem Konjunktiv
der indirekten Rede geht es nicht um die Indirektheit der Rede sondern
um die Erhöhung der Valenz und Wahrheit der Aussage.
Theorie ist ‚selbstbewusst’, wobei ich unter ‚Selbstbewusstsein’ hier
das ‚Bewusstsein seiner selbst’ verstehe, also das reflexives Sich-auf-Sich-Zurückwenden
und das Bewussthaben der eigenen Position und der Positionalität der Position.
Der Konjunktiv schützt vor Selbstvergessen, weil es stets den Autoren
der Aussage bewusst hält.
Das konjunktivische Denken exploriert Möglichkeiten, Möglichkeiten des
Tuns, aber auch irreale Möglichkeiten die recht eigentlich erst die Bedeutung
des Gesetzten in den Blick, in die Theorie bringen. Die konjunktivische
Frage: ‚Könnte man die Fassade des Hauses am Michaeler Platz statt
weiß, eierschalenfarbig streichen?‘ entwirft Möglichkeiten, die man
natürlich auch realisieren könnte, die aber ihre eigentliche Kraft im
irrealis hat, der aus der Differenz die Bedeutung der tatsächlichen
historischen Fassade ins Licht bringt, in einer Art vergleichendem Sehen
(wobei es eigentlich besser wäre, es entgleichendes Sehen zu nennen).
Wenn ich die ästhetische Brisanz eines Gebäudes theoretisch fassen will,
so muss ich es konjunktivisch ansehen.
Theorie ist m. E. konjunktivisch. Die Feststellung eines Fakts ist genau
so wenig Wissenschaft wie die Feststellung einer Struktur, oder die Fixierung
eines Systems.
Sogar eine mathematische Formel ist leer, wenn ich sie indikativ und nicht
konjunktiv, nämlich als Zusammenfaltung einer Mannigfaltigkeit von Möglichkeitsräumen,
nehme.
Konjunktivische Theorie
- macht
die Autoren von Positionen, die Positionalität der Texte, distanzierte
Reflexion der Thesen und Konzepte bewusst,
- ist
Erforschung (exploration) der Seinsmöglichkeiten eines Werkes
und
-
Erforschung (inquiry) der Möglichkeitsräume.
- Theorie als selbstbewusstes, öffentliches Gespräch
Sprechen
ist im Grunde schon konjunktivisch, auch ohne konjunktivische Modalwörter.
Denn im Sprechen ist der Sprechende präsent, wie in der indirekten Rede
der zitierte Autor.
Das Sprechen braucht aber auch die Anderen, braucht Öffentlichkeit, wobei
Öffentlichkeit, das Offenwerden, das Unverborgensein in der griechischen
Antike als Wahrheit verstanden wurde. ‚aletheia’ (άλήδεια)
Wahrheit, heißt wörtlich übersetzt das Unverborgene. Was sich unverborgen
gibt, erscheint als wahr. Ob etwas wirklich offen ist, darüber hat die
Öffentlichkeit, das zur Öffentlichkeit versammelte Publikum zu entscheiden;
nicht ihre Mathematisierbarkeit. Zur Wahrheitsfindung gehört deshalb das
Ins-Offene-Stellen und ein Publikum, das das Ins-Offene-Gestellte durch
sein Überzeugtsein als Wahrheit konstituiert[17].
Um die Zustimmung der Öffentlichkeit zu erlangen, argumentiere
ich, wobei Argumente gute Gründe, Belege, Erfahrungen sind, ohne dass
sie alle bereits Beweise oder logische Ableitungen wären. Im kommunikativen
Sprechen, im Gespräch stelle ich meine Argumente vor und versuche, sie
in einer möglichen Bestätigung durch die Anderen wahr zu machen. Die Qualität
eines so bestätigten Argumentes hängt von dem Feld des Argumentierens
und von der Erfahrung und Kompetenz der Anderen ab: bestätigt mir ein
Koch mein Argumentieren zur Qualität einer Currywurst, hat mein Argument
im Nachhinein größere Qualität als wenn es eine Promotionskommission ist.
Bestätigt mir eine Promotionskommission die richtige Argumentation über
ein neues Gebäude, hat es eine größere Qualität, als wenn der Koch es
tut (obwohl man das auch nicht immer so sagen kann).
Das Sprechen bleibt – idealerweise – im Kontakt zum Zuhörer, es
ist auf ein konkretes anwesendes Publikum bezogen und somit virtuell und
potentiell dialogisch. Denn es sind nicht die Zuhörer allein, die zuhören,
es ist auch der Sprechende. Die Zuhörer bilden eine Öffentlichkeit, die
über den Inhalt, die Substanz, die Richtigkeit, die Schlüssigkeit und
den Wahrheitsgehalt entscheiden und dies – zugegebenermaßen in einer diffizilen
und in einer nichtsprachlichen Weise – mitteilen. Der Sprecher muss sie
aufnehmen, damit Wahrheit entsteht. Wenn sie entsteht, ist sie präsentisch.
Theorie der Architektur – um zusammenzufassen – wäre ein Gespräch,
in dem Möglichkeitsräume exploriert und als diese dargestellt würden,
in dem Irrealitäten durchwandert und zur Identitätsfindung des Realen
benutzt würden, in dem das Thesenhafte des Sprechens und der Sprecher
in seiner Autorenschaft präsent blieben, und in dem nach Öffentlichkeit
und nach sozialisierendem Konsens gesucht würde.
Literaturverzeichnis:
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bis in die frühe Neuzeit; Köln, Weimar, Wien 1999 (Böhlau) zugl. Diss. Münster 1996
Anmerkungen:
[1]
Das Wort ‚Architektur’ soll im Folgenden für einzelne bauliche Anlagen,
für baulich definierten Raum (Innen- und Außenraum), für Ensembles,
Quartiere, Agglomerationen, gebaute Landschaft und für Dörfer und
Städte jeder Art und Größe stehen.
[2]
Ich kann hier nur einen ganz kurzen Abriss und einige wenige Beispiele
geben.
[3]
Zum Begriff der ‚Theorie’ siehe weiter unten.
[4]
Er verweist in seinem siebten Buch auf ihn.
[5]
Siehe hierzu Binding 1987 und Binding 1993 und Reudenbach 1980.
[6]
Ausführlicher dazu Schuler 1999.
[7]
Der Titel der gedruckten Erstausgabe war de re aedificatoria.
Die erste Übersetzung von Pietro Lauro 1546 ins Italienische titelt
I dieci libri de l’Architettura di Leon Battista de gli Alberti.
(Ins Deutsche 1912 von Max Theuer als Zehn Bücher über die Baukunst
übersetzt).
[8]
The Polite Arts, or, a Dissertation on Poetry,
Painting, Music, Architecture, and Eloquence,
London 1749; zit. nach Kristeller.
[9]
Dazu gehören meines Erachtens sowohl die Untersuchungen von Karl-Heinz
Esser über den architektonischen Raum (1939) wie die von Steen Eiler
Rasmussen über eine Bestimmung von Architektur als Erlebnis phänomenischer
morphologischer oder visueller Eigenschaften der Architektur (1959/1980),
die sich beide auf sinnliche Eigenschaften der Architektur reduzieren.
[10]
Ich setze hier den Begriff Konzept in Anführungsstriche, da er in
der Architektur eine eigenständige changierende Bedeutung hat. Ein
‚Konzept‘ kann sein, was die Phänomenologie als ‚Welt‘ bezeichnet,
es kann eine ästhetisch-stilistische Grundhaltung sein, es kann –
sozusagen extra muros – auch ein aufgesetzter, ins Symbolische gehender
Sinn oder ganz banal reines Marketing sein.
[11]
Hier wird ein methodische Problem meines Argumentierens deutlich:
ich beziehe mich hier mit dem Ausdruck ‚ein Gebäude wird angenommen‘
auf eine Denkweise, die dem alltagssprachlichen Umgang unter Architekten
entstammt und bisher in keiner expliziten Architekturtheorie aufgenommen
ist. Wie weit meine persönliche Erfahrung mit der Benutzung des Begriffs
dem tatsächlichen Gebrauch unter Fachleuten entspricht, mag
jeder mit Bezug auf seine eigene Erfahrung selber entscheiden.
[12]
Ich betone das hier, weil es sowohl auch eine epistemologische Sicht
auf die Naturwissenschaften gibt, wie sie durch den in der Architektur
als Raumpoet und Architekturphänomenologen missverstandenen Gaston
Bachelard vertreten wurde, wie eine paradigmatische, die mit dem Namen
von Thomas S. Kuhn verbunden ist.
[14]
Unter Cargo-Kult versteht man ein quasireligiöses Verhalten indigener
Bevölkerung Melanesiens nach dem 2. Weltkrieg, mit dem diese
durch Nachahmung technischer Geräte (aus Holz geschnitzte Kopfhörer,
aus Stroh gefertigte Flugzeuge) und Praktiken (etwa der Aktivitäten
in einem Flughafentower) der amerikanischen Armee nach deren Abzug
die zu ihnen gekommene Fracht (cargo) für sich herbeirufen wollten.
[15]
Siehe dazu Wolkenkuckucksheim – Cloud-Cuckoo-Land –
Воздушный
замок, 3. Jg., Heft 2/98.
[16]
Unter ‚Denken‘ meine ich hier rationalisiertes und formalisiertes
Denken.
[17]
Hier setzt auch die ‚Neue Rhetorik‘ an.
|