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Autor: Meyer, Hannes
In: Das Werk - 13 (1926); 7. - S. 205ff
 
Die Neue Welt
 
71223 Byte NATAN ALTMAN, LENINGRAD Revolutionsprojekt für die Umgestaltung eines Platzes in Leningrad, 1918

HANNES MEYER / DIE NEUE WELT

Die Nordpolfahrt der «Norge», das Zeiss-Planetarium zu Jena und das Rotorschiff Flettners sind die zuletzt gemeldeten Etappen der Mechanisierung unseres Erdballs. Als Ergebnisse exaktesten Denkens belegen sie augenfällig den Nachweis einer fortschreitenden wissenschaftlichen Durchdringung unsrer Umwelt. So zeigt das Diagramm der Gegenwart inmitten der krausen Linien seiner gesellschaftlichen und ökonomischen Kraftfelder überall die Geraden mechanischer und wissenschaftlicher Herkunft. Sie belegen sinnvoll den Sieg des bewussten Menschen über die amorphe Natur. Diese Erkenntnis erschüttert die bestehenden Werte und wandelt deren Formen. Sie gestaltet bestimmend unsre neue Welt.

Unsere Strassen stürmen die Autos: Von 18-20 Uhr umspielt uns auf der Trottoirinsel der Pariser Avenue des Champs Elysées das grösstmögliche Fortissimo großstädtischer Dynamik. «Ford» und «Rolls-Royce» sprengen den Stadtkern und verwischen Entfernung und Grenze von Stadt und Land. Im Luftraum gleiten Flugzeuge: «Fokker» und «Farman» vergrössern unsere Bewegungsmöglichkeit und die Distanz zur Erde; sie missachten die Landesgrenzen und verringern den Abstand von Volk zu Volk.Lichtreklamen funken, Lautsprecher kreischen, Claxons rasseln, Plakate werben, Schaufenster leuchten auf: Die Gleichzeitigkeit der Ereignisse erweitert masslos unsern Begriff von «Zeit und Raum», sie bereichert unser Leben. Wir leben schneller und daher länger. Unser Sinn für Geschwindigkeit ist geschärfter denn je und Schnelligkeitsrekorde sind mittelbar Gewinn für Alle. Segelflug, Fallschirmversuche und Variétéakrobatik verfeinern unser Gleichgewichtsbestreben. Die genaue Stundeneinteilung der Betriebs- und Bureauzeit und die Minutenregelung der Fahrpläne lässt uns bewusster leben. Mit Schwimmbad, Sanatorium und Bedürfnisanstalt bricht die Hygiene ins Ortsbild und schafft durch Watercloset, Fayencewaschtisch und -badewanne die neue Gattung der sanitären Töpferei. Fordson-Traktor und v. Meyenburg-Bodenfräse verlegen die Schwerpunkte des Siedelungswesens und beschleunigen Bodenbearbeitung und Intensivkultur der Ackererde. Bouroughs Rechenmaschine
DIE INTERNATIONALE

Die_neue_Welt_2.gif (62686 Byte) J. J. P. OUD Café de Unie, Rotterdam, 1925 / Halbdauernde Baukonstruktion

Die_neue_Welt_3.gif (64478 Byte) A. Melnikoff, Moskau Sovjetpavillon der Pariser Kunstgewerbeausstellung 1925

Die_neue_Welt_4.gif (115572 Byte) LE CORBUSIER, PARIS Haus Laroche in Auteuil


DAS HOCHHAUS

Die_neue_Welt_5_1.gif (254845 Byte) MIES VAN DER ROHE, BERLIN Hochhaus aus Eisen und Glas, 1921


DAS BILD
Die_neue_Welt_6.gif (146899 Byte) WILLY BAUMEISTER, STUTTGART Raumgestaltung und Mauerbild, 1924

Die_neue_Welt_7.gif (96748 Byte) GEORGES VANTONGERLOO,MENTONE Triptychon, 1921


DAS ATELIER

Die_neue_Welt_8.gif (160174 Byte) PIET MONDRIAN Arbeitsraum des Malers zu Paris / Phot. P. Delbo, Paris

Die_neue_Welt_9.gif (91229 Byte) J. J. P. OUD Baubüro »Oud-Manthenesse«, Rotterdam, 1923 / Halbdauernde Baukonstruktion aus Holz und Putz


DAS MATERIAL

Die_neue_Welt_10.gif (106160 Byte) MARCEL BREUER, BAUHAUS DESSAU Stahlstuhl mit Stoffgurten, 1925 / Phot. Lucia Moholy, Dessau

Die_neue_Welt_11.gif (113877 Byte) STADTBAURAT A. BERG, BRESLAU Der Messehof zu Breslau, 1925


DIE BÜHNE

Die_neue_Welt_12.gif (153618 Byte) THEATER MEIERHOLD, MOSKAU »Der Wald« von Ostrowsky Aus der Zeitschrift »Das neue Russland« (Berlin-Pankow)

Die_neue_Welt_13.gif (99855 Byte) THEATER MEIERHOLD, MOSKAU »Tarelkins Tod« / Aus der Zeitschrift »Das neue Russland« (Berlin-Pankow)


DIE PHOTOGRAPHIE

Die_neue_Welt_14.gif (279626 Byte) FLIEGERBILD WATERLOO-STATION LONDON The Central Aero Photo Co. Ltd.


DAS PHOTOGRAPHISCHE BILD

Die_neue_Welt_15.gif (131714 Byte) Negativ Die_neue_Welt_16if.gif (68629 Byte) Positiv
L.MOHOLY-NAGY,BAUHAUS DESSAU / PHOTOGRAMM


DIE GLASMALEREI

Die_neue_Welt_17if.gif (89039 Byte) THEO VAN DOESBURG, PARIS Glasbild, 1924 / Hierzu Erklärung

Diese Komposition ist einer vorhandenen Konstruktion von 3,60 X 10,0 m Lichtweite angepasst. Die Konstruktionsstäbe sind so verwertet, dass sie nicht störend im Bilde wirken. Das Bild besteht aus einer Hauptkomposition von Rot/Blau/Gelb/Weiss/Grau. Sie besteht aus 10 grossen Flächen, die hinwiederum in selbständige Kompositionen aufgeteilt sind, welche hinsichtlich der Farben aus Dissonanzen bestehen. Diese Einzelkompositionen,133 an der Zahl u, je 30,8 x 46 cm gross, sind alle verschieden. Ein »Motiv« sich wiederholender Kompositionen ist nicht vorhanden. Jede Einzelkomposition formt sich - wie auch die Hauptkomposition - zu je einem Bild. Die Farben kontrastieren gruppenweise: ein blaues Feld mit einem roten Feld u.s.w.

Theo van Doesburg


DIE AUSSTELLUNG

Die_neue_Welt_18if.gif (112614 Byte) F. KIESLER, WIEN-NEW YORK Ausstell-Type T  Internationale Theaterausstellung Wien 1924

Zweck: Da das bisherige Ausstellungssystem romantischer Museumsersatz ist und die Behängung der Wandflächen dekorativer Bluff, so soll die Möglichkeit gegeben werden, das Starre des Raumes aufzulösen, dergestalt, dass die Raumarchitektur den Besucher zwingt, nichts zu übergehen und sich mit jedem einzelnen Objekt auseinanderzusetzen.
Lösung: Bau zweier Raumkonstruktionen, der »Leger-Type und der »Trägertyps «. Die Konstruktionen stehen frei im Raume, sind rund herum zu begehen und müssen so gestaltet sein, dass jede ihrer Seiten einen völlig ungleichartigen Aspekt geben. Die L-Type besteht zu drei Vierteln aus horizontalen, zu einem Viertel aus vertikalen Flächen. Sie dient hauptsächlich zur Aufnahme von Modellen, die auf ihre horizontalen Flächen gelegt « oder an die vertikalen gehängt werden. Die T-Type besteht aus einem offenen Gerippe, verbunden mit einer vertikalen Fläche. Die drei Betrachtungsweisen: von unten nach oben, von oben nach unten und horizontal im Kreise, bestimmen die Form der T-Type. Konstruktionssystem: Holz, geschraubt. Weder gezinkt, geleimt, gekeilt. Sämtliche Konstruktionsteile der L- und T-Type sind standardisiert und werden maschinell vervielfältigt. Der Ausstellungsraum ist abgedunkelt, die Beleuchtung künstlich. Die Gerippekonstruktion dient gleichzeitig zur Aufnahme von Glühlampen, welche eine individuelle Beleuchtung der einzelnen Arbeiten oder Arbeitsgruppen ermöglichen. F. Kiesler.


ANGEWANDTE KUNST

Die_neue_Welt_19if.gif (112531 Byte) EL. LISSITZKY, MOSKAU Aus dem russischen Kinderbuche »Von 2 Quadraten«  Holländische Ausgabe »De Stijl«

Die_neue_Welt_20if.gif (115513 Byte) SOPHIE ARP-TÄUBER, ZÜRICH Tischteppich, 1924


DIE PROPAGANDA

Die_neue_Welt_21if.gif (87613 Byte) HANNES MEYER, BASEL Die Vitrine Co-op. 1925 / Phot. Th. Hoffmann, Basel

Die_neue_Welt_22if.gif (84297 Byte) M. BURCHARTZ & J. CANIS, BOCHUM Zeitungsprospekt, 1926

Die_neue_Welt_23if.gif (69098 Byte) KINOPLAKAT


DER TANZ

Die_neue_Welt_24if.gif (278560 Byte) GRET PALUCCA, DRESDEN Sprungmoment / Phot. Franz Fiedler, Dresden


DER STANDARD

Die_neue_Welt_25if.gif (39467 Byte) DIESELMASCHINENFABRIK DER SCHIFFSWERFT HARLAND & WOLFF LTD.,
GLASGOW Eisenkonstruktion, Wellblechwände,Glasdächer  / Phot. H.Wittwer

Die_neue_Welt_26.gif (38083 Byte) MUNITIONSARBEITER-SIEDELUNG WELL HALL  ZU ELTHAM, KENT
Building Departement Woolwich Arsenal / Grundriss Holzkonstruktion, Eternitwände, Teerpappedach

Die_neue_Welt_27.gif (138941 Byte) H. DE FRIES, Berlin  MODELLENTWURF ZUR EXPORTMESSE in Hamburg 1925

Grundriss  / Gebäudelänge 360 m / Breit aufgespaltene Baukörper sichern grösstmögliche Lichtzufuhr /Keine geschlossenen Höfe / Ausstellungs- und Büroräume im Doppelstocksystem / Grosse Längsstrasse im Gebäudeinnern / Dreigeschossige Auslegervorbauten über der Strassenbahnlinie / Treppenhäuser mit direktem Zugang von vorhandener Baumallee

Die_neue_Welt_28.gif (43953 Byte) DIE LANDSCHAFT Schlachtfeld St. Jakob bei Basel anno 1926

Die_neue_Welt_29.gif (28222 Byte) DIE SIEDELUNG Gartenfräse System v.Meyenburg

Die_neue_Welt_30.gif (160171 Byte) DIE WOHNUNG Co-op. Interieur 1926


DER FILM

Die_neue_Welt_31.gif (50234 Byte) NATURALISTISCH Aus einem x-beliebigen Film

Die_neue_Welt_32.gif (50092 Byte) SYMBOLISCH Lotte Reiniger Aus dem Tricktischfilm »Prinz Achmed«

Die_neue_Welt_33.gif (78914 Byte) RAUMZEITLICH-RHYTHMISCH-ABSTRAKT Viking Eggeling † Aus der »Diagonalsymphonie«

befreit unser Hirn, der Parlograph unsere Hand, Fords Motor unsern ortsgebundenen Sinn und Handley-Page unsern erdgebundenen Geist. Radio, Marconigramm und Telephoto erlösen uns aus völkischer Abgeschiedenheit zur Weltgemeinschaft. Grammophon, Mikrophon, Orchestrion und Pianola gewöhnen unser Ohr an das Geräusch unpersönlich-mechanisierter Rhythmen: «His Masters Voice», «Vox» und «Brunswick» regulieren den Musikbedarf von Millionen Volksgenossen. Die Psychoanalyse sprengt das allzu enge Gebäude der Seele, und die Graphologie legt das Wesen des Einzelwesens bloss. «Mazdaznan», «Coué», «Die» Schönheit» sind Anzeichen des überall ausbrechenden Erneuerungswillens. Die Tracht weicht der Mode, und die äusserliche Vermännlichung der Frau zeigt die innere Gleichberechtigung der Geschlechter. Biologie, Psychoanalyse, Relativitätstheorie und Entomologie werden geistiges Gemeingut Aller: Francé, Einstein, Freud und Fabre sind die Heiligen der letzten Tage. Unsere Wohnung wird mobiler denn je: Massenmiethaus, Sleeping-car, Wohnjacht und Transatlantique untergraben den Lokalbegriff der «Heimat». Das Vaterland verfällt. Wir lernen Esperanto. Wir werden Weltbürger.

Die stetig zunehmende Vervollkommnung der graphischen, photographischen und kinematographischen Prozesse ermöglicht eine immer genauer werdende Wiedergabe der wirklichen Welt. Das optische Bild der heutigen Landschaft ist vielgestaltiger denn je: Hangars und Dynamohallen sind darin die Dome des Zeitgeistes. Bestimmend wird ihre Eindrücklichkeit durch die bestimmten Formen, Lichter und Farben ihrer neuzeitlichen Elemente: der Radioantennen, der Talsperren, der Gitterträger; durch die Parabel des Luftschiffs, das Dreieck der Autowarnungstafel, den Kreis des Eisenbahnsignals, das Rechteck der Plakatwand; durch das Linienelement der Kraftlinien: Telephondrähte, Fahrdrahtgestelle, Starkstromleitungen; durch Funkturm,Betonmast, Blinklicht und Benzin - Tankstelle. Schon schmähen unsre Kinder die fauchende Dampflokomotive und vertrauen sich kühl und gemessen dem Wunder elektrischer Zugkraft. G. Paluccas Tänze, von Labans Bewegungschöre und D. Mensendiecks funktionelles Turnen verjagen die ästhetische Erotik der Bilderkarte. Das Stadion besiegt das Kunstmuseum und an die Stelle schöner Illusion tritt körperliche Wirklichkeit. Sport eint den Einzelnen mit der Masse. Sport wird zur hohen Schule des Kollektivgefühls: Hunderttausende enttäuscht die Absage Suzanne Lenglens. Hunderttausende macht die Niederlage Breitensträters erzittern. Hunderttausende folgen dem 10 000 Meter-Lauf Nurmis auf der Aschenbahn. Die Vereinheitlichung unsrer Bedürfnisse erweisen: Der Melonehut, der Bubikopf, der Tango, der Jazz, das Co-op-Produkt, das Din-Format und Liebigs Fleischextrakt. Die Typisierung geistiger Kost veranschaulicht der Andrang zu Harold Lloyd, Douglas Fairbanks und Jackie Coogan. Charlot, Grogg und die drei Fratellini schmieden - hinweg über Unterschiede des Standes und der Rasse - die Massen zur Schicksalsgemeinschaft. Gewerkschaft, Genossenschaft, A. G., G. m. b. H., Kartell, Trust und Völkerbund sind die Ausdrucksformen heutiger gesellschaftlicher Ballungen, Rundfunk und Rotationsdruck deren Mitteilungsmöglichkeiten. Cooperation beherrscht alle Welt. Die Gemeinschaft beherrscht das Einzelwesen.

Jedes Zeitalter verlangt seine eigene Form. Unsre Aufgabe ist es, unsre neue Welt mit unsren heutigen Mitteln neu zu gestalten. Jedoch die Last unsres Wissens um das Vergangene drückt und unsre hohe Schulung birgt die Tragik der Hemmung auf unsren neuen Wegen. Die rückhaltlose Bejahung der Jetztzeit führt zur rücksichtslosen Verleugnung der Vergangenheit. Die alten Einrichtungen der Alten veralten, die Gymnasien und die Akademien. Die Stadttheater und die Museen veröden. Die nervöse Ratlosigkeit des Kunstgewerbes ist sprichwörtlich. Unbelastet von klassischen Allüren, künstlerischer Begriffsverwirrung oder kunstgewerblichem Einschlag erstehen an deren Stelle die Zeugen einer neuen Zeit: Muster-Messe, Getreide-Silo, Music-Hall, Flug-Platz, Bureau-Stuhl, Standardware. Alle diese Dinge sind ein Produkt der Formel: Funktion mal Oekonomie. Sie sind keine Kunstwerke. Kunst ist Komposition, Zweck ist Funktion. Die Idee der Komposition eines Seehafens erscheint uns unsinnig, jedoch die Komposition eines Stadtplanes, eines Wohnhauses . . .?? Bauen ist ein technischer, kein ästhetischer Prozess, und der zweckmässigen Funktion eines Hauses widerspricht je und je die künstlerische Komposition. Idealerweise und elementar gestaltet wird unser Wohnhaus eine Wohnmaschinerie.

Wärmehaltung, Besonnung, natürliche und künstliche Beleuchtung, Hygiene, Wetterschutz, Autowartung, Kochbetrieb, Radiodienst, grösstmögliche Entlastung der Hausfrau, Geschlechts- und Familienleben etc. sind die wegleitenden Kraftlinien. Das Haus ist deren Komponente. (Gemütlichkeit und Repräsentation sind keine Leitmotive des Wohnhausbaues: die Erste ist im Menschenherzen und nicht im Perserteppich, die Zweite in der persönlichen Haltung der Hausbewohner und nicht an der Zimmerwand!) Die Neuzeit stellt unserm neuen Hausbau neue Baustoffe zur Verfügung: Aluminium und Duraluminium als Platte, Stab und Sprosse, Euböolith, Ruberoid, Torfoleum, Eternit, Rollglas, Triplexplatten, Stahlbeton, Glasbausteine, Fayence, Stahlgerippe, Betonrahmenplatten, -säulen, Trolith, Galalith, Cellon, Goudron, Ripolin, Indanthrenfarben. Diese Bauelemente organisieren wir, dem Zweck und ökonomischen Grundsätzen entsprechend, zu einer konstruktiven Einheit. Architektur als Weiterbildung der Tradition und als Affektleistung hat aufgehört. Einzelform und Gebäudekörper, Materialfarbe und Oberflächenstruktur erstehen automatisch, und diese funktionelle Auffassung des Bauens jeder Art führt zur reinen Konstruktion. Reine Konstruktion ist das Kennzeichen der neuen Formenwelt. Die konstruktive Form kennt kein Vaterland; sie ist zwischenstaatlich und Ausdruck internationaler Baugesinnung. Internationalität ist ein Vorzug unsrer Epoche.
Der konstruktive Leitgedanke geht heute durch alle Domänen unsrer Ausdruckskultur. Erklärlich aus dem Gesetz menschlicher Trägheit, dass er sich zunächst überall dort eindeutiger durchsetzt, wo Griechen und Louis XIV. Spuren nicht hinterliessen; im Reklamewesen, im typographischen Maschinensatz, im Lichtspiel, in den photographischen Prozessen. Das neue Plakat gibt, sinnfällig angeordnet, Plakatschrift und Ware oder Warenzeichen. Es ist kein Plakat-Kunstwerk, sondern ein optisches Sensations-Stück. Im neuen Schaufenster sind die Spannungen neuzeitlicher Materialien mit Hilfe der Beleuchtung psychologisch ausgewertet. Schaufenster-Organisation statt Schaufenster-Dekoration. Es appelliert an das so differenzierte Materialgefühl des modernen Menschen und zieht alle Register seiner Ausdruckskraft: Fortissimo = Tennisschuhe zu Havanazigarren zu Fleckseife zu Nussschokolade! Mezzoforte = Glas (als Flasche) zu Holz (als Kiste) zu Pappe (als Packung) zu Weissblech (als Büchse)! Pianissimo - Seidenpayama zu Batisthemd zu Valenciennes zu «L'Origan de Coty»!

Im Esperanto konstruieren wir nach dem Gesetz geringsten Widerstandes eine übernationale Sprache, in der Einheitsstenographie eine traditionslose Schrift. Am notwendigsten ist die konstruktive Denkart im Städtebau. Solange wir nicht mit der Vorurteilslosigkeit des Betriebsingenieurs an die Stadtbauprobleme herantreten, erdrosseln wir durch Ruinenkult und übernommene Vorstellungen von Strassenaxen und Blickpunkten das mondäne Leben der modernen Stadt. Die Stadt ist die vielfältigste biologische Ballung, welche vom Menschen bewusst beherrscht und konstruktiv gestaltet werden muss. Unsere heutigen Lebensansprüche sind strich oder schichtenweise von gleicher Art. Das sicherste Kennzeichen wahrer Gemeinschaft ist die Befriedigung gleicher Bedürfnisse mit gleichen Mitteln. Das Ergebnis solcher Kollektivforderung ist das Standardprodukt. Typische Standardwaren internationaler Herkunft und Gleichförmigkeit sind: Der Klappstuhl, das Rollpult, die Glühbirne, die Badewanne, das Reisegrammophon. Sie sind Apparate der Mechanisierung unseres Tageslebens. Ihre genormte Form ist unpersönlich. Ihre Anfertigung erfolgt serienweise. Als Serienartikel, als Serieneinrichtung, als Serienbauteil, als Serienhaus. Das standardisierte Geistesprodukt heisst Schlager. Dem Halbnomaden des heutigen Wirtschaftslebens bringt die Standardisierung seines Wohnungs-, Kleidungs-, Nahrungs- und Geistesbedarfes lebenswichtige Freizügigkeit, Wirtschaftlichkeit, Vereinfachung und Entspannung. Die Höhe unsrer Standardisierung ist ein Index unsrer Gemeinwirtschaft.

Die Existenzberechtigung der Kunst ist unbestritten, solange der spekulative Geist des Menschen nach einem graphisch-farbigen, plastisch-konstruktiven, musikalisch-kinetischen Niederschlag seiner Weltanschauung noch Bedarf hat. (Mit Vorbedacht sprechen wir in diesem Zusammenhang nicht von den individuellen Versuchen einzelner Künstler, den «Ismen»; der Besten einer, Piet Mondrian, bezeichnete unlängst das bisher Geleistete als Surrogat einer noch zu leistenden bessern Leistung.) Die neue Gestaltung kann nur auf dem Boden unsrer Zeit und mit den Mitteln unsrer Zeit geschehen. Das Gestern ist tot: Tot die Bohème. Tot Stimmung, Valeur, Grat und Schmelz und die Pinselstriche des Zufalls. Tot der Roman: es fehlen uns Glaube und Lesezeit. Tot Bild und Skulptur als Abbild der realen Welt: im Zeitalter von Film und Photo sind sie uns Arbeitsverschwendung, und Anmassung ist die dauernde «Verschönerung» unsrer realen Umgebung mit deren Interpretation durch den «Künstler». Tot das Kunstwerk als «Ding an sich», als «L'art pour l'art»: Unser Gemeinschaftsbewusstsein erträgt keine individualistischen Ausschreitungen.

Das Künstleratelier wird zum wissenschaftlich- technischen Laboratorium und seine Werke sind Ergebnisse von Denkschärfe und Erfindungskraft. Das Kunstwerk von heute ist, wie jedes Zeitprodukt, den Lebensbedingungen unsrer Epoche unterworfen, und das Resultat unsrer spekulativen Auseinandersetzung mit der Welt kann nur in exakter Form festgelegt werden. Das neue Kunstwerk ist eine Totalität, kein Ausschnitt, keine Impression. Das neue Kunstwerk ist mit primären Mitteln elementar gestaltet. (Das hier abgebildete Kinderbild El Lissitzkys «Von 2 Quadraten» ist immer noch zeichnerische Illusion eines räumlichen Ausschnitts, also nicht primär gestaltet; wogegen das Mauerbild von Willy Baumeister mit den ausschliesslichen Mitteln eines Mauerbildes, den Farb-Flächen, primär gestaltet ist und eine Totalität, ein selbständiges Ganzes darstellt.) Das neue Kunstwerk ist ein kollektives Werk und für Alle bestimmt, kein Sammelobjekt oder Privilegium Einzelner.

Unsre grundsätzliche Gesinnungswandlung zur Neugestaltung unsrer Welt bedingt den Wechsel unsrer Ausdrucksmittel. Das Heute verdrängt das Gestern in Stoff, Form und Werkzeug: Statt dem Zufallsschlag der Axt - die Kettenfräsmaschïne. Statt der schummrigen Linie der Zeichenkohle - den präzisen Strich mit der Reissschiene. Statt der Malstaffelei - die Zeichenmaschine.

Statt Waldhorn - das Saxophon. Statt Kopie der Lichtreflexe - Gestaltung des Lichtes selbst (als Licht-Bild, Licht-Orgel, Reflektorisches Lichtspiel, Bild-Photographie). Statt plastischer Nachbildung einer Bewegung - die Bewegung selber (als Simultanfilm, Lichtreklame, Gymnastik, Eurhythmie, Tanz). Statt Lyrik - das Lautgedicht. Statt Roman - die Kurzgeschichte. Statt Farbton - den Luxwert der Farbe. Statt Skulptur - die Konstruktion. Statt Karrikatur- die Photoplastik. Statt Drama - den Sketch. Statt Oper - die Revue. Statt Freske - das Werbeplakat. Statt gefärbter Materie - die Materialfarbe selber. (Das «Malen ohne Pinsel» nötigt schon manuell zur Bildkonstruktion.) Längst sind die 9 Musen, von praktischen Männern entführt, einsichtig und hausbacken vom hohen Postament ins Leben zurückgekehrt. Ihre Gebiete sind expropriiert, verwischt und vermischt. Die Grenzen zwischen Malerei, Mathematik und Musik sind nicht mehr abzugrenzen, und zwischen Ton und Farbe besteht nur die graduelle Differenz der Schwingungszahl. Die Entwertung aller Kunstwerte ist unleugbar, und die weitere Auswertung der neuen exakten Erkenntnisse an deren Stelle ist fraglos nur noch Frage der Zeit. Die Kunst der gefühlten Nachahmung ist in Abrüstung begriffen. Die Kunst wird Erfindung und beherrschte Wirklichkeit. Die Kunst wird Realität. Und die Persönlichkeit Das Gemüt?? Die Seele??? Wir plädieren für die reine Scheidung. Diese Drei seien in ihre ureigensten Reservate verwiesen: Liebestrieb, Naturgenuss, Umgang mit Menschen.

RAUM UND FARBE VON WILLY BAUMEISTER        BETRACHTUNGEN ZUM MAUERBILD zurück

Die neue Architektur geht vom Zweckmässigen aus. Ihre Formen ergeben sich aus den Forderungen und Gegebenheiten, sie werden zum Ausdruck des Zwecks, der Konstruktion, des Materials. Man kommt zum Gefühl für Raum und Körper, zum Funktionellen, zur Dynamik. Für die Ausgestaltung der Räume bezüglich der Farbgebung müssen dieselben Beweggründe massgebend bleiben. Die farbige Raumgestaltung ist die Fortführung der Absichten des Baus und Raums; vor allem sprechen also die rein praktischen Gesichtspunkte und nicht die künstlerischen, diese sind zunächst reduziert aber nicht ausgeschaltet. Von jeher galt für einen schlecht belichteten Raum die helle Farbe, möglichst Weiss, als Notwendigkeit, warum nicht für die schlechtest belichtete Wand eines Raumes? In den von mir seit 1919 ausgeführten Arbeiten der Raumgestaltung von Wohnräumen, Ausstellungshallen, Tanzdielen, Verkaufslokale habe ich zunächst für die Fensterwand Weiss als Anstrich festgelegt, teils auch zusammen mit der Decke, oder Decke und die halbe Fensterwand von oben. Der Anschluss des Teils an das Ganze, des Raums an den Bau gelangt durch die Markierung der Aussenwand zum Ausdruck. Dynamik und Synthetik entstehen also nicht aus künstlerischen Phantasien. Aus weiteren praktischen Erwägungen, in diesem Fall unter weiterer Berücksichtigung der Lichtökonomie, bilde ich gewöhnlich die gegenüberliegende Wand gleichfalls sehr hell, Helligkeitsgrad II, als reflektierende Fläche, während die restlichen Wände eher Träger der Farbe werden können, Lichtgrad III. Bei anderen, komplizierten Gegebenheiten gilt immer nur die sinngemässe Anwendung ohne Festlegung auf ein starres System, so auch das Uebergreifen der Farbzonen über die Ecken weg. Stark kontrastierende Farben sind im gegebenen Fall möglich. Da sie jedoch nicht so leicht in Spannung und Harmonie zusammenzustimmen sind, und dem Raumgefühl durch die Kontraste gefährlich werden können, so verwende ich im allgemeinen leicht differenzierte Farben, aus einer Grundfarbe entwickelt, oder unter Berücksichtigung der durch die Erfahrung als feststehend geltenden Harmonien. Selbstverständlich bleiben Räume in einer Farbe durchaus möglich. Bei Unterzügen, Stürzen und sonstigen plastischen Teilen der Architektur gebe ich allen Flächen dieser Körper dieselbe Farbe, nur so kommen sie sinngemäss in ihrer Plastik als konstruktives Gefüge zur Geltung. Für die moderne Abteilung der Gemäldegalerie Stuttgart legte ich 1919 verschiedenfarbige Wände fest, hier allerdings von den Kunstwerken ausgehend. Diese Tendenz dürfte für alle anderen Aufgaben falsch sein. Eingebaute Bilder dagegen sind die in künstlerische Konsequenzen übertragenen Absichten der Architektur. Sie kommen nur für bestimmte Räume in Betracht: Eingänge, Hallen, Dielen etc. (siehe meine Ausführungen über das »Mauerbild« in »Baugilde« 1925, Verlag Stollberg, Berlin, Heft Nr. 17). Beispiele von farbiger Raumgestaltung sind in gewöhnlicher Wiedergabe unmöglich. Die hier schwarz-weiss wiedergegebene Raumgestaltung mit Mauerbild sei ein Ersatz.
 
Pläne

Die_neue_Welt_34.gif (52670 Byte) Erdgeschoss

Die_neue_Welt_35.gif (36579 Byte) SIEDELUNG WELL HALL ZU ELTHAM, KENT Normal-Haustyp / Erdgeschoss

Die_neue_Welt_36.gif (27728 Byte) J. J. P. OUD Haus »Oud-Mathenesse« Rotterdam Erdgeschoss

Die_neue_Welt_37.gif (15408 Byte) J. J. P. OUD »Café de Unie«,Rotterdam 1. Stock

Die_neue_Welt_38.gif (56099 Byte) H. DE FRIES  Modellentwurf für die Exportmesse zu Hamburg / Standard-Grundriss


Die Reklame

Die_neue_Welt_39.gif (55706 Byte) LAJOS KASSAK, Wien Buchtitel 1926

Die_neue_Welt_40.gif (70002 Byte) BURGER-KEHL & CO.,ZÜRICH PKZ-Schaufenster

Die_neue_Welt_41.gif (56860 Byte) LAJOS KASSAK Warenprospekt 1926

Die_neue_Welt_42.gif (74432 Byte) O.Baumberger Zürich PKZ-Plakat


Die Reklame  von  LAJOS KASSÁK
Nicht nur die Schmöcker der Aesthetik, auch wissenschaftliche Soziologen und Volkswirtschaftler behandeln die Reklame mit Geringschätzung. Der Aesthetiker sieht darin eine profane Aeusserlichkeit, der Soziologe eine Destruktion des Handels und der demokratischen Lebensformen im allgemeinen. Es ist nicht sonderlich schwer, diesen zwei Einwendungen zwei Thesen entgegenzuhalten:

I. Das Schöne an sich ist eine leere Fiktion, weil Schönheit eine bloss sekundäre Erscheinung ist und lediglich als Folge, als Eigenschaft eines Dinges auftritt. Ist ein Ding an sich vollendet, zweckmässig, so ist es unbestreitbar auch schön. Die Schönheit als Eigenschaft ist ein notwendiges Attribut jeder organischen und organisierten Einheit. Die Reklame als menschliches Produkt kann sowohl schön als hässlich sein, ihre Geringschätzung aus ästhetischen Gründen ist daher keine kritische Stellungnahme, sondern unverantwortliche und unzeitgemässe Smockerei.

II. Die gute Reklame ist gesellschaftlich unentbehrlich. Sie ist ein Produkt des Handels, und der Handel ist eine Folge der erhöhten Lebensansprüche des Menschen. Nichts ist leichter, als die heutige Reklame Europas als schlechthin geschmacklos und antisozial zu verdammen. Nicht anders jedoch verhält es sich mit dem heutigen, auf freier Konkurrenz beruhenden Kapitalismus. Daraus folgt nun nicht die endgültige Negation des Handels, sondern die Notwendigkeit, ihm eine sozialere Grundlage zu geben. Zweifellos entfaltet Russland heute eine weitaus umfassendere kulturelle und wissenschaftliche Propaganda, als unter dem Zarismus. Es hat die Reklamen nicht abgeschafft, sondern von egoistischen Privatinteressen befreit und in den Dienst der Gemeinschaft gestellt. Sie wurde dadurch nicht nur im moralischem Sinne, sondern auch künstlerisch neu geboren.
Die russische Reklame hat sich, vielfach in Uebereinstimmung mit der amerikanischen, von der individuellen Graphik entfernt und erkannte ihren ureigenen Charakter: sie wurde einfach, ökonomisch, demonstrativ.

In diesem Sinne ist die gute Reklame ein aktivsozialer Faktor unseres Lebens und ihre Erscheinungsform nicht schön oder hässlich, sondern wirksam oder unwirksam zu nennen. Ihre Ausdruckmittel zwar sind, wie diejenigen der subjektiven Künste, Farbe, Ton und Form, doch unterscheidet sie sich ihrem Wesen nach auch vom Kunstgewerbe. Ein gelungenes Plakat kann auch zum Erlebnis werden, ein malerisch vollkommenes Bild kann indes unmöglich den Hunger nach Neuheit und Sensation erwecken. Das Publikum geniesst in der Gemäldeausstellung den passiven Aesthetizismus der subjektiven Kunst, vor der Reklamesäule dagegen erregt es nicht das Nebeneinander, sondern der Kampf der Plakate untereinander.

Die gute Reklame, sie möge optisch (Plakat, Flugzettel, Prospekt, die in die Nacht blitzenden Lichtbuchstaben) oder akustisch (das Schrillen einer Sirene, Glockensignale) sein, tritt stets mit der Plötzlichkeit des Ueberraschenden auf den Plan; hinter ihr steht die Legion der auf den Markt gelangenden Waren. Sie ist nicht die Vermittlerin eines ausserhalb ihrer stehenden Dinges, sondern der zwischen Erzeugung und Verbrauch stehende demonstrative Kraftkomplex. Die Grundelemente der guten Reklame sind Soziologie und Psychologie.
Stimmungsnuancen und illustrative Redseligkeit widersprechen dem Wesen der Reklame, bringen es um die Promptheit der Wirkung und um die überzeugende Suggestion. Die gute Reklame ist nicht analytisch und definierend, ist synthetisch - Einheit von Zeit, Inhalt und Stoff. Diese ihre elementare Einfachheit und Reinheit lässt uns im Strassengewühl stillstehen und in ein Warenhaus treten, das uns vor einer Minute nicht einmal vom Hörensagen bekannt war, diese gibt

DIE LICHTREKLAME

Die_neue_Welt_43.gif (66892 Byte)

Die_neue_Welt_44.gif (48980 Byte) WALTER DEXEL, JENA  Reklame-Laternen

uns das Buch eines niegenannten Autors in die Hand, weckt uns aus der Blindheit und Taubheit des Alltags, macht uns durch ihre elementaren Farben und dynamischen Formgliederungen neugierig und entschlossen.

Die Reklame ist ein charakteristischer Ausdruck des kulturellen und wissenschaftlichen Niveaus der Zeit. Die Lichtreklame der Großstadt, die über den Häusern strahlenden Transparente, die Glassäulen der Ringstrasse mit ihren ins Auge springenden Buchstaben, ihren trotzigen Ausrufzeichen sagen dem Fremden mehr und in einer objektiveren Weise, als der reaktionäre Wortschwall des dickleibigsten Baedeker; der fachmässig typographisierte Prospekt eines Warenhauses mit seinen geradgeschnittenen leicht zusammenfassbaren Buchstaben, der richtigen Raumverteilung von Licht und Dunkel, ist als ruhiger und einfacher Gegenstand unendlich mehr anspruchs- und vertrauenerweckend. Ein unerwartet erschallendes Hornsignal erhält uns eine Autofabrik oder ein Kino, vor dem wir diesen «sinnlosen» aber verblüffend einfachen und suggestiven Ton vernahmen, bis an unser Lebensende im Gedächtnis.
Der Reklametypus unserer Zeit, gekennzeichnet durch die zunehmende Harmonie der Elemente, die markante Einfachheit und die Leichtigkeit der technischen Herstellung, schreitet- nicht einer ästhetischen Zielsetzung halber, sondern im Zeichen der objektiven Kraft - in der Richtung der Entwicklung der Menschheit fort. Die Reklame ist konstruktive Kunst. Reklame schaffen heisst sozialer Künstler sein.

Ludwig Kassák

La vie moderne avec son machinisme a perfectionné notre œil.
L'esprit lui-mème, par conséquence directe, a développé son goût de la parfaite ordonnance.
Nos sens et notre esprit sont devenus plus exigeants. Ils exigent un art intense de précision.
Le Corbusier.


DAS LICHT

Die_neue_Welt_45.gif (57490 Byte) NIKO BRAUN, BERLIN  Lichtbild

Die_neue_Welt_46.gif (60977 Byte) LICHTWIRKUNGEN IM KRAFTWERK AUGST


VICTOR SERVRANCKX      AUS EINEM BRIEFE
. . . Je travaille à ma vie comme à une maison. La toute première occupation de l'artiste doit être de pousser sa vie et toute l'existence humaine vers son expression la plus parfaite, vers son maximum, la plus haute tension sans se briser. L'artiste doit servir. L'artiste a comme matière l'ordonnance actuelle du monde qu'il a à continuer et à parfaire. Ainsi la liberté la plus orgueilleuse provient de la plus entière obéissance.

L'œuvre d'art, que ce soit une maison, une machine, une table, une organisation financière ou politique, une réclame lumineuse ou une peinture, doit combler un vide qui l'attendait. C'est sa seule justification.

L'œuvre d'art abstrait réalise dans le monde concret le phénomène qui semblait manquer à la totalité des phénomènes, le phénomène que l'artiste (l'homme conscient et attentif) désire connaître et qui satisfait ses profondeurs en attente. L'artiste crée par besoin d'ordre. L'œuvre ainsi, c'est la mise en ordre de la beauté: c'est de la beauté active, objet-désir devenant objet-force. La vérité de l'œuvre réside en la conformité idéalement exacte entre le type idéal et sa réalisation en objet-type. Il est évident que cela ne peut se réaliser qu'en obéissant vertueusement aux nécessités implacables de la vie (équilibre) et en créant selon les possibilités évidentes et les lois intrinsèques des différentes matières et différents éléments vitaux qui sont en présence. Et pour cela: remplacer le règne des individus par le règne des forces, le règne des puissances de la vie enfin mises en ordre.

Jedes kollektive Zeitalter stellt den Menschen, mithin auch den Künstler, in einen universalen Zusammenhang und rettet so sein Werk vor dem Ueberwuchern des subjektiven Elementes, indem es ihn zum Glied einer Gemeinschaft, und sein Schaffen zum Ausdruck eines Gemeinschaftsgefühls erhebt. Aber auch das Objektive verliert hier seine erdrückende Macht, und die künstlerische Arbeit kann nie in empfindungslose Reproduktion fertiger Realitäten ausarten, da dem Künstler die Pflicht zuteil wurde, die Wirklichkeit nicht als ein Gegebenes zu betrachten, sondern aus dem Gemeinschaftsgefühl heraus zu gestalten.
                                                                                                                   
Andreas Gáspár

LE THEATRE DU DONJON, LYON
On a beau dire, ce qui compte avant tout au théâtre, c'est l'action.
L'erreur symboliste fut de vouloir mettre à la place d'une action, un tableau poétique. Et, si Cocteau fut novateur sur quelques points, il s'est grossièrement trompé lorsqu'il a voulu supprimer l'intrigue.

Déjà vu! Déjà vu! Pardon. Il n'appartient qu'à l'auteur de donner une intrigue intéressante. Le nombre des sujets est limité, soit, mais les façons de les combiner sont infinies. Il y a ici plus de possibilités qu'à la roulette. Prétendre le contraire, c'est avouer sa pauvreté d'imagination.
Donc, le théâtre demande de l'action. Et de tous temps le théâtre fut avant tout la représentation d'une action. Et, l'action reflète la psychologie du siècle: Au moyenâge, l'homme vit au lieu de se regarder vivre et les farces nous montrent les anecdotes de la vie quotidienne, c'est une représentation de faits divers.
Plus tard on s'analyse, l'action devient intérieure. Alors les faits se grossissent de tout le potentiel des caractères qui s'affrontent. C'est le conflit des caractères du théâtre classique et qui dure encore grâce à la routine.

Pourtant il y a ici une erreur psychologique: on considérait jadis le caractère comme quelque chose de fixe. Les logiciens peignaient l'âme comme une perruque impeccable. On dit aujourd'hui que le moi n'est qu'un tissu de contradictions et que l'inconscient tire les ficelles des marionnettes. Le théâtre de Pirandello, très inspiré de Calderon, répond à cette conception psychologique.

Mais l'époque des conflits de sentiments est passée. Notre sensibilité moderne se refuse à étaler ses passions toutes grandes sur la place publique. Aux conceptions de cape et d'épée (ou leur succédané le révolver), à l'humanitarisme pleurnichard à la Hugo, a fait place une sensibilité ïntellectuelle qui voit les faits et les constate avec un scepticisme ironique (et triste la plupart du temps).

C'est de cette sensibilité intellectuelle du temps que se réclame l'effort entrepris avec la Compagnie du Donjon. Ce théâtre est en quelque sorte un Suridéalisme où l'idée et l'idéal se mêlent intimément.

C'est un théâtre d'idées. Les conflits de caractères ou de sentiments en sont exclus. Ce sont des conflits d'idées. Les personnages y paraissent grossis ou schématisés avec en quelque sorte une allure allégorique. Mais l'ancienne allégorie est marte. On ne peut sans ridicule faire figurer au théâtre les Muses ou les Vertus. L'allégorie telle que je la conçois est le gros plan d'une idée.

C'est un théâtre d'idéal. Ici, point de tranche de vie saignante; point d'étude réaliste. Ce théâtre participe plus du rêve que d'une étude de mœurs. L'idéalisme du rêve pourra s'y montrer avec ses incohérences, ses invraisemblances. Les personnages y sont grossis de l'appoint émotif du rêve comme je l'ai signalé en parlant de l'allégorie à propos de l'idée.
Mais j'y reviens: les idées, pour être du théâtre, doivent être de l'action. Et, la pièce à thèse se supporte moins qû un sermon? Serait-ce là le conflit d'idées au théâtre? Non! Le Théâtre n'est pas une décalcomanie de personnages sur un ciel de carton. II exige la vie; et dans la vie les idées s'organisent dans l'espace. Il y a mille centres au delà desquels, l'action se réfléchit.

J'ai cherché ces centres de résonnance au théâtre. La toile du fond est un mur; mais le mur doit faire écho. Et l'écho à son tour influence les personnages.
Ce théâtre est donc conçu sur deux plans: Un plan de personnages qui évoluent dans un mode réel ou bien dans un plan de rêves et de schémas. Et au delà un centre où vont se réfléchir ces personnages, centre homothétique comme on dit en géométrie, qui donnera l'écho de ce premier plan. Ce deuxième plan pourra être le symbole, le reflet ou le contraste du premier plan. Il sera formé de personnages ou de fantoches articulés comme à la Baraque foraine.
Il y a deux actions qui évoluent en concordance ou en concomitance. La règle de l'unité d'action est supprimée. L'intrigue s'en trouve compliqué, mais non de cette complexité enchevêtrée d'un vaudeville boulevardier, mais d'une complexité née d'une seconde intrigue concomitante ou parallèle à la première.
Ces conceptions, j'ai essayé de les réaliser dans la plupart de mes pièces. Dans «la Baraque Pathétique», il y a deux plans dont la séparation réelle et idéale est formée par la barrière du tir forain. En avant les personnages y nouent une intrigue qui, vue d'un autre œil, aurait pu êire un mélodrame. Autour d'une histoire d'assassinat évolue le principal personnage de la pièce qui représente la Fausse Science, la manie de la formule, le mal du siècle. Et au second plan les mécanismes du tir symbolisent l'action des personnages du premier plan. Deux haut-parleurs viennent grossir l'extase ou couper le tragique par leurs interruptions.
«Le Cimetière des Têtes en Bois» montre ces deux actions très schématisées. Les personnages du premier plan trouvent leur double dans les marionnettes du second plan. Quant au «Çà Ira», le deuxième plan y est à peine esquissé. Il est formé par le chanteur des rues Ladré, qui
par ses chansons interrompt les personnages. Mais regardez de plus près, c'est lui qui conduit toute l'action. Il ne faudrait pas croire qu'en systématisant ainsi les idées sur le théâtre je veuille en faire une technique immuable. Mais il faut à toute notion nouvelle une explication. Toute idée réclame un mot.
J'ai donné la théorie explicative de mes pièces. Mais la théorie n'a découlée que de l'étude des pièces. C'est le cas du Çà Ira.
D'ailleurs si l'on veut bien considérer cette technique sous l'angle vital, on remarquera qu'elle peut être suffisamment souple, sans paraître froide. Mais ici, comme en tout, la technique ne vaut que ce que vaut l'artiste. On jugera.

Emil Malespine.

Die_neue_Welt_47.gif (34561 Byte) »Le THÉATRE DÉLIVRÉ«, PASMO-DEVETSIL, PRAG
Bühnenbild aus »Der stumme Kanarienvogel« von Ribemont Dessaignes, Regie J. Honzl, Konstruktion Heythum /Phot. Ràdl

Die_neue_Welt_48.gif (46183 Byte) » LE THÉATRE DÉLIVRÉ«, PASMO-DEVETSIL, PRAG
Bühnenbild aus »Thesmophoriedzusai« von Aristophanes Regie Freika, Konstruktion Heythum / Phot. Ràdl