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In den
vergangenen Monaten wurde in Deutschland viel über ‚Baukultur’ diskutiert.
Anlass war die beabsichtigte Gründung der „Bundesstiftung Baukultur“.
Die wichtigen Stationen der heutigen offiziellen Aktivitäten um eine
Baukultur sind:
- Im
Herbst 2000 wurde vom Bundesbauminister für Verkehr, Bauwesen und
Wohnungswesen die ‚Initiative Baukultur’ gegründet und eine Lenkungsgruppe
eingesetzt; Gert Kähler wurde mit der Erarbeitung eines Statusberichtes
beauftragt.
- Im
November wurde im Auftrag des ‚Fördervereins Architektur Zentrum Berlin e.
V. (DAZ) die in Gesprächen mit Architekten, Planern, Denkmalpflegern und
Fachjournalisten u. a. entstandene Schrift ‚Eine Nationale Stiftung
Baukultur?’ vorgelegt und im Internet veröffentlicht; verantwortlich
zeichnen Karl Ganser und Ulrike Rose. In diesem Werk – wir wollen es
‚Memorandum’ nennen – werden fünf Grundwerte, mit denen jeder aus unserer
heutigen, zeitgebundenen Sicht übereinstimmen wird, genannt:
Nachhaltigkeit, Achtung der Geschichte, Identität, Regionalität und
Schönheit.
- Vom
3. bis 5. Dezember 2001 wurde in Köln der Kongress ‚Baukultur in
Deutschland’ durchgeführt. Veranstalter und Partner waren das
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, die Beauftragten
der Bundesregierung für die Angelegenheiten der Kultur und der Medien,
Bundesarchitektenkammer und Bundesingenieurkammer, weitere Verbände und
Vereinigungen der Architekten, Ingenieure und Planer, der Bundesverband
Bildender Künstlerinnen und Künstler (was eine Nähe zur ‚Kunst am Bau’
andeutet), die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, das Deutsche
Architektur-Museum, das Deutsche Architektur Zentrum und die Stiftung
Bauhaus Dessau; zudem wirkten Vertreter der Bauministerkonferenz der
Länder, des Städte, der Bauindustrie, der Kreditinstitute, der
Wohnungsunternehmen und der Landesentwicklungsgesellschaften mit. Es gab
acht Ansprachen und Vorträge (Ungers, Großmann, Conradi, Schwinn, Welsch,
Bodewig, Kähler und Ganser); der Statusbericht wurde vorgestellt.
- Im
Mai 2002 wurde der Statusbericht veröffentlicht.
- Die
Bundesregierung übernahm den Bericht und legte ihn dem Deutschen Bundestag
zur Diskussion vor (Sommer 2002, Herbst 2003)
- Im
November 2001 wurde ein Förderverein gegründet und vier Moderatoren (Peter
Conradi, Bundesarchitektenkammer, Prof. Dr. Karl Ganser, Bundesstiftung
Baukultur, Parlamentarischer Staatssekretär Achim Großmann, Heinrich
Schwinn, Bundesingenieurkammer) eingesetzt.
- Im
Frühjahr 2002 wurde ein Gründerkreis von 120 Personen eingesetzt.
- Zum
XXI. Weltkongress des UIA in Berlin im Sommer 2002 wurde ein zweibändiges
Werk erstellt, in dessen einem Band die für das Frühjahr 2003 zum 1.
Konvent zusammengerufenen Architekturpreisträger und ihre prämierten Werke
abgebildet sind und in dessen zweitem Band sehr kurz
gefasst die Positionen zu den Kernthemen und zu den Aufgaben,
die Deklaration und die Mitglieder des Gründerkreises dargestellt sind.
- Vom
4. bis 5. April 2003 wurde im ehemaligen Plenarsaal des Deutschen
Bundestags der 1. Konvent der Baukultur durchgeführt. Der Teilnehmerkreis
wurde nun auf Preisträger von Wettbewerben aus dem Baubereich ausgeweitet
(er bestand 2003 aus insgesamt 490 Personen).
- Im
Herbst 2003 wählte der Konvent ein Präsidium aus 20 Mitgliedern, das im
November 2003 zum ersten Mal tagte.
Ziel ist die Verbesserung der Baukultur, praktisch geht es um
- das
Aushandeln eines Verhaltenskodex für alle Beteiligten (private und
öffentliche Bauherren, ArchitektInnen, StädtebauerInnen und
StadtplanerInnen, Bauindustrie, Bauträger) beim Bauen,
- die
Gesellung ausgewiesener Autoritäten der Baukultur,
- das
Vorstellen mustergültiger Bauten und
- die
Durchsetzung von „Qualität“.
Schaut man sich die die Aktivitäten genauer an, so stellen sich grundlegende
Fragen:
Autorität
Ein grundsätzliches Problem ist es, wer wodurch legitimiert ist, an der
Herstellung von Baukultur mitzuwirken.
In der ersten ausführlicheren Publikation zur Baukultur, dem Memorandum des
DAZ vom 15. November 2001, sprechen die Autoren von einem ‚Netzwerk freier
Geister’. Die erste Podiumsdiskussionsrunde im Dezember 2001 sieht als ein
wichtiges Kriterium für die Entstehung von Baukultur den ‚hohen Rang der
Diskussionsteilnehmer’ (Dokumentation ‚Baukultur in Deutschland; Berlin/Bonn
Mai 2002, S. 41. Bundespräsident Johannes Rau sucht für die Baukultur
Menschen, „die die Fähigkeiten und die persönliche Autorität haben,
Orientierungspunkte für gutes Bauen zu setzen und Qualitätsmerkmale zu
definieren, hinter die niemand zurückfallen sollte.“ (Punkt VII seiner Rede
vom 4. April 2003) Man setzt auf Personen mit „offenkundigen Leistungen in
der Baukultur“ Bd. 1 der Publikation zum Weltkongress der UIA, S. 10).
Wie aber finde ich Geister, die frei sind? Wie die Fähigkeit,
Orientierungspunkte zu setzen? Wie offenkundige Leistungen?
Die Initiatoren haben sich entschieden, Preisträger aus dem Architekturbereich
(dazu siehe unten) zu nehmen.
Muss man aber nicht
darüber diskutieren, inwiefern der Preis etwas mit Baukultur zu tun hat?
Muss man also nicht erst einmal prüfen, ob etwa ein Bauwerk, das einen durch
eine entsprechende Industrie vergebenen Preis für die gute Anwendung des
Baustoffes X etwas mit Baukultur zu tun hat oder nur den Baustoff X gut
anwendet (was ja auch schon einmal nicht schlecht ist)?
Die Preise werden unter bestimmten Aspekten vergeben, muss man nicht
darüber diskutieren – wenn man sich denn dazu entschieden hat, dass er etwas
mit Baukultur zu tun hat – in welchen Aspekten Baukultur erzielt ist und in
welchen Aspekten noch nicht. Ist denn mit Notwendigkeit gegeben, dass ein
Objekt, das den Baustoff X Preis erhalten hat, auch einen baukulturell
wertvollen Grundriss realisiert?
Muss man nicht diskutieren, ob die Addition der faktisch vergebenen Preise
tatsächlich alle Aspekte der Baukultur umfasst oder nicht auch untersuchen,
ob es nicht Bereiche gibt, in denen keine Baupreise vergeben werden, die
aber zentral wären für eine umfassende Realisierung von Baukultur?
Muss man nicht dem Zusammenhang von Preis für ein Bauwerk und Preisträger
nachdenken? Preisträger sind (wenn man von denen absieht, die wegen ihres
Lebenswerkes gelobt wurden) keine Ausnahmepersonen, sie haben vielmehr ein
Ausnahmeprojekt gemacht. Und zwar eins. Viele andere ihrer Projekte sind
ungekürt und damit – wenn man richtig schließt – auch nicht Baukultur. Oder
sollten sie als ungekürte dann doch Baukultur sein? Weil der Urheber schon
einmal Baukultur hergestellt hat? Das würde die Berufung in Abhängigkeit vom
Preistragen aber fragwürdig machen. Und es würde dann doch sehr ins
Genetische gehen.
Muss man nicht viel eher über den Zusammenhang von ausgezeichnetem Werk und
den auszeichnenden Jurymitglieder nachdenken?
Ich glaube, mit besserem Recht als die Urheber des prämierten Werkes könnte
man die Juroren in die Runde der Tafelritter nehmen. Sie schließlich haben
erkannt, was Baukultur ist und warum das eine Werk eines Autors eins ist und
ein anderes Werk nicht. Nach Verständnis der Baukulturinitiatoren kann eine
Jury nicht versagen (Preis = Baukultur). Warum also nicht deren Mitglieder
zu einer Metajury Baukultur zusammenbringen?
Oder kann sie doch versagen? Was
aber dann mit den Preiswerken und Preisträgern?
Ist die Fähigkeit, Orientierungspunkte zu setzen, nicht auch unter der Frage
gesellschaftlicher Macht zu sehen? Denn eigentlich geht es ja gar nicht um
die Fähigkeit, Orientierungspunkte zu setzen, sondern um die Fähigkeiten
und Fertigkeiten, dass die gesetzten Punkte von allen anderen als
Orientierungspunkte angesehen und angenommen werden.
Die Initiatoren sehnen sich nach eigen-artigen Menschen, warum wird dann
nicht auch ‚dieser Schweizer’ – wie Ganser sagt – der auf der Expo 2000 ‚mit
ein paar Holzlatten den anderen die Show stahl’, aufgenommen? Oder dieser
Holländer, der von seiner Ausbildung eigentlich Journalist ist?
Endet Baukultur an einer Staatsgrenze? Im Europa des 21. Jahrhunderts?
Einerseits ist man sich einig, dass etwas für die Baukultur getan werden
müsse, es also nicht optimal laufe, andererseits schlägt kaum einer an seine
eigene Brust (oder die seiner Institution). Besonders deutlich spricht dies
der Präsidenten der Bundesingenieurkammer aus, der stolz das neueste
Jahrbuch mit den Worten hervorhebt, man ‚wolle damit den Beitrag der
Ingenieure zur deutschen Baukultur unter Beweis stellen’. Die dritte
Podiumsdiskussionsrunde vom Dezember 2001 steht insgesamt in dieser Tendenz,
Sauerbruch findet, dass die deutsche Bauproduktion besser sei als ihr Ruf,
Mönninger empfindet das ‚Gejaule und Geklage’ als eine unverständliche
Selbstdemütigung.
Sollte man nicht meinen, dass Verbesserung – auch wenn die Situation bereits
befriedigend ist / selbst wenn sie sehr gut wäre - stets detaillierte und
analytische Selbstkritik impliziert – wobei davor wiederum noch die
Bereitschaft (und Fähigkeit) zur Analyse stehen müsste.
Institutionalisierung
Bereits im Memorandum wird ausführlich auf die Verfahren zur Entwicklung von
Baukultur eingegangen, dabei wird die wichtige Rolle von Wettbewerben und die
Beteiligung der Bürger hervorgehoben.
Der Präsident der Ingenieurkammer fordert zur Erhaltung der Baukultur (!!!)
Auslobung von mehr Ingenieurwettbewerben und auskömmliche Honorare.
(Dokumentation ‚Baukultur in Deutschland; Berlin/Bonn Mai 2002, S. 22)
Die erste Podiumsdiskussionsrunde vom Dezember 2001 sieht „Kooperation aller
am Prozess ‚Baukultur’ Beteiligter und Teilhabe
der Stadtverwaltungen als selbstbewusste Partner“ sowie faire Bedingungen
für alle als Bedingung für die Entstehung von Baukultur an.
Peter Conradi meint, dass Baukultur sich verankere, wenn der Bundestag
darüber diskutiert und wenn die Öffentliche Hand und alle ihre Unternehmen
für ihre Bauvorhaben grundsätzlich einen offenen Wettbewerb ausschreibt
(Conradi spricht als Präsident der Bundesarchitektenkammer) (Dokumentation
‚Baukultur in Deutschland; Berlin/Bonn Mai 2002, S. 19) Zudem möchte er
wieder eine Deutsche Bauakademie haben, sowie in den Ländern regionale
Architekturzentren, in denen die „Architektur unserer Zeit der
Öffentlichkeit gezeigt und vermittelt wird“.
Nicht etwa, dass er sich vorstellt, dass die Architekten sich miteinander
auseinandersetzen, noch dass sie von Nutzern und vom Publikum lernen (der
bekannte Widerwillen der Architekten auf PostOccupancyEvaluations
und Ästhetische Rezeptionsanalysen), die Architekten scheinen vielmehr ganz
klar und ohne jede Unsicherheit und ohne die Notwendigkeit des internen
fachlichen Diskurses zu wissen, was Baukultur ist. Die Frage entsteht nun
allerdings, warum es bisher zuwenig Baukultur gab.
Es geht also offensichtlich nicht um die Diskussion und um die gemeinsame
Entwicklung von geeigneten Verfahren zur Genese von Baukultur, sondern um
eine – bürokratische institutionalisierte – Selbstdarstellung und also
Selbstbestätigung.
Man berät sich nicht. Man will nicht lernen, sondern belehren.
Das Thema ist nicht, wie man Baukultur denken und für sich und andere
gewinnen könne; die Treffen dienen der Selbstvergewisserung der eigenen
Baukultur. Zur Diskussion steht allein, wie man sie anderen beibringe,
darauf weist insbesondere der Präsidenten der Ingenieurkammer hin „….erkannt
wurde, dass niemand den wesentlichen Beitrag bestreitet, den die Ingenieure
mit ihrer Arbeit, ihrer Kreativität und ihrem Sachverstand zur Gestaltung
unserer gebauten Umwelt und damit zur Baukultur in Deutschland leisten.“
(Dokumentation ‚Baukultur in Deutschland; Berlin/Bonn Mai 2002, S. 21)
Kultur
Von welcher Kultur ist bei der Baukultur die Rede? Was hat die „Baukultur“
mit den unterschiedliche „Kulturen“ in einer Stadt zu tun?
Ist Kultur kulturwissenschaftlich gemeint? Wie kann man dann
aber über
ästhetisch-normative Maßstäbe sprechen?
Spricht man von Kultur in der Abgrenzung des 19. Jahrhunderts zur
Zivilisation? Ist Kultur eine Seelentiefe?
Geht es um eine Baukultur in Deutschland oder um eine Deutsche Baukultur?
Wenn es darum gehen sollte (siehe Vorwort Bodewigs im Statusbericht S. 3),
gibt es tatsächlich eine kulturelle Identität des Bauens, der Baukultur in
Deutschland? Wie es einmal das niedersächsische Hallenhaus und der
süddeutsche Spätbarock war?
Was macht das Deutsche der Baukultur aus? Wie kann man sie erzielen?
Geht es um eine Alltagskultur (etwa Grossmann) oder um eine Hochkultur? Oder
um beide? Wie ist dann die Beziehung zu denken? Alltagskultur als
Sickerphänomen?
Kann man heute einen so wichtigen Begriff unbestimmt lassen, so dass man ihn
für eine Kunst-, Zunft-, Standes- und Landespolitik zurechtlegen kann?
Meint Baukultur die Qualität eines Objektes, eines das Objekt herstellende
Tun oder der Nutzung des Werkes?
Wie können heterogene Ansprüche an die Stadt und sich schnell verändernde
soziale Bedingungen in Beziehung zu „Baukultur“ gesetzt werden, wie kann und
soll sich „Baukultur“ und Demokratie, wie „Baukultur“ und Aneignung der
Stadt als Lebensraum verhalten, was kann und soll ‚Baukultur’ für eine
Lebenskultur leisten?
Geschichte
Baukultur sei eine Entdeckungsreise ins 21. Jahrhundert (Memorandum 2001, S.
14).
Wobei die Autoren des Memorandums anerkennen, dass die Menschen immer mehr
sich der Kultur der Vergangenheit zuwenden. Dies sei zu akzeptieren und den
Menschen zu zeigen, dass man diese Sehnsucht respektiere (s. a. S. 21), denn
man fände dann auch Vertrauen für Neues, wenn man es denn einfühlsam
entwickle, es erkläre und es repressionsfrei umsetze.
Dieses sei das Manko der Moderne gewesen, fährt Ganser - die Perspektive
etwas verschiebend - auf dem Kongress im Dezember 2001 fort und beklagt (mit
Welsch), dass sie keine historische Rückbindung akzeptiert habe.
Diese Einstellung der Initiative Baukultur stellt auch Jörg Haspel sehr
stark im dem zweiten Band der Publikation der Initiative zum XXI.
Weltkongress heraus. Mit Hermann Lübbe, der feststellt, dass die
Anstrengungen zur Vergangenheitsvergegenwärtigung größer werden mit dem
Anstieg der Modernität des Lebens (zitiert bei Haspel) sieht Haspel in dem
Festhalten an der Geschichte ein notwendiges Korrektiv. Er verlangt ‚Respekt
vor der Geschichte’ und ‚Achtung vor historischer Baukultur’.
Die Positionen im inneren Zirkel sind also konträr, die Richtung der
Baukultur unentschieden.
Eine Entscheidung täte Not.
Wobei anzumerken wäre, dass die Kritik an der Geschichtslosigkeit der
Moderne ein üblicher Vorwurf ist. Was ihn noch nicht falsch macht. Er ist in
gewisser Hinsicht sogar richtig. Aber er ist kein Vorwurf, denn die
Geschichtslosigkeit ist genau die große positive Leistung der Moderne, in
Bezug auf die gängige Reduktion von Geschichte auf Vergangenheit. Die
Modernen haben die Flucht der Architekten aus der Gegenwart in funktional,
sozial und ästhetisch obsolete Vergangenheiten beendet, die Einbindung ins
gegenwärtige gesellschaftliche Geschehen gesucht und Lösungen der einige
Jahrzehnte lang von den anderen weggeschobenen Probleme für die Zukunft
architektonisch zu entwickeln versucht.
Die Modernen haben erkannt, dass Geschichte zwei Dimensionen hat. Respekt vor der
Geschichte meint somit nicht nur Respekt vor der vergangenen Geschichte,
sondern auch Respekt vor der Möglichkeit von zukünftiger Geschichte, von
Zukunft.
Natürlich braucht Zukunft Vergangenheit,
aber doch nur, um einen
Ausgangspunkt zu haben, nicht als Heimat, sondern als Hafen, in dem man sich
ausstattet, um neue Länder zu entdecken. Was Zukunft vor allem braucht, ist
Zukunft.
In der ‚Baukulturinitiative’ ist die Diskussion über Geschichte selbst durch
Geschichtslosigkeit geprägt. Die Geschichte der Diskussion von Baukultur –
mit Fragen etwa zur ‚querelle’, zu ‚Deutscher Art und Kunst’ und zu den
‚Kulturarbeiten’ oder mit der Suche nach einer deutschdemokratischen
Baukultur wird verdrängt.
Ergebnis ist ein leer gespülter (Bau)Kulturbegriff.
Die Entgeschichtlichung der Diskussion über die Baukultur zeigt sich auch in
dem allein oberflächigen Bezug zu gegenwärtigen gesellschaftlichen
(ökonomischen, sozialen, lebenskulturellen) Veränderungen.
Ästhetik
Welche Kunst- und Schönheitsbegriffe stehen bei der ‚Baukultur’ zur
Diskussion? Sind die modernen Kunstbegriffe des 20. Jahrhunderts integriert?
Wie ist eine zeitgemäße Ästhetik der Architektur und der Stadt zu
formulieren? Wie grenzen sich ‚Baukunst’ und Baukultur’
ab?
Man ist sich einig (siehe etwa die 1. Podiumsdiskussion im Dezember 2001),
dass es keine „gültigen Definitionen mehr gibt und – der intellektuellen
Redlichkeit halber – auch nicht geben darf.“ (Dokumentation ‚Baukultur in
Deutschland; Berlin/Bonn Mai 2002, S 39)
Was wird da eigentlich beklagt? Dass es keine Gültigkeit, oder etwa dass es
keine Definitionen mehr geben darf? Aber was ist nun anders? Gibt es bei dem
von der ‚Initiative’ vorgeschlagenen Verfahren nicht auch gültige
Definitionen, nur dass sie nun nicht mehr bewusst gemacht und dezidiert als
Definitionen ausgesprochen werden.
Karl Ganser plädiert für ein Schwarz-Weiß-Buch, in dem den guten Beispielen
die Schwarzfälle gegenübergestellt werden, ‚von denen die Leute sagen, es
ist eine Schande’ (S. 67) Sind das nicht die kritisierten ‚gültigen
Definitionen’ durch die Hintertür des Einzelfalls? Kann man überhaupt über
Einzelfälle eine verbindliche Ästhetik entwickeln?
Architektur
Was für einen Architekturbegriff impliziert ‚Baukultur’? Welche Beziehungen
von Kunst, Funktion, Handlungsfeld, Infrastruktur, Materialität und
Virtualität der Architektur sind hier relevant? In welchen Zeichen,
Sprachen, Codes, Symbolsystemen kann sich dann ‚Baukultur’ äußern, wie
gründet und ermöglicht sie Kommunikation?
Das Verständnis von Architektur (wobei es geht hier allein darum, was sie
als ihr Verständnis im Rahmen der Aktivitäten zur Baukultur darstellen und
damit in das Verständnis von Baukultur einbringen.) variiert bei den an den
Aktivitäten zur Baukultur Beteiligten erheblich.
Manche definieren sie als gebaute Umwelt, manche als Form gebauter Umwelt.
Johannes Rau versteht Architektur von der Funktion für den Nutzer her. Für
Peter Conradi ist Architektur vorrangig ein Instrument zur Befreiung der
Menschen und für ein schönes und gutes Leben (Dokumentation ‚Baukultur in
Deutschland; Berlin/Bonn Mai 2002, S. 19).
Ist dann nicht Baukultur jeweils etwas anderes?
Was ist eigentlich mit dem Wohnen?
Ohne den Großen Philosophen zu zitieren,
aber ist nicht das Wohnen
(im weiteren Sinne das kreative praktische und ästhetische Aneignen) der
Sinn der Architektur und damit das Ziel des Bauens. Müsste nicht eigentlich
letztlich die Wohnenden begründen und bestimmen, was Baukultur ist?
Aber können sie das? Inwieweit können sie das? Werden sie dazu ertüchtigt?
Ein Vorschlag zur Güte
Das Leitbild von Ort und Institution der Baukultur sollte nicht eine
Bauakademie sein, sondern ein Kaffeehaus, so wie es als Wunschbild von
Habermas gesehen wurde: der Diskurs muss prinzipiell für alle zugänglich
sein, er muss unabhängig von der gesellschaftlichen Identität der
Beteiligten geführt werden, es darf keine Ausgrenzung oder Tabuisierung von
Themen geben.
Und wenn ‚Kaffeehaus’ dann nicht irgendwelche Zimmer eines Gasthauses
sondern die Räume der Stadt sind, könnten wir uns auf den Weg machen.
Und: Über Baukultur sollten diejenigen verhandeln, die ‚noch – nicht’
wissen, was sie ist.
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