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Plädoyer für eine Wahrnehmung angemessener
Komplexitätsdimensionen
Die Begriffe „Kultur“ bzw. „Baukultur“ haben Konjunktur. Mit dieser
Feststellung ist implizit auch (zumindest) eine vorkonjunkturelle Phase
angesprochen, die offenbar (quasi) ohne diese Begriffe/Begriffsinhalte auskam
oder auskommen zu können meinte (von einer vor-vorkonjunkturellen Phase mit
vielleicht sehr fest gefügten Vorstellungen zu diesen Begriffen ganz zu schweigen).
Es besteht damit die Frage, wieso diese Begriffe nun von Bedeutung sind bzw. es
vorher nicht waren? Und daraus folgt natürlich sofort auch die Frage nach der
Bedeutung dieser Begriffe bzw. allgemeiner: was muss im Hinblick auf ihren
Bedeutungskontext heute bedacht werden?
I
Versuchen wir dazu zunächst anhand einer sehr
komprimierten, schematisch zusammenfassenden Überblicksskizze das
20. Jahrhundert zu rekapitulieren, indem wir es in drei Perioden geteilt
betrachten: in eine Kriege-/Zwischenkriegsperiode (vor 1945), in eine
Nachkriegsperiode (1945-1989) und eine solche nach 1989.
Zur ersten Periode:
Stellvertretend für viele
Ereignisse/Manifestationen in der Architektur sei hier für den
Jahrhundertbeginn die Kölner Werkbund-Ausstellung von 1914 genannt und als
„bunter Jahrmarkt von Weltanschauungen und Gestaltexperimenten“
charakterisiert. Im Zentrum der verschiedenen Ansätze stand nichts Geringeres
als die Suche nach einem neuen Welt- und Menschenbild und deren gestalterisches
Sichtbarmachen angesichts der ungeheuren
Veränderungen/Veränderungsmöglichkeiten, die sich durch Rationalismus,
wissenschaftliche Erkenntnisse und Technisierung/Industrialisierung ergeben
hatten und wodurch bisherige Weltdeutungen als nicht mehr glaubwürdig empfunden
wurden.
Nietzsches „Gott ist tot! Wir haben ihn umgebracht!“ kennzeichnete den
Seelenzustand des modernen Menschen, der statt des alten Glaubens einen neuen
zu suchen hatte, in dessen Zentrum sich der unbedingte Anspruch auf Autonomie
des Individuums mit seinem (dem Dogma der Kirche und Ideal eines Jenseits
entgegen gesetzten) Ideal eines Diesseits drängte. Doch trotz dieses Drängens
war die Suche nach der neuen Weltgestaltung zu dieser Zeit noch weit
aufgefächert in unterschiedlichste Richtungen, von naturromantischen über
esoterische zu nah- und fernöstlichen, und der Begrenztheit wissenschaftlicher
Welterkenntnis wusste sich eine Weltdeutung entgegenzusetzen, die - ob zu Recht
oder nicht, sei dahingestellt - für die
künstlerische Intuition bei der Eingliederung in ein nicht seelenloses
Weltganzes einen entscheidenden Beitrag zu leisten vorsah, wobei die Analogie
der Gestaltungsgesetze der Kunst zu denen der Natur eine wichtige Rolle
spielte.
Aus dieser „Ideen-Buntheit“ entwickelten
sich dann mit den Jahren des 1. Weltkrieges (und besonders danach) solch
unbunte Größen wie „Schwarz“ und „Weiß“ in zunehmend radikalisierendem Kontrast
als dominierende heraus. Unbunt wurden solche Ideen vor allem durch ihr
ungeduldiges, heroisch-doktrinäres Heraustreten aus einer noch relativ
essayistisch-fragmentarischen und unabgeschlossenen Suchbewegung nach dem
Neuen, ihr quasi zu Schicksalsfragen hoch propagiertes und polarisiertes
Eintreten für oder gegen Wissenschaft/Technik/ Industrie/Typisierung und den
damit verbundenen unversöhnlichen Totalitätsanspruch auf die jeweils einzig
Heil und Zukunft versprechende neue Wahrheit. Zu ihrem sofortigen Vollzug war
man dementsprechend auch bereit, sich Endkampf entschlossen in
politisch-ideologische „Parteiuniformen“ zu kleiden. Datieren lässt sich diese
Kondensierungs-, Konzentrations- und Entscheidungsphase ungefähr in die Jahre
1923-28 ff. und mit wenigen Beispielen verbinden:
-
1923 verlässt Johannes Itten (Vorkursleiter am Bauhaus), der übrigens Mazdaznan-Anhänger war, das Bauhaus; man wendet sich nun am
Bauhaus von einer Verbindung von Kunst und Handwerk zu einer solchen von Kunst
und Technik/Industrie.
-
1926 wird die Architektenvereinigung „Der
Ring“ gegründet,
-
1928 dazu kontrastierend „Der Block“.
-
1927 wird die Weißenhofsiedlung
errichtet, zugelassen werden nur noch Architekten einer „Moderne“-Richtung,
-
1933 die Kochenhof-Siedlung,
wiederum in direktem Gegensatz.
Mies van der Rohe lässt sich als einer der
Exponenten/Repräsentanten einer stetig schärfer futuristisch agitierenden
Propaganda zugunsten einer im Vergleich zu Diskussionen vor dem 1.Weltkrieg nun
geradezu alternative- und bedenkenlosen, ja zwanghaft-einseitigen Hinwendung zu
Technik, Industrie und Typisierung benennen, auch wenn er den von ihm gerufenen
Geistern gegenüber gerade in diesen Jahren (1925/26) auch eine kritischere
Sicht einzunehmen versucht. Zu sehr ist er jedoch - und nicht nur er - „homo
faber“ („Heute ist die Tat, wir
werden morgen Rechenschaft über sie ablegen“) und Nietzsches Heute-und-Jetzt-Erlösungspathos verpflichtet („Die Vergangenheit lassen wir wie einen
Kadaver hinter uns. Die Zukunft überlassen wir den Wahrsagern. Wir ergreifen
das Heute.“),
als dass man sich eine Pause reflektorischer Vermittlung hätte erlauben können.
Der avantgardistische Habitus strebte nicht nach Vermittlung und schon gar
nicht nach einer solchen zur Vergangenheit. Seine Auseinandersetzung mit Rudolf
Schwarz (der Mies’ doktrinäre Dürftigkeit kritisierte) oder etwa mit Romano Guardini (von dem der kluge Satz stammt: „Nicht ein ganz Neues, sondern ein neues
Ganzes“)
offenbart gerade in so manchem nur Angedachtem eine - vielleicht tragische - Unfähigkeit, sich „nur“ mit einem (aber überlegteren/überlegeneren) Beitrag zu einem „neuen Ganzen“ zu
begnügen, als ein angeblich „ganz Neues“ mit aller Radikalität herbei zu
zwingen. Gespeist wurde solche tabula-rasa-Mentalität durch einen metaphysisch aufgeladenen
Glauben an das Schöpferische, an die schöpferische Kraft des Lebens.
Nicht weniger scharf propagandistisch verfährt
z. T. übrigens Hugo Häring, Sekretär und Propagandist
des „Ring“ und zeitweiliger Diskussionspartner Mies van der Rohes in Berlin. Er
war beseelt vom „kreuzzug des neuen bauens“. Doch
so sehr Häring genauso an das „ganz Neue“ glaubte, so
deutlich äußert sich zunehmend aber gerade in ihm (und nicht nur in ihm) der
Exponent/Repräsentant einer alternativen Haltung, die das Neue nicht nur in
Technik, Industrie und Typisierung zu erwarten mahnte, sondern in einem
organischen Umgang mit Mensch und Natur.
Der parteipolitischen
Schwarz-Weiß-Malerei, also der Kleidung in „Parteiuniformen“, ging es, wenn
überhaupt, nur sekundär um schwierige Inhalte, sie bediente sich ihrer aus
primär macht- und vollzugstaktischen Erwägungen mit einem zwanghaften Jetzt-oder-nie-Glauben und setzte opportunistisch-formal
entweder auf dieses, oder auf jenes oder auch auf beide Pferde - jeweils allerdings propagandistisch hoch
erhitzt.
Zur zweiten Periode:
Verstrickung in die radikalisierte
„Schwarz-Weiß-Parteiuniformierung“ mit all ihren unseligen Konsequenzen,
Schuld/Unschuld und Entsetzen dem Ungeheuerlichen des 2. Weltkrieges gegenüber
lenkte die Nachkriegswahrnehmung nur in eine traumatisch-einäugige Richtung:
weg von der politisch-unreinen „Schwarz“- und hin zur politisch-reinen
„Weiß“-Farbe, wobei sich schwarze Kontinuitäten durch
Umbenennungen „weiß“ darstellen ließen. In
pauschalisierend-formalistischem Rückblick wurde zudem der jeweiligen
partei-politischen Entweder-Oder-Farbe eine ganz
bestimmte Entweder-Oder-Form zugeordnet (nur z. B.:
Flachdach = avantgardistisch/sozialistisch; Satteldach =
traditionalistisch/faschistisch) und natürlich die angeblich „schwarze“
kategorisch ausgeschlossen. Dass die simpel-formalistische und scheinbar
eindeutige Pauschalzuordnung im so genannten „Dächerkrieg“ mit der einstigen
Wirklichkeit historisch-seriös so nicht zu vereinbaren gewesen wäre,
hatte keine Geltungschance. Diese extrem eindimensionale Perspektive musste
konsequenterweise auch in einem völlig ahistorischen
und kontextlosen Raum angesiedelt werden, der durch zensorische
Ausgrenzung/Ausblendung „aseptisch-weiß“ gehalten wurde.
Und so wurde dementsprechend Architektur
mit der Trinitas „Konstruktion-Funktion-Form“
auf eine fast nichts sagend reduzierte Definitionsform gebracht und durch den
(merkwürdigerweise doch und angeblich historischen, jedoch inhaltlich-seriös
ganz unzulänglichen)
Verweis auf Vitruv („firmitas-utilitas-venustas“) mit
scheinbar geschichtlich begründeter Gültigkeit versehen. Damit waren
gewissermaßen alle Maßnahmen getroffen, um eine inhaltlich-kritische
Auseinandersetzung mit diesen vorschnellen Entscheidungen für das angeblich
reine „Weiß“ und den vielen, einst offen gelassenen, hart umkämpften
Weltanschauungs- und Gestaltexperimentansätzen/-fragen zu unterbinden. Dass
Architektur benutzbar-zweckmäßig (Funktion), statisch-belastbar (Konstruktion)
sein und bestimmten Normen (Neufert) folgen musste,
konnte als Existenzminimum eigentlich jedem Kinde einleuchten und befriedigte
die angeblich wert- und bedeutungsfreie Funktionalisten- und Ingenieurliebe der
Nachkriegszeit. Die Form hatte sich daraus von selbst zu ergeben bzw. wurde dem
nicht hinterfragbaren, nun aber nur noch formalistisch bewerteten
Künstlergenius überantwortet. Bedeutungs- oder Kulturträgerschaft von
Architektur zu diskutieren oder gar zu problematisieren verbot sich angesichts
des tradierten Hasses auf den „Stilkarneval“ (J. Joedicke) des
19. Jahrhunderts mit seiner ganzen Bedeutungsschwere; letztlich aber auch, weil sich
dieses Terrain nicht nur in Bezug auf die Bedeutungslast aus dem 19. Jahrhundert als zu
einseitig kontaminiert darbot. Damit war der architektonische Modernebegriff in
einem (scheinbar existenzfähigen) Niemandsland angesiedelt, in dem nur mehr die
im Sinne von Wert-/Bedeutungsfreiheit reinen Konstruktionen, Funktionen und
Formen Geltung hatten. So wurde auch der Begriff „Entwurf“ verstanden und
Entwerfen gelehrt. Dass damit aber doch ganz bestimmte Werte - und sei es nur das lautlose Anerkennen von
(DIN-)Normen -, einseitige Mentalitäten und ahistorische
Kontinuitäten aus der Zeit vor dem bzw. während des 2. Weltkrieg/es durchaus
wertend, aber autoritär wie schicksalsgegebene Axiome
festgeschrieben waren, erschien nicht als Problem; insofern war ein Begriff wie
Baukultur in solcher Atmosphäre - verständlicher-/ unverständlicherweise - natürlich ein Tabu.
Zur dritten Periode
So sehr sich (besonders deutsche)
Architektur z. T. allzu sehr nur der Utopie der angeblich ungebundenen
(ortlosen = utopischen) Form hingab und in der beschränkten Trinitas
„Funktion-Konstruktion-Form“ mit mono-„kultureller“
Wahrnehmung einrichtete, so sehr wurde sie von inhaltlichen Entwicklungen
dramatisch über-/eingeholt. Aus den bis in die 60-er Jahre (und natürlich auch
früher) zurückreichenden Wurzeln entwickelten sich nach und nach die
unterschiedlichsten Pflänzchen zu Pflanzen für kritisch veränderte Perspektiven
im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen/kulturellen
Problemen; aber auch in der politischen Wirklichkeit. Für diesen interessanten
Paradigmenwechsel mag die Jahreszahl 1989 nur als Stichwort dienen. Jenseits
der Beengtheit eindimensionalen Funktionierens unter den Bedingungen der
Nachkriegsjahrzehnte öffneten sich zunehmend ganz andere Wahrnehmungsschichten
und -horizonte (und eben nicht nur globale Wirtschaftsräume), die unsere
„Weltbildstruktur“ - auch dies nur als Stichwort - erweiterten bzw. aufbrachen
(nur z. B. auch im Verhältnis zum Islam). Der Paradigmenwechsel macht sich aber
auch ganz allgemein in unserem Umgang mit Historie und in der veränderten Art
der Geschichtsbetrachtung deutlich. Geschichte stellt sich uns heute kaum noch
unter den Vorzeichen einer wie auch immer gearteten Fortschrittsphilosophie
(„Vom Faustkeil zum Roboter“) und auch nicht als eine solche angeblich
kolossaler Persönlichkeiten (Führer, Heroen, stars) dar. Neben dem nicht
gering zu schätzenden kritischen Potential sieht man heute eine enorme
Bedeutung der Geschichtswissenschaften bei der Ausformung eines sog.
„kulturellen Gedächtnisses“ - wiederum nur als Stichwort -, in dessen
Erforschung und Darstellung eine ihrer zentralen Aufgaben liegt. Eine
solchermaßen zur Kulturwissenschaft geweitete Geschichtswissenschaft basiert
aber nach wie vor auf der Grundannahme, dass der Mensch bei aller
Verschiedenheit seiner Existenzformen mit sich identisch sei und bleibe. Dies
ist die Vergleichsebene, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bindet und
als Erinnerungsebene Identität formt. Das gilt auch für den Bereich der
Architekturgeschichte, die nicht nur aus angeblich ständig wechselnden
Variablen besteht, sondern auch aus Identität stiftenden Konstanten. Vor diesem
veränderten, geschichtswissenschaftlichen Hintergrund und mit einer solchen
Perspektive auf den Menschen und die geschichtlich gewachsene, menschliche
Kultur - und das heißt nicht zuletzt eben Baukultur - wird eine moderne
Architektur-Forschung ihren Sinn wohl kaum in einer einseitigen Heroisierung
von Architekten-Persönlichkeiten (und
deren gerade opportun erscheinender Werksauslese) sehen, sondern, angesichts
besagten Paradigmenwechsels, wird man viel eher Akzente im Hinblick auf einen
größeren, komplexeren und
differenzierteren Kontext und seiner
historisch-kritischen Beurteilung setzen wollen.
II
Es lässt sich erkennen:
1.
Der Kontext, der für das Selbstverständnis des 20. Jahrhunderts
konstituierend ist und innerhalb dessen die so genannte „Moderne“ fühlt, denkt,
argumentiert und gestaltet, ist ein mehr als gemeinsamer mit anderen
Jahrhunderten und umfasst in Wirklichkeit natürlich auch weit mehr, als eine ahistorische Attitüde bzw. Einstellung vorzugeben bzw. sich
einzugestehen gestattet/e. Solche Absetzungshaltung ist zwar innerhalb
avantgardistischer Bewegungen ein selbstverständliches und notwendiges
Distanzierungsinstrument zu Bisherigem und hat auch im kulturellen Kontext des
beginnenden 20. Jahrhunderts seine Notwendigkeit und legitime Berechtigung. Ein
entscheidendes Problem dürfte jedoch dadurch entstanden sein, dass die ahistorische Attitüde so sehr mit dem zu fiebernder
Radikalisierung neigenden Zeitgeist und dem modernen Unvergleichlichkeitsgefühl
in Gleichklang und damit zu rasanter Kulmination bzw. Polarisation kam, dass
sich eine anfänglich nur als (ahistorische) „Haltung-zu-etwas“ darstellende, nur Veränderung anstrebende
„Position“ zu einer den totalen
Ersatz statuierenden „Festung“, also
zu einem zur Absolutheit erstarrten „Gesamtkörper-ohne-Bezug-zu-etwas“
hin zu verhärten tendierte bzw. verhärtete; dass sich also - allgemein
gesprochen - ein „Teil“ zum „Ganzen“ hin verselbständigen und damit das Ganze
zu ersetzen beanspruchen konnte; dass das notwendige Regulativ außer Kraft
gesetzt werden konnte (und zwar mit Mitteln weitestgehender Totalität), das
nicht nur das Verhältnis von Teil zu Ganzem kritisch bestimmt, sondern auch
Anspruch auf angemessenen Inhalt des Ganzen erhebt.
Dazu hat die Kumulation verschiedener
Faktoren beigetragen:
-
die in ihrer Gewalt und Stärke tatsächlich ungeheuren Potenzierungs- und
Multiplikationsmöglichkeiten durch technische Mittel (motorische Dynamisierung,
Industrialisierung/Standardisierung, industrialisiert-mediale
Propagandaflut): diese ließen das heroische Pathos des ahistorisch
ganz neuartig Empfundenen nicht nur gedeihen, sondern zu Gigantischem (Häring: „maßstab 10 : 1“),
Gewalttätigem und Weltkriegerischem explodieren bzw. entzivilisieren;
-
die Zerlegungs- und Selektierungsmöglichkeiten durch
wissenschaftlich-rationale Methodik, Eindringtiefe und Erkenntnis und die damit
zusammenhängende Verselbständigung von Teilaspekten (Spezialisierung, analytisch-vergrößernde Einbahnoptik): das Verhältnis von
Teil zu Ganzem verschob sich in der allgemeinen Wahrnehmung zugunsten einer
Vergrößerungs-/Verabsolutierungstendenz des Teilaspektes;
-
und der Verlust metaphysischer Dimensionen und zusammenschauender
Perspektiven durch den das 20. Jahrhundert mit der gesamten Neuzeit
verbindenden Prozess der Aufklärung und Säkularisierung: daraus folgend
inhaltliche Ausdünnung des Begriffes des Ganzen, Vernachlässigung außerweltlich
korrigierender Aspekte und irdisch-eindimensionale Hyperbeln.
Diese sich gegenseitig bedingenden und vor
allem verstärkenden Faktoren haben unsere Wahrnehmung in radikalen Kriterien
und kurzsichtig-weltlicher, selbstreferentieller Hermetik eingeschlossen, der man sich allerdings durch die
sich darin scheinbar glänzend bietenden Möglichkeiten allzu willfährig fügte.
Denn bei dieser Art Neubestimmung des Verhältnisses von Teil zu Ganzem, also
vor allem auch des Verhältnisses von Mensch zu Natur/Welt/Universum lockten
Herrschaftsmöglichkeiten, die durch die Verabsolutierung des irdischen Teiles
gegenüber dem universalen Ganzen natürlich faszinierend-hochutopische
Potentiale in sich trugen und zu komfortablen Phantasien verleiteten: z. B. zum
Phantasma einer Freiheit absolutistisch-irdischer,
gewissermaßen „sonnenköniglicher“ Position (für jedermann?) jenseits eines
historischen Kontextes und außerweltlicher Bindungen, also zur Abschaffung von
„Rechte-Pflichten-Verhältnissen“ zwischen irdischem
Teil und universalem Ganzen zugunsten möglichst reiner Rechte - d. h.
Herr(scher)-Verhältnisse auf Seiten des irdischen Teils.
Die aus der Überdimensionierung der
Teil-Perspektive resultierende Komplexitätsreduktion und der den zur Verfügung
stehenden technischen Mitteln innewohnende Verstärkungsautomatismus begünstigten
also einen Hang zu Unangemessenheit bzw. Maßlosigkeit, der als moderne-typische
Problematik benannt werden kann. Unangemessenheit und Maßlosigkeit
rechtfertigen aber nicht eine Sonderbehandlung der Moderne im Sinne eines ahistorischen Ausschlusses aus besagtem historischem
Kontext, sondern ihre Eingliederung in ihn führt erst zu dem Maßstab, der das
kulturelle Selbstverständnis des 20. Jahrhunderts - im Positiven wie im
Negativen - angemessen erklärt und dimensioniert; solcher Kontext stellt also
einen Vergleichs- und Beurteilungsrahmen, aber auch Bezugsrahmen dar, zu dem
sich das Moderneprojekt ja in so Vielem kontrapositorisch-neu
zu verhalten vorgenommen hatte und innerhalb dessen die Moderne erst ihren
Geltungsanspruch einlösen konnte. Im übrigen geht und kann es nicht nur um das
20. Jahrhundert gehen: denn ein sich nicht nur auf das 20. Jahrhundert beschränkender
historischer Kontext ermöglicht ja umgekehrt auch erst eine vom 20. Jahrhundert
ausgehende, also moderne historische Beurteilung solchen Gesamtkontextes mit
ihrem positiv aufklärerischen Potential.
2.
Mit genannten „Herrschaftsverhältnissen“ sind eminent-zentral „KULTur- und Gerechtigkeits- bzw.
Angemessenheitsverhältnisse“ angesprochen, nämlich: wer oder was soll über wen
oder was inwieweit „herrschen“, von wem oder was wollen wir uns bewusst
„beherrschen“ lassen bzw. werden wir eben unbewusst „beherrscht“; erkennen wir
die Realität des Aktiv-Passiv-Verhältnisses von Herrschaft (an) oder erliegen
wir der Glaubensherrschaft an die Unilateralität von Herrschaft; wen oder was
machen wir zu unseren Göttern oder Götzen; welchen „Kult“ also wollen wir
„pflegen“ und damit welche „KULTur“, d.h. welche
„Werte/Kriterien/Würde“ wollen wir darin „verehren“; auf welche normativen
Orientierungen und Maßstäbe also wollen wir uns im Konsens einigen bzw. qua
„Glaubensbekenntnis“ verpflichten bzw. welche Verfassung ist eine gerechte;
welcher „Herrschaft“ also wollen wir „dienen“?
Ein kulturhistorischer Gesamtkontext, der
uns entgegen aller ahistorischen Gefühle und
Vorstellungen paradoxerweise gerade durch moderne (Moderne im positiven Sinne
ihres grundsätzlich-fundamentalen Denk- und Gestaltansatzes)
Wissensentwicklungen unvergleichlich größer zur Verfügung steht und zu dem auch
der philosophie-/religions-/KULTurgeschichtliche Kontext
der „Herrschafts-/KULTur-/Gerechtigkeitsverhältnisse“
zwischen Mensch und Natur/Welt/Universum gehört, kann uns als
Vergleichshorizont zunächst einmal aufzeigen, wie sehr solch fundamentale
Fragenkomplexe zu allen Zeiten den Menschen immer wieder nicht nur beschäftigt
haben, sondern zum Menschsein gehören, und wie er sie mit welchen Konsequenzen
beantwortet hat; und dass die Weltgeschichte nicht nur ein Beispiel dafür
anzubieten hat, dass alte Weltbilder, alte Götter und alte „Herrschafts-/KULTur-/Gerechtigkeitsverhältnisse“ nicht mehr zu
überzeugen vermochten. Das gehört in den Bereich der ganz natürlichen und
normal-menschlichen Aufklärungs-, Entmythologisierungs- und
Neujustierungsnotwendigkeiten und -bedürfnisse.
Aus solchem Vergleichskontext lassen sich
aber eben außer Neu-Justierungen, also außer vielerlei Neuem/Variablen auch
Konstanten herausdestillieren, ohne die sich nicht nur das Neue/Variable als
solches nicht hinreichend definieren bzw. vergleichend erkennen ließe, sondern
ohne die die inhaltliche Struktur und Dimension eines Gesamtkontextes nicht
angemessen zu bestimmen und zu garantieren wäre. Zu solchen Konstanten gehören
nicht nur Naturgesetze, menschlich-funktionale Grundbedürfnisse, technische
Erfahrungen, rationalistisch-positivistische Unbedingtheiten, sondern auch metarationale Bedingtheiten, philosophisch-religiöse
Erfahrungen und Betrachtungen, Gewohnheiten und Gewöhnliches, Bräuche,
Traditionen, Rituale, Kulte, über das Nur-Individuelle/-Menschliche/-Weltliche
hinausweisende Dimensionen; und sie gewissermaßen zu allen Zeiten und jenseits
einer Philosophie des Fortschritts („das ganz Neue“ oder „Vom Faustkeil zum
Roboter“). Solche Konstanten gehören ebenfalls in den Bereich der ganz
natürlichen und menschlich-normalen Kontinuitäts-, Gewohnheits- und
Ritualnotwendigkeiten und -bedürfnisse. Gerade im KULTur
fundamentierenden Bereich der Kult-/Ritualverhältnisse lässt sich erkennen,
dass zwar z. B. Götternamen und „Theologien“ verändert oder weiterentwickelt
wurden, Göttereigenschaften, Rituale und Liturgien jedoch als Kultkontinuum und
Ritualkonstanten - gerade auch in der die „Ritualinfrastruktur“
bereitstellenden und tradierenden Architektur - so
„gnadenlos“ durchgängig weiterlebten, wie sich eben auch der Mensch in seinem
Bedürfnis nach metaphysischer Ortung bzw. Orientierung, religiöser Erfahrung
und philosophischer Betrachtung
nicht nur treu geblieben ist, sondern dies zu seinem Identität und Inhalt
stiftenden Sein beigetragen hat.
Und damit lassen sich erst vor einem
solchen Hintergrund eines sowohl
Variablen, als auch Konstanten
angemessen einbeziehenden Gesamt-Einschätzungs-Kontextes z. B. U-Topien (Kein-Ort-Bestimmungen)
von Eu-Topien (Gut-Ort-Bestimmungen),
Eng-/Eindimensionalitäten von Weit-/Mehrdimensionalitäten, Anmaßungen von
Maßstäben bei der Neubestimmung von Herrschaftsverhältnissen und Weltbildern
scheiden (und damit kulturlose und entzivilisierende
Willkürherrschaften erkennen). Vor solchem Hintergrund wird deutlich, dass mit
der Verabsolutierung des Neuen/Variablen ein „ganz Neues“, also der (totale) Ersatz (der einen durch die andere
Variable) zwar vielleicht denkbar
wird, aber Veränderung im Sinne eines
Beitrages zu einem „neuen Ganzen“ ausschließt, das die Dimension des Konstanten
ja mit beinhalten muss, wenn man nicht alles bislang von Menschen
Gedachte/Gemachte und alle Begriffsinhalte als nicht mehr relevant in Abrede
stellen will.
Spätestens hier würde sich die ganze Maßlosigkeit eines solchen Denkansatzes
(des ganz Neuen) erweisen und der „Ersatz des Teils“ anstatt der „Substanz des
Ganzen“ zum herrschenden Wertkriterium werden. Im Übrigen kann ein wirklich
offen-kritischer - darin eben auch positiv modernetypischer - und
Kultgeschichte einbeziehender, historischer Horizont aufzeigen, dass KULTuren synkretistisch neu
zusammenfassende Schöpfungen sind und sich eben dadurch „Herrschafts-/KULTurverhältnisse“ am machtvollsten und befried(ig)ensten neu bestimmen lassen
und nicht im angeblich ganz Neuen das
Heil zu finden ist, sondern vielmehr Unheil.
Das Regulativ für die Neubestimmung des
Verhältnisses von Teil zu Ganzem, für die Bestimmung von Gerechtigkeit, von
Angemessenheit lässt sich also nicht wirklich Kultur definierend ohne die
Konstanz des Einbezugs außerweltlicher Dimensionen und damit eines inhaltlich
entsprechend dimensionierten Ganzen finden - letztlich aber auch nicht außer
Kraft setzen. Und eben dieses letztere „Nicht-außer-Kraft-setzen-Können“
zwingt zur Auseinandersetzung mit diesem Regulativ und seinen Kriterien, wenn
es nicht ganz unkontrolliert seine Macht und Herrschaft im Un(ter)bewussten ausüben soll.
3.
Angesichts der maßlosen Überdimensionierung der Teil-Perspektive, der
damit einhergehenden, „gewaltigen“ Komplexitätsreduktion und der sich darauf
stützenden Neubestimmung von „Herrschafts-/KULTur-/Gerechtigkeitsverhältnissen“
tritt die Bedeutung solcher Begriffe wie „Angemessenheit“, „Maßstäblichkeit“,
„Verhältnismäßigkeit“ (zentrale Begriffe auch der Architekturtheorie)
augenscheinlich hervor, wenn man an eine wirklich breite Diskussion eines
umfassenden Kultur-/Baukulturbegriffes denkt. Eine solche Debatte hat ja im Übrigen
bereits begonnen bzw. wird schon seit einiger Zeit geführt. Durchaus im Sinne
einer durch einen grundsätzlich-fundamentalen Denk- und Gestaltansatz
definierten Moderne zielt z. B. die dekonstruktivistische
Analyse der Strukturen (Strukturalismus) eines solch hermetisch verschlossenen
„Haus(halt)es“, wie dem des 20. Jahrhunderts, in diese Richtung. Bisherige
Heilslehren (wie z. B. paramilitärische Ausbeute- und Beherrschungs-strategien
monotoner Industrialisierungsbegehren) werden von einem alternativen
Bewusstsein für „Haushalt“, für Ökologie (oikos-logos
= Haushalts-lehre) in Frage gestellt, das den Umgang
mit der Umwelt meint; weiter begriffen ist damit aber über die zunächst nur
physisch verstandene auch die mentale und metaphysische Umwelt angesprochen.
Damit ließe sich die durch die
Radikalisierungen der 20-er bis 40-er Jahre unter- bzw. abgebrochene Diskussion
fortführen und an die Angemessenheitsüberlegungen z. B. eines Hugo Häring anknüpfen, in denen es auch darum ging, die
technische Welt der Autorität der geistigen zu unterstellen, oder an jene
Forderung eines Romano Guardini nicht nach einem
„ganz Neuen“, sondern nach einem „neuen Ganzen“. Beiden Denk- und Gestaltansätzen
geht es um die angemessene Neubestimmung von Herrschaftsverhältnissen, die
nicht ohne den Kontext des Erfahrungswissens um bisherige
Herrschaftsverhältnisse gedacht werden kann; das zeigt ja u. a. gerade die
Geschichte des 20. Jahrhunderts mit seinen nicht nur politischen „Führergötzen“
als bindungslos-total auftretende Herrscher. Nicht die Vernichtung und
Zerstörung, sondern nur die Auseinandersetzung mit Bisherigem und die
schöpferische Neuformulierung durch Inkorporierung z. B. bisheriger KULTur-Konstanten führt zu einer Neudefinierung des
Kulturbegriffes; und dies nur in den unserem Wissensstand angemessenen
Kontextdimensionen.
Ein diese Kontextdimensionen einlösender
Wahrnehmungshorizont kann wiederum nur ein „oikoumenischer“
sein, wenn wir uns nicht nur die Geschichte des Philhellenismus/Eurozentrismus,
sondern auch die des Antisemitismus/Antiorientalismus
(z. B. unser Verhältnis zum Islam) vergegenwärtigen.
Wenn uns heute für solche
Auseinandersetzung durch moderne Wissensentwicklung ein historischer Kontext
unvergleichlich größer zur Verfügung steht, dann stellt er nicht nur eine zu
seinem Einbezug auffordernde Autorität,
sondern auch eine solche zur erkennenden Regelung u. U. wiederum einseitig-überdimensionierter Herrschaft eben dieses historischen
Kontextes dar, um nicht der Gefahr zu erliegen, sich in kontrapositorischer
Abhängigkeit von ahistorischen Phantasien des 20. Jahrhunderts
allzu historisch zu verkrampfen.
Nicht die hyperaktiv-historisierende Reaktion auf
eine einseitig entgegen gerichtete Aktion, sondern nur ein dem Gesamtkontext
verpflichtetes Verhalten führt zu angemessenen Verhältnissen. Denn die (nicht
nur denkmalpflegerische) Forderung nach historisch-kontextueller Wahrnehmung
ist eine kulturell zu berechtigte, als dass man nicht auch sie vor
moderne-typischen Einseitigkeiten und Maßlosigkeiten schützen sollte. Doch
haben auch hier schon die letzten Jahre/Jahrzehnte Ansätze zu einem
Bewusstseinswandel hervorgebracht, denn es ist heute - gerade nach dem zu Ende
gegangenen 20. Jahrhundert mit seinem maßlosen Zerstörungsgeist - unser nicht mehr würdig, solch unsägliche
Antagonismen wie „unfreie“ Denkmalpflegespezialisten einerseits und „freie“ Architekturentwerfer andererseits, also den nicht nur die
Architektenmentalität bestimmenden Alt-Neu-Dualismus fortzusetzen; oder in der
Architektenausbildung Architekturgeschichte einerseits abzulehnen,
Architekturtheorie aber zu akklamieren, wobei man darunter ganz offensichtlich
nur eine solche der einseitig verstandenen so genannten „modernen“ Architektur
und sie nur affirmativ bejahend versteht (wie aber ließe sich Theorie von
Geschichte trennen?); oder ein Anerkennen von „Weltkulturerbe“ einerseits,
„moderne Baukultur“ aber ohne die die Kreativität angeblich behindernde
Auseinandersetzung mit dem historischen Erbe zu sehen; oder, oder, oder … um
welch zahlreiche weitere Schizophrenien es sich auch immer handeln mag. Das
kann nur Bau-Unkultur zur Folge haben, denn eine ausschließliche und damit
ausschließende Konzentration auf nur die eine oder andere Ebene erreicht ganz
sicherlich auch hier ein kulturelles Gesamtes nicht.
Dem entspricht in der Wissenschaft der
letzten Jahre ganz allgemein auch das Fragen auf unterschiedlichsten Ebenen und
interdisziplinäres Arbeiten als Suchebene nach Angemessenheit und
Ausgeglichenheit unter den verschiedenen Disziplinen (oder z. B. die allgemeine
Forderung nach Breite in der Architektenausbildung);
dass zu solcher Interdisziplinarität aber nicht
zuletzt z. B. auch die Ebene des Sakralen und der Religionen gehört, wird
entweder noch immer zu sehr der jeweils (angeblich) anderen Fakultät überlassen
oder es entgeht positivistischem Wahrnehmungsinstrumentarium als zu
„irrational“ und damit angeblich zu unwissenschaftlich. Aber nicht der Mensch
allein, sondern auch ein außerweltlicher Bezugspunkt spielte immer eine
zentrale Rolle in der Geschichte der Weltbilder und muss dies, nicht zuletzt
auf kritische Weise, auch auf heutiger weltbildlicher/„weltbaumeisterlicher“
Ebene tun.
Und so trifft dies auch direkt für den
Bereich der Architektur zu: nicht die „Zweckform“ allein definiert Architektur
hinreichend, sondern auch die „Würdeform“; der Repräsentations- und Sakralbau,
einschließlich Bauten sozialer Würde (Arme-Reiche-Verhältnisse),
stellte in der Architekturgeschichte oft genug die Avantgardearchitektur
schlechthin dar und bot Räume in städtebaulichen Zusammenhängen, die
Stadtkultur konstituierend wirkten. Eine Baukulturdiskussion kann sich nicht
nur auf den angeblich reinen Profan- und Zweckbau, der im übrigen oft genug
durch unmittelbar sakrale Bezüge bestimmt war, beschränken und auch nicht nur
auf das, was man heute unter
„Repräsentationsbau“ versteht. Angesichts der Herrschaftsverhältnisse im 20. Jahrhundert
und der Erfahrungen mit der Willkür, Selbstherrlichkeit und Selbstbezogenheit
bindungslos-totaler Herrscher - nicht nur in der Politik - lässt sich heute
wohl nur von „Ostentationsbau“ (im Sinne von
Selbstdarstellung) sprechen, der sich ja fundamental von dem Begriff
„Repräsentationsbau“ (im eigentlichen Sinne von „Stellvertretung“)
unterscheidet. Zu eindimensional wird auch hier der Begriff „Repräsentation“
verstanden oder tabuisiert überhaupt gemieden und damit all die ihn angeblich
darstellenden baulichen Charakteristika und Formungen, wie z. B. Axialität oder
Symmetrie, oder in eine angeblich „fortschrittlich“ und restlos überwunden
verkündete Vormoderne abgeschoben. Ganz ähnlich wie sich im so genannten o. a.
“Dächerkrieg“ eine von politisch-ideologischen Klischees geprägte Wahrnehmung
oberflächlich-formalistischen Ausdruck zu verschaffen sucht, so auch bei dieser
Thematik.
Hermetische Wahrnehmung aber hat die
entsprechende Ästhetik (aisthesis = Wahrnehmung) zur
Folge und das ist wohl weder Kultur noch Baukultur. Die Begriffe „Kultur/Baukultur“
haben also hoffentlich deshalb Konjunktur, weil man dringlicher denn je den
Verlust der Teile spürt, die zu einem wirklichen Ganzen fehlen, und weil man
erahnt, dass der Begriff „Kultur/Baukultur“ dieses Ganze meint bzw. erst durch
dieses Ganze hinreichend definiert wird; auch heute. Und weil man die
drängend-zentrale Bedeutung einer Auseinandersetzung mit dem Kultur und
Baukultur verbindenden und konstituierenden, im übrigen seit je die
Architekturtraktate beherrschenden Begriff wie „Angemessenheit“ spürt; und dies
gerade heute. Dies ist eine der geistigen Verpflichtungen, die z. B. mit dem
Beruf des Architekten zu verbinden ist.
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