Thema 1. Jg., Heft 1
Oktober 1996

Heinz Bartsch



Ästhetik und Arbeit




Gleich zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich betonen, daß ich die Ästhetik nicht nur im engeren Sinne in ihren Beziehungen zur Architektur und zum Bauwesen sehen möchte, sondern im Kontext zum übergeordneten Gebilde der menschlichen Arbeit überhaupt.
Das schließt natürlich die Antizipation, die Planung, die Projektierung, die Gestaltung und die Bewertung der menschlichen Arbeit in der Architektur und im Bauwesen mit ein.

Mit den Gesetzmäßigkeiten und Wirkungsbedingungen der menschlichen Arbeit in ihrer umfassenden Komplexität befaßt sich die Arbeitswissenschaft bzw. die Ergonomie mit wissenschaftlichen Methoden und Instrumentarien. Die Arbeitswissenschaft stellt dabei den arbeitenden Menschen mit der Gesamtheit seiner inneren und äußeren Beziehungen zur Arbeitswelt auf Makro- und Mikrosystemebene in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Diesen Zusammenhang möchte ich Ihnen mit den nachfolgenden Bildern verdeutlichen. (vgl. [3],[5])


(Bild 1):
Gegenstand der Arbeitswissenschaft;
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(Bild 2):
Arbeitswissenschaft und Ergonomie
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(Bild 3):
Einflußfaktoren auf Arbeitssysteme;
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(Bild 4):
Beziehungen und Ziele der Arbeitswissenschaft
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(Bild 5):
Modell des Arbeitssystems (in Anlehnung an LAURIG 1975)
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(Bild 6):
Hierarchische Ordnung von Aspektwissenschaften nach Beurteilungsebenen menschlicher Arbeit (Kriterien der "menschengerechtenGestaltung")
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(Bild 7):
Mensch-Maschine-System
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(Bild 8):
Definition: Menschliche Zuverlässigkeit (Bartsch, 1996)
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Wie Sie aus diesen Bildern ersehen können, besteht eine wesentliche arbeitswissenschaftliche Zielstellung für die Optimierung von Arbeitssystemen u.a. darin, optimale Wirkungsbedingungen für den arbeitenden Menschen zu erreichen. Das bezieht sich vor allem auf die qualitativen Merkmale seines Arbeitsvermögens (Qualifikation, physische und psychische Leistungsvoraus-setzungen).
Neben vielen anderen Faktoren sind u.a. auch ästhetische Anforderungen für die Gestaltung des Bedingungsgefüges von Arbeitssystemen von hervorragender Bedeutung.
Neben der ergonomischen, anthropometrischen, physiologischen, psychologischen, organisatorischen und sicherheitstechnischen Arbeitsgestaltung kommt deshalb in unserer Fachdisziplin der ästhetischen Arbeitsgestaltung ein hoher Stellenwert zu.


(Bild 9):
Teilgebiete ergonomischer Arbeitsplatz- und Arbeitsmittelgestaltung
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Sie soll vor allem über die Arbeits- und Leistungsmotivation leistungs- und persönlichkeitsfördernde sowie außerhalb des Arbeitsprozesses reproduzierende Wirkungen verursachen.
Das setzt aber u.a. voraus, daß sich auch die Arbeitswissenschaft mit dem Begriff "Ästhetik" und ihren möglichen nutzbaren Funktionen auseinandersetzt.
Die gesamte Breite der Fachliteratur weist hier teilweise recht unterschiedliche Positionen aus. (vgl. [1], [4],[6],[7])
Den Vertretern der Architektur ist diese Diskussion und Auseinandersetzung über die Ästhetik ja weitestgehend bekannt. Aber auch oder gerade als Arbeitswissenschaftler muß man sich gleichfalls dazu positionieren, wenn man wissenschaftlich glaubwürdig sein will.
Da die Arbeitswissenschaft die menschliche Arbeit aus der Sicht der zentralen Stellung des Menschen zum Gegenstand hat, ist es auch nur logisch, daß sie die Ästhetik in einer direkten Beziehung zum Menschen sieht.
Dabei ist bedeutsam, von welchem Menschenbild die Arbeitswissenschaft ausgeht.
Die Beschäftigung mit Menschenbildern hat eine lange Tradition. So haben sich schon Machiavelli (1469-1527), Hobbes (1588-1679), Locke (1632-1704) und Smith (1723-1790) zu der Frage vom Wesen des Menschen geäußert. Nach Martin ([5]) können folgende ausgewählte Positionen dargestellt werden:
Diese sehr früh formulierten Menschenbilder sind gekennzeichnet durch eine starke Tendenz, in Extremtypen zu denken (Staehle 1980). (vgl. [5])
So vertritt Smith z.B. die Auffassung, daß der Mensch selbstsüchtig ist und daß er durch das Verfolgen seiner egoistischen Interessen sich und der Gesellschaft dient. Diese Menschenbilder konzentrieren sich auf die Eigenschaften und das Verhalten von Individuen in der Gesellschaft.
Weinert (1984) stellt fest, daß Menschenbilder " ... verallgemeinerte, vereinfachte Voraus - Urteile über den Menschen ... bewußte und rationale sowie unbewußte und affektive Einstellungen einer Person über andere Menschen (enthalten)".

Nach Hartiel (1968) haben Menschenbilder die Funktion, die Komplexität der Realität menschlichen Handelns durch die Konstruktion von bestimmten Idealtypen oder -modellen zu reduzieren.
Menschenbilder stellen, so verstanden, ein theoretisches Hilfskonstrukt dar. Staehle weist 1980 z.B. in diesem Zusammenhang darauf hin: " ... daß es keine generell gültigen optimalen Handlungsalternativen gibt, sondern lediglich Abbilder von in konkreten Situationen handelnden Menschen".
Wunderer/Grunwald (1980) weisen dabei darauf hin, daß die Entwicklung von Menschenbildern wesentlich von den jeweiligen kulturellen, religiösen, wirtschaftlichen und politischen Einflüssen bestimmt wird.
In Verbindung mit der Technologieentwicklung zeigt z.B. Altmann (1988) die Entwicklung der Menschenbilder seit Anfang dieses Jahrhunderts.


(Bild 10):
Technologieentwicklung und Menschenbilder (nach ALTMANN) (vgl. [5])
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Aus Zeitgründen soll hier auf die ausführliche Interpretation dieser Menschenbilder verzichtet werden.
Für die Arbeitswissenschaftler ist aber aus der Diskussion über die Menschenbilder die Schlußfolgerung von größter Bedeutung, daß unterschiedliche Menschenbilder zu unterschiedlichen arbeitsgestalterischen Konsequenzen führen.
Damit wird umgekehrt deutlich, daß die Beurteilung von Arbeitsgestaltungsmaßnahmen entscheidend von dem zugrundeliegenden Menschenbild beeinflußt wird.

Gegenwärtig positioniert sich die Arbeitswissenschaft so, daß sie dem von Tomaszewski, Volpert und Hacker beschriebenen Menschenbild die Präferenz gibt.(vgl. [2],[3],[5])
Tomaszewski begreift den Menschen als Subjekt, welches "aktiv am praktischen und kulturellen Leben teilnimmt, bewußt entsprechende Aufgaben in Angriff nimmt und sie zusammen mit anderen eigenständig und schöpferisch realisiert."
Diese Vorstellung sieht den Menschen als ein relativ autonomes Subjekt mit eigener Handlungskompetenz in der ihn umgebenden Umwelt.
Menschliches Handeln und Verhalten wird danach von zwei wesentlichen Momenten bestimmt:
- einerseits durch individuelle Anlagen und
- andererseits durch Widerspiegelungen objektiver Handlungssituationen in der subjektiven Wahrnehmung.

Der Mensch wird als wandlungs- und entwicklungsfähig angesehen. Er ist ein aktiv auf die Umwelt einwirkendes, zukunftsorientiertes Wesen, das sich selbst Ziele setzt und Hypothesen bzw. Erwartungen über seine Umwelt aufstellt.
Der Mensch wird damit nicht als ein Wesen angesehen, daß " ... auf die Vervollkommnung seines eigenen Inneren konzentriert ist, oder ... ausschließlich durch äußere Ereignisse gesteuert wird." (vgl. [5]). Tomaszewski sieht den Menschen als ein autonomes Subjekt, das zur Regulierung der eigenen Beziehungen mit der Umwelt und zur Selbstregulation fähig ist.
Aus diesem Menschenbild leiten sich für die Arbeitswissenschaft die Grundsätze menschengerechter Arbeitsgestaltung ab!
Damit ist es logisch, daß sich nach diesem Menschenbild für die Arbeitswissenschaft auch die Position zur Ästhetik ableitet.
Deshalb kann ich mich weitestgehend mit der Beschreibung des Begriffes Ästhetik identifizieren, wie sie durch Meyers Kleines Lexikon, Erster Band, A - Globus, Bibliographisches Institut Leipzig 1967, vorgenommen wurde (vgl. [6]):

Danach wird die Ästhetik als eine wissenschaftliche Disziplin betrachtet, die die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der ästhetischen Beziehungen der Menschen zur Wirklichkeit und die allgemeinen Entwicklungs- und Gestaltungsgesetze der Kunst erforscht.
Entsprechend der Kunstgattungen unterscheidet man dann z.B. zwischen Literatur - Ästhetik, Ästhetik der bildenden Kunst, Musik - Ästhetik, Tanz- bzw. Bewegungs- Ästhetik, Architektur - Ästhetik, u.a. aber auch Ästhetik der industriellen Formgebung.

Dabei untersucht die Ästhetik u.a. die objektiven Quellen und den Inhalt des ästhetischen Gefühls und der ästhetischen Anschauungen sowie die ästhetischen Wertungen im Zusammenhang mit ästhetischen Kategorien, wie z.B. schön, tragisch, komisch, lieblich, elegant, stattlich, harmonisch u.a.m. Ästhetische Urteile bzw. Wertungen sind dabei solche, mit denen wir den Gehalt ästhetischer Erfahrungen beschreiben. In der ästhetischen Erfahrung geht es aber um die sinnliche Erscheinungsweise äußerer Gegenstände und damit sind ästhetische Urteile/Wertungen Aussagen über solche Gegenstände, die damit logisch dann auch den Anwendungsbereich ästhetischer Begriffe bilden.

Die Funktion sozial - ästhetischer Ideale und der Einfluß gesellschaftlicher Bedingungen ist genauso Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen der Ästhetik wie die Erforschung des Wesens der ästhetischen Erziehung, des Wesens und der Stellung der Kunst im gesellschaftlichen Leben, der künstlerischen Ausdrucksmittel und der künstlerischen Meisterschaft. Die Arbeitswissenschaft kann sich weder zum Ästhetizismus (Lebens- und Kunstanschauung, die ästhetische Ideale verabsolutiert und die gesellschaftliche Bindung der Kunst leugnet) noch zu den "Architektenkünstlern" (wie z.B. Krier), die die Beschäftigung mit funktionalen Fragen als "Zerstörung der Architektur" verstehen, positionieren. Die Arbeitswissenschaft nähert sich eher den inhaltlichen Positionen der "Praktischen Ästhetik" der Architektur bzw. sieht z.B. einen gemeinsamen Ansatzpunkt im Proportionsbegriff von Vitruv und seiner Weiterentwicklung über da Vinci bis zur heutigen modernen Anthropometrie.
Auf dieser Grundlage wurden anthropologische Atlanten entwickelt, die heute eine unverzichtbaren Voraussetzung für leistungsfähige Software - Programme für eine rechnergestützte ergonomische Arbeitsplatzgestaltung darstellen und wörtlich dem Grundsatz von Leonardo da Vinci entsprechen: "Der Mensch ist das Maß aller Dinge." Im Sinne der Anthropometrie leitet die Arbeitswissenschaft bzw. die Ergonomie daraus z.B. die Anforderungen ab, daß die konstruktiv - maßliche Gestaltung von Arbeitsplätzen weitestgehend in Abhängigkeit von den menschlichen Körpergrößenverhältnissen zu erfolgen hat.

Im deutschsprachigen Raum sind dafür solche Modelle und Programme bekannt wie: "Anthropos", "Ergomas" oder "RAMSIS".

Ein Arbeitswissenschaftler kann deshalb auch im Sinne des Wortes kein "Ästhet" sein (einseitig auf das Künstlerische orientierter Schöngeist) (vgl. [6]).

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Architekten und Arbeitswissenschaftlern scheint aber darin zu bestehen, daß sie ein unterschiedliches Nutzerbild besitzen.
Wenn ich die Literatur der Architektur richtig verstehe, dann geht sie im wesentlichen davon aus, daß sich die Menschen ihrer Umwelt und deren Vorgaben anzupassen und einzufügen haben, daß sie von Investoren und Experten (z.B. Architekten) zu ihrem "Glück gezwungen" werden oder anders gesagt, daß ihnen Verantwortung und Selbstwirksamkeit für die eigene Zukunftsgestaltung aus dieser Sicht abgenommen werden. Das mindert natürlich die Möglichkeit der vollen Identifikation der Nutzer mit diesen "vorgesetzten" Lösungen oder macht sie gar unmöglich, wenn man den mehr oder weniger zutreffenden Zufall ausschließen mag, daß die individuellen ästhetischen Wertvorstellungen und Gestaltungslösungen des Architekten mit denen der Nutzer übereinstimmen.

Damit ist überhaupt nicht gesagt, daß dann die Kreativität und die Gestaltungsfreiheitsgrade des Architekten bzw. des Künstlers unzumutbar eingeschränkt sind. Damit muß aber gesagt werden, daß Ästhetik und Kunst auch nach den Kriterien der Akzeptanz und ästhetischer Wert bestimmbar sein sollten.
Die Probleme, die in diesem Spannungsfeld sichtbar werden können, könnten vielleicht im Unterschied zwischen der "angewandten Kunst" und der "freien Kunst" beschreibbar sein, wenn selbst aber auch hier die Grenzen fließend sind. Ich bin der Fachdisziplin Architektur nicht nahe genug, um für die Lösung solcher Fragestellungen Ratschläge geben zu können.
Aber vielleicht zeigt ein Zitat von Peter F. Smith in "Architektur und Ästhetik", 1981, S.255, einen Ansatz, wenn er meint:

"Will man die Architektur mit der Ästhetik in Verbindung bringen, muß man notwendig eine Theorie der ästhetischen Erfahrung entwickeln, die auf einige Gedanken der neueren Psychologie gegründet ist [...] Wie schon ... erwähnt, ist die Architektur eine öffentliche Kunst. Für manche Menschen ist sie vielleicht die einzige "hohe" Kunst, der sie jemals begegnen. Sie ist eine Kunst, die um so mehr geistige Belohnung bereithält, je mehr man über sie weiß; aber zugleich ist auch vieles von ihrer Ausstrahlung auf intuitiven Ebenen zu finden. Deswegen muß die Architektur bei jeder Diskussion über den Nutzen oder den psychologischen Wert der Kunst an vorderster Front stehen; denn sie ist die einzige Kunstform, die unvermeidlich ist."

Wie bereits erläutert, geht die Arbeitswissenschaft von einem Menschenbild aus, das es ihr nicht erlaubt, den Menschen als "Objekt" in eine künstlich geschaffene Umwelt zu projizieren, wo er wenig Möglichkeiten besitzt, an der Gestaltung der Zukunft aktiv und schöpferisch mitzuwirken.
Wenn es auch immer wieder Versuche gab und wohl auch noch geben wird, die Verbindung der Begriffe von Ästhetik und Arbeit negativ konservativ und einseitig zu interpretieren. (vgl. [8])
So kann man bei W. Heller in "Arbeitsgestaltung" (vgl. [8]) nachlesen, daß mit dieser Verbindung u.a. eine beobachtete Polarisierung des Erwerbs- und Familienlebens zwischen Mann und Frau begründet wurde. Man stellt hier einfach gegenüber: eine zunehmende (unterstellte) Ästhetisierung weiblicher Arbeit (insbesondere der Hausarbeit) gegenüber einer zunehmenden Entfremdung der Arbeit mit Einsetzen der Industrialisierung und geht davon aus, daß sich die Ästhetisierung im Laufe der Zeit weiter verfestigen wird.
Mitte des 19. Jahrhunderts werden Bilder und Texte so funktionalisiert, daß die Hausarbeit zur "schönen Handlung" ästhetisiert wird und dadurch den Charakter von Arbeit verlieren soll.
"Gegen Ende des 19. Jahrhunderts müssen bürgerliche Frauen den Schein des schönen Müßiggangs perfekt beherrschen." (vgl. [8])
Daß auch die Ästhetik in diesem Sinne als Machtinstrument mißbraucht werden sollte bzw. konnte, kommt dann in der abschließenden Formulierung von Heller zum Ausdruck, wenn er schreibt:

"Die Ästhetik allein hätte aber wahrscheinlich nicht genügt, um die Vorstellung zu etablieren, daß Frauen nicht arbeiteten. Hinzu kommen mußte gleichzeitig die Idee, daß nur die Männer arbeiteten." (vgl. [8])

Ausgehend von der Positionierung des Verfassers zum Begriff Ästhetik kann man von der sinnlichen Erscheinungsweise von Gegenständen sprechen, wenn man z.B. ihre Formen, Farben, räumliche Eigenschaften und Beziehungen, Bewegungen, Klänge und Geräusche, ihre haptischen, Geruchs- und Geschmackseigenschaften meint.
Gegenstände dieser Art kennzeichnen aus arbeitswissenschaftlicher Sicht den Objektbereich eines Arbeitsprozesses. Hier gilt generell der Grundsatz, daß dieser Objektbereich weitestgehend den individuellen subjektiven Leistungsvoraussetzungen des arbeitenden Menschen geschlechts- und altersspezifisch angepaßt werden sollte.
Im Sinne der Realisierung der vorgegebenen Aufgabenstellung im Arbeitssystem kann aber auch umgekehrt die Notwendigkeit bestehen, daß sich der Mensch mit seiner Qualifikation, seinen physischen und psychischen Leistungsvoraussetzungen den qualitativ veränderten Inhalten der Arbeitsaufgaben anpassen muß. Beide Gestaltungsbereiche können gleichzeitig Veränderungs-bedarf ausweisen. Veränderungen in beiden Bereichen können auch gleichzeitig notwendige Lernprozesse auslösen, die zusätzliche Aufwendungen vom arbeitenden/lernenden Menschen erfordern und in aller Regel psychische Wirkungen zur Folge haben (z.B. Erfolgs- oder Mißerfolgserlebnisse), die für das Leistungsverhalten, den Arbeitsvollzug, das Arbeitsergebnis (Produkt oder Leistung) und das Wohlbefinden bzw. die Zufriedenheit von großer Bedeutung sein können.

Neben anderen Gestaltungskomplexen nutzt der Arbeitswissenschaftler ganz gezielt Erkenntnisse aus der Ästhetik und der Arbeitspsychologie (vgl. [2]) im Sinne der vorher genannten sinnlichen Erscheinungsweisen von Gestaltungsobjekten, damit, auch dadurch unterstützt, der arbeitende Mensch bei passungsfähiger Beanspruchung nicht nur das Leistungsziel erreicht, sondern gleichzeitig auch bewußt seine Zustands- und Befindlichkeitsveränderung im und durch den Arbeitsprozeß optimiert werden kann.

Wenn ich aus den vorher beliebig genannten Gestaltungskomplexen beispielhaft die Farbgestaltung auswähle, dann sollen die nachfolgenden Bilder zeigen, wie die Arbeitswissenschaft die kombinierte Anwendung von Erkenntnissen aus der Ästhetik und Arbeitspsychologie versteht. (vgl. [2], [3],[5])


(Bild 11):
Definition Farbgestaltung
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(Bild 12):
Ziel der Farbgestaltung
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(Bild 13):
Wirkungen der ergonomischen Farbgestaltung am Arbeitsplatz
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(Bild 14):
Beispiele für positive Farbgestaltung
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(Bild 15):
Wirkung von Farbtönen
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(Bild 16):
Farbausgewogenheit im Operationsraum
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(Bild 17):
Wechselwirkung der Farbgestaltung mit Streßfaktoren der Umgebung
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(Bild 18):
Farbgestaltung im Maschinenkontrollraum
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Beispiele dieser Art könnten beliebig fortgesetzt werden.

Der Hauptgegenstand der arbeitswissenschaftlichen Betrachtung ist zwar der eigentliche Arbeitsprozeß mit seinem Bedingungsgefüge und deren Wirkungen im Mikrobereich, aber die auf den Menschen bezogenen Wirkungen, z.B. im Sinne des Verbrauchs von Arbeitsvermögen, machen es erforderlich, daß sich die Arbeitswissenschaft mit ihren Einflußmöglichkeiten auch darum bemüht, das Bedingungsgefüge der Reproduktion des im Arbeitsprozeß verbrauchten Arbeits-vermögens optimieren zu helfen.
Der größte Teil des dafür erforderlichen Reproduktionsaufwandes wird zeitlich und räumlich außerhalb des Arbeitsprozesses realisiert. Damit ist z.B. der gesamte Komplex der Freizeit- und Wohnkultur angesprochen.
Die Qualität dieser Bedingungen entscheidet sehr wesentlich über den Verlauf, die Intensität und über den erreichten Reproduktionsgrad. Dieser erreichte Reproduktionsgrad ist aber wiederum keine unerhebliche Größe für die angestrebten generellen Zielstellungen eines Arbeitssystems und deshalb z.B. innerhalb und außerhalb eines Betriebes von größtem Interesse.
Die Architektur hat dabei mit der Ästhetik über die Wohnkultur einen direkten Zugriff auf die Qualität der Reproduktionsbedingungen außerhalb des Arbeitsprozesses. Hierbei kann natürlich Ästhetik, Architektur und Kunst zur Erreichung dieser Zielstellung vorrangig nur benutzerbezogen verstanden werden.
Die Nutzung ihrer Erkenntnisse für eine solche Zielstellung ist effektiv auch nur im Rahmen einer interdisziplinären Einbettung denkbar.

Wenn mein Aufsatz für die Zukunft dafür einige Anregungen gegeben haben könnte, dann hätte er seine eigentliche Funktion erfüllt.









Literatur

[1] BAUMGARTEN, A. G.: Theoretische Ästhetik, Meiner, Hamburg 1988

[2] HACKER, W.: Allgemeine Arbeits- und Ingenieurpsychologie, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1973

[3] HETTINGER/WOBBE (Hrsg.): Kompendium der Arbeitswissenschaft. Optimierungsmöglichkeiten zur Arbeitsgestaltung und Arbeitsorganisation., Ludwigshof (Rhein): Kiehl Verlag 1993.

[4] KUTSCHERA, Fr.:Ästhetik, De Gruyter, Berlin, New York 1989

[5] MARTIN, H.:Grundlagen der menschengerechten Arbeitsgestaltung. Handbuch für die betriebliche Praxis. Köln: Bund-Verlag 1994.

[6] MEYERS KLEINES LEXIKON: Erster Band, A - Globus, Leipzig: Bibliographisches Institut 1967

[7] SMITH, P.F.: Architektur und Ästhetik. Wahrnehmung und Wertung der heutigen
Baukunst. Braunschweig 1977

[8] Heller, W.: Arbeitsgestaltung, Enke-Verlag, 1994, S. 9ff.

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