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1/ In dem folgenden Beitrag geht es mir um Fragen der
Beziehung von Kunst und Alltag in der Architektur. Die Diskussion darum ist in der
Architektur natürlich nicht neu, seit mehr als einem Jahrhundert streiten sich
Funktionalisten und Baukünstler.
Die Argumente sind nicht immer klar und der Verlauf der Diskussion ist kompliziert und
kann hier im Detail auch deshalb nicht nachvollzogen werden, da es vor allem bei dieser
Querele nicht um einen wissenschaftlichen Diskurs, sondern um ideologische
Auseinandersetzungen um die richtige Menschlichkeit und um Marktanteile geht. 2/ Ich möchte die Positionen aber in zwei Sätzen pointieren:
- Die Baukünstler verstehen Architektur als Kunst, und Kunst wird als
Feier definiert. Sie existiere nur im zweckfreien Raum des Geistigen, der produzierende
Künstler und der rezipierende Ästhet müssten sich vom Alltag distanzieren. Die
Funktionalisten sind in der Meinung der Baukünstler schnöde
Materialisten, wenn nicht gar Bolschewisten (so Architekten der 20er und 30er Jahre) oder
totalitäre Faschisten (so etwa die Postmoderne), die das Geistige verunmöglichen oder
gar zerstören.
- Die Baukünstler seien vielmehr selber totalitäre und elitäre Verbrecher
(Loos), sagen die Funktionalisten. Die Baukünstler
beschäftigten sich allein mit formalen Spielereien und mit intellektuellen Spinnereien
und würden letztlich eine nachhaltige Befriedigung von Bewohnerbedürfnissen durch
Vergeudung von Resourcen sabotieren. (so noch Feldtkeller 1989). Die
Funktionalisten selbst lehnen - ganz in der Tradition der Bilderstürmer -
Kunst generell ab. Sie verstehen Architektur als ein Mittel, die persönlichen und
sozialen Bedürfnisse von Menschen zu befriedigen. Der Küstler dürfe nicht aus der
Wirklichkeit fliehen und sich in einem Elfenbeinturm isolieren, sondern er müsse die
Wirklichkeit fassen und verändern.
3/ Mit meinen Anmerkungen zu einer praktischen
Ästhetik möchte ich diese beiden Definitionen grundsätzlich infrage stellen. Ich
werde dabei jedoch nicht den Baukünstlern den fehlenden Bezug zum Alltag und
den 'Funktionalisten' nicht den fehlenden Kunstbegriff vorwerfen.
Meine Absicht hier ist es vielmehr
- die Beschränktheit des Verständniss der Funktionalisten vom Alltag,
- die Einseitigkeit des Kunstbegriffes der 'Baukünstler
und die daraus resultierende wechselseitige Ausgrenzung voneinander aufzuzeigen.
Ich werde den Versuch unternehmen, eine phänomenologische (Kap. I) und eine
ästhetische (Kap. II) Fundierung für eine Praktische Ästhetik zu liefern, in der der
Gegensatz von Kunst und Alltag aufgehoben ist.
Inhalt
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1. Frl Zuckertort
A. Dinglichkeit
B. Leiblichkeit
C. Sinnlichkeit und Kognitionen
2. Interaktionen
A. Die Objekte lauern
B. Vom Wohnen in den Dingen
C. Polyversum
D. Der Spielcharakter der Architektur
E. Distanz und Nähe
1. Vitruv 2. Die Entstehung der reinen Architekturästhetik 3. Shaftesbury 4. Adam
Müller 5. Architektur als Baukunst? A. Der Spielcharakter der Architektur B. Ästhetik
des Widerstands
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