Thema
3. Jg., Heft 1
Mai 1998

Kirsten Wagner

Architektonika in Erewhon:

Zur Konjunktur architekturaler und urbaner Metaphern1

1In freier Entlehnung des von Samuel Butler eingeführten Anagramms von Nowhere 2,das bei Butler ein Land jenseits der Berge darstellt und wohl weniger eine negative Utopie meint, denn eine satirische Überzeichnung gesellschaftlicher Zustände, soll Erewhon jenen a-topischen Datenraum bezeichnen, der Hort virtueller Architekturen ist: den Cyberspace. Bevor wir uns in den kybernetischen Raum jenseits der Berge aufmachen, lassen Sie uns noch einen Moment diesseits derselben verweilen und uns die Entwicklung der realen architektonisch gefügten Räume vergegenwärtigen.
Lange bevor der a-topische Cyberspace und die virtuellen Architekturen den Ort, der einmalig, relational und historisch ist, in Frage stellen, schicken sich die realen Architekturen an, bereits a-topisch zu werden und in Nicht-Orte aufzugehen. Die zunehmende Mobilität einerseits und das Aufkommen der elektronischen Medien andererseits haben zu dieser Entwicklung nicht unwesentlich beigetragen.

>Fertighaus vom Typ Voisin<, 1919

>IT-equipped Car<, Philip Castle 1988
(Martin Pawley, Theory and Design in the Second Machine Age, Oxford 1990, S. 87)

2Im Hinblick auf die Mobilität ist das mobile Eigenheim, ob als Karawan oder als aus seriellen Einzelteilen zu montierendes, beliebig zu errichtendes Fertighaus aufgefaßt, nur die Spitze eines Eisberges. Unter der Oberfläche haben sich die modernen Verkehrsmittel umgekehrt darauf verstanden, Heimstätten für Pendler und Reisende zu sein, die angesichts der noch bestehenden räumlichen Trennung von Wohnen und Arbeiten geraume Zeit in diesen verbringen. Paul Virilio3 und Marc Augé4 haben überzeugend dargelegt, daß nicht nur die Verkehrsmittel, sondern auch die Umschlagplätze, die Flughäfen, Bahnhöfe und Autobahnraststätten, den historisch gewachsenen Architekturen und Städten den Rang ablaufen und den einmaligen Ort negieren.

>Brunswick Hall of Fame<,
Robert Venturi 1966-67 (Daidalos, Nr. 25, 15.06.1994, S. 137)

>Design Sketch Pad<, Charles Jencks 1971
(Charles Jencks, Architecture 2000: Predictions and Methods, London 1971, S. 56)

3Der Einbruch der elektronischen Medien in die guten alten vier Wände hat nicht minder zu einer Ablösung der Baukörper von einem bestimmten Ort und zur Auflösung der architektonisch gefügten Räume beigetragen. Die Mauer, die Bildschirm wird, und die Stadt, die in Anlehnung an Robert Venturi als Ensemble von Displays erscheint5, auf denen digitalisierte Bilder und Zeichen das städtische Treiben nur noch simulieren, sind eine Variante. Eine andere Variante sind die Rechner im Eigenheim, die, an das globale Datennetz angeschlossen, die Welt ins Haus holen und den realen Außenraum, sei er nun architektonisch gefügt oder nicht, ins Abseits drängen. Wie William J. Mitchell in seinem Buch „Space, Place and the Infobahn. City of Bits"6 visioniert, werden die Bibliotheken, Museen, Banken, überhaupt alle öffentlichen Gebäude in Zukunft kaum mehr gebaut, sondern nur noch als entsprechend gestaltete Seiten ins Datennetz eingespeist werden. Der überkommene Berufsstand des Architekten wird sich, so Mitchell oder Dace Campbell7, im Zuge dieser Entwicklung aufspalten in Zuständigkeiten für reale und virtuelle Architekturen, wobei letztere den Architekten als Informatiker und Web-Designer ansprechen. Dies meint eine letzte narzißtische Kränkung des traditionell entwerfenden Architekten, der sich schon bei der Einführung und Durchsetzung des Computer Aided Design (CAD) die Frage gefallen lassen mußte, ob der individuelle Entwurf angesichts computergenerierter Entwurfsprozesse nicht ins Hintertreffen gerate, ob die Architekturen überhaupt eines ausgewiesenen Autoren bedürfen8.

4Diese Entwicklungen haben neben anderen Faktoren maßgeblich zur fortschreitenden Auflösung baulich gefügter, sozialer Zusammenhänge, wie sie von den Städten markiert werden, geführt. Nicht mehr der einmalige Ort oder die historisch gewachsene, in ihren Abgrenzungen relativ klar Gestalt annehmende Stadt prägt das momentane Bild, sondern die polyzentrische Superstruktur, die die ehemalige Diskrepanz von Stadt und Land nivelliert und deren vielfache Zentren austauschbar geworden sind. Die Stadt ist diffundiert in sprawls. Der öffentliche Raum liegt in der dezentralen Struktur brach danieder, der Rückzug in die Privatsphäre ist manifest9.
Aus diesen Perspektiven heraus ergab sich zum einen die Rede vom Ende der Architektur. Zum anderen waren sie Anlaß, von einer endgültigen Befreiung von der Architektur zu sprechen. Was dort als Sinnkrise von Städtebau und Architektur erschien, gab sich hier als Chance, sich der materiellen, trotz Mobilität doch recht statisch verbliebenen architektonischen Gestalt, die Gesellschaft abbildet wie determiniert, entledigen zu können. Architekturen im Zeitalter der elektronischen Medien sollten a-topische, dynamische Gefüge sein, nurmehr visualisiert und frei von geographischen, klimatischen, städtebaulichen oder sozialen Kontexten. Sie sollten Architektonika
10 sein; reine, zweckentbundende architektonische Formen als Ausdruck räumlichen Empfindens.

>Random Access Struktur<,
Wenz 1993 (Gerhard Schmitt, Architectura et Machina.
Computer Aided Design und Virtuelle Architektur
,Braunschweig 1993, S. 198)

>Array<,
Wenz 1993 (ebd.)

5Nun zeigt sich jenseits der Berge, im Cyberspace, daß weder vom Ende der Architektur noch von deren Befreiung die Rede sein kann. Auch wenn sich im a-topischen Cyberspace faktisch kein Baukörper mehr materialisieren läßt, also tatsächlich das Ende des real gefügten Baukörpers im kybernetischen Raum besiegelt ist, erfreut sich die architektonische Gestaltgebung wie das Bild der Stadt im Kontext der elektronischen Medien einer außerordentlichen Konjunktur. Weist doch die Bedieneroberfläche, das User Interface, Schlüssel und Tür zum Datenraum, zusehends architekturale und urbane Signaturen auf, deren Mehrzahl eben nicht zweckentbunden ist, sondern klar umrissene Funktionen anzeigt. Zu dieser Konjunktur haben verschiedene Aspekte beigetragen.
Zunächst ist die Entwicklung der Virtual Reality Modeling Language (VRML) zu nennen, mit der das User Interface überhaupt erst als interaktive dreidimensionale Szene, als räumliche Konfiguration angelegt werden kann. Aufbauend auf CAD können die Szenen punktweise beschrieben werden, es bilden sich dann geometrische Polygone aus. Bausteine der Gestaltung sind ferner geometrische Primitive, wie Quader, Kugel und Kegel, oder aber in Objektbibliotheken gesammelte polygone Prototypen, etwa Fenster- oder Türmodule. Die Polygone und geometrischen Primitive lassen sich anhand von Texturen und Lichteffekten weiter ausformulieren. Die Einführung der Virtual Reality Modeling Language 1994 hat zu einem Paradigmenwechsel geführt. Informationen und Daten werden nicht mehr ausschließlich in Form von Texten oder zweidimensionalen Grafiken visualisiert und transferiert, sondern können jetzt in körperhafter Gestalt veranschaulicht oder aber zumindest in eine dreidimensionale Szene eingebettet werden. Kurz: „Mit VRML sollte das Netz nicht mehr als elektronische Presse, sondern als elektronische Ortschaft erlebt werden, wo Menschen in Gestalt von animierten Avataren arbeiten und spielen, kaufen und verkaufen, etc."
11. Das Bild von der elektronischen Ortschaft, dem adäquate Gestalt zu verleihen war, hat die Indienstnahme architekturaler und urbaner Signaturen maßgeblich vorangetrieben.

>Networld+Interop: Empfangsbereich<
(Jörg Kloss, a.a.O., Farbteil)

>Nice to meet you: Zusammentreffen virtueller Repräsentanten in der Cyber City<
(Edouard Bannwart, a.a.O., S. 92)

6Dabei sollte nicht übersehen werden, daß die sogenannten elektronischen Ortschaften in der Bedeutung eines städtisch organisierten Gemeinwesens schon lange vor der Einführung der Virtual Reality Modeling Language und damit dreidimensionaler Szenen virulent gewesen ist. Neben den MUDs und MOOs, textbasierten, interaktiven Environments, ist hier als konkretes Beispiel die virtuelle Stadt Cyberion12 zu nennen, die sich ebenfalls konstituiert aus den Textbeiträgen ihrer Einwohner. Über Cyberion, 1991 im Massachusetts Institute of Technology (MIT) gegründet, heißt es: „Via Computer besuchen bis zu 500 Kinder und Erwachsene täglich eine Welt aus Text, in der Vision und Vorstellungskraft die Aufgaben von normalerweise fünf Sinnen übernehmen"13 Getragen wird die Stadt als Text von einem sozialen Grundgedanken, so geht es um „die Idee einer visionären zukünftigen Welt, bewohnt von einer produktiven Gemeinschaft von Menschen und Maschinen; eine Welt, in der die Menschen sich erholen und kooperativ an neuen Ideen arbeiten können, in einer gewaltlosen Atmosphäre von Vertrauen und freier Kooperation"14 In diesen, vergleichsweise frühen, noch literal strukturierten Cyber Cities sollte lesbar Form annehmen, was sich seit dem Aufkommen der Datennetze mit diesen verbunden hat: die Vorstellung einer libertären Kommunikationsstruktur und weiterführend einer globalen, egalitären Gemeinschaft auf Basis direkter Demokratie15 . Das Bild der Stadt, Urbild für ein eingefriedetes, im öffentlichen Raum verhandeltes Miteinander, für die res publica, ist ausgewiesenes plakatives Sinnbild dieser Vorstellung und hat als solches Einzug in die virtuellen Welten gehalten. Virtuelle Städte und Architekturen, ob textbasiert oder seit kurzem dreidimensional veranschaulicht, geben dem Motiv der „elektronischen Agora"16 den entsprechenden Rahmen. Sie sollen nicht nur eine neue Form der Zivilisation transportieren, sondern auch Surrogat für den verlustig gegangenen öffentlichen Raum der realen Städte sein; ihre Konjunktur ist hieraus abzuleiten.

7Sind die virtuellen Architekturen auf der einen Seite also Bedeutungsträger für revolutionierte kommunikative und soziale Strukturen, so kommt ihnen auf der anderen Seite die formale Funktion zu, Daten und Informationen räumlich anzuordnen. Überhaupt spielt die räumliche Gliederung des User Interface eine besondere Rolle, insofern sie den abstrakten, unendlichen Datenraum zoniert und strukturelle Einheiten ausbildet, Maßstäblichkeit inszeniert und Kontexte formuliert. Der Datenraum, ein konstruierter Raum, der außerhalb von Raum und Zeit steht, der weder Nähe noch Ferne kennt und in dem die Schwerkraft nicht existent ist, entzieht sich dem an der Bewegung, am räumlichen Erleben geschulten Orientierungssinn des Menschen. Die Erstellung kognitiver Karten, die Informationen über die räumliche Umwelt beinhalten und die es ermöglichen, die entsprechenden Wege zu finden, ist dort nicht ohne weiteres möglich. Um sich im Datenraum zurechtzufinden, erfolgreich durch ihn zu navigieren, bedarf es deutlich ausgeprägter visueller Ordnungsmuster. Allein diese vermögen das eingeschränkte räumliche Empfinden zu kompensieren; denn tatsächlich kann man sich in den Virtual Reality-Umgebungen nicht beliebig bewegen: „software functionality like pre-defined paths of movement and pre-defined view-points of key spaces diminish a participant`s ability to construct an accurate cognitive map of the space"17 Die architektonischen und urbanen Formen, deren ausgewiesene Eigenschaft es ist, räumliche Fügungen und Gliederungen zu schaffen, sind daher die bevorzugten Formen der visuellen Ordnungsmuster oder -systeme. Sie geben eine Wegeführung vor, zeigen Hierarchien an und sind Raster für die Informationen, die über die Raumkomposition als solche ausgedrückt, die aber auch einem Punkt im konstruierten System zugewiesen werden können. Die urbanen und architekturalen Signaturen stellen ein allgemeines Ordnungsgefüge bereit wie sie eine Binnenstruktur anbieten, die Ablagesystem, sozusagen Gestell oder Karteikasten ist. Im Sinne eines räumlichen Indexes ermöglichen und erleichtern sie das Auffinden und den Zugriff auf Informationen, die selbst dreidimensional ausgeführt sein können, bis jetzt allerdings zumeist in schriftlicher Form in die topologischen Systeme eingetragen sind. Die Konjunktur der architekturalen und urbanen Signaturen gründet also ferner auf deren Eigenschaft, Wissen, d.h. Informationen und Daten, anschaulich und systematisch repräsentieren zu können

8Sie stehen mit diesen Funktionszuweisungen gleichermaßen in der Tradition der Mnemonik bzw. der Lehren vom künstlichen Gedächtnis, die bereits aus der Antike überliefert sind18 Das künstliche Gedächtnis setzt sich aus einem vorgestellten Ortssystem zusammen, in das die zu memorierenden Inhalte eingetragen werden. Das Ortssystem kann der Überlieferung nach eine grafische Konfiguration sein, aber auch ein reales oder imaginiertes Gebäude sowie eine urbane Anlage. Um die in den Ortssystemen abgelegten und gespeicherten Inhalte, die über Bilder, über formae, notae oder simulacra19,wiedergegeben werden, vergegenwärtigen zu können, muß das mentale System gedanklich beschritten, im Abschreiten der Inhalt rekonstruiert werden. Das vorliegende Beispiel eines mittelalterlichen, visualisierten Gedächtnissystems verdeutlicht das Prinzip des architektural organisierten künstlichen Gedächtnisses:

>Gedächtnissystem mit Abtei<,
aus: Johannes Romberch, Congestorium Artificiose Memorie, Venedig 1533
(Frances Yates, a.a.O., S. 361)

>Bilder, die in dem Gedächtnissystem mit Abtei verwendet werden<,
aus: Johannes Romberch, a.a.O. (ebd.)

Die Anlage einer Abtei, Prototyp mittelalterlicher Wissensakkumulation, ist mit Gedächtnisorten in Form von näher bezeichneten Gebäudetypen durchsetzt. Auf diese Orte oder Gebäude sind die Inhalte verteilt, die durch Bilder repräsentiert werden. Dabei sind den einzelnen Gebäudetypen spezifische Bilder und Inhalte zugeordnet, die in Verbindung stehen mit der Funktion und Bedeutung des Gebäudes. So sehen wir auf den Bildtafeln, die anscheinend in der Bibliothek angebracht werden sollten, Abbildungen von Büchern, Schreib- und Lesepulte; in der Capella hingegen ist liturgisches Gerät dargestellt. Läsen wir das visualisierte Gedächtnissystem Abtei als Anleitung für den Aufbau eines künstlichen Gedächtnisses, so müßten wir uns zunächst das Bild der Abteianlage mit den hervorgehobenen Orten einprägen, daraufhin die Bilder als Wissensrepräsentanten an den entsprechenden Orten deponieren; wollten wir das derart Gespeicherte abrufen, müßten wir mit Hilfe unserer Vorstellungskraft die Abteianlage aufrufen, die Gebäude besichtigen und unser geistiges Auge auf die dort deponierten Bilder werfen.

9Wenn das künstliche Gedächtnis, das auf der Verräumlichung von Wissen basiert, zunächst ausschließlich ideelles Gedankengehäuse ist und höchstens, wie an der Abteianlage deutlich, zu Anleitungs- und Vermittlungszwecken abgebildet worden ist, so hat es sich in den Kunstkammern der Renaissance, denen das gleiche Prinzip der räumlichen Anordnung von Wissen zugrundeliegt, materialisiert. In ihnen wird das gesammelte Wissen von Welt, in der Nomenklatur der Naturalia, Artificialia und Scientifica20, auf Kästen, Fächer und Schautafeln verteilt, die jetzt die Orte im Gedächtnissystem markieren. Wir sehen hier ein Beispiel:

>Frontispiz der Museographia<, aus: Neickels Museographia, 1727
(Julius von Schlosser, Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance,
Braunschweig 1978, S. 209)

Die Kunst- und Wunderkammern, die sich in Spezialsammlungen aufgelöst haben, sind Intermezzo geblieben in der Geschichte des räumlich organisierten künstlichen Gedächtnisses, dessen aktuelle Variante das entmaterialisierte Ortssystem der virtuellen Architekturen ist. Die ehemals in der Vorstellungskraft angesiedelten Gedächtnisgehäuse sind in den Datenraum abgewandert, wo sie nicht nur visualisiert erscheinen, sondern auch virtuell beschritten werden können.

10Daß die architekturalen und urbanen Signaturen allgemein Orientierungs- und Navigationshilfe sind und den abstrakten Datenraum in überschau- und lesbare Einheiten gliedern, ist in der Literatur inzwischen anerkannter Topos21 Auch daß sie, wie dargelegt, in der Traditionslinie der räumlich organisierten Wissens- und Gedächtnissysteme stehen, ihnen eine mnemotechnische Funktion zukommt, findet Erwähnung22 Die enge Korrespondenz, die zwischen den historischen Modellen architekturaler und urbaner Gedächtnissysteme und den virtuellen Architekturen und Städten besteht, verdeutlichen allein folgende Gegenüberstellungen:

>Museographia<

>Data cell providing access to a visual database<,
Daniel Wise 1988 (Michael Benedikt, a.a.O., S. 119)

>Gedächtnissystem mit Abtei<

>Apple`s e-World<
(William J. Mitchell, a.a.O., S. 106)

Werden die architekturalen und urbanen Signaturen als aktuelle Variante des künstlichen Gedächtnisses auf Basis eines räumlichen Gefüges verstanden, dann liegt ihre Bedeutung und wohl auch ihre Konjunktur nicht mehr nur in der formalen, ordnenden Funktion begründet. Ihre tiefere Bedeutung erwächst dann zugleich aus den überkommenen räumlichen Gedächtnissystemen, in denen das Bemühen, ein universales Gedächtnissystem zu produzieren, prägnanten Ausdruck gefunden hat. In einem konstruierten Raum sollte das gesammelte Wissen von Welt gespeichert werden können. Wenn dies in den antiken Gedankengehäusen, die der Rhetorik verpflichtet gewesen sind, eine untergeordnete Rolle gespielt haben mag, so zeigen insbesondere die Kunst- und Wunderkammern der Renaissance den Wunsch nach einer totalen Wissensakkumulation an, mit Hilfe derer Welt symbolisch rekonstruiert werden sollte. Letztere sind Ausdruck des auf den Maßstab des Mikrokosmos projizierten Makrokosmos. Die architekturalen und urbanen Signaturen figurieren demnach als zeitgemäße Stützen des künstlichen Gedächtnisses, sie sind die Träger einer Botschaft; der Botschaft von einem absoluten Wissens- und Gedächtnissystem (namens Computer).

11Fassen wir als Zwischenbilanz zusammen, welche Funktionen und Bedeutungen den virtuellen Architekturen zukommen, ist erstens die Funktion zu nennen, Plätze und Stätten auszuformulieren und darzustellen, die den Anwendern als Treffpunkt und Bühne, als Ort der Kommunikation und Interaktion dienen. Als partizipatorischer Kommunikations- und Handlungsrahmen sind diese Bühnen Bedeutungsträger für die Inszenierung einer globalen idealen Gemeinschaft. Die zweite Funktion der virtuellen Architekturen ist die, Navigations- und Orientierungshilfe zu sein, Informationen und Daten räumlich anzuordnen und damit anschaulich zu repräsentieren. Aus dieser Funktion erwächst die Bedeutung eines universalen Gedächtnis- und Wissenssystems. Mit diesen Funktions- und Bedeutungszuweisungen sind die virtuellen Architekturen auf die historischen utopischen Konzepte >Idealstadt< und >Wissensstadt< verwiesen. Idealstadt meint vorliegend eine Sozialutopie, eine sich gleichsam im baulich-räumlichen Gefüge der Stadt ausdrückende egalitäre Gemeinschaft23. Wissensstadt meint die Utopie, das gesammelte Wissen von Welt über ein räumlich organisiertes System speichern und abrufen zu können24. Eine Vielzahl der virtuellen Architekturen ist mehr oder minder offenkundig beiden historischen Konzepten verpflichtet, wobei sich die zitierten Bilder von der Idealstadt und der Wissensstadt oftmals überlagern. Dabei nährt sich die Überlagerung nicht zuletzt von der Vorstellung, daß das verräumlichte, anschaulich gewordene Wissen zur Aufklärung der Anwender beiträgt, die als Sachkundige, Informierte und Informierende selbstbestimmter an gesellschaftlichen Entscheidungs- und Steuerungsprozessen teilnehmen können. Die dreidimensionalen Signaturen erscheinen, hier im Rückgriff auf Johann Amos Comenius, als „räumlich erlebbarer Orbis pictus", mit dem sich der „emanzipatorische Anspruch des Rechts auf Wissen für alle" verbindet25. In der Umsetzung gestaltet sich dieser Anspruch wie folgt:

>De Digitale Stad Amsterdam<,
Homepage (Joost Flint, a.a.O., S. 64)

>"Wohngebiet" der Digitalen Stadt Amsterdam<
(
http://www.dds.nl)

12Democratic processes, knowledge processes sind die programmatischen Schlagworte, die sich beispielhaft mit der noch grafisch angelegten Digitalen Stadt Amsterdam26 verbinden. Die urbane Signatur erscheint hier als cluster aus achteckigen Waben. Der cluster ist beliebig erweiterbar und formuliert der Form nach kein Zentrum aus, obgleich eine der Waben konzeptionell ein solches ausbildet. Jede Wabe im cluster symbolisiert ein Stadtviertel, dem ein thematischer Schwerpunkt zugeordnet ist. Je vier, einander gegenüberliegende Ecken markieren links zu benachbarten Vierteln. Die anderen vier Ecken bezeichnen die links zu den zwischen den Stadtvierteln gelegenen Bezirken, die der „Ansiedlung" der Anwender dienen. Dort ist eine Art Bühnenraum konfiguriert, dessen Rückwand in 25 gleich große Quadrate unterteilt ist und dessen Struktur sehr an die räumlich organisierten Wissens- und Gedächtnissysteme erinnert. Die Differenzierung der einzelnen Siedler erfolgt nicht über den beanspruchten Bauplatz, ist doch das quadratische Raster homogen, sondern über die Gestaltung der Homepage und die Wahl des Bezirks. Wer sich als Bildungsbürger geben möchte, plaziert seine Homepage vielleicht im Bezirk zwischen Zentrum, Kunst-, Kultur- und Touristeninformationsviertel. Jedes Viertel kennt zentrale Einrichtungen, wie das Café oder das Diskussionsforum, die als gemeinsame Treffpunkte, als Kommunikationsarchitekturen gedacht sind. Hier kann Stellung genommen werden zu den jeweiligen Themen der Stadtviertel. Die Digitale Stadt Amsterdam, deren partielle Umwandlung anhand der Virtual Reality Modeling Language in Vorbereitung ist, ist nicht direktes Abbild der realen Stadt Amsterdam; gleichwohl nehmen die in den Stadtvierteln verorteten Informationen Bezug zu deren Organisation und städtischem Treiben. Die Digitale Stadt ist Wissensstadt, sie kennt das Ortssystem zur Gliederung von Inhalten und hält einen „kollektiven Wissensfundus"27bereit; sie ist Idealstadt, sie kennt öffentliche Foren; die Anwender können sich vielfältig informieren und in Meinung und Ausdruck relativ frei entfalten28.

>Cyber City Berlin<,
Homepage (Edouard Bannwart, a.a.O., S. 89)

13Bei dem Projekt Cyber City29 taucht das Konzept Idealstadt als „unmittelbare und persönliche Neugierde (Interaktivität)" und das der Wissensstadt als „räumliche Zuordnung von Informationen (Mnemotechnik und Erinnerungshilfe)" auf30. Im Unterschied zur Digitalen Stadt Amsterdam ist Cyber City nicht grafisch abstrakt, sondern als gerendertes Abbild von Berlin dargestellt. Die Übernahme eines real existierenden Stadtbildes steht hier vor dem Hintergrund der Wiedererkennung räumlicher Gefüge, die den Informationszugriff zusätzlich erleichtern soll. Das Ortssystem in Form der gerenderten Stadt Berlin ist wiederum selbst Bestandteil eines übergeordneten Ortssystems, das als auf- bzw. absteigende Leiter vorgestellt werden kann. Die einzelnen Disziplinen und Wissensgegenstände sind auf deren Stufen eingetragen. Von der Makrozonierung >Global< reichen die Stufen über die Zonierungen >Regional<, >Stadt<, >Quartier<, >Gebäude<, >Raum< und >Objekt< bis zur Mikrozonierung >Dokument<. So werden zum Beispiel die Disziplinen Ökologie, Ökonomie und Luftfahrt der globalen Zone zugewiesen, während Artefakte wie Mobiliar, Geräte und Produkte die Objekt-Zone ausmachen31. Erneut zeigt sich ein enzyklopädisch ausgearbeitetes Wissens- und Gedächtnissystem, das sich des Bildes der Stadt bedient. Mehr noch, die Wissensstadt ist eingebettet in einen Wissenskosmos. Idealstadt soll sie auf den Ebenen >Quartier<, >Straße< und >Raum< werden, wo animierte Avatare miteinander kommunizieren und virtuelle Stadtplätze öffentlich Foren anzeigen.

>Modell von Xenia<
(Helmut Volkmann, Xenia „Stadt des Wissens"und Stätte der Begegnung am Wege zur Informationsgesellschaft, Wegbegleiter zum Besuch in Xeniaauf der CeBIT HOME ´96, Broschüre hgg. v. der Siemens AG, 1996)

>Zentrum: Stadtplatz der Wissensstadt Xenia<
(ebd.)

14Auch die direkt als Wissensstadt bezeichnete virtuelle Stadt Xenia32, ein Projekt der Siemens AG, ist angelegt als eine „Stadt des Wissens", die zugleich „Stätte der Begegnung"33 ist. „Erschließung, Aufbereitung und Vermittlung von Wissen zur Lösung von Problemen und die Gestaltung einer lebenswerten Welt"34 sind die erklärten Ziele der virtuellen Stadt Xenia. Xenia hat acht Stadtviertel und ein Zentrum, um das sich die Viertel gruppieren. Xenia stellt sich als fiktive Stadt dar, folgt ihrer modellhaften Anlage und ihrem baulichen Bestand nach jedoch einem heterogenen kleinstädtischen Ambiente. Die Stadtviertel beziehen sich abermals auf thematische Schwerpunkte, wobei hier Baukörper die Inhalte symbolisch repräsentieren. Exemplarisch steht ein Bahnhofsgebäude für das Viertel der Annäherung, während das Viertel der Führung von „architektonisch bedeutenden, aber nicht pompösen Bauten" angezeigt wird. Die Stadtviertel >Annäherung<, >Märkte<, >Kontexte<, >Inszenierung<, >Zukunft<, >Wertschöpfung<, >Potentiale< und >Führung< bilden weniger ein lokal orientiertes Informationssystem aus, sie stehen vielmehr für eine kooperative Arbeitsumgebung ein, für ein globales Zukunftslabor, in dem die noch unzureichend erschlossene Ware >Information< ver- und gehandelt werden soll. Es geht um ein vernetztes „Denken in kommunikativen Architekturen", Architekturen, in denen gleichzeitig „alles Wissen der Welt versammelt ist".35 Die urbane Signatur gibt eine Systematik vor, die auf die Beherrschung und Verfügbarkeit von Informationen bezogen ist.

15Der Rückgriff auf die historischen utopischen Konzepte Ideal- und Wissensstadt, der bei allen vorgestellten urbanen Signaturen offenkundig ist, wird im Falle der Stadt Xenia mit nachstehender Ahnenreihe explizit formuliert: „Platon (POLIS), Thomas Morus, Campanella (Sonnenstaat), Anastasius (Athanasius Kircher, Anm. K. W.) (das barocke Semiramis) haben die Metapher der Stadt genutzt, Ordnungsvorstellungen zum Gemeinwesen zu entwickeln."36 Die Analogie zwischen Thomas Morus` Utopia und Xenia ist bildhaft dargelegt:

>Morus` Utopia<
(Virgilio Vercelloni, Europäische Stadtutopien. Ein historischer Atlas, Berlin 1986, Tafel 53)

>Die Umgebung der Wissensstadt Xenia<
(
http://www.sni.de/public/xenia)

Der Vorschein auf eine lebenswertere Welt, nach den Konzepten Ideal- und Wissensstadt auf eine allwissende, globale Gemeinschaft, ist in räumlichen Weiten verortet. Hier ist es die Insellage, dort ist es die Landzunge, die sich wie Erewhon jenseits der Berge erschließt und stellvertretend den Datenraum symbolisiert. Im Bild von Xenia spiegelt sich schemenhaft das Bild einer idealen, für Morus auf Gemeinwirtschaft beruhenden, egalitären Gesellschaft, die in den architektonischen und urbanen Formen Gestalt annimmt. Das historische Konzept ist Bürge für die virulenten Utopien, die an den Cyberspace herangetragen werden, ist Garant für ein Morgen, das eine Frage der Gestaltung des Interface mittels architekturaler und urbaner Signaturen geworden zu sein scheint37.

16Wie sich gezeigt hat, erfüllen die virtuellen Architekturen bestimmte Funktionen; darüber hinaus verbinden sich mit ihnen spezifische Bedeutungen, die von den utopischen Konzepten der Ideal- und Wissensstadt abgeleitet werden können. Doch kündigt sich in den gegenwärtigen Architekturen tatsächlich ein Morgen an, und scheint das Zitat der historischen utopischen Konzepte wirklich notwendig, oder entbirgt sich dahinter etwas anderes? Einige abschließende Beobachtungen mögen hypothetisch auf diese Fragen antworten.

Zunächst ist das Bild der Stadt, die urbane Signatur, der Vorstellung einer egalitären, globalen Gemeinschaft kontraproduktiv. So führt Geert Lovink aus: „Die Stadt hat, wie der Cyberspace, eine militärische Vorgeschichte. Sie besitzt Festungsbauten und Stadttore, durch die sich kontrollieren läßt, wer hereinkommt und hinausgeht. Gleichzeitig sind die realen Städte aber auch sichtbarer Ausdruck des Willens ihrer Bewohner, sich eine Existenz aufzubauen"38 Und das sind auch die Cyber Cities. Das „Schaffe, schaffe, Häusle baue" ist lediglich eine Frage der technischen Ausstattung geworden, und die Besiedlung erfolgt nicht anhand des Fertighauskataloges, sondern über die Anleitung, sich eine Homepage einzurichten. Die virtuellen Städte und Architekturen sind noch immer repräsentativ, auch zeigen sie nach wie vor Besitzstände an und sind damit der Vorstellung eines idealen, egalitären Gemeinwesens gegenläufig. Um sich von einer Architektur, die, wie Alberti herausgearbeitet hat, zugleich Abbild der Gesellschaftsschichten ist39, zu befreien40, nützt es nichts, sich zwar der materiellen, auf Dauer hin angelegten Baukörper zu entledigen, jedoch an der tradierten Formensprache der Architektur und des Städtebaus festzuhalten. Und wie die gegenwärtigen virtuellen Architekturen zeigen, wird diese Formensprache nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer kulturellen, sozio-politischen und historischen Bedeutungskraft aufgegriffen, um die fehlende Kontextualität des Datenraumes künstlich herzustellen. Es kommt, entgegen aller guten Absichten, zu einer Potenzierung und Stilisierung der Bedeutungen wie zu einer Stereotypenbildung der architektonischen Form. Tempel und Kleinstadtidylle mit Zentrum sind solche Stereotypen. Der klassizistische Tempel, Symbol für ein humanistisches Bildungsideal, bezeichnet virtuelle Bildungseinrichtungen, virtuelle Schulen, Universitäten und Museen. Die Kleinstadt, Symbol für eine überschaubare, harmonische Idylle, bezeichnet das Idealbild einer an der Netiquette orientierten virtuellen Gemeinschaft. Die um ihrer Lesbarkeit und Anschaulichkeit willen beredten und ausgeprägten architekturalen und urbanen Signaturen nehmen sich als digitale architecture parlante aus. Selbst die grafisch angelegten oder in abstrakte räumliche Formen übersetzten Cyber Cities transportieren soziale Hierarchien. Hier ist es die Position der Homepage im visualisierten urbanen Gefüge, die eine Rangordnung vorgibt.

17Diese Hierarchisierung betrifft auch die Wissensrepräsentation. Denn es ist bei weitem nicht marginal, welche Wissensinhalte in das dreidimensionale, architekturale Gedächtnissystem aufgenommen werden. Auch ist nicht nebensächlich, in welche Formen diese Inhalte gekleidet, noch welche räumlichen Beziehungen zwischen den repräsentierten Inhalten konstruiert werden. Der Tatsache, daß die mittelalterlichen Gedächtnis- und Wissenssysteme nicht nur ganz bestimmte architekturale Ortssysteme, wie das der Abtei oder der Kathedrale, kannten und bevorzugten, sondern daß sie im wesentlichen zur Vergegenwärtigung der kirchlichen Dogmen verwandt wurden, soll an dieser Stelle Verweischarakter zukommen.
Die virtuellen Architekturen im Licht der historischen utopischen Konzepte Ideal- und Wissensstadt erscheinen zu lassen, verbleibt angesichts dieser Beobachtungen ambivalent. Das nicht nur, weil die gegenwärtigen architekturalen und urbanen Signaturen auf eine tradierte architektonische Formensprache und somit auf überkommene Gesellschaftsordnungen bezogen sind. Die Ambivalenz liegt in den Konzepten der Ideal- und Wissensstadt selbst begründet, zumal diese in einer Hinsicht nicht dem demokratischen und libertären Anspruch der Netzgemeinde standhalten können. Denn obwohl, wie Hanno-Walter Kruft mit Bezug auf Idealstädte ausführt, diese vielleicht „das Glück einer Gesamtheit im Auge haben", doch immer von einigen wenigen installiert, sozusagen „´von oben` verordnet" werden
41. Nicht anders verhält es sich mit den Wissensstädten, in denen nicht allein das Begehren um Wissensallmacht sich ausdrückt, sondern auch der Wille zur Repräsentation; es sei hier lediglich an das architekturale Wissens- und Gedächtnissystem >Kunstkammer< am Fürstenhofe erinnert. Wenn auch die Funktionalität der virtuellen Architekturen nicht prinzipiell in Frage gestellt werden soll, so ist zumindest deren Anbindung an historische utopische Konzepte wie architektonische Formen kritisch zu überdenken. Andernfalls verbleiben die virtuellen Architekturen Wolkenkuckucksheime, oder, um mit Benjamin zu reden, Traumhäuser des Kollektivs42, die Bestandteil einer von den Netzbetreibern inszenierten Phantasmagorie wären. Noch ist Nowhere eben Erewhon.

18Anmerkungen

1 Im folgenden möchte ich den Begriff der Metapher durch den Begriff der Signatur ersetzen. Letzterer scheint mir im Kontext der elektronischen Medien sehr geeignet zu sein für die Beschreibung und Analyse der architektonischen und urbanen Formen wie Zeichen, zumal er im Bereich des >Kognitiven Kartierens< Verwendung findet und dort ein kartographisches Zeichen meint, das Dinge und Gegebenheiten darstellt und das der Informationsspeicherung und -verarbeitung dient. D.h., daß in dem Begriff der Signatur eine wesentliche funktionale Bestimmung der virtuellen Architekturen bereits ausgedrückt ist. Vgl. hierzu Roger M. Dowes und David Stea, Kognitive Karten: Die Welt in unseren Köpfen, hgg. v. Robert Geipel, New York 1972. Dieser funktionale Aspekt geht im Begriff der Metapher m. E. verloren, was Auswirkungen auf die Einschätzung und Beurteilung des Mediums Computer wie der architekturalen und urbanen Botschaften hat. Vgl. hierzu Brenda Laurel: „The notion of employing metaphors as a basis for interface design has partially replaced the notion of the computer as a tool with the idea of the computer as a representer of a virtual world or system, in which a person may interact more or less directly with the representation" Brenda Laurel, Computers as Theatre, 5. Aufl. (1991), New York 1993, S. 127 ff.
2
Samuel Butler, Erewhon oder Jenseits der Berge, Frankfurt/M. 1994
3
Paul Virilio, Fahren, fahren, fahren ... , Berlin 1978; >Das irreale Monument<. Der Einstein-Turm, Berlin 1992; Der negative Horizont, München 1995
4
Marc Augé, Orte und Nicht-Orte. Vorüberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit, Frankfurt/M. 1994
5
Robert Venturi, Denise Scott Brown, Stephen Izenour, Learning from Las Vegas, Cambridge 1972
6
William J. Mitchell, Space, Place, and the Infobahn. City of Bits, Cambridge 1995
7
ebd.; sowie Dace Campbell, Design in Virtual Environments Using Architectural Metaphor, http://www.hitl.washington.edu/people/dace/portfoli/thesis/document
8 Walter Ehlers, Gernot Feldhusen und Carl Steckeweh (Hrsg.), CAD: Architektur automatisch?, Braunschweig 1986
9
Bernd Meurer, Die Zukunft des Raums, in: Die Zukunft des Raums. The Future of Space, hgg. v. Bernd Meurer, Frankfurt 1994, S. 13-37; sowie Martin Pawley, Auf dem Weg zur digitalen Desurbanisierung, in: Virtual Cities. Die Neuerfindung der Stadt im Zeitalter der globalen Vernetzung, hgg. v. Christa Maar und Florian Rötzer, Basel 1997, S. 17-30
10
Architektonika bezeichnen in Anlehnung an die Architectona von Kasimir Malewitsch abstrakte räumliche Gebilde. Für Malewitsch bedeuteten die suprematistischen Architectona in ihrer Zweckfreiheit und Selbst-referentialität eine ästhetische, gleichsam soziale Utopie, nach der Kunst und Leben ineinander übergehen sollten. Vgl. Kasimir Malewitsch, Painting and the Problem of Architecture (1928); in: Kazimir Malevich 1878-1935, hgg. v. Ministry of Culture U.S.S.R 1988, S. 126 ff.

>Architectona<, Kasimir Malewitsch 1927 (Kazimir Malevich, a.a.O., S. 128)

In dieser Bestimmung tauchen sie als Parameter für die virtuellen Architekturen auf: „Modern artists took on the task of inventing entire worlds without explicit reference to external reality. Malevich is pertinent: his architectones are architectural studies imagined to exist in a world beyond gravity, against gravity. Created as an architecture without functional program or physical constraint, they are also studies for an absolute architecture, (...)". Marcos Novak, Liquid Architectures in Cyberspace, in: Cyberspace: First Steps, hgg. v. Michael Benedikt, Cambridge 1991, S. 245
11
Jörg Kloss, Robert Rockwell, Kornél Szabó u. Martin Duchrow, VRML 97. Der neue Standard für interaktive 3D-Welten im World Wide Web, Bonn 1998, S. 30
12
http://www.musenet.org
13 http://www.kochlöffel.de/cyber
14 ebd.
15
vgl. hierzu The Magna Carta for the Knowledge Age, http://www.feedmag.com
16 William J. Mitchell, a.a.O., S. 6
17
Dace Campbell, a.a.O.
18
Frances Yates, Gedächtnis und Erinnern. Mnemonik von Aristoteles bis Shakespeare, 3. Aufl. (1990), Berlin 1994
19
ebd., S. 15
20
Horst Bredekamp, Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte, Berlin 1993
21
u.a. Dace Campbell, a.a.O.; sowie Daniela Bertol, Designing Digital Space. An Architect`s Guide to Virtual Reality, New York 1995, S. 64 f. u. S. 88 ff.
22
Edouard Bannwart, >Cyber City< - Die Stadt im Kopf, in: Virtual Cities, a.a.O., S. 87-95; Helmut Volkmann, Impressionen zum Leitbild „Städte des Wissens als Stätten der Begegnung" mit ersten Berichten aus XENIA, der Wissensstadt am Wege zur Informationsgesellschaft, in: Kommunikationsnetze der Zukunft - Leitbilder und Praxis. Dokumentation einer Konferenz am 03. Juni 1994 im WZB, hgg. v. Claudia von Grote, Sabine Helmers, Ute Hoffmann u. Jeanette Hofmann, Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin 1994, S. 27-45
23
Die Idealstadt als utopisches Konzept wird unter anderem von Hanno-Walter Kruft historisch auf den Frühhumanismus bezogen, insofern dort erstmals das für die Idealstadt notwendige Zusammentreten von „Utopie, ästhetischer Reflexion und urbanistischer Umsetzung" gegeben ist. Hanno-Walter Kruft, Städte in Utopia. Die Idealstadt vom 15. bis zum 18. Jahrhundert zwischen Utopie und Wirklichkeit, München 1989, S. 11. Gleichwohl reichen die Vorstellungen einer idealen Gemeinschaft, die sich eben auch im baulich-räumlichen Gefüge der Stadt ausdrückt, bis in die Antike zurück. Wenn dort die Wurzeln liegen, so entwickelt sich in der Renaissance, die - um Jacob Burckhardt zu zitieren - den Staat, den Stadtstaat zum Kunstwerk stilisiert, eine differenzierte Formensprache aus, der idealen Gemeinschaft entsprechende Gestalt zu verleihen.
24
Obschon die Mnemonik und damit die Einführung eines Ortssystems zum Aufbau des künstlichen Gedächtnisses seit der Antike überliefert ist und bereits Quintilian den >Lageplan einer ganzen Stadt< als mögliches Ortssystem benennt, soll das eigentliche utopische Konzept Wissensstadt historisch ebenfalls in der Renaissance verortet werden. Wie Frances Yates für das berühmte Gedächtnistheater der Renaissance von Giulio Camillo Delminio und Horst Bredekamp für die Kunst- und Wunderkammern nachgewiesen haben, zeigen erst diese räumlich organisierten Wissens- und Gedächtnissysteme die Utopie einer absoluten Akkumulation von Wissen an, mit der die Schöpfung symbolisch rekonstruiert werden sollte. Auch versteht sich der Sammler der Renaissance, der die Wissensbausteine in das System einträgt, diese aktiv gestaltend deutet, als Demiurg. Vgl. hierzu Frances Yates, a.a.O., Kap. 6 f. sowie Horst Bredekamp, a.a.O., Kap. 2, Abschnitt 2: „Der Sammler als Prometheus" und Kap. 3, Abschnitte 3 und 4: „Labor" und „Utopie"
25
Michael Klar, Globale Information, in: Die Zukunft des Raums. The Future of Space, a.a.O., S. 169 f.
26
http://www.dds.nl
27 Joost Flint, Das Amsterdam-Freenet >De Digitale Stad< (DDS), in: Florian Rötzer und Christa Maar, a.a.O., S. 64
28
http//:www.dds.nl
29 http://www.echtzeit.de
30 Edouard Bannwart, a.a.O., S. 87
31
ebd., S. 88
32
Helmut Volkmann, http://www.sni.de/public/xenia
33 ebd.
34
ebd.
35
Helmut Volkmann, http://www.sni.de/public/xenia/ins/aufstz02
36 http://www.sni.de/public/xenia
37 vgl. hierzu Michael Klar: „Mit >Globoskope< (Projektname für den virtuellen, räumlich erlebbaren Orbis pictus, Anm. K. W.) als Strategie integraler Wissensvermittlung und integralen Verstehens sind neue Lern-, Erfahrungs- und Entwurfsprozesse verbunden: Informationsgestaltung für die Lesbarkeit der Welt als Projekt und Zukunftsaufgabe der Gestaltung." Michael Klar, a.a.O., S. 172
38
Geert Lovink, Virtuelle Städte und ihre Bewohner, in: Virtual Cities, a.a.O., S. 55
39
Leon Battista Alberti, Zehn Bücher über die Baukunst, übs. v. Max Theuer (1912), unveränd. Nachdruck, Darmstadt 1991, vgl. Viertes Buch: „ Über Anlagen allgemeiner Art", Kap. I „Die Gebäude sind der Menschen wegen erbaut worden, sei es zur Notwendigkeit, zum Bedürfnis und Vorteil des Lebens, sei es zum zeitweiligen Vergnügen bestimmt. Verschiedene Einteilung der menschlichen Gesellschaft, woher auch die Verschiedenheit der Gebäude herrührt und wovon auszugehen ist", S. 175 ff.
40
vgl. hierzu Mitchell, der in den virtuellen Architekturen und Städten noch die Befreiung von einer Architektur, die Gesellschaft abbildet wie determiniert, zu sehen vermag. William J. Mitchell, a.a.O., S. 47 ff.
41
Hanno-Walter Kruft, a.a.O., S. 14
42
Walter Benjamin, Das Passagen-Werk. Gesammelte Schriften, Bd. V.1 u. 2, hgg. v. Rolf Tiedemann, Frankfurt/M. 1991.

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