Thema
5. Jg., Heft 2
Juli 2000

Monika Meyer-Künzel

Welt-Stadt-Ausstellung
Chancen und Probleme für die Stadtentwicklung der Veranstaltungsorte

Die EXPO 2000 – die erste Weltausstellung auf deutschem Boden ist eröffnet.

Eingang Hannover
Eingang Hannover

Wie jede Stadt der Weltausstellungsgeschichte hat auch Hannover sich für den Auftritt im zuweilen grellen Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit gründlich vorbereitet. Zu allen Zeiten blickte die ganze Welt auf die Veranstaltungsorte, die immer besondere Anstrengungen unternahmen, um sich möglichst positiv zu präsentieren. Daher gewann die Frage an Bedeutung, wie die gastgebenden Orte ihren Nutzen aus dem immensen Aufwand ziehen konnten, der für die Durchführung dieses Ereignisses mit internationaler Bedeutung betrieben wurde. Nicht nur auf dem Gelände, sondern in allen Bereichen der Stadt leiteten die Veranstaltungen städtebauliche Veränderungen ein.

 

Zum Thema

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"Kugel" der WA 1851

Der historische Vergleich der planerischen und architektonischen Konzepte verdeutlicht den Wandel bei den Erwartungen und Absichten der Veranstalter. Zunächst war der Motor für die Durchführung einer Weltausstellung nationaler oder auch persönlicher Prestigegewinn. Unter diesen Vorzeichen konzentrierten sich die Organisatoren ausschließlich auf die Inszenierung des Festes und den reibungslosen Ablauf. Doch unter politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen und Zwängen wurde der Rechtfertigungsdruck für die Veranstalter größer. Der Gedanke an eine rentable langfristige Nutzung der Einrichtungen rückte immer mehr in den Vordergrund. Heute versuchen die Veranstaltungsorte, mit dem Schub des Großereignisses ihre städtische Entwicklung anzukurbeln.
Vor dem Hintergrund der Fragen nach der Finanzierung, dem Nutzen und Profit lässt sich ein Ordnungsschema mit vier Leitbildern herausarbeiten. Der Begriff „Leitbild" beschreibt hier nicht die städtebauliche oder architektonische Idee, sondern die Haltung der austragenden Stadt zu ihrer Veranstaltung.

Die vier Positionen sind:

Die schöne Stadt: Stadtverschönerung und Freiflächenplanung
Ephemeres Zwischenspiel
kontinuierliche Nutzung als Messegelände

Zum Nutzen der Stadt: Instrumentalisierung für die Stadtentwicklung
Deutlich zeigt sich die Evolution der Konzepte, obgleich der Lernprozess nicht linear verlief. Unterschiedliche Planungsansätze wurden gleichzeitig angewandt oder veraltete auch zu späteren Zeitpunkten wiederholt.
Zu Beginn der Weltausstellungsbewegung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand allein das Fest im Mittelpunkt. Die Planung konzentrierte sich auf die meist temporären Ausstellungsgebäude, die nicht nur die funktionalen und konstruktiven Erfordernisse erfüllen sondern auch durch eine möglichst spektakuläre Architektur im Gedächtnis bleiben sollten.

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Glaspalast 1851

Daher ist die kulturhistorische Bedeutung der frühen Weltausstellungen zwischen 1851 und 1862 in London und Paris sicherlich um ein Vielfaches höher einzuschätzen als die Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung der Metropolen.

 

Leitbild „Die schöne Stadt"

Die Weltausstellung 1867 in Paris markiert den Beginn städtebaulicher Planungen für die Großereignisse. Diese erste Phase möchte ich mit „Die schöne Stadt" bezeichnen. Ihren Höhepunkt erreicht sie in der Weltausstellung 1893 in Chicago.

Architektur und Städtebau der französischen Ecole des Beaux-Arts, die auf den Ausstellungen und im Stadtbild präsent war, blieben bis weit in das 20. Jahrhundert die Leitbilder der Ausstellungsplaner. Paris als regelmäßiger Veranstaltungsort von Weltausstellungen war das Idealbild, dem alle nacheiferten.

Plan Paris 1900(18480 Byte)
Plan Paris 1900

Neben den städtebaulichen Prospekten und Bauten des Ausstellungsgeländes nahmen die Besucher auch das vor allem unter Napoleon III. und Baron Haussmann geschaffene „neue" Bild der Seinemetropole als Impression mit nach Hause. In vielen Städten kopierten die Stadtgestalter und Planer die Pariser Maßnahmen.
In der französischen Hauptstadt entstand mit den Anlagen der Weltausstellungen von 1855 bis 1937 ein einzigartiges Ensemble aus Raumfolgen, Grünanlagen, Plätzen und Einzelbauwerken, die Bestandteil der seit dem 16. Jahrhundert von den Herrschern betriebener Verschönerung der Stadt sind. Damit präsentiert sich eines der grandiosesten Beispiele für Kontinuität im europäischen Städtebau.

Vogelschau Paris 1878 (17873 Byte)
Vogelschau Paris 1878

Der Ausstellungspalast für die erste pariser Weltausstellung im Jahre 1855 entstand als dauerhaftes Gebäude auf dem Karree an der Champs-Élysées und wurde immer wieder für kulturelle Ereignisse genutzt. Für die nachfolgenden Expositionen stellte dieses Gelände jedoch nur einen Randbereich dar.
Standort der Weltausstellungen ab 1867 war der Champ de Mars am südwestlichen Rand der Kernstadt. Der vormalige militärische Paradeplatz war schon seit 1780 Schauplatz großer Ereignisse, wie der Revolutionsfeste ab 1790 und der nationalen Messen und Gewerbeausstellungen ab 1798. Für die Weltausstellungen wurde das Gelände von Bebauung freigehalten und nicht wesentlich verändert. Nur wenige dauerhafte Baulichkeiten blieben bestehen und wurden bei den nachfolgenden Veranstaltungen in gleicher Weise weiter genutzt. Um wechselnden, oftmals steigenden Anforderungen in bezug auf Raumprogramm und Infrastruktur Rechnung zu tragen, wurde das Gelände entsprechend auf die benachbarten städtischen Räume wie den Hügel von Chaillot, die Esplanade des Invalides oder das Seineufer mit den Champs-Élysées ausgedehnt.

Industriepalst (12611 Byte)
Industriepalast 1867

Lebendige Relikte der großen Zeit der Expositionen sind der Eiffelturm (1889), der - so umstritten er in seinen Entstehungsjahren war - das Wahrzeichen für Paris geworden ist, der Trocadero-Palast, der für die Weltausstellung 1937 an der Stelle des Vorgängerbaus von 1878 errichtet wurde, sowie Grand und Petit Palais (1900) als Ersatz für die Ausstellungshalle von 1855.

Chicago Lageplan (18124 Byte)
Chicago Lageplan

Die Städte in den Vereinigten Staaten von Amerika - und besonders Chicago - versuchten mit der Veranstaltung glanzvoller Ausstellungen kulturelle Eigenständigkeit und Ebenbürtigkeit mit den europäischen Metropolen zu beweisen. Auch hier waren Architektur und Städtebau in Paris immer wieder zitierter Vergleichsmaßstab.
Neben der Anlage von Boulevards, Plätzen und Vistas gehörte die Schaffung öffentlicher Grünflächen zu den wichtigen Aufgaben der Stadtplaner des 19. Jahrhunderts. Die Versorgung der Bevölkerung mit Freiräumen in den teilweise hochverdichteten Städten stellte in Amerika ein drängendes Problem dar. Weltausstellungen boten eine willkommene Gelegenheit, Flächen für Parkanlagen zu akquirieren und vorhandene Parks auszubauen. Nach dem Abriss der Gebäude sollten diese als öffentliche Erholungsräume zur Verfügung stehen. Bis weit in das 20. Jahrhundert wurde dieses Konzept in den nordamerikanischen Staaten angewandt, obwohl der planerische und finanzielle Aufwand für die Exposition in immer ungünstigerem Verhältnis zur langfristigen Nutzung als Grünfläche stand.
Die Planung zusammenhängender Grünräume als Instrument der städtebaulichen Gestaltung zur Gliederung des urbanen Raumes gilt als der amerikanische Beitrag zum Städtebau des 19. Jahrhunderts.
Gleichzeitig veränderte sich das bauliche und inhaltliche Konzept der Ausstellungen. Aus der umfassenden Leistungsschau in einer großen Halle wurden die themenorientierten Einzelausstellungen in Pavillons, wie sie noch heute gebräuchlich sind.
Heute stellen sich die Veranstaltungsorte in den USA in einer Spannweite von vollständig ausgestalteten Parkanlagen bis hin zu nur rudimentär rekultivierten Freiräumen dar. Die Parkanlagen des 19. Jahrhunderts - z.B. Philadelphia und Chicago (1893) - sind heute intensiv genutzte und wertvolle Freiflächen. Die Areale des 20. Jahrhunderts beispielsweise in New York (1939/40 und 1964/65) haben sich nur teilweise und mit großer zeitlicher Verzögerung entwickeln lassen.
Die Weltausstellungen in Chicago - 1893 und 1933/34 - besetzten bisher unentwickelte Flächen, die als Teilbereiche des geplanten, umfassenden Gürtels aus öffentlichen Parkanlagen vorgesehen waren.

Chicago Court of Honour (15558 Byte)
Chicago Court of Honour

Die Ausstellung 1893 fand im weit außerhalb gelegenen und teilweise schon erschlossenen Jackson Park im Süden der Stadt statt. Die führenden Architekten der amerikanischen Beaux-Arts Strömung schufen mit dem Ehrenhof und den axial aufeinander bezogenen Gebäuden und Freiräumen den Prototyp der „City-Beautiful"-Bewegung: die „White City" von Chicago. Ihre rückwärts orientierte europäisch-akademische Bauweise stand im härtesten Gegensatz zur „Black City" der aufstrebenden Industrie- und Handelsstadt mit den modernen Hochhäusern der als „Commercial Style" verrufene Architektur der Chicago School. Die „White City" oder „Heavenly City" der Weltausstellung 1893 beeinflusste als Idealbild der amerikanischen Stadt das Baugeschehen der USA bis in die 30er Jahre unseres Jahrhunderts.
Mehrere Brände zerstörten einen Großteil der Pavillons aus Holz, Gips und Leinen, so dass schlussendlich nur das Kunstmuseum - jetzt Museum of Science and Industry - erhalten blieb. Die Grünflächen des Jacksonpark werden heute durch Verkehrsstraßen und eingezäunte Sportbereiche stark zerschnitten und zergliedert. Der vormalige Vergnügungsbereich Midway Plaisance - hier stand mit dem Ferris Wheel zum ersten mal ein Riesenrad auf einem Weltausstellungsgelände - ist eine Achse des Universitätsgebiets.

Chicago Manufactury Building (11952 Byte)
Chicago Blick vom Manufactury Building

Die dominierende Rolle sowohl bei den Planungen für die Weltausstellung 1939/40 als auch für die 1964/65 in New York spielte der Park Commissioner und Geschäftsführer der State Emergency Public Works Commission Robert Moses, der nach tiefgreifenden politischen Veränderung 1933 zum entscheidenden Mann in der Stadtplanung wurde. Er koordinierte die Planungen für die Weltausstellung mit raumgreifenden Verkehrs- und Grünplanungen. Damit gelang zum ersten Mal die deutliche und bewusste Einflechtung der Maßnahmen für ein Großereignis in die Verbesserung der städtischen Struktur.

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New York: Highway Plan 1937

Das Areal für beide Ausstellungen war die große Müll- und Aschendeponie der Stadt auf der Fläche des heutigen Flushing Meadows Corona Park. In der geografischen Mitte der Stadt gelegen spielte dieser Ort in der Verkehrs- und Grünplanung von Moses eine strategische Rolle als Vernetzungsbereich.
Das Konzept der Ausstellung orientierte sich an der beabsichtigten Umgestaltung der Abfallhalden zum Park. Doch die geringe Beteiligung der Nationen an der Weltausstellung zu Beginn des Zweiten Weltkriegs führte zu einem enormen finanziellen Defizit, wodurch die Umsetzung der Parkgestaltung nahezu unmöglich wurde. Erst als das UN-Hauptquartier ab 1946 vorübergehend seinen Sitz im New York City-Pavillon hatte, konnten Teilbereiche des Parks realisiert werden.
Unter Robert Moses´ Leitung wurde 1964 das Gelände mit gleicher Zielsetzung wieder für eine Weltausstellung genutzt. Nun wurde das Ausstellungskonzept, das 1939 vom Entwurf für den späteren Park abgewichen war, den Vorstellungen der Parkkommission angepasst und weiterentwickelt.

New York Constitution Mall(19757 Byte)
New York: Constitution Mall

Mit diesem Großprojekt scheiterte Moses auch persönlich. Das B.I.E. (Bureau Internationale des Exhibitions) erkannte die Weltausstellung nicht an. Die Folge war wiederum eine geringe Beteiligung und ein hohes Defizit. Zum zweiten Mal war es nicht möglich, die Grünplanungen vollständig umzusetzen. Nur die zur Ausstellung gebauten Sportanlagen hatten Erfolg. Der Flushing Meadows Corona Park entwickelte sich - nicht zuletzt wegen der günstigen Anbindung - ab Mitte der 60er Jahre mit einem Großstadion und dem Tenniscourt zu einer zentralen nationalen Sporteinrichtung, die jedoch die Erholungsfunktion des Parks stark einschränkt.

 

Leitbild „Zwischenspiel"

Die belgischen Weltausstellungen zwischen 1885 und 1913 kennzeichnen die zweite Phase der Leitbildentwicklung. Aus der Gratwanderung zwischen repräsentativen Absichten - auch hier wieder die Orientierung an Paris - und ökonomischen Überlegungen entstand die besondere Form der verschwindenden Weltausstellungen.
Das Großereignis wurde mit geringem Aufwand und Kulissenarchitektur als Fest auf Flächen inszeniert, die für andere bauliche Maßnahmen vorgesehen waren. Für die Städte oder Investoren lag der Vorteil darin, dass mit dem Motor der Weltausstellung der Grundstückserwerb erleichtert wurde. Die Infrastruktur konnte von den nachfolgenden Nutzungen - meistens Wohnen - übernommen werden. Die Gebäude der Veranstaltung finanzierten sich aus sich selbst heraus und konnten noch mehrmals im Lande verwendet werden. Dabei bezieht sich die spätere bzw. heutige Nutzung und Gestalt des Gebietes nur selten auf die Veranstaltung.
In diesen Fällen wurden mit der Durchführung des Großereignisses keinerlei Erwartungen oder Absichten zur Stadtentwicklung oder auch Stadtverschönerung verbunden. Scheinbar lag das Augenmerk nur auf der repräsentativen Funktion der Veranstaltung und die Eintragung der Stadt in die Reihe der Austragungsorte von internationalen Mega-Events.
Vor allem in den relativ kleinen belgischen Städten Gent, Lüttich und Antwerpen, in denen schwerlich die für Weltausstellungen erforderlichen Flächen gefunden werden konnten, wählte man Gebiete, in denen nach der Aufgabe der bestehenden Nutzungen bestimmte Entwicklungen realisiert werden sollten und die vorübergehend zur Verfügung standen.

Gent (18683 Byte)
Gent: Plan des Wohngebiets

Die Weltausstellung in Gent 1913 gliederte sich in drei heterogene Areale: Der Citadelpark auf der Fläche der geschliffenen Zitadelle war bis dahin regelmäßiger Veranstaltungsort von Gartenbauausstellungen. Der mittlere und der südliche Bereich - ebenfalls ehemalige Befestigungsanlagen - sollten Wohngebiete werden, waren aber zur Exposition noch weitgehend unbebaut. Die Freiräume und Gebäude des Citadelparks blieben nach der Veranstaltung als Ausstellungsbereiche bestehen. Im mittleren Teil entstand wie beabsichtigt das Wohnquartier und der südliche Teil diente als Militärgelände, das sehr viel später mit Einrichtungen der Universität bebaut wurde.

 

Leitbild „Kontinuität"

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts explodierten die finanziellen und planerischen Investitionen in das Unternehmen Weltausstellung. In steigendem Maße mussten die Gelände daher auch einen dauerhaften Nutzen für die Stadt haben. Diese dritte Phase – die Phase der kontinuierlichen Nutzung - hat ihren Schwerpunkt im ersten Drittel unseres Jahrhunderts.

London 1908 (17988 Byte)
London 1908

Vorbildfunktion für die weitere Entwicklung bekam die Franco-British-Exhibition 1908 in London. Hier wurden gleichzeitig eine Ausstellung und die Spiele der V. Olympiade abgehalten. Die festen Ausstellungsbauten, die später als Messehallen genutzt werden sollten, ergänzte das erste eigens für Olympische Spiele gebaute Stadion.
Der langfristige Erfolg des Ausstellungsgeländes war jedoch nicht gesichert. Zwischen 1862 und 1924 entwickelten sich in London vier Messestandorte, die alle von privaten Investoren betrieben wurden. Dazu gehörten die Gebäude der Weltausstellung 1862, die der Franco-British-Exhibition 1908 und die der British-Empire-Exhibition 1924/25 mit dem Wembleystadion, Austragungsort der Olympischen Spiele 1948. Die Standorte machten sich gegenseitig Konkurrenz, ergänzten sich auch zeitweilig, dennoch war die Lebensdauer der Ausstellungsgelände begrenzt. Auf die Nachnutzung der Flächen konnten kommunale Stellen nur geringen Einfluss ausüben, so dass die Flächen zum Teil verödeten oder überbaut wurden.

In den folgenden Jahren entstand aus dem Konzept von 1908 der Sportpark als verbindliches und bis heute erfolgreiches Modell für olympische Bauten. Analog dazu konzipierten die Planer die Anlagen für Weltausstellungen als ständige Messestandorte. Mit diesen monostrukturierten, für den Massenbetrieb ausgelegten Flächen, die oftmals am Rande der Stadt lagen, wurde die verkehrliche Erschließung wichtiger als je zuvor.

In Brüssel waren Wahl und Ausbau der Standorte für Weltausstellungen jeweils eng mit den gleichzeitigen Entwicklungen der Stadt zur Landes- und Europahauptstadt verknüpft. In kaum einem andern Fall wurden so eindeutig Bereiche der Stadt als Standorte bevorzugt, die zu dem Zeitpunkt Schauplatz einer entscheidenden städtebaulichen Entwicklung waren oder werden sollten.
Das Gelände der Ausstellung 1897 liegt am östlichen Rand des Leopold-Viertels, das als erste Stadterweiterungsmaßnahme auf den beseitigten barocken Befestigungsanlagen entwickelt wurde. Aus Anlass des 50 jährigen Unabhängigkeitsjubiläums entstand 1880 auf einem Aufmarschgelände der Parc du Cinquantenaire als grüner Kern des Quartiers. Schon vor der Weltausstellung 1897 war er bereits für andere Ausstellungen genutzt worden und blieb noch fast 40 Jahre das Messegelände der Stadt. Die massiven Ausstellungsgebäude von 1897 dienen heute als Museen.
Mit der Entscheidung für den Standort der Weltausstellung 1935 in Heysel, im äußersten Nordwesten der Stadt, sollte wiederum die weitere städtische Entwicklung gelenkt werden. Bereits im 19. Jahrhundert gab es Bestrebungen, diesen bis dahin vernachlässigten Bereich zu einem repräsentativen Quartier auszugestalten. Hier sollte nach 1935 ein neues, leistungsfähigeres Messegelände die Funktion des Parc du Cinquantenaire als Messestandort übernehmen. Bemerkenswert an der Ausstellung 1935 ist die sehr gute Anbindung mit neuen Straßen und Massenverkehrsmitteln an den weit entfernt liegenden Stadtkern.

Brüssel (12808 Byte)
Brüssel (heutiger Zustand)

Das Gelände in Heysel wurde mit einigen Veränderungen zur Weltausstellung 1958 erneut genutzt. Signifikantes und attraktives Zeichen ist bis heute das Atomium. Das Ausstellungsgelände selbst entwickelte sich zum größten Messestandort in Belgien.

Auch in Barcelona verbanden die Verantwortlichen bei der nach 1888 zweiten Weltausstellung 1929 geschickt nationale Repräsentationsbestrebungen und handelspolitische Ambitionen mit den Visionen für die weitere städtische Entwicklung. Der gewählte Standort - der Berg Montjuic - war ein historisch belasteter und darüber hinaus sozial problematischer Bereich der Stadt.

Barcelona 1929 (15400 Byte)
Barcelona 1929

Mit dem Veranstaltungsgelände der Weltausstellung 1929 und der Folgenutzung Messe sollte im Westen der katalanischen Stadt der Anreiz zur Entwicklung eines zusätzlichen Geschäftszentrums gegeben werden. Die Voraussetzungen dafür wurden durch eine Verbesserung der Anbindungen an den Altstadtkern und die Flächen des Eixample geschaffen.
Die zur Weltausstellung errichteten Hallen werden noch heute als Messehallen und Museen genutzt. Das im Zusammenhang mit der Weltausstellung errichtete Stadion wurde zur wichtigsten Sportstätte Barcelonas und Kernstück des Olympischen Rings der Sommerspiele 1992.

Die Entwicklung der Messegelände in Brüssel und Barcelona führt uns schon zum letzten Thema: dem Leitbild „Zum Nutzen der Stadt"

 

Leitbild „Zum Nutzen der Stadt"

Bisher haben wir gesehen, dass die Frage nach der langfristigen Nutzung für Veranstalter und Kommunen eine immer größere Rolle eingenommen hat. Und sie haben im Laufe der Geschichte gelernt, in zunehmendem Maße die Anlagen - Bauten und Infrastruktur - der Weltausstellungen für die Ziele der Stadt einzusetzen.
Manche Veranstaltungsorte hatten schon vor der Bewerbung um ein Großereignis ihren Katalog mit notwendigen Veränderungen und Verbesserungen der städtischen Struktur zusammengestellt und ihn zur Grundlage ihres Maßnahmenpaketes für das Ereignis gemacht. Somit ist der letzte Schritt in dieser Entwicklungsgeschichte der Einsatz des Großereignisses als Mittel der Stadtentwicklung erreicht. Die Weltausstellung wird zu einem Schlüsselprojekt der Stadtplanung und vor allem zum mediengerechten Zugpferd, um außergewöhnliche finanzielle und planerische Mittel zu bündeln.

In Sevilla wurden für die Weltausstellungen 1929/30 und 1992 unbebaute Gebiete außerhalb des Stadtkörpers, die zu diesen Zeitpunkten die besten Möglichkeiten zur Expansion boten, für die Veranstaltungen herangezogen.
Mit dem Gelände der Exposición Ibero-Americana 1929/30 setzte - zu Beginn nur zögerlich - eine großräumige Erweiterung der Stadt über die historischen Grenzen der mittelalterlichen Mauer hinweg ein. Ort des Geschehens war ein zu Anfang noch ungestalteter, aber als Treffpunkt beliebter öffentlicher Park im Süden.

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Sevilla: Plan 1929

Während sich die Stadt entlang der Ausstellungsstraßen mit dem Parque Maria-Luisa, Wohn- und Bürovierteln weiterentwickelt hatte, wurde das Gelände der Exposición Ibero-Americana erst in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts nach der Restaurierung der Gebäude intensiv und erfolgreich genutzt. Der teilweise chaotische Verlauf im Vorfeld der Weltausstellung, die lange Planungszeit, die politische Instabilität und ständig wechselnde Zielvorstellungen lassen so das Ergebnis heute nur als glücklichen Zufall erscheinen.

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Luftbild Cartuja vor 1992

Von der Bewerbung um die Weltausstellung 1992 erhoffte sich die andalusische Provinzhauptstadt Sevilla einen Anschub als traditionsreiche Fremdenverkehrsstadt, neues Wirtschaftszentrum sowie finanzielle Unterstützung für die infrastrukturellen Verbesserungen der Stadt und Region. Ziel war es, auf der Insel Cartuja gegenüber der Altstadt ein bereits in den 70er Jahren projektiertes und von der Kommune mit Grundstückskäufen langfristig vorbereitetes Gewerbegebiet nun als Technologie- und Wissenschaftspark zu entwickeln. Die EXPO 92 wurde als grandioses Fest inszeniert, mit dem diese thematisch an die Weltausstellung anknüpfende Nutzung eingeleitet werden sollte.
Der Masterplan für die Weltausstellung führte alle Absichten zusammen: Ein flexibles Raster stellte die Grundlage für die Ausstattung des Geländes mit temporären und dauerhaften Gebäuden dar. Eine Grünfläche im Norden mit einem Sportpark sicherte der Stadt zusätzlichen Erholungsraum. Im Zuge der Expo konnten weiträumig grundlegende Verbesserungen der verkehrlichen Infrastruktur vorgenommen werden.

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Luftbild 1995 (Nachnutzung)

Sevilla 1992 zeigte beispielhaft, wie das Großereignis Weltausstellung für eine gewünschte Entwicklung von Stadt und Region instrumentalisiert werden kann. Zwar führte eine gründliche analytische und konzeptionelle Vorarbeit zu einem fundierten und aussichtsreichen Entwicklungsszenario, jedoch mussten in der Umsetzung des Konzepts Abstriche gemacht werden, die teilweise aus der veränderten weltwirtschaftlichen Situation rührten, teilweise aus zu hoch angesetzten Zielvorstellungen.
Heute ist besonders die fehlende Nutzungsmischung zu kritisieren: Die Büros und Forschungsinstitute sind nur zu den Arbeitszeiten besetzt und entwickeln wenig Aktivitäten nach außen. Die vereinzelten kulturellen Veranstaltungsorte und Treffpunkte bieten nicht ausreichend Anreize zur abendlichen Belebung des Gebiets. Der latenten Verödung des Gebiets hätte ein Konzept, das Gewerbe, Kultur und Wohnen vermischt, entgegengewirkt. Damit wäre der Stadt ein echtes Gegenüber zur vielseitig genutzten Altstadt gelungen.

 

Zukunft

Ich habe nun die ganze Bandbreite der Konzepte und Strategien, ihre Vorteile und Mängel vorgestellt. Angesichts dessen stellt sich die Frage, welche Konzepte in Zukunft angewandt werden können.
Dabei muss man sich im klaren sein, dass es keine Rezepte, aber Denkansätze gibt. Jedes Ereignis großmaßstäblicher Planung unterlag unterschiedlichen Randbedingungen - Ort, Zeit, politische und gesellschaftliche Interessen - , die nicht unmittelbar auf andere Städte übertragen werden können.
Es lassen sich dennoch einige konzeptionelle Ansätze herausfiltern, die Voraussetzung für den Erfolg einer Planung sein können. Diesen stehen jedoch verführerische Konzepte und Ideen entgegen, die in der Gunst des außergewöhnlichen Ereignisses, der verkürzten Planungs- und Entscheidungsabläufe und den verbesserten Finanzierungsmöglichkeiten große Risiken für die Nachhaltigkeit und Angemessenheit der Maßnahmen in sich bergen:

 

1. Der Erfolg der Veranstaltung versus einer nachhaltigen Stadtentwicklung

Diejenigen Städte, die nicht über ein verbindliches und aktuelles Stadtentwicklungskonzept verfügten, liefen leichter Gefahr, mit ihren Planungen zu scheitern.
Ein Generalplan ist zwingend notwendig, um die großen Flächen zu integrieren, die langfristige Nutzung sicherzustellen und die verkehrlichen Probleme zu bewältigen. Konzepte, die langfristige Tendenzen der Stadtentwicklung unterstützen, zeigen sich in der Nachnutzung erfolgreich. Diejenigen, die eine Stadtentwicklung neu initiieren, sind ungleich riskanter.

 

2. Der große Plan versus der kleinen, dezentralen und angemessenen Planung für Ort und Mensch

Mit dezentralen Konzepten wird das Planungsrisiko über ein größeres Stadtgebiet verteilt und die Integration der Anlagen fällt leichter. Sollten Planungsvorstellungen scheitern, so bleiben die Auswirkungen räumlich begrenzt und haben wenig Wirkung auf das gesamte Stadtgebiet. Auf differenzierte Entwicklungen kann schneller und flexibler reagiert werden.
Wesentlicher Bestandteil dieser Konzepte muss eine leistungsfähige verkehrliche Verbindung sein. Dabei kann eine weitsichtige Wahl der Standorte und der Verkehrsmittel Defizite in der Verkehrsstruktur der Stadt beheben.

 

3. Der große und schnelle Entwicklungsschub versus einer schrittweisen Entwicklung und einer variantenreichen Reaktion auf unerwartete Veränderungen

Die Entwicklung in Sevilla zeigt, dass ein Konzept, das auf eine bestimmte einseitige Nutzung ausgerichtet war, dann nicht mehr zu realisieren ist, wenn sich grundlegende Voraussetzungen der Planung verändern. Allein wirtschaftliche Schwankungen können so ein in sich geschlossenes Planungsergebnis zunichte machen.
Es liegt daher nahe, das zukünftige Nutzungsgefüge möglichst lange offen zu halten. Flächen, die eine gemischte Nutzung zulassen, bieten die besten Chancen.

 

4. Der große Wurf versus das Offenhalten von Optionen

Das auf den ersten Blick erstaunliche Vorgehen in Belgien könnte auch heute noch ein gangbarer Weg sein. Vorausgesetzt, das Fest ist ein finanzieller Erfolg, fiele der Stadt ein voll erschlossenes Baugebiet zu. Geeignete Ausstellungs- oder Sportbauten könnten, müssten aber nicht nachgenutzt werden. Um dieses Konzept erfolgreich zu machen, muss die städtebauliche Struktur den Nachnutzungsvorstellungen entsprechen und ohne großen Aufwand anzupassen sein.

 

5. Die Lust am Fest versus dem Fest am rechten Ort

Weiterhin bleiben die kontinuierlichen Nutzungen, wie sie auch heute noch angewendet werden, mögliche Leitbilder.
Hannover erweitert für die EXPO 2000 das bestehende Messegelände, erschließt benachbarte neue Gewerbe- und Wohngebiete, verbessert die verkehrliche Infrastruktur und plant den Bau von Großveranstaltungsanlagen.

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Die aktuelle Problematik der klassischen Olympischen Sportparks und die Modernisierungswelle der Messegelände zeigen, dass zunehmend artfremde Ansprüche an diese Gebiete gestellt werden. In Sydney entsteht für die Olympischen Spiele 2000 in der Homebush Bay eine Kombination aus Sport und Ausstellung, Entertainment und Natur.

Ich möchte mit einem Plädoyer für die Veranstaltung von Großereignissen abschließen: Unter Beachtung der räumlichen und städtischen Rahmenbedingungen – die ich soeben erläutert habe - , in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Mensch, Natur und Technik kann eine Stadt mit der Veranstaltung eines Großereignisses einen Schritt nach vorne machen. Selten können politische, gesellschaftliche und vor allem finanzielle Mittel derartig gebündelt werden, um Ziele der Stadtentwicklung zu erreichen. Es ist ein Ritt auf dem Tiger – aber wir können ihn bändigen.

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