Die EXPO 2000 die erste Weltausstellung auf deutschem Boden
ist eröffnet.
Eingang Hannover
Wie jede Stadt der Weltausstellungsgeschichte hat auch Hannover sich für den Auftritt
im zuweilen grellen Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit gründlich vorbereitet. Zu
allen Zeiten blickte die ganze Welt auf die Veranstaltungsorte, die immer besondere
Anstrengungen unternahmen, um sich möglichst positiv zu präsentieren. Daher gewann die
Frage an Bedeutung, wie die gastgebenden Orte ihren Nutzen aus dem immensen Aufwand ziehen
konnten, der für die Durchführung dieses Ereignisses mit internationaler Bedeutung
betrieben wurde. Nicht nur auf dem Gelände, sondern in allen Bereichen der Stadt leiteten
die Veranstaltungen städtebauliche Veränderungen ein.
Zum Thema
"Kugel" der WA 1851
Der historische Vergleich der planerischen und architektonischen Konzepte verdeutlicht
den Wandel bei den Erwartungen und Absichten der Veranstalter. Zunächst war der Motor
für die Durchführung einer Weltausstellung nationaler oder auch persönlicher
Prestigegewinn. Unter diesen Vorzeichen konzentrierten sich die Organisatoren
ausschließlich auf die Inszenierung des Festes und den reibungslosen Ablauf. Doch unter
politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen und Zwängen wurde der
Rechtfertigungsdruck für die Veranstalter größer. Der Gedanke an eine rentable
langfristige Nutzung der Einrichtungen rückte immer mehr in den Vordergrund. Heute
versuchen die Veranstaltungsorte, mit dem Schub des Großereignisses ihre städtische
Entwicklung anzukurbeln.
Vor dem Hintergrund der Fragen nach der Finanzierung, dem Nutzen und Profit lässt sich
ein Ordnungsschema mit vier Leitbildern herausarbeiten. Der Begriff Leitbild"
beschreibt hier nicht die städtebauliche oder architektonische Idee, sondern die Haltung
der austragenden Stadt zu ihrer Veranstaltung.
Die vier Positionen sind:
Die schöne Stadt: Stadtverschönerung und Freiflächenplanung
Ephemeres Zwischenspiel
kontinuierliche Nutzung als Messegelände
Zum Nutzen der Stadt: Instrumentalisierung für die Stadtentwicklung
Deutlich zeigt sich die Evolution der Konzepte, obgleich der Lernprozess nicht linear
verlief. Unterschiedliche Planungsansätze wurden gleichzeitig angewandt oder veraltete
auch zu späteren Zeitpunkten wiederholt.
Zu Beginn der Weltausstellungsbewegung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand
allein das Fest im Mittelpunkt. Die Planung konzentrierte sich auf die meist temporären
Ausstellungsgebäude, die nicht nur die funktionalen und konstruktiven Erfordernisse
erfüllen sondern auch durch eine möglichst spektakuläre Architektur im Gedächtnis
bleiben sollten.
Glaspalast 1851
Daher ist die kulturhistorische Bedeutung der frühen Weltausstellungen zwischen 1851
und 1862 in London und Paris sicherlich um ein Vielfaches höher einzuschätzen als die
Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung der Metropolen.
Leitbild Die schöne Stadt"
Die Weltausstellung 1867 in Paris markiert den Beginn städtebaulicher Planungen für
die Großereignisse. Diese erste Phase möchte ich mit Die schöne Stadt"
bezeichnen. Ihren Höhepunkt erreicht sie in der Weltausstellung 1893 in Chicago.
Architektur und Städtebau der französischen Ecole des Beaux-Arts, die auf den
Ausstellungen und im Stadtbild präsent war, blieben bis weit in das 20. Jahrhundert die
Leitbilder der Ausstellungsplaner. Paris als regelmäßiger Veranstaltungsort von
Weltausstellungen war das Idealbild, dem alle nacheiferten.
Plan Paris 1900
Neben den städtebaulichen Prospekten und Bauten des Ausstellungsgeländes nahmen die
Besucher auch das vor allem unter Napoleon III. und Baron Haussmann geschaffene
neue" Bild der Seinemetropole als Impression mit nach Hause. In vielen Städten
kopierten die Stadtgestalter und Planer die Pariser Maßnahmen.
In der französischen Hauptstadt entstand mit den Anlagen der Weltausstellungen von 1855
bis 1937 ein einzigartiges Ensemble aus Raumfolgen, Grünanlagen, Plätzen und
Einzelbauwerken, die Bestandteil der seit dem 16. Jahrhundert von den Herrschern
betriebener Verschönerung der Stadt sind. Damit präsentiert sich eines der grandiosesten
Beispiele für Kontinuität im europäischen Städtebau.
Vogelschau Paris 1878
Der Ausstellungspalast für die erste pariser Weltausstellung im Jahre 1855 entstand
als dauerhaftes Gebäude auf dem Karree an der Champs-Élysées und wurde immer wieder
für kulturelle Ereignisse genutzt. Für die nachfolgenden Expositionen stellte dieses
Gelände jedoch nur einen Randbereich dar.
Standort der Weltausstellungen ab 1867 war der Champ de Mars am südwestlichen Rand der
Kernstadt. Der vormalige militärische Paradeplatz war schon seit 1780 Schauplatz großer
Ereignisse, wie der Revolutionsfeste ab 1790 und der nationalen Messen und
Gewerbeausstellungen ab 1798. Für die Weltausstellungen wurde das Gelände von Bebauung
freigehalten und nicht wesentlich verändert. Nur wenige dauerhafte Baulichkeiten blieben
bestehen und wurden bei den nachfolgenden Veranstaltungen in gleicher Weise weiter
genutzt. Um wechselnden, oftmals steigenden Anforderungen in bezug auf Raumprogramm und
Infrastruktur Rechnung zu tragen, wurde das Gelände entsprechend auf die benachbarten
städtischen Räume wie den Hügel von Chaillot, die Esplanade des Invalides oder das
Seineufer mit den Champs-Élysées ausgedehnt.
Industriepalast 1867
Lebendige Relikte der großen Zeit der Expositionen sind der Eiffelturm (1889), der -
so umstritten er in seinen Entstehungsjahren war - das Wahrzeichen für Paris geworden
ist, der Trocadero-Palast, der für die Weltausstellung 1937 an der Stelle des
Vorgängerbaus von 1878 errichtet wurde, sowie Grand und Petit Palais (1900) als Ersatz
für die Ausstellungshalle von 1855.
Chicago Lageplan
Die Städte in den Vereinigten Staaten von Amerika - und besonders
Chicago - versuchten mit der Veranstaltung glanzvoller Ausstellungen kulturelle
Eigenständigkeit und Ebenbürtigkeit mit den europäischen Metropolen zu beweisen. Auch
hier waren Architektur und Städtebau in Paris immer wieder zitierter Vergleichsmaßstab.
Neben der Anlage von Boulevards, Plätzen und Vistas gehörte die Schaffung öffentlicher
Grünflächen zu den wichtigen Aufgaben der Stadtplaner des 19. Jahrhunderts. Die
Versorgung der Bevölkerung mit Freiräumen in den teilweise hochverdichteten Städten
stellte in Amerika ein drängendes Problem dar. Weltausstellungen boten eine willkommene
Gelegenheit, Flächen für Parkanlagen zu akquirieren und vorhandene Parks auszubauen.
Nach dem Abriss der Gebäude sollten diese als öffentliche Erholungsräume zur Verfügung
stehen. Bis weit in das 20. Jahrhundert wurde dieses Konzept in den nordamerikanischen
Staaten angewandt, obwohl der planerische und finanzielle Aufwand für die Exposition in
immer ungünstigerem Verhältnis zur langfristigen Nutzung als Grünfläche stand.
Die Planung zusammenhängender Grünräume als Instrument der städtebaulichen Gestaltung
zur Gliederung des urbanen Raumes gilt als der amerikanische Beitrag zum Städtebau des
19. Jahrhunderts.
Gleichzeitig veränderte sich das bauliche und inhaltliche Konzept der Ausstellungen. Aus
der umfassenden Leistungsschau in einer großen Halle wurden die themenorientierten
Einzelausstellungen in Pavillons, wie sie noch heute gebräuchlich sind.
Heute stellen sich die Veranstaltungsorte in den USA in einer Spannweite von vollständig
ausgestalteten Parkanlagen bis hin zu nur rudimentär rekultivierten Freiräumen dar. Die
Parkanlagen des 19. Jahrhunderts - z.B. Philadelphia und Chicago (1893) - sind heute
intensiv genutzte und wertvolle Freiflächen. Die Areale des 20. Jahrhunderts
beispielsweise in New York (1939/40 und 1964/65) haben sich nur teilweise und mit großer
zeitlicher Verzögerung entwickeln lassen.
Die Weltausstellungen in Chicago - 1893 und 1933/34 - besetzten bisher unentwickelte
Flächen, die als Teilbereiche des geplanten, umfassenden Gürtels aus öffentlichen
Parkanlagen vorgesehen waren.
Chicago Court of Honour
Die Ausstellung 1893 fand im weit außerhalb gelegenen und teilweise schon
erschlossenen Jackson Park im Süden der Stadt statt. Die führenden Architekten der
amerikanischen Beaux-Arts Strömung schufen mit dem Ehrenhof und den axial aufeinander
bezogenen Gebäuden und Freiräumen den Prototyp der City-Beautiful"-Bewegung:
die White City" von Chicago. Ihre rückwärts orientierte
europäisch-akademische Bauweise stand im härtesten Gegensatz zur Black City"
der aufstrebenden Industrie- und Handelsstadt mit den modernen Hochhäusern der als
Commercial Style" verrufene Architektur der Chicago School. Die White
City" oder Heavenly City" der Weltausstellung 1893 beeinflusste als
Idealbild der amerikanischen Stadt das Baugeschehen der USA bis in die 30er Jahre unseres
Jahrhunderts.
Mehrere Brände zerstörten einen Großteil der Pavillons aus Holz, Gips und Leinen, so
dass schlussendlich nur das Kunstmuseum - jetzt Museum of Science and Industry - erhalten
blieb. Die Grünflächen des Jacksonpark werden heute durch Verkehrsstraßen und
eingezäunte Sportbereiche stark zerschnitten und zergliedert. Der vormalige
Vergnügungsbereich Midway Plaisance - hier stand mit dem Ferris Wheel zum ersten mal ein
Riesenrad auf einem Weltausstellungsgelände - ist eine Achse des Universitätsgebiets.
Chicago Blick vom Manufactury Building
Die dominierende Rolle sowohl bei den Planungen für die Weltausstellung 1939/40 als
auch für die 1964/65 in New York spielte der Park Commissioner und Geschäftsführer der
State Emergency Public Works Commission Robert Moses, der nach tiefgreifenden politischen
Veränderung 1933 zum entscheidenden Mann in der Stadtplanung wurde. Er koordinierte die
Planungen für die Weltausstellung mit raumgreifenden Verkehrs- und Grünplanungen. Damit
gelang zum ersten Mal die deutliche und bewusste Einflechtung der Maßnahmen für ein
Großereignis in die Verbesserung der städtischen Struktur.
New York: Highway Plan 1937
Das Areal für beide Ausstellungen war die große Müll- und Aschendeponie der Stadt
auf der Fläche des heutigen Flushing Meadows Corona Park. In der geografischen Mitte der
Stadt gelegen spielte dieser Ort in der Verkehrs- und Grünplanung von Moses eine
strategische Rolle als Vernetzungsbereich.
Das Konzept der Ausstellung orientierte sich an der beabsichtigten Umgestaltung der
Abfallhalden zum Park. Doch die geringe Beteiligung der Nationen an der Weltausstellung zu
Beginn des Zweiten Weltkriegs führte zu einem enormen finanziellen Defizit, wodurch die
Umsetzung der Parkgestaltung nahezu unmöglich wurde. Erst als das UN-Hauptquartier ab
1946 vorübergehend seinen Sitz im New York City-Pavillon hatte, konnten Teilbereiche des
Parks realisiert werden.
Unter Robert Moses´ Leitung wurde 1964 das Gelände mit gleicher Zielsetzung wieder für
eine Weltausstellung genutzt. Nun wurde das Ausstellungskonzept, das 1939 vom Entwurf für
den späteren Park abgewichen war, den Vorstellungen der Parkkommission angepasst und
weiterentwickelt.
New York: Constitution Mall
Mit diesem Großprojekt scheiterte Moses auch persönlich. Das B.I.E. (Bureau
Internationale des Exhibitions) erkannte die Weltausstellung nicht an. Die Folge war
wiederum eine geringe Beteiligung und ein hohes Defizit. Zum zweiten Mal war es nicht
möglich, die Grünplanungen vollständig umzusetzen. Nur die zur Ausstellung gebauten
Sportanlagen hatten Erfolg. Der Flushing Meadows Corona Park entwickelte sich - nicht
zuletzt wegen der günstigen Anbindung - ab Mitte der 60er Jahre mit einem Großstadion
und dem Tenniscourt zu einer zentralen nationalen Sporteinrichtung, die jedoch die
Erholungsfunktion des Parks stark einschränkt.
Leitbild Zwischenspiel"
Die belgischen Weltausstellungen zwischen 1885 und 1913 kennzeichnen die zweite Phase
der Leitbildentwicklung. Aus der Gratwanderung zwischen repräsentativen Absichten - auch
hier wieder die Orientierung an Paris - und ökonomischen Überlegungen entstand die
besondere Form der verschwindenden Weltausstellungen.
Das Großereignis wurde mit geringem Aufwand und Kulissenarchitektur als Fest auf Flächen
inszeniert, die für andere bauliche Maßnahmen vorgesehen waren. Für die Städte oder
Investoren lag der Vorteil darin, dass mit dem Motor der Weltausstellung der
Grundstückserwerb erleichtert wurde. Die Infrastruktur konnte von den nachfolgenden
Nutzungen - meistens Wohnen - übernommen werden. Die Gebäude der Veranstaltung
finanzierten sich aus sich selbst heraus und konnten noch mehrmals im Lande verwendet
werden. Dabei bezieht sich die spätere bzw. heutige Nutzung und Gestalt des Gebietes nur
selten auf die Veranstaltung.
In diesen Fällen wurden mit der Durchführung des Großereignisses keinerlei Erwartungen
oder Absichten zur Stadtentwicklung oder auch Stadtverschönerung verbunden. Scheinbar lag
das Augenmerk nur auf der repräsentativen Funktion der Veranstaltung und die Eintragung
der Stadt in die Reihe der Austragungsorte von internationalen Mega-Events.
Vor allem in den relativ kleinen belgischen Städten Gent, Lüttich und Antwerpen, in
denen schwerlich die für Weltausstellungen erforderlichen Flächen gefunden werden
konnten, wählte man Gebiete, in denen nach der Aufgabe der bestehenden Nutzungen
bestimmte Entwicklungen realisiert werden sollten und die vorübergehend zur Verfügung
standen.
Gent: Plan des Wohngebiets
Die Weltausstellung in Gent 1913 gliederte sich in drei heterogene Areale: Der
Citadelpark auf der Fläche der geschliffenen Zitadelle war bis dahin regelmäßiger
Veranstaltungsort von Gartenbauausstellungen. Der mittlere und der südliche Bereich -
ebenfalls ehemalige Befestigungsanlagen - sollten Wohngebiete werden, waren aber zur
Exposition noch weitgehend unbebaut. Die Freiräume und Gebäude des Citadelparks blieben
nach der Veranstaltung als Ausstellungsbereiche bestehen. Im mittleren Teil entstand wie
beabsichtigt das Wohnquartier und der südliche Teil diente als Militärgelände, das sehr
viel später mit Einrichtungen der Universität bebaut wurde.
Leitbild Kontinuität"
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts explodierten die finanziellen und planerischen
Investitionen in das Unternehmen Weltausstellung. In steigendem Maße mussten die Gelände
daher auch einen dauerhaften Nutzen für die Stadt haben. Diese dritte Phase die
Phase der kontinuierlichen Nutzung - hat ihren Schwerpunkt im ersten Drittel unseres
Jahrhunderts.
London 1908
Vorbildfunktion für die weitere Entwicklung bekam die Franco-British-Exhibition 1908
in London. Hier wurden gleichzeitig eine Ausstellung und die Spiele der V. Olympiade
abgehalten. Die festen Ausstellungsbauten, die später als Messehallen genutzt werden
sollten, ergänzte das erste eigens für Olympische Spiele gebaute Stadion.
Der langfristige Erfolg des Ausstellungsgeländes war jedoch nicht gesichert. Zwischen
1862 und 1924 entwickelten sich in London vier Messestandorte, die alle von privaten
Investoren betrieben wurden. Dazu gehörten die Gebäude der Weltausstellung 1862, die der
Franco-British-Exhibition 1908 und die der British-Empire-Exhibition 1924/25 mit dem
Wembleystadion, Austragungsort der Olympischen Spiele 1948. Die Standorte machten sich
gegenseitig Konkurrenz, ergänzten sich auch zeitweilig, dennoch war die Lebensdauer der
Ausstellungsgelände begrenzt. Auf die Nachnutzung der Flächen konnten kommunale Stellen
nur geringen Einfluss ausüben, so dass die Flächen zum Teil verödeten oder überbaut
wurden.
In den folgenden Jahren entstand aus dem Konzept von 1908 der Sportpark als
verbindliches und bis heute erfolgreiches Modell für olympische Bauten. Analog dazu
konzipierten die Planer die Anlagen für Weltausstellungen als ständige Messestandorte.
Mit diesen monostrukturierten, für den Massenbetrieb ausgelegten Flächen, die oftmals am
Rande der Stadt lagen, wurde die verkehrliche Erschließung wichtiger als je zuvor.
In Brüssel waren Wahl und Ausbau der Standorte für Weltausstellungen jeweils eng mit
den gleichzeitigen Entwicklungen der Stadt zur Landes- und Europahauptstadt verknüpft. In
kaum einem andern Fall wurden so eindeutig Bereiche der Stadt als Standorte bevorzugt, die
zu dem Zeitpunkt Schauplatz einer entscheidenden städtebaulichen Entwicklung waren oder
werden sollten.
Das Gelände der Ausstellung 1897 liegt am östlichen Rand des Leopold-Viertels, das als
erste Stadterweiterungsmaßnahme auf den beseitigten barocken Befestigungsanlagen
entwickelt wurde. Aus Anlass des 50 jährigen Unabhängigkeitsjubiläums entstand 1880 auf
einem Aufmarschgelände der Parc du Cinquantenaire als grüner Kern des Quartiers. Schon
vor der Weltausstellung 1897 war er bereits für andere Ausstellungen genutzt worden und
blieb noch fast 40 Jahre das Messegelände der Stadt. Die massiven Ausstellungsgebäude
von 1897 dienen heute als Museen.
Mit der Entscheidung für den Standort der Weltausstellung 1935 in Heysel, im äußersten
Nordwesten der Stadt, sollte wiederum die weitere städtische Entwicklung gelenkt werden.
Bereits im 19. Jahrhundert gab es Bestrebungen, diesen bis dahin vernachlässigten Bereich
zu einem repräsentativen Quartier auszugestalten. Hier sollte nach 1935 ein neues,
leistungsfähigeres Messegelände die Funktion des Parc du Cinquantenaire als
Messestandort übernehmen. Bemerkenswert an der Ausstellung 1935 ist die sehr gute
Anbindung mit neuen Straßen und Massenverkehrsmitteln an den weit entfernt liegenden
Stadtkern.
Brüssel (heutiger Zustand)
Das Gelände in Heysel wurde mit einigen Veränderungen zur Weltausstellung 1958 erneut
genutzt. Signifikantes und attraktives Zeichen ist bis heute das Atomium. Das
Ausstellungsgelände selbst entwickelte sich zum größten Messestandort in Belgien.
Auch in Barcelona verbanden die Verantwortlichen bei der nach 1888 zweiten
Weltausstellung 1929 geschickt nationale Repräsentationsbestrebungen und
handelspolitische Ambitionen mit den Visionen für die weitere städtische Entwicklung.
Der gewählte Standort - der Berg Montjuic - war ein historisch belasteter und darüber
hinaus sozial problematischer Bereich der Stadt.
Barcelona 1929
Mit dem Veranstaltungsgelände der Weltausstellung 1929 und der Folgenutzung Messe
sollte im Westen der katalanischen Stadt der Anreiz zur Entwicklung eines zusätzlichen
Geschäftszentrums gegeben werden. Die Voraussetzungen dafür wurden durch eine
Verbesserung der Anbindungen an den Altstadtkern und die Flächen des Eixample geschaffen.
Die zur Weltausstellung errichteten Hallen werden noch heute als Messehallen und Museen
genutzt. Das im Zusammenhang mit der Weltausstellung errichtete Stadion wurde zur
wichtigsten Sportstätte Barcelonas und Kernstück des Olympischen Rings der Sommerspiele
1992.
Die Entwicklung der Messegelände in Brüssel und Barcelona führt uns schon zum
letzten Thema: dem Leitbild Zum Nutzen der Stadt"
Leitbild Zum Nutzen der Stadt"
Bisher haben wir gesehen, dass die Frage nach der langfristigen Nutzung für
Veranstalter und Kommunen eine immer größere Rolle eingenommen hat. Und sie haben im
Laufe der Geschichte gelernt, in zunehmendem Maße die Anlagen - Bauten und Infrastruktur
- der Weltausstellungen für die Ziele der Stadt einzusetzen.
Manche Veranstaltungsorte hatten schon vor der Bewerbung um ein Großereignis ihren
Katalog mit notwendigen Veränderungen und Verbesserungen der städtischen Struktur
zusammengestellt und ihn zur Grundlage ihres Maßnahmenpaketes für das Ereignis gemacht.
Somit ist der letzte Schritt in dieser Entwicklungsgeschichte der Einsatz des
Großereignisses als Mittel der Stadtentwicklung erreicht. Die Weltausstellung wird zu
einem Schlüsselprojekt der Stadtplanung und vor allem zum mediengerechten Zugpferd, um
außergewöhnliche finanzielle und planerische Mittel zu bündeln.
In Sevilla wurden für die Weltausstellungen 1929/30 und 1992 unbebaute Gebiete
außerhalb des Stadtkörpers, die zu diesen Zeitpunkten die besten Möglichkeiten zur
Expansion boten, für die Veranstaltungen herangezogen.
Mit dem Gelände der Exposición Ibero-Americana 1929/30 setzte - zu Beginn nur zögerlich
- eine großräumige Erweiterung der Stadt über die historischen Grenzen der
mittelalterlichen Mauer hinweg ein. Ort des Geschehens war ein zu Anfang noch
ungestalteter, aber als Treffpunkt beliebter öffentlicher Park im Süden.
Sevilla: Plan 1929
Während sich die Stadt entlang der Ausstellungsstraßen mit dem Parque Maria-Luisa,
Wohn- und Bürovierteln weiterentwickelt hatte, wurde das Gelände der Exposición
Ibero-Americana erst in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts nach der
Restaurierung der Gebäude intensiv und erfolgreich genutzt. Der teilweise chaotische
Verlauf im Vorfeld der Weltausstellung, die lange Planungszeit, die politische
Instabilität und ständig wechselnde Zielvorstellungen lassen so das Ergebnis heute nur
als glücklichen Zufall erscheinen.
Luftbild Cartuja vor 1992
Von der Bewerbung um die Weltausstellung 1992 erhoffte sich die andalusische
Provinzhauptstadt Sevilla einen Anschub als traditionsreiche Fremdenverkehrsstadt, neues
Wirtschaftszentrum sowie finanzielle Unterstützung für die infrastrukturellen
Verbesserungen der Stadt und Region. Ziel war es, auf der Insel Cartuja gegenüber der
Altstadt ein bereits in den 70er Jahren projektiertes und von der Kommune mit
Grundstückskäufen langfristig vorbereitetes Gewerbegebiet nun als Technologie- und
Wissenschaftspark zu entwickeln. Die EXPO 92 wurde als grandioses Fest inszeniert, mit dem
diese thematisch an die Weltausstellung anknüpfende Nutzung eingeleitet werden sollte.
Der Masterplan für die Weltausstellung führte alle Absichten zusammen: Ein flexibles
Raster stellte die Grundlage für die Ausstattung des Geländes mit temporären und
dauerhaften Gebäuden dar. Eine Grünfläche im Norden mit einem Sportpark sicherte der
Stadt zusätzlichen Erholungsraum. Im Zuge der Expo konnten weiträumig grundlegende
Verbesserungen der verkehrlichen Infrastruktur vorgenommen werden.
Luftbild 1995 (Nachnutzung)
Sevilla 1992 zeigte beispielhaft, wie das Großereignis Weltausstellung für eine
gewünschte Entwicklung von Stadt und Region instrumentalisiert werden kann. Zwar führte
eine gründliche analytische und konzeptionelle Vorarbeit zu einem fundierten und
aussichtsreichen Entwicklungsszenario, jedoch mussten in der Umsetzung des Konzepts
Abstriche gemacht werden, die teilweise aus der veränderten weltwirtschaftlichen
Situation rührten, teilweise aus zu hoch angesetzten Zielvorstellungen.
Heute ist besonders die fehlende Nutzungsmischung zu kritisieren: Die Büros und
Forschungsinstitute sind nur zu den Arbeitszeiten besetzt und entwickeln wenig
Aktivitäten nach außen. Die vereinzelten kulturellen Veranstaltungsorte und Treffpunkte
bieten nicht ausreichend Anreize zur abendlichen Belebung des Gebiets. Der latenten
Verödung des Gebiets hätte ein Konzept, das Gewerbe, Kultur und Wohnen vermischt,
entgegengewirkt. Damit wäre der Stadt ein echtes Gegenüber zur vielseitig genutzten
Altstadt gelungen.
Zukunft
Ich habe nun die ganze Bandbreite der Konzepte und Strategien, ihre Vorteile und
Mängel vorgestellt. Angesichts dessen stellt sich die Frage, welche Konzepte in Zukunft
angewandt werden können.
Dabei muss man sich im klaren sein, dass es keine Rezepte, aber Denkansätze gibt. Jedes
Ereignis großmaßstäblicher Planung unterlag unterschiedlichen Randbedingungen - Ort,
Zeit, politische und gesellschaftliche Interessen - , die nicht unmittelbar auf andere
Städte übertragen werden können.
Es lassen sich dennoch einige konzeptionelle Ansätze herausfiltern, die Voraussetzung
für den Erfolg einer Planung sein können. Diesen stehen jedoch verführerische Konzepte
und Ideen entgegen, die in der Gunst des außergewöhnlichen Ereignisses, der verkürzten
Planungs- und Entscheidungsabläufe und den verbesserten Finanzierungsmöglichkeiten
große Risiken für die Nachhaltigkeit und Angemessenheit der Maßnahmen in sich bergen:
1. Der Erfolg der Veranstaltung versus einer nachhaltigen Stadtentwicklung
Diejenigen Städte, die nicht über ein verbindliches und aktuelles
Stadtentwicklungskonzept verfügten, liefen leichter Gefahr, mit ihren Planungen zu
scheitern.
Ein Generalplan ist zwingend notwendig, um die großen Flächen zu integrieren, die
langfristige Nutzung sicherzustellen und die verkehrlichen Probleme zu bewältigen.
Konzepte, die langfristige Tendenzen der Stadtentwicklung unterstützen, zeigen sich in
der Nachnutzung erfolgreich. Diejenigen, die eine Stadtentwicklung neu initiieren, sind
ungleich riskanter.
2. Der große Plan versus der kleinen, dezentralen und angemessenen Planung für Ort
und Mensch
Mit dezentralen Konzepten wird das Planungsrisiko über ein größeres Stadtgebiet
verteilt und die Integration der Anlagen fällt leichter. Sollten Planungsvorstellungen
scheitern, so bleiben die Auswirkungen räumlich begrenzt und haben wenig Wirkung auf das
gesamte Stadtgebiet. Auf differenzierte Entwicklungen kann schneller und flexibler
reagiert werden.
Wesentlicher Bestandteil dieser Konzepte muss eine leistungsfähige verkehrliche
Verbindung sein. Dabei kann eine weitsichtige Wahl der Standorte und der Verkehrsmittel
Defizite in der Verkehrsstruktur der Stadt beheben.
3. Der große und schnelle Entwicklungsschub versus einer schrittweisen Entwicklung und
einer variantenreichen Reaktion auf unerwartete Veränderungen
Die Entwicklung in Sevilla zeigt, dass ein Konzept, das auf eine bestimmte einseitige
Nutzung ausgerichtet war, dann nicht mehr zu realisieren ist, wenn sich grundlegende
Voraussetzungen der Planung verändern. Allein wirtschaftliche Schwankungen können so ein
in sich geschlossenes Planungsergebnis zunichte machen.
Es liegt daher nahe, das zukünftige Nutzungsgefüge möglichst lange offen zu halten.
Flächen, die eine gemischte Nutzung zulassen, bieten die besten Chancen.
4. Der große Wurf versus das Offenhalten von Optionen
Das auf den ersten Blick erstaunliche Vorgehen in Belgien könnte auch heute noch ein
gangbarer Weg sein. Vorausgesetzt, das Fest ist ein finanzieller Erfolg, fiele der Stadt
ein voll erschlossenes Baugebiet zu. Geeignete Ausstellungs- oder Sportbauten könnten,
müssten aber nicht nachgenutzt werden. Um dieses Konzept erfolgreich zu machen, muss die
städtebauliche Struktur den Nachnutzungsvorstellungen entsprechen und ohne großen
Aufwand anzupassen sein.
5. Die Lust am Fest versus dem Fest am rechten Ort
Weiterhin bleiben die kontinuierlichen Nutzungen, wie sie auch heute noch angewendet
werden, mögliche Leitbilder.
Hannover erweitert für die EXPO 2000 das bestehende Messegelände, erschließt
benachbarte neue Gewerbe- und Wohngebiete, verbessert die verkehrliche Infrastruktur und
plant den Bau von Großveranstaltungsanlagen.
Die aktuelle Problematik der klassischen Olympischen Sportparks und die
Modernisierungswelle der Messegelände zeigen, dass zunehmend artfremde Ansprüche an
diese Gebiete gestellt werden. In Sydney entsteht für die Olympischen Spiele 2000 in der
Homebush Bay eine Kombination aus Sport und Ausstellung, Entertainment und Natur.
Ich möchte mit einem Plädoyer für die Veranstaltung von Großereignissen
abschließen: Unter Beachtung der räumlichen und städtischen Rahmenbedingungen
die ich soeben erläutert habe - , in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Mensch,
Natur und Technik kann eine Stadt mit der Veranstaltung eines Großereignisses
einen Schritt nach vorne machen. Selten können politische, gesellschaftliche und vor
allem finanzielle Mittel derartig gebündelt werden, um Ziele der Stadtentwicklung zu
erreichen. Es ist ein Ritt auf dem Tiger aber wir können ihn bändigen.
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