Thema
2. Jg., Heft 2
November 1997

Kristine Patz

Die littera Pythagorae in der Architektur

1Als ein erster umfassender Ausdruck kunsttheoretischen Bewußtseins der Neuzeit können Leon Battista Albertis (1404-1472) Abhandlungen über die drei Kunstgattungen Malerei, Skulptur und Architektur im Quattrocento beurteilt werden.1] Eine Kunsttheorie, die davon ausging, daß sich das Ansehen der Kunst an ihrem Anteil an den wissenschaftlichen Disziplinen ermesse, war kaum mehr darauf verwiesen, ihre fachspezifischen Termini mit historischen Personen und Namen zu verknüpfen oder in Form von „Ursprungslegenden" erklären zu müssen. Wenn Alberti dennoch hierauf zurückgreift, so weniger aus Gründen der Legitimation oder in Berufung auf Autoritäten, sondern um an ihnen modellhaft Erfindung und Entwicklung einer über Erfahrung und Übung fortschreitenden Kunst zu zeigen, deren erlernbare Regeln schließlich in einem Lehrgebäude ihren Platz finden sollten.

2Nirgends ist dieser Ansatz vom Autor stringenter dargelegt worden, als in seiner Abhandlung über die Bildhauerei. Erfindung und Beginn der Bildhauerei 2] setzen für Alberti ein mit der Entdeckung, daß gewisse natürliche Bildungen eines Baumes mit anderen Naturformen ähnlich sind. Der zweite Schritt ist die tätige Verstärkung der Ähnlichkeiten, der dritte das experimentelle Hinzufügen und Wegnehmen, der vierte endlich die Ausbildung der Fähigkeit, aus formloser Materie jedes ähnliche Bildwerk hervorzubringen. Mit dem anfänglichen Hinweis auf "Zufallsbilder" 3] verbindet sich das dialektische Verhältnis von ars und natura. Bei aller Differenzierung hatte bereits die Antike beide Elemente miteinander in Beziehung gesetzt und in einem System verankert, das sie jedwedem Handlungsablauf zugrunde legte.4] Danach setzt die Aktion eine natürliche Gegebenheit, einen Rohstoff (natura) voraus. Die weitere Entwicklung ist von zwei Faktoren abhängig: Der Ungeübte (imperitus) hofft auf den Zufall (casus, fortuna) mit dessen Hilfe sein Werk gelingen soll, dieser garantiert allerdings nicht seine Vollkommenheit. Erst die Erfahrung (experientia) lenkt das zufällige Geschehen in fest Bahnen und vermittelt erlernbare Regeln. Solche Richtlinien werden dann rational gegliedert und im Lehrgebäude der Kunst (ars) zusammengefaßt. Ars hat somit die Aufgabe, die Entscheidung des casus in den verschiedenen Betätigungen auf ein Minimum zu reduzieren, da der ungeordnete materielle Bestand und die natürliche Anlage dem Wirken fremder Kräfte offen ausgeliefert ist.

3Die Dialektik von ars und natura hat der Florentiner Künstler Piero di Cosimo (1462-1521) einige Jahrzehnte später am Ende des Quattrocento zu seinem eigenen Bildthema erhoben und anhand der Entwicklungsgeschichte der Menschheit exemplifiziert.5] Prominentes Beispiel hierfür sind die beiden Tafeln Entdeckung des Honigs und Mißgeschick des Silenus.6] Daß sich beide Bilder auf die soeben benannte Textpassage Albertis beziehen dürften, zeigen die außergewöhnlich geformten Baumstämme an, die den Betrachter zur Imagination von Figuren im Sinne eines bilderschaffenden Assoziationsverfahren aus Naturvorlagen anregen.

Abb.1

Piero di Cosimo, Die Entdeckung des Honigs, c. 1500 (1505-10),Worcester, MA, Art Museum.

Photonachweis: Sharon Fermor, Piero di Cosimo: Fiction, Invention and ‘Fantasia’, London 1993, S. 89, Abb. 28.

Abb. 2

Piero di Cosimo, Die Mißgeschicke des Silenus, c. 1500 (1505-10), Cambridge, MA, Fogg Art Museum.

Photonachweis: Sharon Fermor, Piero di Cosimo: Fiction, Invention and ‘Fantasia’, London 1993, S. 89, Abb. 28.

Bestimmendes Bildmotiv beider Tafeln ist ein jeweils hohler Baum, wobei der eine die Wohnstätte des ersten, von Menschen beherrschten Bienenschwarmes ist, der andere die Behausung von angriffslustigen Hornissen. Das Mißgeschick des Silen steht für den Ungeübten, der allein auf den Zufall hofft. In mythischer Einkleidung werden die Begleiterscheinungen gezeigt. Der vermeintliche Bienenstock erweist sich als gefährliches Hornissennest, Silen wird gestochen, der Ast, an dem er sich festhält, bricht ab, er fällt vom Esel, erhält von diesem noch einen Tritt, verrenkt sich das Knie usw. Im Gegensatz dazu demonstriert die Tafel Entdeckung des Honigs den Übergang von der zufälligen Erfindung (inventio) zur Kunst (ars). Erinnert die rechte Bildhälfte noch an die erstmalige Beherrschung eines Bienenschwarmes durch Bacchus, so zeigt die linke Bildhälfte bereits bienenzüchterische Bemühungen: Erfahrung (experientia) hat das zufällige Geschehen in feste Bahnen gelenkt und zu erlernbaren Regeln verholfen. In diesem Sinne bezeichnet der Künstler Natur auf der rechten Bildhälfte als bedrohliche, nicht immer kontrollierbare Macht, während er auf der linken Bildseite Naturbeherrschung durch Zivilisation zur Anschauung bringt. Der Bienenschwarm erscheint so als Begleiter oder Abbild der Zivilisation, wo die Völker aus dem Zustand erster Roheit und Wildheit zu einer geordneten häuslichen und wirtschaftlichen Lebensgestaltung übergegangen sind. Daß Piero di Cosimo sich ausgerechnet diese beiden Episoden aus Ovids Fasti 7] als exempla künstlerischer Tätigkeit nutzbar macht, findet seine Begründung in dem Umstand, daß Biene und Honig seit der Antike Metaphern für die Entstehung von Dichtung, Wesen und Funktion des Dichters und der Dichtung sind. 8] Bienen und Bienenarbeit konnten als bildhafter Ausdruck all jener Künste verstanden werden, deren Grundlage die imitatio bildete. Der organisierte und regelmäßige Wabenbau der Bienen konnte zudem Vorbild und Metapher für das Ingenium des Architekten sein.

4Generell dürften sich Albertis Darstellung der Erfindung der Skulptur wie auch weitere Bilder Piero di Cosimos an dem einzigen aus der Altertum erhaltenen Werk über Architektur orientieren. 9] Vitruvs kurze Kulturgeschichte nimmt ihren Anfang im tierähnlichen Urzustand der Menschen und umreißt die Entwicklung zu einem friedfertigen gesitteten Leben. Den Anstoß sieht Vitruv in der Entdeckung des Feuers, das sich durch die Reibung von Bäumen entzündet habe. Das lockte die Menschen an, der Zusammenlauf rief das Verlangen nach Verständigung über das Phänomen hervor, also zur Entwicklung der Sprache. Als bei diesem Zusammenlauf von Menschen bald so, bald so beim Atmen unartikulierte Laute hervorgestoßen wurden, setzten sie durch tägliche Gewohnheit Wörter zusammen, so wie sie sich gerade geboten hatten, dann begannen sie dadurch, daß sie öfter Dinge mit diesen Worten beim Gebrauch bezeichneten, schließlich durch Zufall zu sprechen.10] Zusammenleben und Verständigung ermöglichten die gemeinsame Arbeit am Bau von Hütten oder am Graben von Höhlen. Dies führte zum Wettbewerb im Stolz über ihre Erfindungen, zur gegenseitigen Nachahmung und Verbesserung der Übung. Dann brachten sie es durch Beobachtungen, - so Vitruv - die sie bei ihrer Berufsausübung machten, von vagen und unsicheren Urteilen zu bestimmten Berechnungen symmetrischer Verhältnisse.11]

5In diesem Abriß zeichnet sich bereits ab, wie vielfältig und weitgespannt die Beziehungen von Kunst und Sprache, und in einem weiteren Schritt von Alphabet, Schrift und Zeichen mit Bild und Architektur sind.12]
Auf der Grundlage dieser allgemeinen Einsicht lassen sich ihre konkrete Berührungen beispielhaft am Buchstaben Y
13] nachvollziehen. Bis ins 17. Jahrhundert hinein galt die Vorstellung, Pythagoras habe das Y in seiner Doppelfunktion als Buchstabe und Signum zugleich erfunden: Y litteram Pythagoras Samius ad exemplum vitae humanae primus formavit.14] Das Y war folglich weder ausschließlich Buchstabe noch eine zwar bedeutungstragende, aber gestaltunabhängige Chiffre, sondern die sichtbare Gestalt des Buchstabens ermöglichte in bedeutungsverschlüsselter Form das menschliche Leben abzubilden. Die mit dem Namen des Pythagoras verbundene griechische Majuskel Y war somit Zeichen für das menschliche Leben das sich am Scheidepunkt gabelte zwischen Tugend und Laster oder heilsgeschichtlich zwischen Erlösung und Verdammnis.

Abb. 3

Zacharias Heyns, Weg-wyser ter salicheyt, Zwolle 1629, Titelkupfer (Der breite und der enge Weg, dazwischen das Y-Signum).

Photonachweis: Wolfgang Harms, Homo viator in bivio. Studien zur Bildlichkeit des Weges, München, Abb. 27.

Über die konkrete Zweiwege-Bildlichkeit hinaus, die die emporweisenden Y-Teile als das Bild zweier Bergwege auffaßte, konnte das Y vegetabile Formen annehmen. Die zuerst bei Persius und den Aeneis-Kommentaren nachweisbar wirksamen und besonders von Isidor von Sevilla geförderten Vorstellung vom Y-Signum als einem Baum,15] sind bereits im Mittelalter vielfältig belegbar. In der Form des Baumes verband sich das Y mit dessen Bedeutungen als Baum der Erkenntnis oder als Kreuzesstamm, und über die cornua (Hörner) des Baumes wie des Gabelkreuzes konnte das Y weiteren Formen Bedeutung geben:16] im Bauwesen wurden die Enden eines Bogens, eines Kapitells, einer Lünette oder die Ecken des Abakus als Hörner bzw. corn(u)a bezeichnet, ja, ein Bogen konnte sich aus zwei Hörnern zusammensetzen.17]

6Während nach damaligem Verständnis der Schrift die Ähnlichkeit mit den Dingen verlorengegangen war, besaß einzig die hieroglyphische Bilderschrift diese Ähnlichkeit, die als Bild kraft ihrer mimetischen Seite mit dem Gegenstand verbunden war.18] Als Vermittler ägyptischer, in Hieroglyphen verschlüsselter Weisheit wurde Pythagoras angesehen. Daß auch ein Grieche einen Buchstaben als Bild und damit als signifikantes Ding zu erfinden vermochte, mußte die ägyptenbegeisterten Humanisten fasziniert haben. Fast nie wird das Y als komplexe Chiffre, sondern durchweg als ein Ding gebracht, das aufgrund seiner potentiell signifikativen Einzelteile und Attribute Signumcharakter hat.

7Es spricht für die Kraft dieser Bildlichkeit, wenn sie in der Lage war, die typographisch vorgegebene, anders geformte Majuskel Y ausschließlich aus Gründen der signifikativen Bildlichkeit zu verändern. In diesem Zusammenhang interessant sind die mathematisch konstruierten Alphabet-Entwürfe der Renaissance. Im Zeichen des Vitruvianismus erfolgt der Entwurf von Buchstaben nach den Regeln der Geometrie und Proportion. Über die geometrische Konstruktion hinaus wird häufig das vitruvianische homo ad circulum et quadratum in die Buchstabenform hineingedacht.

Abb. 4

Buchstaben T und K aus: Geofroy Tory, Champ Fleury, Paris 1529.

Photonachweis: Werner Oechslin, "Architektur und Alphabet", in: C. Braegger (Hg.), Architektur und Sprache, München 1982, S. S. 223, Abb. 9

Abb. 5

Leonardo da Vinci, Proportionszeichnung zu Vitruv, De architectura 3.1, Venedig, Accademia delle belle arti.

Photonachweis: Frank Zöllner, Vitruvs Proportionsfigur. Quellenkritische Studien zur Kunstliteratur im 15. und 16. Jahrhundert, Worms 1987, Abb. 1.

In dieser streng befolgten Systematik besitzt das Y stets einen schmalen und einen breiten Teil, die beide emporstreben und die oben in gleichhohen Waagerechten enden. Es spricht für die Besonderheit des Y, wenn entgegen dieser Systematik eine Abwärtsneigung des breiten, linken Teils auftreten kann. Geoffroy Tory,19] der Verleger, Buchdrucker, Graphiker und Schriftsteller war und Italien durch Reisen kennengelernt hatte, ist Kenner der wichtigsten literarischen Traditionen des pythagoreischen Y. In dem wohl berühmtesten einschlägigen Werk, den Champ fleury von 1529 entwirft Tory zu Beginn seines Y-Abschnitts zwei Y-Majuskel-Formen ohne Signum-Charakter, danach folgt ein Y-Signum mit noch beibehaltener, systemgerechter Buchstabenform, als viertes Y aber entwirft Tory jenes Y-Signum, das vom Thema des Aufstiegs und des Absturzes beherrscht wird.

Abb. 6

Geofroy Tory, Champ Fleury, Paris 1529, fol. 63v und 63 r.

Photonachweis: Wolfgang Harms, Homo viator in bivio. Studien zur Bildlichkeit des Weges, München, Abb. 1und 2.

Dieses Y, das in seiner eigenen Gestalt und in seiner sekundären Nachbarbildlichkeit ganz auf die Funktion einer signifikanten res ausgerichtet ist, biegt den linken Arm leicht abwärts in Richtung auf das Höllenfeuer, in das der Wanderer - eben von dieser abwärts gebogenen Linie - kopfüber hinabstürzt.20] Setzte sich in diesem Fall die Y-Form mit dem niedergebogenen linken Arm sogar in der signumfeindlichen Umgebung der reinen Typographie durch, wird sie in emblematischer oder allgemein signifikativer Umgebung leichter und ausgeprägter aufgenommen.

8Der Schritt vom geometrisch konstruierten Y zu architektonischen Vorstellungen in Bezugnahme auf den vitruvianischen Anthropomorphismus konnte mitunter gering sein. Architektonische Realisierung des Y-Sigums in der Ruine und Signatur des Künstlers erhellen sich wechselseitig in Mantegnas Heiligen Sebastian von 1458/59.21]

Abb. 7

Andrea Mantegna, Der heilige Sebastian, c. 1459, Wien, Kunsthistorisches Museum

Photonachweis: Ronald Lightbown, Mantegna: With a Complete Catalogue of the Paintings, Drawings and Prints, Oxford-Berkeley-Los Angeles 1986, Cat. no. 10, Abb. 43.

Im unbeschädigten Zustand der Architektur, in der die Signatur nicht in Erscheinung getreten wäre, hätten die sichtbaren Architekturteile die Form eines Y-Signums besessen. Im ursächlichen Zusammenhang mit dem Einsturz des Arkadenbogens, dem corno , der die Entscheidung Sebastians für Gott bezeichnet, die zugleich eine Abkehr von den Möglichkeit ist, den linken Weg für sich zu wählen, steht die Abscherung der Arkadenpfeiler, die den Namen des Künstlers zum Vorschein gebracht hat. Was anderes bekundet diese griechische Künstlerinschrift, wenn nicht ihre Gleichsetzung mit der littera Pythagorae, die sich als iudicium als intellektuelles Vermögen offenbart, das zwischen Gut und Böse, Wahr und Falsch, Schein und Wirklichkeit unterscheiden kann. Mit dem pythagoreischen Y sind Vorstellungen des Aufstiegs, wie ihn die Viktoria andeutet, und Sturzes, der als Motiv die gesamte linke Bildhälfte beherrscht, verbunden. Kennzeichnend für die linke Bildseite der Darstellung ist ihr ungeordneter materieller Bestand. Nicht nur sind die Wolken als „Zufallsbilder" besonders anfällig für ständige Veränderung, sondern auch die aus dem architektonischen Zusammenhang herausgelösten skulpturalen Teile sind auf ihren materiellen Bestand reduziert dem Wirken fremder Kräfte offen ausgeliefert. Aufgabe der ars (Kunst) ist es, die Entscheidung des Zufalls auf ein Minimum zu reduzieren. Sie tritt als notwendige Ergänzung der Natur, der stofflichen Substanz wie des Ingeniums auf. Der naturhaft entdeckende und entbergende Charakter des Ingeniums, die Findungsgabe des Menschens, tritt in der Freilegung der Künstlerinschrift auf dem linken Arkadenpfeiler unterhalb dem Ansatz der Arkadenbögen bzw. der Gabelung der littera Pythagorae zutage. Indem die Inschrift im Zuge der Entscheidung hervortritt, unterliegt das Ingenium bereits dem Korrektiv des iudicium - der Urteilsfähigkeit - und ist so Metapher für die Herstellung eines Bildwerkes, in dem sich die virtus des Künstlers mitteilt.22]

9In der Beschneidung Christi 23] von Andrea Mantegna tritt nochmals das architektonische Motiv der littera Pythagorae auf. Die zur Hälfte dargestellten Arkadenbögen mit einer sie stützenden Säule nehmen die Form des Y an. Die Extremitäten, wie die der Bögen oder des Kreuzes wurden als cornua bezeichnet.

Abb. 8

Andrea Mantegna, Beschneidung Christi, Triptychon, Florenz, Uffizien.

Photonachweis: N. Garavaglia, Das Gesamtwerk von Andrea Mantegna, Mailand 1967, Tafel XXXVI, Nr. 34C.


Das geschlossene Portal wird von zwei liegenden Füllhörnern bekrönt, die einen Segmentbogen bilden. Das Motiv der Füllhörner kehrt nochmals im Kapitell wieder, wobei die Hörner aufgerichtet sind. Geradezu demonstrativ veranschaulichen die Füllhörner die vegetative Hornmetaphorik, die mit dem Aufstieg des Hauses David verknüpft war: Daselbst soll aufgehen das Horn Davids.
24]

Abb. 9

Andrea Mantegna, Beschneidung Christi, Triptychon, Florenz, Uffizien, Detail.

Photonachweis: N. Garavaglia, Das Gesamtwerk von Andrea Mantegna, Mailand 1967, Tafel XXXVI, Nr. 34C.

Lukas hatte die alttestamentarischen Aussagen zum Horn zusammengefaßt und auf Christus bezogen: Und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils in dem Hause seines Dieners David. Das aufgerichtete Horn des Heils zeigen nicht nur die Füllhörner des Kapitells an, sondern auch die einzelne Säule selbst, auf deren Abakus die zur Hälfte sichtbaren Arkadenbögen lagern. So wie die Ecken des Abakus beim ionischen, korinthischen und kompositen Kapitell in der italienischen Architektursprache corna genannt werden konnten - bezeichnenderweise enden im Bild die Füllhörner des Kapitells genau unterhalb von ihnen - so erhielten auch die Enden eines Bogens oder einer Lünette dieselbe Bezeichnung. Nicht allein bildet in der Darstellung Mantegnas die Architektur über ihre eigene Begrifflichkeit „Hörner" ab, sondern auch den fingierten Bronzen in den Lünetten ist das Hornmotiv inhärent. Den Kriterien der biblischen Historizität entsprechend, ist auf der rechten Seite der mit den neuen Gesetzestafeln zurückkehrende, erleuchtete Moses mit Hörnern dargestellt, auf der anderen Seite die Opferung Isaaks. Die Hörner des als Ersatzopfers dargebrachten Widders konnten entsprechend der exegetischen Auslegung mit den Hörnern des Kreuzes in Verbindung gebracht werden. Indem die nur zur Hälfte dargestellten Arkadenbögen ebenfalls die Bestimmung als cornua zulassen und diese zusammen mit der sie stützenden Säule die Form des Y annehmen, dessen Extremitäten als Hörner bezeichnet wurden, erscheint es begründet, in dieser architektonischen Konstruktion das Gabelkreuz vor- und abgebildet zu sehen.

10Für die littera Pythagorae läßt sich hieraus und abschließend folgendes ableiten: Die Verdinglichung des Buchstabens Y führte dazu, daß die littera Pythagorae mit anderen „Dingen" in Affinitätsverhältnisse eintreten konnte. Die Voraussetzungen für derartige Bildlichkeitsbeziehungen sehen wir sehr verschieden begründet. Dies können beispielsweise Ähnlichkeiten der äußeren Gestalt der Bedeutungsträger sein. Gleiches kann auch durch kulturgeschichtlich bedingte Veränderungen des zu deutenden „Dings" verursacht werden. Ist eine res wie das Y erst einmal als Baum verstanden, so erhält es auch Anteil an den potentiellen significata des Baumes, besonders des zweigeteilten, als auch der alttestamentarischen Bäume und ihrer neutestamentarischen Erfüllung, des Kruzifixes.

Abb.10

Giovanni Pisano, Gabelkreuz, ca. 1290-1295, Siena, Museo del Opera del Duomo

Photonachweis : Géza de Francovich, L’origine de la diffusione del crocifisso gotico doloroso, in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana 2 (1938), S. 232, fig. 210.

Ähnlich kulturgeschichtlich begründet sind die entstehenden Affinitäten von furca, Kruzifix und Y. Als bekanntes Marterwerkzeug hat die furca eine Beziehung zum Kruzifix bzw. zum Kreuz, aber nicht zum Y. Daß das furca-förmige Kruzifix später vegetative Formen annimmt, ist wiederum aus der doppelten Affinität des Y-Signums zu furca und Kruzifix zu erklären: Mit der furca verbindet es die äußere Gestalt, mit dem Kruzifix zusätzlich eine früh ausgebildete Tendenz zur Verdinglichung als Baum. Wenn z. B. das Kreuz und der Baum und mit beiden wiederum der Buchstabe in einem Verhältnis gesteigerter Affinität stehen, hat dies u. a. zur Folge, daß das Y mit baumförmigen Präfigurationen des Kruzifixes identifiziert werden kann. Die alttestamentarischen Bildthemen, beispielsweise Mantegnas: Samson und Dalila, 25] Opferung des Isaak 26] und David mit dem Haupte Goliaths 27] aber auch die Anbetung der Hirten 28] zeigen dies.

Abb. 11

Andrea Mantegna, Samson und Dalila, London, National Gallery.

Photonachweis. Andrea Mantegna, hg. von J. Martineau, Katalog der Ausstellung London, Royal Academy of Arts-New York, The Metropolitan Museum of Art, 1992, S. 396., fig. 104.

Abb. 12

Andrea Mantegna, Die Opferung des Isaak, c. 1495-1500, Wien, Kunsthistorisches Museum.

Photonachweis. Andrea Mantegna, hg. von J. Martineau, Katalog der Ausstellung London, Royal Academy of Arts-New York, The Metropolitan Museum of Art, 1992, S. 410, no. 132.

Abb. 13

Andrea Mantegna, David mit dem Haupte Goliaths, c. 1495-1500, Wien Kunsthistorisches Museum.

Photonachweis. Andrea Mantegna, hg. von J. Martineau, Katalog der Ausstellung London, Royal Academy of Arts-New York, The Metropolitan Museum of Art, 1992, S. 409, no. 131.

Abb. 14

Andrea Mantegna, Anbetung der Hirten, New York, Metropolitan Museum.

Photonachweis. Andrea Mantegna, hg. von J. Martineau, Katalog der Ausstellung London, Royal Academy of Arts-New York, The Metropolitan Museum of Art, 1992,S. 128, Abb. 8.

Gleichen Gesetzen und Affinitäten unterliegt auch die Hornbildlichkeit, da die beiden „Arme" des Y wie auch die Enden des Kreuzes als „cornua" bezeichnet wurden. Die Polysemie des Wortes cornua ermöglichte eine Erweiterung dieser Hornbildlichkeit; als Folge konnten beispielsweise die gehörnten Tiere des alten Testaments, wie der Widder des Isaak-Opfers und der gehörnte Stier des Josephssegens, das Kreuz präfigurieren, Horn- und Pflanzenmetaphorik vereinigte schließlich David als sprießendes Horn.29] Solche Gemeinsamkeiten betreffen ebenfalls den architektonischen Bereich. Auch dieser verfügte über eine Hornbildlichkeit, da die Enden des Bogens und weiterer architektonischer Elemente wie die beiden „Arme" des Y oder die Enden des Kreuzes als cornua bezeichnet wurden.

11Als Artefakt ist die architektonische Nachbildung der littera Pythagorae von den vegetabilen Naturformen des Y zu unterschieden. Das Verhältnis von Kunsterzeugnis und Naturform ist Gegenstand der beiden Bilder: Minerva vertreibt die Laster aus dem Garten der Tugend und Parnaß, die Mantegna für das Studiolo von Isabella d’Este in Mantua schuf.30]

Abb. 15

Andrea Mantegna, Minerva vertreibt die Laster aus dem Garten der Tugend, ca. 1500, Paris, Musée du Louvre.

Photonachweis: S. Ferino-Pagden (Hg.), Isabella d’Este. Ausstellungskatalog des Kunsthistorischen Museums, Wien 1994, S. 211, Kat.-Nr. 81

Abb. 16

Andrea Mantegna, Parnaß, ca. 1500, Paris, Musée du Louvre.

Photonachweis: S. Ferino-Pagden (Hg.), Isabella d’Este. Ausstellungskatalog des Kunsthistorischen Museums, Wien 1994, S. 201, Kat.-Nr. 78.

Nicht nur stehen sich hier die in den Wolken aus Wolken gebildeten Männerköpfe als Zufallsbilder der als Aureole gebildeten Wolke mit den drei Kardinaltugenden gegenüber, sondern auch die unförmige Reihung der Höhlen des Ätna in Relation zu den darunter liegenden vegetabilen Bogengängen bezieht sich auf die eingangs benannte Dialektik von ars und natura. Gleichwohl hatte Mantegna im Minerva-Bild nicht einfach Natur bzw. Naturveranlagung, sondern Kunstlosigkeit und überdimensionierte Projekte bezeichnen wollen. Gemeint sind folglich jene unbesonnenen Geister, die sich in der Kunst allein auf den Zufall verlassen. Die Verbindung von geistigem Konzept und künstlerischer bzw. handwerklicher Ausführung ist im Parnaß durch einen Naturbogen veranschaulicht. Wie im Minerva-Bild sind auch hier Formen des Y evident. Im Parnaß nimmt der doppelgipflige Parnaß hinter der Gruppe von Pegasus und Hermes diese Form auf und stellt im Sinne von Tugend und Laster die zwei Seiten der künstlerischen Phantasie dar.

Abb. 17

Andrea Mantegna, Parnaß, ca. 1500, Paris, Musée du Louvre, Detail.

Photonachweis: S. Ferino-Pagden (Hg.), Isabella d’Este. Ausstellungskatalog des Kunsthistorischen Museums, Wien 1994, S. 201, Kat.-Nr. 78.

Endnoten

1] Die rhetorisch-humanistische Ausgangsposition Albertis und der weiteren Kunsttheorie ist bereits erkannt worden von K. Borinski, Die Antike in Poetik und Kunsttheorie. Von Ausgang des klassischen Altertums bis auf Goethe und Wilhelm von Humboldt, unverän. reprogr. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1914-24, Darmstadt 1965, Bd. 1, ab S. 141. Unter den neueren Arbeiten wären zu nennen: M. Baxandall, Giotto and the Orators. Humanist Observers of Painting in Italy and the Discovery of Pictorial Composition: 1350-1450, Oxford 1971; ders., Painting and Experience in Fifteenth Century Italy. A Primer in the Social History of Pictorical Style, Oxford 1972, bes. 114-117; K. Patz, „Zum Begriff der ‘Historia’ in L. B. Albertis ‘De Pictura’", Zeitschrift für Kunstgeschichte, 49, 1986, S. 269-287; D. R. E. Wright, "Alberti’s ‘De pictura’: its Literary Structure and Purpose", JWCI, XLVII, 1984, pp. 52-71; U. Müller Hofstede, „Malerei zwischen Dichtung und Skulptur - L. B. Albertis Theorie der Bilderfindung in ‘Della Pittura’", Wolfenbütteler Renaissance Mitteilungen, 18, 1994, S. 56-73; U. Müller Hofstede u. K. Patz, „ ‘Maggiore loda d’ingegnio rende l’istoria che qual sia colosso’. L’antithèse du colosse et de la peinture d’histoire dans le ‘De pictura’ de L. B. Alberti", Congrès International Leon Battista Alberti, Veranstalter: ENS de Fontenay/Saint-Cloud - Université de Paris-Sorbonne - CNRS (UPR 76), Paris 10.-15. April 1995, die Kongreßakten werden 1998 publiziert.

2] Leon Battista Alberti, On Painting and On Sculpture. The Latin Texts of ‘De Pictura’ and ‘De Statua’, ed. with transl. introd. and notes by C. Grayson, London 1972, hier: S. 119-122, §§ 1-3. Frank Balters and Peter Gerlach, „Zur Natur von Albertis ‘De Statua’," Kunsthistorisches Jahrbuch Graz 23, 1987, S. 38-54.

3] H. W. Janson, „The ‘Image Made by Chance’ in Renaissance Thought, " De Artibus Opuscula XL. Essays in Honor of Erwin Panofsky, 2 Bde, New York 1961, S. 254-266; Avigdor W. G. Poséq, „Alberti’s Theory of Primitive Sculpture," Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz 33, 1989-9, S. 380-384.

4] Zu den folgenden Ausführungen H. Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft, München 1960, §§ 1-3, S. 25f.

5] Zum weiteren: S. Fermor, Piero di Cosimo: Fiction, Invention and ‘Fantasia’, London 1993, S. 7-40; M. Bundy, „Invention and Imagination in the Renaissance," Journal of English and Germanic Philosophy XXIX,1930, S. 535-554; Martin Kemp, „From Mimesis to Fantasia. The Quattrocento Vocabulary of Creation, Inspiration and Genius in the Visual Arts," Viator 8, 1977, S. 361-384.

6] The Discovery of Honey, c. 1500 (1505-10), oil on panel, 79.2 x 128.5, Art Museum, Worcester, MA. The Misfortunes of Silenus, c. 1500 (1505-10), oil and tempera (?) on wood, 80 x 129.7 cm. Alpheus Hyatt Fund and the Friends of Art, Archeaology and Music at Harvard Fund, 1940. 85. Allgemein zu beiden Bildtafeln: Erwin Panofsky, „The Early History in Two Cycles of Works by Piero di Cosimo," Studies in Iconology: Humanistic Themes in the Art of the Renaissance, New York 1939, S. 33-67; Juliana Lathrop Field, Piero di Cosimo’s Vespucci Panels. The Literary and Mythological Sources: Symbolism and Meaning (Master of Art in Art History in the Graduate School of Fine Arts, Syracuse University, 1989).

7]Publii Ovidii Nasonis Fastorum libri Sex-The ‘Fasti’ of Ovid, Edited with a Translation and Commentary by James George Frazer, 5 vols., London, 1929, vol. I: III. 737-760, S. 164-167; Nennung der kommentierten Ausgaben bei A. Emmerling-Skala, Bacchus in der Renaissance, 2 Bde, Hildesheim-Zürich-New York 1994, Bd.I, S. 1008-1010.

8] J. H. Waszink, Biene und Honig als Symbol des Dichters und der Dichtung in der griechisch-römischen Antike, (Rhein.-West. Akad. der Wiss. Vorträge 196), Opladen 1974; P. Kapitza, „Dichtung als Bienenwerk. Traditionelle Bildlichkeit in der Imitatio-Lehre," Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 9, 1974, S. 79-101; J. v. Stackelberg, „Das Bienengleichnis. Ein Beitrag zur Geschichte der literarischen Imitatio," Romanische Forschungen 68, 1956, S. 271-293; G. W. Pigmann, „Versions of Imitation in the Renaissance," Renaissance Quarterly 33, No. 1, 1980, S. 1-32. Allgemein: D. Peil, Untersuchungen zur Staats- und Herrschaftsmetaphorik in literarischen Zeugnissen von der Antike bis zur Gegenwart, München 1983, S. 166-297.

9] Hierzu und zum folgenden: Viturv, De Architectura libri decem - Zehn Bücher über Architektur, lat.-dt., hrsg. von C. Fensterbusch, Darmstadt 1964, lib. II, 1, S. 78-87.

10] Ebd., S. 78f.

11] Ebd., S. 84f.

12] Überblick bei W. Oechslin, „Architektur und Alphabet," Architektur und Sprache. Gedenkschrift für Richard Zürcher, hrsg. von C. Braegger , München 1982, S. 216-254.

13] Zur littera Pythagorae E. Panofsky, Hercules am Scheideweg und andere antike Bildstoffe in der neueren Kunst, Leipzig-Berlin 1930; C. Pascal, „Il bivio della vita e la ‘littera Pythagorae’," Miscellanea Ceriani, Mailand 1910, S. 57-67; A. Brinkmann, „Ein Denkmal des Neupythagoreismus," Rhein. Museum f. Philologie 66, 1911, S. 616-625; F. de Ruyt, „L’idée du ‘bivium’ et le symbole pythagoricien de la lettre Y," Revue Belge de philologie et d'histoire 10 ,1931, S. 137-144; M.-A. Dimier, „La lettre de Pythagore et les hagiographes du moyen âge," Le Moyen Âge 60, 1954, S. 403-418; H. Silvestre, „Nouveaux témoignages médiévaux sur la ‘Littera Pythagorae’," Le Moyen Âge 63, 1957, S. 55-57. Zuletzt in umfassender Form W. Harms, Homo viator in bivio. Studien zur Bildlichkeit des Weges, München 1970.

14] Isidor von Sevilla, Etymologiarum sive originum libri XX, ed. W. M. Lindsay (Oxford 1911, repr. 1962): I,3,7.

15] Neben Bernardus Silvestris (Arborem Pitagoras humanitatem appellavit quoniam in duos ramos i. e. in virtutem et vitium se dividit [Comm. super sex libros Eneidos Virgilii, ed. W. Riedel, Greifswald 1924: 58, 23f.]) auch ausführlich Servius und über diesen ebenfalls Persius, als er Vergils Baum und das pythagoreische Signum miteinander in Beziehung setzt. Vgl. dazu Harms (wie Anm. 13), S. 57ff.

15] Sowohl das Y als auch Vergils Baum und goldener Zweig sind mit der Thematik der Entscheidung in Zusammenhang gesehen worden. In besonderer Weise ist diese Thematik jedoch dem "Baum der Erkenntnis," dem "lignum scientiae boni et mali, " inhärent. Vgl. z.B. die mittelalterliche Predigt Facilis est descensus Auerni ... (Aeneis VI, 126. 128-129) von Alanus ab Insulis, teilweise abgedruckt in: P. F. Ganz, "Archani Celestis Non Ignorans. Ein unbekannter Ovid-Kommentar," Verbum et Signum. Beiträge zur mediävistischen Bedeutungsforschung, eds. H. Fromm, W. Harms, U. Ruberg, Bd. 1 (München 1975), S. 195-208, hier S. 202, Anm. 26: "Y littera tractum habet cui innititur, et a tertio procedens in duos ramos velud in duo brachia diuiditur. Alter sursum erigitur; unus descendit, alter ascendit; ad cuius similitudinem Y mistica, id est humani arbitrii natura in primi hominis corde designata libere voluntati tanquam trunco innitebatur, et in velle bonum et malum tanquam in duo brachia diuidebatur."

16] G. Q. Reijners O. S. C., The Terminology of the Holy Cross in Early Christian Literature as Based upon Old Testament Typology (Nijmegen 1965), S. 97-107. Vgl. hierzu beispielsweise Giovanni Pisano, Kruzifix, Pistoia, S. Bartolomeo u. ders., Kruzifix aus Siena, Opera del Duomo, abgebildet bei M. Lisner, Holzkruzifixe in Florenz und in der Toskana. Von der Zeit 1300 bis zum Cinquecento, München 1970, Abb. 20 und 11. Zu den Ursprüngen der Gabelkreuzvorstellung siehe M. von Alemann-Schwartz, Crucifixus Dolorosus. Beiträge zur Polychromie und Ikonographie der rheinischen Gabelkruzifixe, Diss. Bonn 1976, S. 205-272 u. S. 258-268.

17] vocabolario degli Accademici della Crusca, Florenz 51878, Bd. 3, § XXIII, p. 763: Corna dell'abaco diconsi, nei capitelli ionico, corintio e composito, Le quattro estremità o faccie angolari dell' abaco, soprastanti alle volute.Ebd., § XXIV: E parlandosi di archi, lunette o simili, Corna denotano Le estremità inferiori di essi; vgl. hierzu beispielsweise das dort angeführte Zitat: Condivi, Vit. Buonarr. 24: È la forma della volta ... a botte ; e ne' posamenti suoi, a lunetta ... Cominciando da i peducci, dove le corna della volta, finge ec. Deutsches Wörterbuch von J. und W. Grimm, Bd. IV/II, Leipzig 1877, Sp. 1820 (15e): ... bei Megenberg bezeichnet "horn" das ende eines halbkreises.

18] Allgemein E. Iversen, The Myth of Egypt and ist Hieroglyphs in European Tradition, Kopenhagen 1961, hier bes. S. 57ff.; L. Dieckmann, Hieroglyphics. The History of a Literary Symbol, St. Louis Miss. 1970; zur Bedeutung der humanistischen Hieroglyphen-Studien noch immer K. Giehlow, „Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance," Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses 32, Wien und Leipzig 1915, S. 1-232. Zur Stellung der Hieroglyphik innerhalb der allgemeinen allegorischen Weltdeutung s. H.-J. Schings, Die patristische und stoische Tradition bei Andreas Gryphius, Köln 1966, bes. S. 110ff.

19] Weiteres bei Harms (wie Anm. 13), S. 49ff. u.S. 214ff.

20] Ebd., vgl. Abb. 1 u. 2. Geofroy Tory, Champ Fleury, Au quel est contenu Lart et Science de le deue et vraye Proportion desLettres Attiques ..., Paris 1529, fol. 63v und fol. 63r

21] Wien, Kunsthistorisches Museum. Ein nahezu vollständiges Verzeichnis der Literatur zu Mantegna enthält R. Lightbown, Mantegna: With a Complete Catalogue of the Paintings, Drawings, and Prints, Oxford-Berkeley-Los Angeles 1986, hier: S. 408, Cat.-no. 10, Abb. 43. S. 170. Ergänzungen finden sich vor allem bei Andrea Mantegna, ed. J. Martineau, Katalog der Ausstellung London, Royal Academy of Arts - New York, The Metropolitan Museum of Art, 1992. Die griechische Inschrift „To ergon tou Andreou" entspricht der lateinischen Signatur „opus Andreae (Mantegna)." Außer Lightbown vor allem M. Levi D'Ancona, „Il ‘S. Sebastiano’ di Vienna: Mantegna e Filarete," Arte Lombarda 18, 1973, S. 70-74; Dies., „Il San Sebastiano di Vienna del Mantegna," Commentari 28, 1977, S. 73-91; Dies., „An Image Not Made by Chance: The Vienna St. Sebastian by Mantegna," Studies in Late Medieval and Renaissance Painting in Honor of Millard Meiss, eds. I. Lavin and J. Plummer, Bd. 1, New York 1977, S. 98-114; J. M. Greenstein, Mantegna and Painting as Historical Narrative, Chicago-London 1992, S. 71-85.

22] Zum artistisch-topischen Modell von Invenieren und Beurteilen/Ordnen/Machen, das zwei Verfahren miteinander verbindet, vgl. W. Schmidt-Biggemann, Topica universalis. Eine Modellgeschichte humanistischer und barocker Wissenschaft, Hamburg 1983.

23] Triptychon, Florenz, Uffizien, abgebildet bei N. Garavaglia, Das Gesamtwerk von Andrea Mantegna (Mailand 1967): Tafel XXXV, no. 34c. Zum Gemälde Lightbown (wie Anm. 21): Cat. no. 13-16, 411-13; weiteres bei J. K. Greenstein, Mantegna and Painting as Historical Narrative, Chicago-London, S. 86-222. - Zur Hornmetaphorik: G. Q. Reijners O. S. C., The Terminology of the Holy Cross in Early Christian Literature as Based upon Old Testament Typology (Nijmegen 1965), S.97-107. Die dort zu den Namen des Kreuzes gesammelten frühen Zeugnissen für Horn(s) as a Name for a Cross beziehen sich auf den Josephssegen (Deut. 33, 17), der eine ähnliche exegetische Relevanz besitzt wie die Hornstellen Gen. 22, 13; Hab. 3, 4 und Ps. 21, 22. Andere biblische Hornstellen gelten bei den Vätern nicht oder selten als testimonia crucis mit Ausnahme von Ps. 91, 11. Zur Hornmetaphorik des oberen Teils des Y vgl. den mit Mantegna befreundeten Felice Feliciano, Alphabetum Romanum, ed. G. Mardersteig (Verona 1960): fol. XIIr.

24] Ps. 131, 17: "illuc producam cornu David;" Hesekiel 29, 21: "in die illo pullulabit cornu domui Israhel" - Vgl. auch Reijners (wie Anm. 16), S. 99, Anm. 3: "In the 15th Benediction of the 'Eighteen Benedictions-prayer (Bab. rec.)' the horn of the Messiah is also mentioned: 'Speedily cause the offspring of David, thy servant, to flourish, and let his horn be exalted by thy salvation, because we wait for thy salvation all the day. Blessed art thou, O Lord, who causest the horn of salvation to flourish'." Lc 1, 69: "erexit cornu salutis nobis in domo David pueri sui ." Dieses "Horn des Heils" in dem einzigartigen Horn des Einhorns versinnbildlicht zu sehen, war für typologisches Denken geradezu zwangsläufig, zumal Ps 91, 11 dafür die direkte Handhabe lieferte: "exaltabitur sicut unicornis cornu meum." Ferner Ps 148, 14: "exaltabit cornu populi sui;" Ps 17, 3 "Deus ... cornu salutis meae. - Cornu etiam David, significat caeleste regnum. Cornu generaliter regnum & potentiam designare solet.

25] London, National Gallery, abgebildet bei Andrea Mantegna, ed. J. Matineau (wie Anm. 21), S. 396, no. 104; Lightbown (wie Anm. 21), Cat.-no. 50, 449.

26] Wien, Kunsthistorisches Museum, abgebildet bei Andrea Mantegna, ed. J. Matineau (wie Anm. 21), S. 410, no. 132; Lightbown (wie Anm. 21), Cat.- nos. 140 -141, 470.

27] Wien, Kunsthistorisches Museum, abgebildet bei Andrea Mantegna, ed. J. Matineau (wie Anm. 21), S. 409, no. 131; Lightbown (wie Anm. 21): Cat.- nos. 140 -141, 470.

28] New York, Metropolitan Museum, abgebildet bei Andrea Mantegna, ed. J. Martineau (wie Anm. 21), S. 128, no. 8.

29] Siehe oben Anm. 23 u. 24.

30] Paris, Louvre, die beiden Gemälde Mantegnas sind abgebildet bei E. Verheyen, The Paintings in the "Studiolo" of Isabella d'Este at Mantua, New York 1971, Pl. 12 und 11, wie diejenigen von Perugino und Lorenzo Costa: ebd., Pl. 24, 27 u. 33. Vgl. weiterhin W. Liebenwein, Studiolo. Die Entstehung eines Raumtyps und seine Entwicklung bis um 1600, Berlin 1977, hier bes. S. 103-127; Katalog zur Ausstellung Le Studiolo d'Isabelle d'Este, ed. S. Béguin, Paris 1975, S. 22-25; Katalog der Ausstellung Gli Studioli di Isabella d'Este. Documenti, vicende, restauri, Mantua, Archivo di Stato (Mantua 1977. Hierzu und zum folgenden: K. Patz und U. Müller Hofstede, „Bildkonzepte der Verleumdung des Apelles" (Sektion 3: Reproduction, Survival & Oblivion), XXIXth International Congress of the History of Art, Memory & Oblivion - C.I.H.A., Amsterdam, 1.-7. September 1996.