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Entwerfen |
Das Entwerfen, das Herstellen einer
architektonischen Konzeption, wird uns hier beschäftigen.
Allgemein gesprochen handelt es sich um einen Vorgang, der die Verdinglichung des
Geistigen in der Architektur vorbereitet. Wir werden uns mit der Frage beschäftigen,
worin das strukturell Eigentümliche des Entwerfens in der Architektur besteht.
Zunächst aber setzen wir bei jenem metier-internen Mythos an, der da lautet: Das
Entwerfen ist das Gebiet, das uns Architekten eigen ist, der tiefste und beste Grund
unserer Existenz.
Hier fühlen wir uns als "Generalisten", oder "Universalisten", die
aus einem zusammenhanglosen Haufen von Bedingungen und Anforderungen unter Zuhilfenahme
von totem Material mit künstlerischer Hand die lebendige Lichtgestalt formen, die
Architektur heißt.
Schauen wir uns Gebautes an, ob zeitgenössische oder historische Bauten, dann stellen wir
fest, daß, selbst wenn wir nur jenen kleinen Teil betrachten, der tatsächlich von
Architekten, die das klassischen Berufsbildes erfüllen, geplant wird, die verräumlichte
technische und funktionale Ähnlichkeit des Gebauten offensichtlich dem Mythos des frei
schöpferischen Handelns zuwiderläuft. Offenbar sind Kräfte beim Bauen am Werk, die
stärker sind als die Schöpfungskraft des Einzelnen.
Dies ist zwar an sich eine allgemein bekannte Feststellung, jedoch haben die Architekten
sich auch heute nocn nicht mit ihrer Methodik des Entwerfens auf diese Situation
eingestellt. Sie glauben an ihre entwerferische Allmacht, sie erleben die von außen
einfließenden Kräfte häufig als negativ, als das, was ihre Architektur verhindert, die
persönliche ideale Architektur, die zu erreichen wäre, gäbe es da nicht die
Sachzwänge.
Sachzwänge wie Zeitmangel, Geldmangel, unverständige Partner beim Bauen, enge technische
und funktionale Rahmenbedingenen usw. ... Oder die Zeit, das gerade Aktuelle fließt ein
in Form von Stilen, besonderen Interessen etc. ...
Aus dem Unvermögen, den entwerferischen Vorgang zu verstehen, entsteht möglicherweise
ein Faktor, der zur heutigen Krise des Bauens beiträgt. Es könnte durchaus sein, daß in
dem Prozeß des Entwerfens selbst Schwierigkeiten verborgen liegen, die von den
Architekten nicht wahrgenommen werden.
Daher wollen wir uns hier mit dem Entwerfen auseinandersetzen.
Doch zunächst müssen wir ein wenig weiter in unseren Köpfen aufräumen:
Eine beliebte Annahme - mit weitreichenden Konsequenzen - besteht darin, Architektur sei
Kunst, und das "Künstlerische" bedeute ein Feld von
"Selbstverwirklichung", von "persönlichem Gestaltungsspielraum".
An dieser Mär stricken wir Architekten selbst kräftig mit. In den letzten Jahrzehnten
haben wir diesen Mythos des sich verwirklichenden persönlichen Gestaltungswillens wieder
in vollem Glanz auferstehen lassen, wo er doch glücklicherweise für eine Zeit von der
analytischen Schärfe einiger "Moderner" weggefegt worden war. Der
Künstler-Architekt ist uns wieder vertraut: Er hat den genialen Einfall, macht die
brilliante Skizze, die er und/oder seine Mitarbeiter dann "umsetzen". Dabei
herrscht Wahlfreiheit bei Stilen und Techniken. Der Künstler-Architekt kann den
"genius loci" erschmecken und dann"baulich reagieren". Analytische
Arbeit - das umfassende Verstehen der Bedingungen der Aufgabe - beschränkt sich auf das
Anwenden standartisierter Formeln, die mit gestalterischem Dekor überzogen werden. In der
besonderen Auswahl zeigt sich die Persönlichkeit.
Bloße Anschauung plus persönlicher Gestaltungswille genügen als Basis für die Lösung
aller architektonischen Aufgaben. Ergebnis ist die allzubekannte internationale, durch
Technik bewegte Sprachlosigkeit von Bauten, die nichts sagen über ihren räumlichen und
kulturellen Zusammenhang, bestenfalls anregende Selbstgespräche führen.
Man verwechselt in der Architektur Kunst mit Kunsthandwerk. Wir verzieren aber keine
Tontöpfe sondern stellen hochkomplexe - vielleicht "kulturell" zu nennende -
Gebilde her, wo das Zusammenspiel der unterschiedlichen Wirkkräfte, von sozialen und
gesellschaftlichen Einflüssen bis zur Materialtechnologie in einen zweckgerichteten
Zusammenhang gestellt werden (sollten).
Entscheidungen werden auf sehr unterschiedlichen inhaltlichen Ebenen mit
unkontrollierbaren Auswirkungen auf das bauliche Ergebnis getroffen. Denn es gibt keine
nachvollziehbare verallgemeinerbare Verständnisebene. "Wenn die Vernunft schläft
wachen die Dämonen", heißt eine von Goya´s Radierungen. Kein Wunder übrigens,
daß wir nicht nur von Ingenieuren für schlechte Ingenieure, von Künstlern für
unzureichende Künstler, sondern auch von Wissenschaftlern für unbrauchbare
Wissenschaftler gehalten werden: Denn unsere Arbeit entbehrt jeder nachvollziehbaren und
verallgemeinerbaren Grundlage. Es gibt keinen "body of knowledge", der eine
Referenzebene bildet. Es gibt keinen, nicht einmal einem bestimmten Denksystem immanenten
kumulativen Wissenfortschritt. Es gibt keine Kriterien, kaum substanzielle Kritik und kaum
produktiven Diskurs. Dummköpfe werden für Genies und Genies oft für Dummköpfe
gehalten. Wir haben unser eigenes musil´sches "Kakanien" bereitet.
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Eine kleine Vision |
Eine besondere Form von werkzeughafter Architektur
entstünde aus der nachvollziehbaren Ergänzung der gebauten Umwelt mittels
zweckgerichteter Eingriffe, mit dem Ziel der Verbesserung der "Kunst des Lebens"
(im Sinne von A.N. Whitehead). Der Architekt versenkt sich in das Erforschen der
gedanklichen Strukturen dieses Eingriffes, basierend auf seiner spezifischen Beziehung zu
dem vorhanden baulichen wie kulturellen und historischen Kontexten und auf den besonderen
Bedingungen seines Entstehens. Er löst das Persönliche aus dem Allgemeinen. Er liefert
das Wissen für den nächsten Eingriff. Es entsteht Fortschritt.
Wir müssen den "Bauch des Architekten", den persönlichen planlosen
Gestaltungwillen, dorthin verbannen, wo er hingehört: in den Bereich der Tontöpfe.
Architektur ist kein Kunsthandwerk.
Architektur wird mit dem Kopf gemacht oder findet nicht statt. |
Entscheidungsketten |
Doch genug des Lamentierens.
Wir setzen bei der unzeitgemäßen Vorstellung an: der Möglichkeit vernunftgemäßen
Handelns in der Architektur. "Vernunft" wird hier nicht als Begriff mit
philosophischer Breite gebraucht, sondern als sprachliches Vehikel zur Umschreibung einer
zweckgerichteten Tätigkeit, die im weitesten Sinne zur "Verbesserung des
Lebens" (nach A. N. Whitehead) führt. So kann man einen architektonischen Entwurf,
der sich offenbar aus vielen Einzelgedanken und Entscheidungsschritten zusammensetzt, so
entwickeln, daß eine zusammenhängende, auf den vorgenannten Zweck gerichtete und dabei
nachvollziehbare gedankliche Struktur entsteht. Produkte eines solchen Entwerfens sind
Gebäude, die sich durch eine hohe "Transparenz" auszeichnen, denn sie eröffnen
dem Betrachter/Bewohner die Möglichkeit, in ihr "Inneres", in das tragende
gedankliche Gerüst "hineinzuschauen". Sie sind damit dem Werkzeug verwandter
als dem Werk.
Diese Art des Entwerfen ist seltener anzutreffen als man annehmen könnte: Viele
Archítekten berufen sich zwar auf ihre "Entwurfskonzeption", ihr gedankliches
Gerüst, wohinter sich aber oft ein undurchsichtiges Gewebe sich verbirgt, wo spontane
Einfälle, Zeitgeistiges und Persönliches sich planlos vermischen mit objektivierbaren
Sachentscheidungen.
Ziel des Entwurfsprozesses ist nicht eine bestimmte Form, sondern die möglichst
umfassende bauliche Präzisierung eines spezifischen Werkzeuges zu dem Zweck der
"Verbesserung des Lebens".
Selten findet man in der Architektur einen Zusammenhang, der nicht nur für andere
nachvollziehbar ist, sondern wo das Nachvollzogene, das bloß Zusammengestellte wirklich
übertroffen wird durch das Auftreten weiterreichender Bedeutungen, die der Verbesserung
des Lebens dienen.
Wir sehen das Persönliche, Künstlerische also primär in der Bewältigung von
zweckgerichten Entscheidungsschritten sich verwirklichen und weniger in der Entwicklung
und Anwendung von eigenen Gestaltungsabsichten. Nur das Metier der Architektur ist durch
das Mittel des konzeptionellen Denkens in der Lage, alle auf das Bauen einwirkenden
Kräften und Faktoren zu einem bedeutungsvollen Ganzen im obergenannten Sinn
zusammenzuführen.
Die Umkehrung des Vorganges, das Rückführen des Wahrgenommenen auf ihm die
zugrundeliegenden Strukturen, führt zu der Frage, welches die Mittel sind, um das einer
Situation, einem Ort, innewohnende Architektonische, das auf seine Formulierung wartet,
herauszuarbeiten und zur Entfaltung zu bringen. |
Entscheidungskette,ein
Beispiel |
Die Konsequenzen für das architektonische Entwerfen
möchte ich anhand eines Beispiels erläutern. Es beschreibt Ausschnitte aus einer
entwurflichen Entscheidungskette zu einem realisierten Projekt. Diese Realiserung liegt
nun schon einige Jahre zurück. Seitdem war es nicht mehr möglich, Entscheidungen beim
Entwerfen auf diese radikale Weise zu fällen. (Ein solches Verfahren setzt z.B. wegen der
bis zur letzten Minute zu wahrenden Offenheit der Entwurfsentscheidungen ein besonderes
Vertrauen zwischen Bauherrn und Architekten voraus.)
(Projekt: B. Braun A, Melsungen, Stirling-Wilford-Nägeli, (1987-92))
Ein Tal in einem typischen mitteldeutschen Hügelland, bebaut zwar, durch eine querende
ICE-Trasse verunstaltet, aber noch ordentlich räumlich erhalten. Die Talsohle und der
Hang sind bis zu einer gewissen Höhe von Wald gerodet und landwirtschaftlich genutzt. Die
Hügelkronen sind bewaldet.
Eine Fabrikanlage ist zu planen von einer Größe, die das Tal räumlich erheblich
verändern wird, d.h. es in seiner Form beeinflussen wird. |
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1. Schritt: Es fällt die erste Entscheidung, der
selbterzeugten Formschwächung des Tales entgegenzuwirken, in dem Teile der zu
im-plantierenden Gebäudeanlage die Talform im großen Maßstab mit dem Gegensatz Gerade -
Gebogen unterstreichen und so der "störenden" Wirkung der baulichen Anlage
entgegenwirken. |
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2. Schritt: Die Gebäudeanlage wird intern durch das
gleiche Element - eine lange Wand - auch intern in ein "vor der Wand" und
"hinter der Wand" unterteilt, was wiederum zur räumlichen Bestimmung von zwei
"Territorien" - "internes Fabikgelände" und "umgebende
Land-schaft" genutzt wird. |
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3. Schritt: In dieser Grundsituation fällt einem
Gebäudeteil ergänzend die Aufgabe zu, die Form der Landschaft in einem bestimmten lokal
wirksamen Bereich, weit sichtbar im Talraum nachzubilden. Dies dient dazu, den vorherigen
Schritt zu verstärken und außerdem die Haltung zur Landschaft, sie als
formal-geometrische Vorgabe zu begreifen, zu offenzulegen. |
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4. Schritt: Die sich ergebende Form für das betreffenden
Gebäude-teil ist ein Kreisbogensegment. Der Kreisbogen leitet sich aus der Form eines ihm
vorgelagerten kleinen Hügels ab, der wie eine Verkehrsinsel in der Talsohle liegt und im
kleine das räumlich nachbildet, was im Großen, im Maßstab des Tales, vorgenommen wird.
Das Kreisbogensegment ist im Tal weithin sichbar auf Stützen gestellt und verweist so auf
die gestalterischen Grundlagen. |
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5. Schnitt: Der Kreisbogen verdankt seine Entstehung also
einer Entscheidung im landschaftlichen Maßstab. Seine Form hat daher für die interne
Geometrie der restlichen Anlage keine Bedeutung. Dies wird folglich darin gezeigt, daß
man die unterschiedlichen Geometrien - Kreisbogen der Landschaft und Rechteckgeometrie der
internen Anlage - aufeinanderpallen läßt, d.h. sie nicht vermittelt. |
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6. Schritt: Der Kreisbogen hat eine Sonderstellung in der
Anlage: Er ist "nach außen gerichtet", und steht zwischen den Territorien
"interne Fabrik" und "Landschaft". Er bildet eine räumliche Brücke
zwischen den beiden Territorien. Daher wird das Gebäude selbst als eine Brücke
entwickelt, eine Brücke über die Geometrie der internen Anlage und in der Form der
Landschaft. Beide werden so miteinander räumlich verschränkt. |
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7. Schritt: Die Brückenfunktion wird in eine
konstruktives Tragsystem umgesetzt. Der Bau muß technisch wie eine Brücke funktionieren.
Hierwird die Analogie einer Straßenbrücke angewendet: Das Band der Straße setzt
mitttels beweglicher Lager auf die Pfeiler auf: ein vertrautes Bild. Der Bau macht das
Gleiche: Alle Krafte aus dem Baukörper werden auf punktförmige Lager zusammengeführt
und visualisiert durch eine Kegelform. Das Tragwerk entspricht technisch dem eines
Straßenbauwerks. |
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8. Schritt: Da die Form des Gebäudes offenbar wichtig ist
im Gefüge der Gesamtanlage, muß diese auch in allen Witterungslagen und
Lichtverhältnissen, tags wie nachts, gleichermaßen wahrnehmbar sein. Dies geschieht
einerseits durch eine bestimmte Wahl von Öffnungen (Fenstern), andererseits durch die
Behandlung seiner Oberfläche. Das Gebäude beherbergt eine Anzahl von flexibel zu
unterteilenden Büroräumen. Das bedeutet, daß die Fenster auf der Raumseite im Abstand
halber Büroachsen Anschlüsse von Trennwänden ermöglichen müssen, also im Idealfall
eine bandartige Struktur mit vielen Anschlußmöglichkeiten aufweisen sollten, auf der
Außenseite aber dürfen die Fenster des in der Landschaft sich weithin zeigenden
Baukörpers - auch nachts - nicht störend ihn zerteilen. Die Entscheidung ist folglich,
eine Fenstergeometrie zu entwickeln, die beide Fenstertypen - Bandfenster und
Einzelfenster - miteinander verbindet. |
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9. Schritt: Aus 8 folgt, daß ein Material zu wählen ist,
das gegen Veränderungen unempfindlich ist, in diesem Fall Edelstahl. Zur Oberfläche
fällt folgende Entscheinung: Die klimatischen Verhältnisse verlangen eine gedämmte
Hülle für den Baukörper. Diese wird gezeigt, indem die äußere Hülle als Haut sich
zuerkennen gibt: Die Verkleidungsbleche werden so aufgebogen, daß sie als Schuppung sich
zu erkennen geben. Die Schuppung wird dadurch unterstrichen, daß die Bleche der
Verkleidung nicht gebogen, als abgeleitet, sondern gerade, also eigenständig sind. Die
Haut unterstreicht die tektonische Bedeutung des dahinterliegenden Baukörpers. |
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10. Schritt: Die eigentliche Oberfläche wird durch
verschiedene Be-strahlungsverfahren so aufgeraut, daß das auftreffende Licht
gleichmäßig in allen Winkeln reflektiert wird. Dies führt dazu, daß das Sonnenlicht
den Baukörper nicht "zerteilt", sondern die Form stets gleichmäßig sich
abzeichnet. |
Eine Kette |
Dies sind einige ausgewählte Schritte aus einem
spezifischen Entwurfsprozeß. Sie verbinden die Maßstabsebenen 1/100 000 mit der
Maßstabsebene 100 000/1. Sie ergeben aneinandergereiht, eine Kette von Entscheidungen,
die, soweit möglich, auch durch den Betrachter nachvollziehbar wird. (Die
Nachvollziehbarkeit verlangt gelegentlich, daß zusätzliche, eigentlich für die Sache
nicht wesentliche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Diese in der Architekturtheorie oft
untersuchte Komplikation soll uns hier nicht beschäftigen.)
Es kommen noch viel weitere, hier nicht explizit dargestellte Entscheidungen und
Zwischenschritte hinzu. Sie alle unterstützen den Grundgedanken indem sie sich innerhalb
einer vorgegebenen Struktur bewegen. ....
Die Konsequenzen einer solchen Vorgehensweise sind vielfältig.
Eine aktuelle sei hier erwähnt, gibt es Entscheidungsketten beim Entwerfen, wird es auch
die Möglichkeit der analytischen Arbeit geben und hier sehe ich besondere Möglichkeiten
für die Zukunft. |
Aktualität des Themas |
Der Entwicklung von nachvollziehbaren Entscheidungsketten
bekommt Aktualität, wenn wir uns zukünftige Aufgaben unseres Metiers anschauen. Kurz
läßt sich die heutige bauliche Umwelt-Situation so charakterisieren:
Unsere Lebensumwelt wird überwiegend bestimmt durch eine stetig zunehmende Masse von
Bauten, denen nicht nur eigene gestalterische Qualitäten fehlen, sondern die auch nicht
auf das Erzeugen eines baulichen Zusammenhang ausgelegt sind. Diese gewaltige, kaum
gestalterisch beeinflußbare Masse stellt ein großes materielles Kapital einer
Gesellschaft dar, aber auch eine extreme Belastung.
Diese Bau-Masse muß, da sie im Allgemeinen weder in Bezug auf ihre Lebensdauer oder auf
ihre Weiterverwendung bewußt geplant wurde, sondern einzig auf die Optimierung der
momentanen Be-friedigung der individuellen Bedürfnisse ausgelegt ist, entweder er-halten,
nach und nach modifiziert oder abgebrochen und ersetzt, ihre Materialen recycelt werden.
Das alles muß unter marktwirtschaftlichen Bedingungen realisiert werden.
Die Bau-Masse hat ein räumlich stark ausgedehntes, in Zentraleuro-pa beinahe schon
vollständig zusammenhängendes Gebiet unklarer Lebensqualität erzeugt. Die technische
und nutzungbedingte Not-wendigkeit des Ersetzens/Veränderns dieser Masse, ein
gigantisches quantitatives Problem, birgt nun die Chance, auch qualitative Verbesserungen
zu erreichen. Die jährliche Zunahme des Baube-standes von ca. 1-2%, sofern sie überhaupt
weiter anhält, wird aber nicht ausreichen, diese ungeheure und alles erdrückende Masse
entscheidend zu verändern und zu verbessern. Man muß folglich unmittelbar an ihrer
Qualitätsverbesserung arbeiten (unter Berücksichtigung eines angemessenen Einsatzes der
Mittel). Auf eine Formel gebracht: Die Optimierung der Interessen des Einzelnen, der
einzelnen Organisation bestimmt in hohem Maße den Lebensraum der Gemeinschaft. Diese
Verhältnisse müssen umgekehrt werden. Wenn schon unter den Gegenwarts-(Gegenwerts-?)
Architekten die Meinung herrscht, das Bauen diene der Verwirklichung privater
Ge-staltungsabsichten, so kann doch bei der Diskussion über eine generelle Verbesserung
der Umwelt eine rationale Beurteilungs- und Handlungsebene installiert werden.
Die Frage nach der Qualität (oder der Quantität der Qualität nach van Eyck) - erzwingt
eine weitgehend objektive Behandlung des Gegenstandes. Wir können diesen riesigen
Baubestand analytisch erfassen und an Methoden und Wegen der Verbesserung seiner Qualität
arbeiten. Entscheidungsketten sind hier, als analytisches Instrument angewendet, ein
Hilfsmittel. nä 4/99Literatur: Nägeli/Vallebuona:
"Eine Fabrik in Melsungen"; Wasmuth, Tübingen 1992 |
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