Thema
4. Jg., Heft 1
Mai 1999

  Entwerfen
Kreativität und Materialisation

Inhaltsübersicht 1) Materialität von Gegenstand und Prozeß
-Die Erfindung als eine Feier des Materialen (Myriam Blais, Montreal)
-Veränderte Bedingungen: Sie verändern die Handlung, sie verändern die Bedeutungen (Jorge Carvalho, Porto)
-Architektur und Projektgraphik (Valentin Goroshankin, Charkow)

2) Entwurfslehre, Bauprozeß und Architekturausbildung
-Bau Architektur und Design Architektur -Ein integrierter Entwurfs- und Konstruktionsprozeß (Hajo Neis, Berkeley)
-Entwurfsstile und Lehrziele - Ansätze zu einer integrierten problemorientierten Architekturentwurfslehre (Ralf Weber, Dresden)
-
Projektierung und Eigenprojektierung der Architektur (Robert Špacek & Marian Zervan, Bratislava)
-Gestaltprinzip in der Entwurfstheorie und anschauliche Kategorie (Sander W. Wilkens, Berlin)
-
Entwerfen und Architekturausbildung an der Staatlichen Bauuniversität Moskau unter neuen ökonomischen Bedingungen in Russland (A.K. Solovev, Moskau)

3) Phänomenologie des Entwerfens
-Entwerfen im Entwurf (Burkhard Biella, Duisburg)
-Prämissen für eine Auseinandersetzung mit „Entwurf/Entwerfen" (Joachim Ganzert, Biberach)
-Architektur ist Entwurf (Alban Janson, Karlsruhe)
-Das Entwerfen – ein vorausschauendes Bespielen des architektonischen Raumes (Thorsten Bürklin, Karlsruhe)
-Die Konstruktion der Idee und ihre Werkzeuge (Christof Ehrlich, Berlin)

4) Entwurfsgeschichte
-Jenseits der Logik: Kreativität in der Architektur als Technê und Rhetorik in der europäischen Tradition (James McQuillan, Cambridge)
-Der Architekturentwurf einer rationalistischen Utopie - Das Beispiel der Ural Stadt Nadeshdinsk, einer industriellen Kolonie von St. Petersburg (Lyudmila Kholodova & Oxana Makhneva, Ekaterienburg)
-Die Architektonik der Intertextualität - Möglichkeiten der Entwurfsinterpretation (Jury Volchok, Moskau)
-Zum Begriff des Entwerfens (Astrid Schmeing & Lena Kleinheinz, London)

5) Der Entwerfer
-Das architektonische Entwerfen: zwischen Normativen und Konzeption (Svetozar Zavarihin, St. Petersburg)
-"In welchem Stile sollen wir entwerfen?" (Jörg Schnier, Dresden)
-Bändigung des Entwerfers (Gottfried Schlüter, Cottbus)

6) Rationalität und Prozessualität des Entwerfens
-
Entscheidungsketten (Walter Nägeli, Berlin)
-Entwerfen im Spannungsfeld von Methodik, Heuristik und Kreativität (Gerhard Banse, Potsdam)
-Entwerfen in EDV-gestützten nachhaltigen Architekturprozessen (Martin Pfeiffer, Hannover)
-Sechs Werkzeuge des Entwerfens (Christian Gänshirt, Cottbus)
-Das Ende - Eine Absage an das Theoretische im Entwurf (Tobias Hammel, Berlin)
-Der Kunst ihre Freiheit (Dörte Kuhlmann, Wien)
-O.M.A. bei der Arbeit (Philipp Oswalt & Matthias Hollwich, Rotterdam)

1) Materialität von Gegenstand und Prozeß
Myriam
Blais

(Montreal)
Die Erfindung als eine Feier für das Materiale

In diesem Artikel geht es um die Möglichkeit, Technologie als eine Feier aufzufassen. Diese Position bezieht sich auf die Werke des Arztes und Schriftstellers Francis Rabelais und des Architekten Philibert de l´Orme, die beide im 16. Jahrhundert lebten. Ihnen verdanken wir die Anregung, einen Raum für eine solche Feier zu schaffen.
Zunächst wird erörtert, was Rabelais und de l´Orme unter Erfindung verstehen. Hierzu definieren sie zunächst den ´Namen´ und die Arbeitsweise des Architekten. Im nächsten Schritt werden spezielle Bilder untersucht, mit denen sie illustrieren, wie Technologie Erfindung möglich macht.
In einem dritten Schritt werden Geschichten untersucht, die de l´Orme erzählte, um seine Erfindungen als solche zu legitimieren. Ich greife diese Geschichten über Erfindungen auf, da sie die Materialien als ´die andere Hälfte´ des Architekten in der Produktion von gebauten Werken feiern.
Dem allem liegt zu Grunde, daß Rabelais und de l´Orme eine Beziehung zwischen ihrem Werk und den damit lebenden Menschen annahmen. Dementsprechend entwickelten de l´Orme und Rabelais genauere Vorstellungen darüber, wie durch Technologie ein Austausch und ein kreatives Aufeinandertreffen von Gedanken und Materialien zustande kommt.

[Dateianfang]

  Jorge
Carvalho

(Porto)

Veränderte Bedingungen: Sie verändern die Handlung, sie verändern die Bedeutungen

Entwerfen wird als ein mit kulturellen Rahmenbedingungen innig verwobener Prozeß beschrieben, der jedoch seine spezifischen Schwierigkeiten und Möglichkeiten behält. Der Text ist aus der Perspektive des Entwerfers geschrieben, der die Arbeitsbedingungen, Intentionen und Ausdrucksmittel anderer Architekten beobachtet. Zwei Arbeiten, von Fernando Távora und Eduardo Souto de Moura werden im Detail in Hinblick auf diesen Prozeß analysiert. Selbst innerhalb einer bestimmten konzeptuellen Linie und der Arbeit unter ähnlichen Umständen entwickeln die Architekten verschiedene Bedeutungen für die Architektur, die jeweils bedingt und stimuliert sind durch die Veränderungen in den grundlegenden Arbeitsbedingungen.

[Dateianfang]

Valentin
Goroshankin

(Charkow)

Architektur und Projektgraphik

Mit Hilfe der graphischen Modellierung der Form gestaltet der Projektant die Produktion und den Gebrauch von Objekten und Gebäuden. Jedoch erweisen sich seine graphischen Entwurfsprozeduren als Mittel der Formengebung und werden zu einem unveräußerlichen Teil dieses Objekts, zu seinen spezifischen Attributen.
Die Fassade - ein materialisierter Bestandteil der Zeichnung - sowie auch andere Projektionsarten (die Axiometrie und die Perspektive) bestimmten den Gegenstand der Architektur in der neueuropäischen Kultur. Der abstrakt-graphische Code setzt die Korrelation zu traditionellen Werten voraus. Die Suche nach Bedeutungen dieser Art erweist sich als ein Problem der Architektursprache.

[Dateianfang]

2) Entwurfslehre, Bauprozeß und Architekturausbildung
Hajo Neis

(Berkeley)

Bau-Architektur und Design-Architektur - Ein integrierter Entwurfs- und Konstruktionsprozeß

"Traditionally, every era has manifested a unitary organizational strategy called a zeitgeist, or spirit of the times. Architecture has always had the capacity to both mirror and be driven by the zeitgeist...What characterizes the Rome of Sixtus V, Hausmann's Paris, or the work of Le Corbusier, whether mirroring or transforming, is that their plans derived from a singular body politic, an operating and animating principle where a unitary world view was possible. Now, ironically, at a time when the entire world can be seen as part of a singular operating network, such a singular world view is no longer possible. There is no one body politic and, thus, no single zeitgeist."  (Peter Eisenmann, "Confronting the Double Zeitgeist", Architecture, October 1994.)
Der Unterschied zwischen dem, was ich "Bau-Architektur" und "Design-Architektur" nenne, kann man als eine Manifestation des doppelten Zeitgeistes verstehen, in diesem Falle der verschiedenen Einstellungen, Philosophien und Praktiken unserer Zeiten im Zusammenhang mit Entwerfen und Bauen. Diese beiden Richtungen in Architektur und Entwerfen werden theoretisch und an praktischen Beispielen untersucht. Schließlich wird ein ´integrierter Entwurfs- und Konstruktionsprozess´ mit seinen möglichen Auswirkungen auf Kreativität und Materialisation diskutiert.

[Dateianfang]

Ralf
Weber

(Dresden)

Entwurfsstile und Lehrziele -
Ansätze zu einer integrierten problemorientierten Architekturentwurfslehre

Verschiedene Dilemmas aus den mit der Institutionalisierung der Architekturlehre entstandenen Ausbildungsstrukturen werden beschrieben, und zwar insbesondere das mangelnde Problembewußtsein für eine Entwurfssituation, die fehlende Komplexität der Bearbeitung eines Projektes sowie Defizit an Bewertungsmaßstäben für Studienprojekte. Es wird argumentiert, daß die Entwurfssituation beim Studienentwurf unter keinen Umständen auch annähernd eine Simulation des Entwurfsprozesses in der Praxis der Architektur sein kann, und somit die Annahme, daß man an der Hochschule Entwerfen für die Praxis üben würde, ein Trugschluß ist. Am Beginn einer Veränderung der Lehrkonzepte für das Entwerfen muß die Akzeptanz der Unfähigkeit der Lehre, Studenten für die Herausforderungen der Realität durch eine Simulation dieser vorzubereiten, stehen. Stattdessen sollte die Hochschule ihr Potential erkennen, durch vergleichende, systematische Auseinandersetzung mit verschiedenen Entwurfsstrategien Studenten auszubilden, die Entscheidungen intelligent und fundiert treffen können.  

[Dateianfang]

  Robert
Špacek
,
Marian
Zervan

(Bratislava)

Projektierung und Eigenprojektierung der Architektur

In diesem Beitrag werden allgemein-philosophische, speziell-wissenschaftliche und architektonische Bedeutungen von „Projekt" und „Projektierung" diskutiert. Aus dieser Diskussion folgt, daß man eine Verschiebungen von allgemein-philosophischen zu speziell-wissenschaftlichen Bedeutungen sowohl in der Architekturausbildung als auch in der Architekturpraxis beobachten kann. Das Projekt als eine Disposition von Möglichkeiten, als eine Absicht, wurde durch die Bedeutung des Ausführungsprojekts schrittweise verdrängt und die Projektierung wurde ähnlich auf reine Projektion transformiert: das Definitive und das Abgeschlossene werden zu Architekturattributen  vor allem von technischen Werken. Als Folge dieser Entwicklung wird das Werk vorzugsweise als eine Sache gesehen und die Fähigkeiten zur Eigenprojektierung der Architektur als Disziplin geht verloren. Im Gegensatz zu diesen Tendenzen wendet sich die Aufmerksamkeit der Autoren auf solche Projektierungstrategien, die in letzter Zeit in der Theorie, den Projekten und der Realisation auf das Bedürfnis hinweisen, die Projektierungstätigkeit und das Projekt in Richtung allgemein-philosophischer Bedeutung zu verstehen, und die versuchen, das architektonische Projekt und die architektonische Projektierung als ein Prozeß und eine Prozeßzwischenphase abzugrenzen, in welcher neben der Werkauffassung als einem Spektrum realisierter und akzeptierter Möglichkeiten eine Rolle vor allem dem Moment des Beginns, der Relativität, der Ungeschlossenheit, der Projektion „des Unprojektierbaren" zugewiesen wird. Sie verstehen das architektonische Projekt als ein Projekt der Rezeptionsmöglichkeiten mit direktem Bezug auf Eigenreflexion und Eigenprojektierung der architektonischen Ausbildung und des architektonischen Denkens.  

[Dateianfang]

Sander W.
Wilkens

(Berlin)

Gestaltprinzip in der Entwurfstheorie und anschauliche Kategorie

Der Aufsatz wendet sich an Architekten und Philosophen, Theoretiker der Kunst und des Design. I. In der gegenwärtigen Entwurfslehre und Architekturtheorie gibt es eine Richtung, die einen Baukörper nach den Prinzipien Kubus, Dach, Wand, Stabwerk und Sockel auffaßt (E.Gerber unter Berufung auf Mies van der Rohe). Ihre - emanzipierte - Bedeutung geht auf die Bauhaus-Philosophie zurück. II. Der Geltungsbereich dieser Prinzipien ist tatsächlich unbegrenzt: er ist nicht nur für Baukörper, sondern für eine Vielzahl ursprünglich handwerklicher, später industrieller Produktion wirksam. III. Die philosophische Bedeutung dieser Prinzipien ist den Verstandeskategorien Kants gleichzusetzen. Die Konzeption des Kantischen Erkenntnisbegriffs ist daher zu verwandeln: die Prinzipien sind als genuine Kategorien der Anschauung zu begreifen, und ihre Wirksamkeit beruht auf der Umkehrbarkeit der Bewußtseinsvermögen innerhalb der Erkenntnisrelationen. IV. Ein mathematischer und V. ein logischer Beweis demonstrieren die Konvertibilität aus dem Gestaltphänomen und einem Entwurf Rohes mit unmittelbarer Evidenz für die Entwurfstheorie.

[Dateianfang]

A.K.
Solovev

(Moskau)

Entwerfen und Architekturausbildung an der Moskauer Staatlichen Bauuniversität
unter den neuen ökonomischen Bedingungen in Rußland

Epochen historischer Umwandlungen sind immer mit veränderten Anforderungen und Wachstum der schöpferischen Kräfte der Gesellschaft verbunden, die meist auf Enthusiasmus gegründet sind.
Im November 1995 feierte die Architekturöffentlichkeit Russlands das 75-jährige Jubiläum der Gründung der Hohen Künstlerisch-Technischen Werkstädten (WCHUTEMAS), die 1920 den Anfang der kuenstlerisch-technischen Ausbildung in Rußland markiert hatten.
Die neue ökonomische Situation nach dem Ende des Kommunismus (1920 begann die Neue Ökonomische Politik – NEP - und das blühende Wachstum in Sovietrußland) wurde zum Anlaß für die Entwicklung der neuen Schule der Projektierung, die ähnlich dem Bauhaus in Deutschland Kunst und Industrie, architektonische und künstlerische Ideen sowie technische Umsetzung verband.
1994 begann in MSBU die Wiedergeburt des Berufsbildes, das von WCHUTEMAS 1920 geschaffen worden war. Selbst die Berufsbezeichnung "Ingenieur-Architekt" zeigt schon, daß hier Architektur und Technischer Erfindungsreichtum verbunden sind. Der heutige Bedarf im Bauwesen Rußlands diktiert die Vorbereitung von solchen Spezialisten, die selbst die Architekturkonzeption und ihre technische Umsetzung ausarbeiten, das Projektmanagement und die Bauaufsicht durchführen. Die grossen Projektinstitute werden inzwischen in kleine spezialisierte Projektbüros umgewandelt. Fast alle Bauuniversitäten Rußlands haben großes Interesse an diesem Berufsprofil gezeigt. Die ersten Studenten haben ihren Abschluß gemacht und arbeiten seit 1998 als Ingenieurarchitekt z.Z. in den führenden Projektierungfirmen Moskaus und in ausländischen Baufirmen, die z.Z. in Moskau tätig sind.

[Dateianfang]

3) Phänomenologie des Entwerfens
Burkhard
Biella

(Duisburg)

Entwerfen im Entwurf

Der Entwurf des Architekten ist individuell-existentielle Maßnahme als Maßgabe und Angebot im sozialen Kontext, im Kontext von Natur, Technik und Kultur, Angebot für die Entfaltung der Individualität des Anderen in dessen Wohnen. Entwerfen ist Bedenken der anderen Existenz auf der Folie des Entwurfs der eigenen Existenz. Entwerfen gehört wesentlich zur Praxis der Architektur, der ein ethisches Moment innewohnt, das die Handelnden, wie in aller philosophisch verstanden Praxis, auf die Verständigung über das eigene und gemeinsame gute Leben verpflichtet, und sei es, daß die Verständigung kontrafaktisch unter Annahme einer idealen Kommunikationsgemeinschaft (sprich Nutzer- bzw. Wohngemeinschaft) durchgeführt wird. Es ließe sich durchaus eine Form des kategorischen Imperativs für die Architektur formulieren: Baue stets so, daß dein Entwurf die räumliche Offenheit schafft, die jedem anderen die Entfaltung der eigenen Individualität ermöglicht, die du dir selbst wünschst.

[Dateianfang]

Joachim
Ganzert

(Biberach)

Prämissen für eine Auseinandersetzung mit „Entwurf/Entwerfen"

Eine heutige Auseinandersetzung mit „Entwurf/Entwerfen" muß dem grundsätzlich-fundamentalen Denk- und Gestaltansatz der Moderne entsprechen, wobei sich Moderne am Ende des 20. Jahrhunderts anders zu definieren hat als zu Beginn dieses Jahrhunderts. Das Ende des 20. Jahrhundert. ist gekennzeichnet durch einen „Globalisierungsprozeß", der nicht eindimensional-ökonomisch verstanden werden kann, sondern, unserem Wissens-, Vergleichs- und Erbkontext entsprechend, nur als ein mehrdimensionaler Erweiterungs- und Wandlungsprozeß aus ideologisch-politischen Wahrnehmungsbeengtheiten in angemessen große Kultur- und Geschichts-Räume. Die Dimension der Zeit und d.h. der Geschichte und Kultur gehört notwendig zur Definition eines solchen „Raum"-Begriffes, der den Begriffen „Entwurf" und „Architektur" zugrundeliegen muß. Innerhalb dessen ist ein Wahrnehmungs- und Urteilsvermögen zu erarbeiten, das als ein zentrales Anliegen „Angemessenheit" definiert und einen differenzierten Entwurfs- und Architekturbegriff begründet.

[Dateianfang]

Alban
Janson

(Karlsruhe)

Architektur ist Entwurf

Ausgangsprämisse ist, daß Entwerfen es nicht mit Objekten sondern mit Situationen zu tun hat, da auch unsere Erfahrung von Architektur wesentlich auf die ungeteilte Wirklichkeit von architektonischem Raum und unserer Existenz im Raum gerichtet ist. Ein Charakteristikum architektonischer Erfahrung besteht im ästhetischen Akt des Innewerdens dieser Ganzheit: Wir erfahren die Gemachtheit der Situation von Raum und Handeln als für uns gestaltet. Im Nachvollzug erfahren wir sie als Wertschätzung unserer Situation.
Das Architektonische einer solchen durchdachten Gefügtheit für uns besteht in der Bearbeitung spezifisch architektonischer Sachverhalte, die sich allerdings im Sinne der Ausgangsprämisse nicht auf eine objekthafte Realität beschränken, sondern die existentielle Ganzheit von Raum und Handeln umfassen.
Da also der Gegenstand einer Erfahrung von Architektur wesentlich die nachvollzogene Konzeption eines Gefüges von Raum und Handeln ist, die im Entwurf formuliert wird, ist Architektur im wesentlichen Entwurf und verlangt vom Architekten den Einsatz entwerferischer Fähigkeiten bis in Detail und Ausführung.

[Dateianfang]

Thorsten
Bürklin

(Karlsruhe)

Das Entwerfen – ein vorausschauendes Bespielen des architektonischen Raumes

Zu den ‚harten‘ Daten der Finanzierung, des Bauablaufes usw. gesellt sich im Entwerfen und Bereitstellen von architektonischem Raum weiterhin ein traditionell ‚humanistisches‘ Motiv: das Bauen als ein Einräumen und Raummachen für das Handeln und Verhalten des Menschen nach dessen eigentümlichen anthropologischen – leiblichen wie geistigen – Erfahrungsmodi, die, über alle Veränderungen der Bauorganisation, des Entwurfsprozesses und der dabei verwendeten Mittel usw., erhalten bleiben. Die nicht hintergehbare Eingelassenheit in den architektonischen Raum verlangt als zentrale Aufgabe des Entwerfens daher ein vorwegnehmendes Bespielen der räumlichen Disposition aus dem gegenwendigen Blick auf die physiologisch-geistige Verfaßtheit der menschlichen Konstitution. Im vorausschauenden Sich-Einlassen auf diese unabdingbaren Vorgaben kommt das individuelle wie kollektive Handeln und Verhalten – gerade auch in den Weisen des alltäglichen Tuns, d.h des Sitzens, Gehens, Eintretens, Sich-Verweilens, usw. – als wesenhaftes Moment des räumlichen Potentials und somit des architektonischen Entwerfens in den Blick.

[Dateianfang]

Christof
Ehrlich

(Berlin)

Die Konstruktion der Idee und Ihre Werkzeuge

Angesichts der Klage, der architektonische Entwurf werde zunehmend von äußeren Zwängen determiniert, bricht sich auch die Behauptung bahn, mit dem Entwerfen selbst sei es ebenso.
Aus erkenntniskritischer Sicht sind jedoch ein Entwurf (als Werk) und das Entwerfen (als schöpferischer Akt) so grundverschieden, daß hier noch nicht einmal dieselben Methoden der Untersuchung angewandt werden dürfen.
Das Werk kann in der „Welt des Wissens" zum Subjekt der Forschung werden. Der schöpferische Aktist ist davon grundverschieden; er ist als nichtsprachliche Ausdrucksbewegung nicht ohne den körperlichen Aspekt der Materialisierung denkbar.
Während der Entwurf vor allem in die Welt des Wissens gehört, so gehört das Erfinden (Entwerfen) in die Welt des Könnens.
Um einerseits nicht das expressive, nichtdiskursive Moment des schöpferischen Aktes wegzudiskutieren und andererseits sich nicht in einer mythisch-esoterischen Beliebigkeit zu verlieren, muß das wohl wichtigste Bindeglied zwischen Wissen und Können genauer untersucht werden: Das Werkzeug.
Werkzeuggebrauch muß verstanden werden als konstruktiver Akt der Erkenntnis. 

[Dateianfang]

4) Entwurfsgeschichte
James
McQuillan

(Cambridge)

Jenseits der Logik: Kreativität in der Architektur als Technê und Rhetorik in der europäischen Tradition

Die gegenwärtige Architekturszene ist von Verwirrung und Niedergeschlagenheit überschattet und zwischen verheißungsvollen globalen Siegen und regionalen Niederlagen gefangen. Das große Dilemma der modernen Kunst besteht darin, daß sie darin versagt hat, den Determinismus des empirischen Rationalismus und den Mythos des künstlerischen Genius miteinander zu versöhnen.
Einige Überlegungen aus den verschriftlichten Gedanken über Architektur im Werk von Vitruv zeigen die Bindung quantitativen Denkens an das qualitative, oder der Mathematik an die Rhetorik. Das Verständnis der übergreifenden Rolle des christlichen und säkularen Universalismus bis ins 19. Jahrhundert skizziert den Bruch mit der Welt der Bedeutung in der traditionellen Mathematik und ihrer mimetischen Potentiale nach dem Zusammenbruch des Barock.
Der Aufstieg der Moderne sah das Verschwinden des Sensus Communis als die Verbindung zwischen Imagination und Kreation. Dieser Artikel schließt mit einem Aufruf, Vico´s Philologie als Domäne menschlichen Wollens zu verstehen, und kreativ im Bereich des Finiten und der Künste vorzugehen.

[Dateianfang]

Lyudmila
Kholodova
&
Oxana
Makhneva


(Ekaterienburg)

Der Architekturentwurf einer rationalistischen Utopie
(Das Beispiel der Uralstadt Nadeshdinsk, einer industriellen Kolonie von St. Petersburg)

In diesem Artikel wird der Mythos untersucht, St. Petersburg wäre in der Lage, sich selbst zu reproduzieren. Wir werden das Potential eines Kodierungssystems, das aus St. Petersburg stammt, daraufhin untersuchen, ob es in der Lage ist, "angegliederte" Strukturen zu schaffen, und deren Entwicklung genauer betrachten. Wir beziehen uns auf die informelle (volkstümliche) Geschichte der Stadt Nadeshdinsk im Norden des Urals als ein Beispiel für solch eine "angegliederte" Struktur. Die Intellektuellen von St. Petersburg hatten diese Stadt gegründet und wurden zu den Helden der volkstümlichen Überlieferung.
Wir konzentrieren uns auf den Mythos von Nadeshdinsk und dessen Einfluß auf die Schaffung einer bestimmten Sprache des urbanen Raumes. Die neue Stadt im Ural wurde von Reformern aus St. Petersburg gegründet, nachdem der Zar von Rußland das kreative Potential von St. Petersburg erkannt hatte. Die Geschichte und der Mythos der industriellen Kolonie von St. Petersburg kopieren eine Miniaturausgabe der Geschichte der nördlichen Hauptstadt. St. Petersburg und Nadeshdinsk sind untrennbar miteinander verbunden.
Die Untersuchung des Mythos der industriellen Kolonie und ihr Einfluß auf den architektonischen Raum erlaubt uns, einige Schlüsse über die Nützlichkeit der Semiotik in der Forschung zu existierenden Städten zu ziehen.

[Dateianfang]

Jury
Volchok

(Moskau)

Die Architektonik der Intertextualität
(Möglichkeiten der Entwurfsinterpretation)

Das historische Weltverständnis („Raumverständnis" nach P. Florepsky) - besonders im Kontext der Neusten Geschichte, dem ja die heutige Erfahrung der Stadtregulierung zukommt - zeigt sich in den ewigen Schlüsselbegriffen der architektonischen Kreativität „Zeit - Ort - Raum".
Die übermäßige Ausbreitung des unpersönlichen Massenwohnungsbaus in unserem Land während der letzten 40 Jahre verletzte diesen Zusammenhang. Die aktuelle Neuauflage erfordert schon in den Vorphasen der Projekte eingehende Analysen.
Zu allen Zeiten strebte die Philosophie danach, eine universelle Rauminterpretation seiner grundlegenden Begriffe zu finden. Im besonderen die Parabelform bildet die Vorstellungen eines offenen Universums (nach A. Friedmann), der embryonalen Formengebung (nach A. Gurvich) als auch der Entwicklung der Stadt (nach N. Ladovsky u. Doksiadis) treffend ab.
Die Struktur des Parabelkörpers verdeutlicht diese Vorstellung von einem universellen Begriffskörper und unterstützt sehr gut Ladovskys Idee von einer universellen Karkasse zur Gestaltung von Wohnungen in den frühen 30er Jahren. Ein Beispiel dazu finden wir auf der EXPO-70 in Osaka im Pavillon des Architekten K. Kurakava.
Im dritten Viertel unseres Jahrhunderts wurden die Begriffe „Ordnung" und „Chaos" gleichermaßen für die Formengebung benutzt.
Am Übergang zu einem neuen Jahrhundert zeigt sich nun, daß für die Lösung von Entwurfsaufgaben notwendigerweise eine Harmonie im Widerspruch von Ordnung und Chaos gefunden werden muß. Gerade die Intertextualität dient als Grundlage für diese Suche.
Nach meiner Meinung verkörpert die Architektonik der Intertextualität die Begriffe Zeit, Ort und Raum als ein einheitliches Ganzes im Bild einer projektierbaren räumlichen Universalkarkasse, die an einem bestimmten Ort aufgestellt ist.
Eine solche Architektur verwirklicht die Vorstellungen eines konkreten, adressenbezogenen Entwerfens, das die Gesetzmäßigkeiten des allgemeinen und individuellen Begriffs „Autobiographie des Ortes" berücksichtigt und zusammenfaßt - eines Begriffs, der seiner Natur nach auf Intertextualität basiert.

[Dateianfang]

Astrid
Schmeing
&
Lena Kleinheinz

(London)

Zum Begriff des Entwerfens

Unser Beitrag basiert auf Überlegungen resultierend aus der jüngsten Popularität von Diagrammen, die als Mittel zur Generierung von Ideen im Entwurfsprozeß Anwendung finden. Diagramme bilden eine Brücke zwischen Vorstellungen über Architektur und ihrer Relation zum (Post-)modernen Subjekt. Variable Aktivität ist die Antwort auf die Erkenntnis, daß diese sich nicht vorhersagen läßt. Sie soll sich vom Diagramm in das Gebäude fortschreiben. Nachdem wir diese Entwicklungen im ersten Teil unseres Textes aufskizziert haben, zeigen wir an zwei Beispielen, wie Diagramme im Entwurfsprozeß auf unterschiedliche Weise Antworten auf diese finden.

[Dateianfang]

5) Der Entwerfer
Svetozar
Zavarihin

(St. Petersburg)

Das architektonische Entwerfen: zwischen Normativ und Konzeption

Wie jede beliebige Art von Tätigkeit ist das architektonische Entwerfen historisch konkret und typologisch vielfältig. Aber immer existieren beim Entwerfen zwei grundlegende Hauptaufgaben:

  1. die Begründung, Lokalisierung und Modellierung der materiellen, funktionalen, ökonomischen, strukturellen und ästhetischen Parameter des zukünftigen Objekts, des Prozesses oder der Erscheinung
  2. die dokumentative und operative Sicherstellung des Prozesses der Materialisierung des Entwurfs.

Der Autor geht auf Details dieser beiden Aufgaben ein und charakterisiert die Spezifika des Entwerfens bedeutender Architekten der Vergangenheit und Gegenwart.

[Dateianfang]

Jörg
Schnier

(Dresden)

 "In welchem Stile sollen wir entwerfen?"

Diese Frage nach der formalen Ausprägung verrät eine existentielle Unsicherheit über die anzustrebende Gestalt von Entwurfsprodukten. Eine mögliche Erklärung des Ursprungs dieser Frage bietet die Reflexion der theoretischen Rahmenbedingungen des Entwerfens in den verschiedenen Epochen.
Für den Menschen der Antike und des Mittelalters war "das Schöne" eine objektive Eigenschaft des Seins, die Manifestation des Göttlichen in der Welt, sie konnte vom Menschen zwar aufgedeckt aber nicht hervorgebracht werden. Das heißt, lediglich eine methodische Diskussion der geeignetsten Hilfsmittel das Schöne zu ent-decken, war möglich. Die Frage "In welchen Stile sollen wir entwerfen?" aber war ebensowenig sinnvoll wie heute die Frage "In welcher Zeit soll ich leben."
Erst in Folge der kopernikanischen Wende, als Denker wie Kopernikus, Gallilei, Newton, Descartes und Hume den Glauben an die göttliche Harmonie des Universums erschütterten, wurde ein subjektiver Schönheitsbegriff vorstellbar, konnte und mußte die Frage nach dem "richtigen" Stil entstehen.
Der Sicherheit der göttlichen Weltordnung beraubt, sucht der Entwerfer, da das Eingeständnis der Subjektivität eines Entwurfes Kritik herausfordert, diese Kritik mit dem Verweis auf "objektive" Kriterien von vorn herein zu unterbinden. Seitdem ist die Stilgeschichte eine Geschichte der Legitimierungsveruche subjektiver Entwurfsentscheidungen.
Als Vehikel der Rechtfertigung dienen dem Entwerfer unter anderem Traditionen, Stile, Sachzwänge, Ideale, Naturwissenschaft und Philosophie. Sie engen den möglichen Lösungsraum ein und entheben den Entwerfer des Nachweises, Alternativen untersucht zu haben. Die Frage "In welchen Stile sollen wir entwerfen?" ist genaugenommen die Frage nach der Wahl des "geeignetsten" Rechtfertigungssystems für die zu treffenden Entwurfsentscheidungen.
Diese Abschiebung von Verantwortung für eigene Entscheidungen ist eine der Ursachen für die ästhetische Verwahrlosung unserer Umwelt. Nur die bewußte Reflexion darüber, wie Entwurfsentscheidungen zustande kommen, kann dazu beitragen, das Verständnis und die Kontrolle über das Entwurfsergebnis zu verbessern.
Im Zeitalter des Individualismus-Kultes, der subjektiven Definition von Schönheit, müßte die Frage viel eher heißen: "Was ist mein Stil", d.h. welche Qualitäten will ich erreichen und welche Bewertungskriterien lege ich deshalb meinen Entwurfsentscheidungen zugrunde.

[Dateianfang]

Gottfried
Schlüter

(Cottbus)

Bändigung des Entwerfers

Architektonisches Entwerfen entwickelt sich in einem diffusen Spannungsgefüge zwischen Gestaltungsanspruch, gesellschaftlicher Verantwortung und der Verpflichtung zur Lösung der gestellten Aufgabe; zwischen Rationalität und künstlerischer Freiheit. Durchmustert man die bundesdeutsche Rechtsprechung zur Rechtsstellung und zu den Aufgaben des Entwerfers, tritt in seinem Scheitern ein krasser Gegensatz zwischen Privatmythologien und objektivierbaren Anforderungen zu Tage.
Entwerfen, was auch immer das sei, ist freilich nur eine Aufgabe bei der Produktion architekturaler Gebilde. Der akademische Kurzschluß, der Entwurf sei zugleich die Architektur, schlägt also fehl, ohne daß damit das Ende des Entwerfens oder das Verschwinden der Architektur verbunden wäre. Vielmehr markiert die Reduktion des Architekten auf den Entwerfer einen Wendepunkt, an dem auch eine Neubestimmung auch des Begriffs Entwerfen anzusetzen hätte.

[Dateianfang]

6) Rationalität und Prozessualität des Entwerfens
Walter
Nägeli

(Berlin)

Entscheidungsketten

Entwerfen und Vernunft

Hier wird die unzeitgemäße Vorstellung vertreten, es gäbe die Möglichkeit vernunftgemäßen Handelns in der Architektur.
"Vernunft" wird hier nicht als Begriff mit philosophischer Tragweite gebraucht, sondern als sprachliches Vehikel zur Umschreibung einer zweckgerichteten Tätigkeit, die im weitesten Sinne
vernünftig ist, was der "Verbesserung des
Lebens" dient
zur "Verbesserung des Lebens" (nach A. N. Whitehead) führt. So kann man einen architektonischen Entwurf, der sich offenbar aus vielen Einzelgedanken und Entscheidungsschritten zusammensetzt, so entwickeln, daß eine zusammenhängende, auf den vor-genannten Zweck gerichtete und dabei nachvollziehbare gedankliche Struktur entsteht, eine Entscheidungskette.
Transparenz gegen Undurchsichtigkeit Produkte eines solchen Entwerfens sind Gebäude, die sich durch eine hohe "Transparenz" auszeichnen, denn sie eröffnen dem Betrachter/Bewohner die Möglichkeit, in ihr "Inneres", in das tragende gedankliche Gerüst "hineinzuschauen". Sie sind damit dem Werkzeug verwandter als dem Werk.
Diese Art des Entwerfen ist seltener anzutreffen als man anneh-men möchte: Viele Archítekten berufen sich zwar auf ihre "Entwurfskonzeption", wohinter sich aber oft ein undurchsichtiges Gewebe verbirgt, wo spontane Einfälle, Angelerntes und Sich-Anlehnendes, Zeitgeistiges und Persönliches sich planlos vermischen mit objektivierbaren Sachentscheidungen.
Selten findet man in der Architektur einen durchgebildeten Zusammenhang, basierend auf Entscheidungsketten, der nicht nur für andere nachvollziehbar ist, sondern wo das Nachvollzogene auch einen "Sinn" ergibt, indem das bloß Zusammengestellte übertroffen wird durch das Auftreten weiterreichender Bedeutungen, die der "Verbesserung des Lebens" dienen.
Architekten- Verwirklichung
in der Bewältigung von
Entscheidungsketten
Insofern sehen wir das Persönliche, Künstlerische primär in der Bewältigung von zweckgerichten Entscheidungsketten sich verwirklichen und weniger in der Entwicklung und Anwendung von eigenen Gestaltungsabsichten.
Nur das Metier der Architektur ist durch das Mittel des konzeptionellen Denkens in der Lage, alle auf das Bauen einwirkenden Kräften und Faktoren zu einem bedeutungsgebendem Ganzen im obengenannten Sinn zusammenzuführen.

[Dateianfang]

Gerhard
Banse

(Potsdam)

Entwerfen im Spannungsfeld von Methodik, Heuristik und Kreativität

Anliegen ist, zum Verständnis des Entwurfsprozesses beizutragen, indem nach der "Art" der beim Entwerfen, Konzipieren und Gestalten technischer Artefakte ablaufenden geistigen Prozeduren gefragt wird. Ausgangspunkt ist der Gedanke, daß beim Entwurfshandeln methodische ("logische", "algorithmische", "streng planbare", "zwingende" und "routinierte", meist "überindividuelle"), heuristische ("nicht-algorithmische", "unscharf planbare", häufig "individuelle") und kreative (intuitive, auf "gelenkter" Phantasie beruhende, oftmals unterbewußt sich vollziehende und als "Gedankenblitz" sich darstellende) gedankliche Prozeduren bzw. Operationsfolgen wechselwirkend in analysierender wie synthetisierender Absicht wirksam sind. Diese drei "Operationsklassen" werden sodann charakterisiert. Abschließend wird kurz auf den gegenwärtigen Diskussionsstand eingegangen, um vor allem die "heuristische Kompetenz" als "Verbindungsglied" zwischen "allgemeiner Methodik" und "individuellem Vollzug" des Entwurfshandelns sichtbar zu machen.

[Dateianfang]

Martin
Pfeiffer

(Hannover)

Entwerfen in EDV-gestützten nachhaltigen Architekturprozessen

Entwerfen heute, als virtueller, medialer und realer Prozeß, strebt ganzheitliche und nachhaltige Architekturkonzepte für Neu- und Altbauten an. Der Planungs- und Bauprozeß vollzieht sich nicht mehr linear sondern iterativ-integral. Neben dem klassischen Leistungsbild von Entwurfsphasen bis zur Herstellung und Dokumentation von Architektur treten Lebenszyklusbetrachtungen in kaufmännischen, infrastrukturellen und technischen Bereichen von Gebäuden bis zur Rückführung in Wertstoffkreisläufe stärker ins Interesse von Immobilienbesitzern, -betreibern und –nutzern sowie Architekturschaffenden.
Mit dem Entwurfswerkzeug EDV können wir Architekten von der computergestützten Simulation virtuell über die mediale CAD-Entwurfsarbeit, EDV-Gebäudesystemtechnik bis zur CAFM-Gebäudebewirtschaftung nachhaltige reale Planungs-, Bau- Bewirtschaftungs- und Rückführungsleistungen für Gebäude leisten.
Entwerfen fürs nächste Jahrtausend heißt deshalb, sich der neuen Werkzeuge intelligent zu bedienen. Wir Architekten als Steuermänner, -frauen (griech. kybernetis) sollten uns in unser Gesellschaft kompetent diese Stellung wieder zurückerobern, denn globale Akzeptanz und architektonische Qualität stehen im Wandel.
Mein Beitrag zur Frage: Was ist Entwerfen? gibt keine Patentantworten, sondern zeigt, dass der dargestellte Weg das Ziel ist, denn die Realität ist eine Bewegung, die Gegensätze einschließt. Innerhalb dieser Gegensätze eine Ordnung zu entdecken und dieser Ordnung eine Gestalt zu entwerfen, das ist unsere originäre Architektenaufgabe und beantwortet die Frage nach dem Entwerfen aus meiner Sicht.

[Dateianfang]

Christian
Gänshirt

(Cottbus)

Sechs Instrumente des Entwerfens

Den Entwurf eines Gebäudes auszuarbeiten stellt sich als ein langwieriger Prozeß der Annäherung an konkrete Wirklichkeiten dar. Für diese Arbeit stehen uns sechs Werkzeuge zur Verfügung, deren Wirksamkeit und Gewicht je nach den Anforderungen des Entwurfes und den Zielen des Entwerfers variiert. Als Grundlage eines Gespräches über das Entwerfen sollen diese phänomenologisch beschrieben, und ihre gegenseitige Beziehung sowie ihre jeweilige Bedeutung für den Entwurfsprozess untersucht werden.
Beginnend mit dem „analytischen Blick" als Instrument individueller Sensibilität und der kreativen Geste des Skizzierens stellt sich die Frage nach der Entstehung von Ideen: woher „kommt das gefallen" was uns „einfällt"? Über die mathematisch-präzise Abstraktion der Zeichnung und das räumliche Experiment des Modells gelangen wir zu konkreteren Repräsentationsformen des Projektes. Mit wissenschaftlichen und kaufmännischen Berechnungen überprüfen wir von Beginn an die Dimensionierung des Gebäudes. Die verbale Beschreibung schließlich vermittelt die gesellschaftliche Rückbindung eines Projektes bis hin zur öffentlichen Architekturkritik.
Idealisierend könnte man den Entwurfsprozess auf zwei gegensätzliche Weisen beschreiben: Als eine spiralförmige Bewegung, die alle Entwicklungsschritte eines Projektes in logischer Abfolge mit den genannten sechs Instanzen konfrontiert.
Aufgrund der Vielzahl der miteinander verflochtenen Fragen wünscht man sich andererseits, möglichst viele Aspekte eines Entwurfes simultan bearbeiten zu können. 

[Dateianfang]

Tobias
Hammel

(Berlin)

Das Ende - Eine Absage an das Theoretische im Entwurf

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel: Anleitung zur Entwicklung einer Geisteshaltung.
Das Maß der Dinge.
150 Wörter keine 150 Worte.
Die Muttersprache.
Die Verweigerung einer Übersetzung in die Neue Welt.
Der väterliche Wortschatz.
Die Wahl der Waffen: Ausdank, Verwurf, Auspuff, Aufriß, Abriß.
Bildersturm: Ius primae noctis.
Die Sprache: Das Bild meiner selbst.
Die Lust: Einen Grund gibt es immer.
Die Kinderzeichnung: Euter und Raketen.
Die Prediger: Die Vision als Rechtfertigung.
Die Erfindung: Siehe ich mache alles neu.
Sinn und Gefühl.
Die Idee als die erste Wirklichkeit.
Bedingungen.
Die Geisteshaltung als Maßstab.
Wertermittlung.
Die Wahrnehmung als Prüfinstrument.
Zielsetzung.
Der Entwurf als Ausdrucksform.
Zum Nachtisch.
Mutti Kaffee. No nada. No rules.

[Dateianfang]

Dörte
Kuhlmann

(Wien)

Der Kunst ihre Freiheit

Das vorliegende Essay befaßt sich mit dem Konzept der Kreativität und ihrer Bedeutung für die Rolle des Künstlers in der Gesellschaft. In der westlichen Ästhetik und Philosophie wurde die künstlerische Kreativität oftmals mit Freiheit gleichgesetzt. Dieses Konzept scheint den gesamten Bereich der Kunst zu durchdringen, einschließlich solch divergenter Momente wie die Freien Künste, Imagination, die Bewertung von Kunst und der Kreativität des Künstlers. So präsentiert sich die Suche nach Kreativität als eine Befreiung von der Tradition im Sinne sozialer, geographischer oder kultureller Grenzen. Aus dieser Sicht scheint die Kunst (einschließlich der Kreativität) nach Aussage von Arthur C. Danto ihr Ende erreicht zu haben. Die jüngsten Designstrategien in der Architektur reflektieren diesen Prozess insofern, als daß ihre Hinwendung zu den Naturwissenschaften und der Auflösung von Objekt und Autor als letzter Versuch erscheinen, den Grenzen der Kunstwelt zu entfliehen. 

[Dateianfang]

Philipp
Oswalt

&
Matthias
Hollwich

(Rotterdam)

O.M.A. bei der Arbeit

Die beiden Autoren beschreiben den Entwurfsvorgang in dem  Büro O.M.A. von Rem Koolhaas.

[Dateianfang]

Die abgedruckten Texte sind für die nächsten 6 Monate Diskursangebote. Anmerkungen, Anregungen und Kritiken durch Leser können den Autoren der jeweiligen Texte oder der Redaktion per e-mail zugeschickt werden. Die Texte werden dann gegebenenfalls in den 6 Monaten von den Autoren überarbeitet. Am Ende des Diskurszeitraums wird der Artikel dann eingefroren, ist aber weiter zugänglich.

Die Redaktion behält sich alle Rechte, einschließlich der Übersetzung und der fotomechanischen Wiedergabe vor. Auszugsweiser Nachdruck mit Quellenangabe
(Wolkenkuckucksheim,Cloud-Cuckoo-Land,vozdushnyj zamok >/theoriederarchitektur/Wolke/)
ist gestattet, sofern die Redaktion davon informiert wird.

weitere Hefte Heft 1/96: Architektur im Zwischenreich von Kunst und Alltag
(auch als Buch im Waxmann Verlag erschienen: ISBN 3-89325-585-0)
Heft 1/97: Modernität der Architektur. Eine kritische Würdigung

Heft 2/97: Architektur - Sprache
(auch als Buch im Waxmann Verlag erschienen: ISBN 3-89325-652-0)
Heft 1/98: Architektonik und Ästhetik künstlicher Welten
Heft 2/98: Bau und Wohnung - Eine Auseinandersetzung mit Heideggers Aufsatz 'Bauen Wohnen Denken' (1951)

Titelseite