Thema
4. Jg., Heft 2
Februar 2000
 

Kaija Voss

Die Thematisierung der Landschaft - Einige Gedanken zur IBA „Fürst-Pückler Land"

„Das Wesentliche war nicht die Stadt selbst, denn sie war nur ein Punkt an der Erdoberfläche. Das Wesentliche war das Prinzip Stadt, die Moderne, die Zivilisation an sich. Die hatte, das sah Madelene, kein Ende mehr, sie hatte die Erde vollständig eingesponnen. (...) Es gibt kein Draußen mehr,‘ sagte sie. ‚Wenn es noch eine Freiheit gibt, muß sie drinnen zu finden sein.‘ " Peter Hoeg

 

Der in diesem Zitat sehr eindrucksvoll beschriebenen Unendlichkeit der Städte, der Unendlichkeit des Bauens, die ihrerseits aber auch ein Ende bisher dagewesener Werte unterstellt, möchte ich den Versuch eines Ordnungsprinzips, eines ordnenden Werkzeuges entgegenstellen, mit dessen Hilfe der Umgang mit ausgewählten, vielleicht auch besonders sensiblen Bereichen der Erdoberfläche besser beschrieben und geplant werden könnte. Wie kann die Schaffung von Landschaften - innerhalb von Landschaften - durch Interpretation und neue Denkstrukturen, sozusagen mit Hilfe einer Freiheit des „Drinnen" ermöglicht werden? Auf welche Weise sollten Kulturlandschaften, Außenräume, die im Überlagerungsbereich von Architektur, Städtebau und Landschaftsarchitektur bestehen, gestaltet oder sogar neu geschaffen werden?

Die aus dem Mittelalter stammende einstige Trennung zwischen Stadt und Land – damals noch durch unterschiedliche Rechtsbereiche manifestiert - ist zunehmend überholt - in einigen Gebieten etwas weniger, in anderen beinahe vollständig, Tendenz steigend. Die Städte ergießen sich in ihr Umland, breiten sich in die Region aus, lösen sich auf, mutieren zu einem „Einfamilienhaussiedlungs- und Gewerbegebietsbrei". Gegen diese Entwicklung suchte bereits zu Anfang des vorigen Jahrhunderts die Gartenstadtbewegung anzukämpfen. Die Verstädterung ganzer Landstriche führt zunehmend zum Verschwinden historischer Räume und Landschaften, es sei denn, man erhält sie gezielt und geschickt und mit einem gewissen Selbstverständnis. Um dieses zur Erhaltung nötige Selbstverständnis zu erlangen, muß man wissen, was uns historische Raumgrenzen, Stadtgrundrisse und Wegebeziehungen heute bedeuten und Mechanismen die zu ihrer Erhaltung führen können, beherrschen.

 

Die Internationale Bauausstellung „Fürst-Pückler-Land"

In dem Teil der Lausitz, um den es geht, dort wo die IBA „Fürst-Pückler-Land" stattfinden soll, sind die historischen Räume – wenn man sich mit der Charakteristik „historisch" auf die Städte-Landschaft die während der deutschen Ostsiedlung des Mittelalters in dieser Region geschaffen wurde bezieht – weniger durch eine Verstädterung beeinträchtigt oder zerstört worden, sondern durch den Braunkohleabbau. Durch ihn wurde eine besondere Situation, die sogar in einer neuen Topographie gipfelt und die auf einen bestimmten Zweck, dem der Energiegewinnung mit Hilfe von Braunkohlekraftwerken ausgerichtet war, geschaffen. Der Zweck überlebte sich in den letzten Jahren zunehmend, der Umsiedlung von Dörfern folgt die Schließung des Tagebaus, das Ende von Braunkohlengruben. Einige Kraftwerke, die durch ihre weithin sichtbaren Schornsteine und Kühltürme auch Orientierungspunkte in der Landschaft darstellten, sind bereits abgebrochen worden. Die Region hat in den letzten 10 Jahren einen rasanten Wandel durchlebt. Was blieb, ist jedoch an vielen Stellen eine Landschaft, die auf den Betrachter wirkt wie ein Meer, auf dem noch vereinzelt Bagger oder Förderbrücken schwimmen. Es ist bereits eine „Neue Landschaft". Allerdings eine, die zunächst einmal unbequem im Umgang ist und ungeliebt. Ungeliebt bei demjenigen, der einst in ihr arbeitete und nun – welche Ironie – am Rande der Grube steht, ungeliebt auch für den, dessen Haus dort stand, wo nun der Tagebau klafft.

„Neue Landschaften" „Neue Landschaften" haben eine Tradition in der Lausitz. Fürst Hermann zu Pückler-Muskau schrieb am 11. April 1847 aus Branitz:

„Ich büffele unterdessen hier in Branitz wie ehemals in Muskau, um wieder eine neue Oasis in der Wüste zu schaffen, was einmal meine Bestimmung hienieden zu sein scheint. Mein Pfund habe ich in dieser Hinsicht nicht vergraben, und werde vielleicht einmal in einem paradiesischen Thale der Sonne belohnt."„Ich büffele unterdessen hier in Branitz wie ehemals in Muskau, um wieder eine neue Oasis in der Wüste zu schaffen, was einmal meine Bestimmung hienieden zu sein scheint. Mein Pfund habe ich in dieser Hinsicht nicht vergraben, und werde vielleicht einmal in einem paradiesischen Thale der Sonne belohnt." 1

An anderer Stelle ist über ihn zu lesen:

„Aus einer Sandwüste ist unter seinen Händen ein Paradies geworden. (...) Erdbändiger nannte Rahel (Varnhagen, Anm.K.V.) ihn mit Recht. Er hat hier mehr getan, als in Muskau, wo er eine Landschaft vorfand, hier mußte er sie ganz erst schaffen." 2

Nun darf also das „Fürst-Pückler-Land" dem Namen des Visionärs aus dem 19. Jahrhundert Ehre erweisen. Der Umfang des Projektes und die Mittel die zur Verfügung stehen sind natürlich heute ganz andere als zu Pücklers Zeiten. Vergleichbar sind wohl die immensen Schwierigkeiten, mit denen Pückler als Einzelkämpfer, der nur über begrenzte Mittel verfügen konnte, einst fertig werden mußte und die komplizierte Lage, die eine Bauausstellung in einem dünn besiedelten und mit sehr vielschichtigen Problemen behafteten Landstrich zwangsläufig haben muß.


Sinnvolle Konzepte zur Transformation dieser Region müssen auf die unterschiedlichen, einander widersprechenden Problemebenen reagieren können. Das bedeutet, daß weder bewährte Rezepte noch planerische Anarchie zu einem Ergebnis führen werden, welches der Region hilft, den Strukturwandel erfolgreich zu bewältigen. Mit der IBA „Fürst-Pückler-Land" ist die Chance gegeben, eine neue eigene Identität für die Region aufzubauen und, nicht zuletzt, für Bewohner und Besucher einen lebens- und sehenswerten Lebensraum zu schaffen.

Im Ruhrgebiet – genau am anderen, westlichen Ende Deutschlands - versuchen Politiker, Planer und Bewohner schon seit einiger Zeit, neben einer wirtschaftlichen Umstrukturierung, die für die Region neue Arbeitsmöglichkeiten schafft, auch Wege zu finden, eine durch die Industrie geprägte Landschaft zu transformieren. Die Auflösung der Städte in die sie umgebende Region hat hier ein für Deutschland besonders fortgeschrittenes Stadium erreicht. Durch eine übergeordnete Struktur von identitätsschaffenden Elementen soll nicht zuletzt auch dem „urban sprawl" entgegengewirkt werden. Innerhalb der im vergangenen Jahr zu Ende gegangenen IBA Emscher Park, wurde mit den „landmarks", die eine Landschaft thematisch verbinden, ein sehr eindrucksvoller Versuch gemacht, eine „zerfließende" Städte-Landschaft strukturell zu fassen und durch Kunstprojekte neu zu formieren, zu ordnen3. Ordnung bedeutete dabei nicht Harmonie, sondern auch die Kultivierung von Gegensätzen: begrünte Halden, in denen sich Pflanzen und Tiere „ganz natürlich" ansiedeln können, liegen neben bewußt aus Hochofenschlacke gestalteten Plateaus, auf denen Objekte wie der „Tetraeder" oder die „Bramme für das Ruhrgebiet" stehen. Das ehemalige Stahlwerk Meiderich paßt sich tagsüber mit seinen korrodierten Oberflächen den noch bestehenden Stahlwerken und Industriebauten an, des nachts erstrahlt es in bunten Farben, edle Gastlichkeit findet sich hier im alten Pumpenhaus: Kontrast per Konzept.

Auch bei der IBA „Fürst-Pückler-Land" ist es angebracht und geplant, den widersprüchlichen Charakter der Region, zwischen Spreewald-Idylle und Abraumhalde zu erhalten, möglicherweise sogar gestalterisch zu übersteigern.


Gerade die Überlegung, daß sich die durch das Fluten der Tagebaue entstehende Seenlandschaft, der rekultivierte Tagebau oder die Erhaltung von Restlöchern mit zugehörigen Maschinen und Geräten, weder ausschließen, noch als allein zufriedenstellende Konzeptionen gesehen werden dürfen, führt gedanklich weiter, zu einer anderen, vergleichbaren Problematik: Die vor dem Hintergrund von Denkmalpflege und Stadtgestaltung entwickelte Idee der Formulierung von „Stadtthemen" für einzelne Städte des Landes Brandenburg, könnte daher in einer gedanklichen Nähe zur Idee der Schaffung von Einzelprojekten, sogenannten „Aktivposten", im Rahmen der IBA „Fürst-Pückler-Land", gesehen werden. Grundsätzliche Überlegungen zum denkmalpflegerischen Umgang mit der historischen „Städte-Landschaft" des Landes Brandenburg und beim Umgang mit einer von die Industrie und Tagebau geprägten Kulturlandschaft haben Ähnlichkeiten.

 

Historische Städte im Land Brandenburg

Den Ausgangspunkt meiner strategischen Überlegungen bilden die im Mittelalter im Zuge der deutschen Ostsiedlung entstandenen Städte zwischen Elbe und Oder. Sie liegen zum Teil im heutigen Bundesland Brandenburg, zum Teil sogar direkt in der Niederlausitz. Historisch entstandene Räume und Grenzen, werden dort, zwar langsam, aber zunehmend verändert, umbaut, überbaut, verdichtet.

 
Die Städte sind Bestandteil einer zusammenhängenden märkischen Kulturlandschaft. Die Landschaft, als „ein anschaulich sinnvoll ausgrenzbarer Teil der Erdoberfläche"4 umfaßt neben den Städten auch die typischen Dörfer, Gemeinden und Einzelgehöfte, die Wohnhäuser, landwirtschaftlichen Flächen und Wälder, die Flüsse und Seen etc5. Ein wesentliches verbindendes Element und kleines Zentrum dieser Kulturlandschaft ist die „brandenburgische Stadt", mit dem typischen, während der Ostsiedlung entstandenen Grundriß, der Stadtbefestigung, der Stadtkirche, dem Rathaus und dem Marktplatz und soweit vorhanden, der historischen Wohnbebauung. Im ausgehenden neunzehnten und beginnenden zwanzigsten Jahrhundert begann man mit der Anordnung von Villenvierteln, von Industrie außerhalb der Stadtmauern. Einige Städte scheinen noch immer vergangenen Jahrhunderten anzugehören, Einwohnerzahlen von 1200 bis 4000 Einwohnern verdeutlichen dies. Andere Städte wurden unverhältnismäßig vergrößert, wurden Großstädte. Nach 1945 erfolgte eine Neubebauung kriegszerstörter Innenstädte, zunächst mit traditionellen Bauweisen, später zunehmend in der Großblock bzw. Großplattenbauweise. Die wertvolle Bausubstanz der Innenstädte, wurde vielfach dem Verfall und in einigen Fällen dem Flächenabriß preisgegeben. Parallel dazu entstanden neue Wohngebiete außerhalb der historischen Altstadt. Trotzdem blieb die Ausbreitung der Städte in die Region partiell und Brandenburg als Flächenland verhältnismäßig dünn besiedelt. Der Beginn einer starken Bautätigkeit, einer raschen Besiedlung der Landschaft erfolgte nach 1990 in erhöhter Geschwindigkeit. Es kam zur Anordnung peripherer Einkaufszentren und zur großflächigen Ansiedlung von Einfamilienhäusern vor den Städten.


Wirtschaftliche Entwicklungen und damit einher gehende planerische Überlegungen werden in Zukunft zu weiterer Anpassung der Städte an die aktuellen Bedingungen führen6. Dabei gilt es, diesen Prozeß so zu beeinflussen, daß die kulturelle Identität von Stadt und Umland erhalten bleibt.


Die Bedeutung der im Mittelalter entstandenen brandenburgischen „Städte-Landschaft" geht über die einzelne Stadt, deren Innenstadt möglicherweise als Flächendenkmal deklariert ist, das einzelne Denkmalensemble oder das singuläre Denkmal hinaus. Sie ist nicht allein durch die Verbreitung und die typische historische Gestalt von Städten der Ostsiedlung charakterisiert, sondern durch weitere Merkmale - topographische, entwicklungsgeschichtliche, soziale7. Im Idealfall sollte dem Schutz des Einzelobjektes im Ensemble die Einbeziehung des Ensembles in sein Umland, in dem wieder bestimmte Elemente für erhaltens- bzw. schützenswert befunden wurden, folgen. Denkmalpflege wird dabei zum regionalplanerischen Anliegen8 9 und fördert die Identität einer Region.


Allein die Unterschutzstellung von „Landschaftsteilen" reicht jedoch nicht aus, um einen dauerhaften Schutz dieser historischen Sachzeugnisse zu garantieren – wichtig ist die frühzeitige Einbeziehung des Schutzgedankens in den Entwurfs- und Planungsprozeß. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit der Durchsetzung eines integralen Konzeptes sowie eines sachkundigen Umgangs.

 

Strategische Überlegungen und die Entstehungsgeschichte der „Stadtthemen"

Eine mögliche Antwort auf diese Fragen, in Form einer strategischen Vorgehensweise, ist die Idee der „Stadtthemen". Sie sind das Ergebnis einer mehrjährigen Forschungsarbeit, welche die Denkmalpflege mittelalterlicher Stadtbefestigungen von brandenburgischen Städten behandelt10. Im Verlauf der Arbeit wurde die historische Stadt immer mehr zum verbindenden Element der Kulturlandschaft und gewann zunehmend an Bedeutung.


Die Formulierung von „Stadtthemen" basiert darauf, daß die betrachtete Stadt hinsichtlich ihrer baulichen und städtebaulichen Entwicklung, in diesem Fall unter zentraler Beachtung der Stadtbefestigung, analysiert wird. Das Ergebnis zeigt das Typische der Stadt, sozusagen ihre historische und bauliche Identität, ihre urbanen Eigenheiten, ihre topographischen Gegebenheiten sowie Besonderheiten im bisherigen Umgang mit den dort befindlichen Denkmalen. Der Analyse werden dann ein oder mehrere „Themen" zugeordnet, welche die Ergebnisse in Kurzform zusammenfassen und dabei auf wesentliche typische Merkmale der Stadt reagieren. Die vollkommene Übereinkunft mit den denkmalpflegerischen Zielen und den Denkmalschutzgesetzen ist in diesem Fall eine Grundvoraussetzung für eine sinnvolle Anwendung dieser Idee.


„Stadtthemen" können sich überlagern, für eine Stadt sind mehrere Themen möglich, sie sind eine Denkstruktur, ein Werkzeug, eine Möglichkeit des Handelns. „Stadtthemen" sollen letztlich zu einem modularen System, was viele Facetten und Problembereiche abdecken kann, führen. Ihre Formulierung muß durch Fachleute, in einem Prozeß der durch Diskussion und Meinungsbildung gekennzeichnet ist, erfolgen. Bei der Behandlung denkmalgeschützter Einzelobjekte und Ensembles gibt es zwar bestimmte Grundsätze, aber keine allgemeingültigen sondern nur individuelle Lösungen.


In der Einschränkung durch ein Thema liegt gerade eine große Freiheit in der praktischen Umsetzung: die Freiheit des „Drinnen". Denkmalpflegerische Prämissen und aktuelle Entwurfsideen können, ohne den Gesamtzusammenhang zu verlieren, in die Denkstruktur integriert werden. Der umfassende theoretische Ansatz kann dazu beitragen, ein Spektrum unterschiedlicher Herangehensweisen zuzulassen, eine Vereinheitlichung zu vermeiden und dennoch die Erhaltung und Pflege der Denkmale als Ziel zu bewahren.


Denkmalschutz und -pflege können damit ganzheitlich, als wesentliche identitätsschaffende Faktoren wirken, ohne dabei auf den Aufbau historischer Ensembles oder auf den Schutz von Fassaden ausweichen zu müssen. Auch die „Entweder-Oder-Lösung" in dem Sinne, entweder das Denkmal wird im vorgefundenen Zustand konserviert oder abgerissen, wird bei einer neuen Sichtweise hinfällig11.


Stadtthemen fordern und fördern das Begreifen einer „Städte-Landschaft", die Wahrnehmung der Komplexität von Stadt, städtebaulichem Denkmal und Region. Wenn es gelänge Stadtthemen in Übereinstimmung mit den brandenburgischen Städten nicht nur schriftlich sondern auch baulich zu definieren, könnten die Städte der Ostsiedlung in der Mark Brandenburg in ihrer Einzigartigkeit auch in Zukunft eine unverwechselbare Denkmallandschaft in Europa sein, ohne Tendenzen der Stadterneuerung negieren zu müssen und ohne ein riesiges Freilichtmuseum zu werden.

 

Abschließende Gedanken

Von der Struktur vergleichbar mit der historischen „Stadt" als kleinem Zentrum der märkischen Kulturlandschaft wären die „landmarks", als Kristallisationspunkt der IBA Emscher Park oder die Projekte bzw. „Aktivposten" der IBA „Fürst-Pückler-Land". In diesen Zentren oder „Themen", die einer Gesamtkonzeption angehören, verdichtet sich die gestalterische Idee: Zum einen – wenn dieser Anspruch besteht - als Erhaltung von Bestehendem, zum anderen, als Projekt zur Neustrukturierung der Region. Unterschiedliche Objekte können in einem Zusammenhang gestellt und präsentiert werden: So können die „Stadtthemen" städtische Attraktivität bereits zu einem Zeitpunkt formulieren, zu dem diese noch nicht vorhanden ist und Interpretationen im Zusammenhang mit bereits durchgeführten baulichen Maßnahmen ermöglichen. Sie können aber auch, als reine Denkstruktur eingesetzt, nur im Ergebnis sichtbar werden12.

Eine thematische Akzentuierung hilft dem Besucher, die innere Einheit der Projekte der IBA „Fürst-Pückler-Land" besser zu verstehen. Wichtig für den Betrachter ist nicht allein der Inhalt, sondern auch die Art und Weise der Präsentation. Sie hilft, Zusammenhänge oder die Identität einer Region zu erkennen. Mit dem Abriß historisch entstandener Landschaftsteile, der Umsiedlung von Dörfern, ist ein Defizit an Identität und eine Orientierungslosigkeit entstanden. Die IBA „Fürst-Pückler-Land" wird dann erfolgreich in der Region wirken, wenn sie dem Bewohner und Besucher wirksam präsentiert und verständlich gemacht wird. Könnte eine „Thematisierung der Landschaft" nicht dabei helfen? Bei den „Stadtthemen" in historischen Städten muß das Denkmal eine zentrale Rolle in diesem Prozeß einnehmen, bei der IBA „Fürst-Pückler-Land" stellen die einzelnen Projekte die Zentren dar. In ihnen kann es um ein „Erhalten", wie bei der Gartenstadt Marga oder um ein „Gestalten" wie bei der Umformung der einzelnen Tagebaue gehen.

Unsachgemäß eingesetzt und falsch interpretiert birgt ein „Thema", wie jedes Hilfsmittel oder Werkzeug, auch Gefahren in sich. Bewußt und fachlich korrekt angewendet erleichtert es eine präzise Planung, die Diskussion und Rezension abgeschlossener Arbeiten und die Reaktion auf verschiedene, individuelle Situationen. Ein Thema zu formulieren, bedeutet keine Harmonisierung oder Gleichschaltung, im Gegenteil: Es geht um den Versuch, ganz individuelle Ansätze planbar zu machen. Weder eine Seenlandschaft mit Uferbäumen, die alle gleichzeitig schnell wachsen, weder die alleinige Verfüllung noch die durchgängige Konservierung von Braunkohlengruben, einschließlich der Förderbrücken und Bagger wird dem „Fürst-Pückler-Land" Leben einhauchen. In der Vielfalt, innerhalb eines übergeordneten und präsentablen Konzeptes, in dem sich die Einzelprojekte möglicherweise entlang des geplanten „Fürst-Pückler-Radweges" oder „Kutschweges" aufreihen, hat das konservierte Tagebaurestloch, neben dem Badesee oder dem brandenburgischen Herrenhaus, neben der Förderbrücke oder dem Kunstobjekt, seine Berechtigung. Wenn gewachsene Strukturen „neuen Landschaften" - hier in einem mehrfach überlagerten Begriffsverständnis - weichen, von der deutschen Ostsiedlung zu den Parks von Pückler, von der Kraftwerkslandschaft in der DDR über den stillgelegten Tagebau bis zur IBA „Fürst-Pückler-Land", ist es des Planers Pflicht, Identität und Orientierung für den Bewohner zu ermöglichen.


Das Ruhrgebiet wurde zu einem „starken Stück Deutschland", in dem sich die Bewohner weitestgehend mit der Region und mit den IBA-Projekten identifizieren. Die Lausitz und auch ihre Bewohner sollten in der IBA „Fürst-Pückler-Land" die einzigartige Chance erkennen und können dann „vielleicht einmal in einem paradiesischen Thale der Sonne belohnt"13 werden.

 

Anmerkungen:

1 Petzold, Eduard (1874); S.35

2 Ilsemann, Theobald Fr. (1901); S.55

3 Siehe dazu: Mensch, Bernhard / Pachnicke, Peter (Hrsg.); Routenführer Landmarken Kunst (1999)

4 Breuer, Tillmann (1982); S.232/233

5 Der Begriff „Kulturlandschaft", als Begriff der Historischen Geographie: „Der Kulturlandschaftsbegriff der Historischen Geographie ist somit ein ganzheitlicher mit einer räumlich geographischen und einer zeitlich historischen Komponente.(...) Dabei bedient sich die Historische Geographie sowohl der quer- als auch der längsschnittlichen Betrachtungsweise. Dementsprechend kann in ihrem Sinn unter historischer Kulturlandschaft einerseits eine Landschaft verstanden werden, die in der Vergangenheit bestand, andererseits ein Ausschnitt aus der aktuellen Kulturlandschaft, der in besonderem Maße von historisch-fortdauernden, sogenannten persistenten Elementen bestimmt wird." Eidloth, Volkmar / Goer, Michael (2/96); S.148

6 Siehe auch: Aktuelle Daten und Prognosen; Bonn (1989)

7 Für die Gesamtheit der brandenburgischen Städte kann an dieser Stelle vom nachfolgenden Zitat abstrahiert werden: „Verkehrsdenkmale müssen grundsätzlich raumgreifende Landdenkmale sein. Wer nur Bahnhöfe unter Denkmalschutz stellt, hat an der eisenbahngeschichtlichen Leistung ebenso wie an der verkehrspolitischen vorbeigesehen." Breuer, Tillmann (1982); S.233

8„Ohne ihre Vernetzung im kulturlandschaftsgeschichtlichen Gesamtzusammenhang sind diese Einzelelemente jedoch nur Steinchen eines unbekannten Mosaiks. Ihre Erfassung, Beschreibung und Analyse muß immer der Erfassung, Beschreibung und Analyse der historischen Kulturlandschaft dienen, und dieses Ganze ist sowohl in funktionaler als auch in physiognomisch-ästhetischer Hinsicht immer mehr als die Summe seiner Teile."; Eidloth, Volkmar / Goer, Michael (2/96); S.152

9 Das brandenburgische Denkmalschutzgesetz ermöglicht dies insofern, als daß im Begriff des Denkmalbereiches neben „Stadt- und Ortsteile(n), Siedlungen, Gehöftgruppen, Straßenzüge(n), Wehrbauten und Verkehrsanlagen (...)" auch „Landschaftsteile" eingeschlossen worden sind. Denkmalschutzgesetz Brandenburg (22. Juli 1991); §2(3)

10 Siehe dazu: Voss, Kaija ; Mittelalterliche Stadtbefestigungen im Land Brandenburg – Ein Beitrag zu Denkmalpflege und Stadtgestaltung; Weimar 1999

11„Der Denkmalpfleger kann sich heute nicht auf die eingeübte Rolle des Anwalts beschränken – im schlimmsten Fall mit dem Ergebnis: Theorie gerettet, Denkmal kaputt, sondern er muß die Qualitäten eines Bewährungshelfers entwickeln, um die Rehabilitierung seiner Schützlinge auf Dauer zu garantieren garantieren. Die Rollen haben sich damit gleichsam verkehrt, der Denkmalpfleger zum Überlebensmanagement seiner Denkmale beitragen." Engel, Helmut (1999)

12„Stadtthemen" haben – auch wenn ihr Name bewußt plakativ gesetzt wurde – nichts mit „Themenparks" zu tun.

13 Petzold, Eduard (1874); S.35

Literatur

Aktuelle Daten und Prognosen zur räumlichen Entwicklung: Städte und Stadtregionen im Vergleich; Bonn: Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung, (Informationen zur Raumentwicklung; 1989, 11/12); Bonn 1989

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