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Der öffentliche Raum
in Zeiten der Schrumpfung |
8.
Jahrgang, Heft 1
September 2003 |
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Konzepte von Öffentlichkeit und Privatheit |
Robert
Kaltenbrunner |
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Öffentlichkeit -
zwischen Ort, Funktion und
Erscheinungsbild |
abstract |
Wolfgang Kaschuba |
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Repräsentation im öffentlichen Raum |
abstract |
Eduard Führ |
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Ja, können Städte denn schrumpfen? |
abstract |
Christine Weiske |
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Straße und Platz:
Über die politische Verfassung
von Öffentlichkeiten |
abstract |
Peter Marcuse |
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Die Gefahren für öffentlich genutzten Raum
in einer Zeit der Schrumpfung |
abstract |
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Öffentlichkeit und städtischer Raum in der DDR |
Holger Barth |
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Mythos Prenzlauer Berg: Öffentlichkeit und
Stadterneuerung in der DDR |
abstract |
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Schrumpfung: Die spezifische Situation in den neuen Bundesländern |
Christine Hannemann |
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Von der sozialistischen zur
schrumpfenden Stadt |
abstract |
Heinz Nagler
& Ulrike Sturm |
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Öffentlicher Raum in der DDR -
Wandel nach der
Wende |
abstract |
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Strategien und Projekte 1: Konsequenzen für den Ort |
Katrin Günther
& Marietta Tzschoppe |
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Modellstadt Cottbus
Innenstadt -
Bedeutung des öffentlichen Raumes im Sanierungsprozess |
abstract |
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Strategien und Projekte 2: Konsequenzen für die Planung |
Oliver
Kuklinski |
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Öffentlicher Raum -
Situation, Handlungsbedarf,
Strategien aus Sicht der Praxis |
abstract |
Gunther Laux |
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Open System - Die Stadt als Prozess |
abstract |
Frank Schwartze |
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Raum ohne Stadt- zukünftige Gestaltungsaufgaben im
offenen und öffentlichen Raum der schrumpfenden Stadt am Beispiel Guben/Gubin |
abstract |
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Strategien und Projekte 3: Konsequenzen für den Raum |
Andrea Haase |
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Verflechtungsräume |
abstract |
Beate Profé |
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Neue Strategien der Freiraumentwicklung in Berlin |
abstract |
Tobias Hundt
& Lars Scharnholz |
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Fläche trifft Dichte -
Restrukturierung von
Kulturlandschaften |
abstract |
Gereon Sievernich |
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Plätze |
abstract |
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abstracts: |
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Konzepte von Öffentlichkeit und
Privatheit |
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___Robert
Kaltenbrunner
Bonn |
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Heute ist es in
kritischen Kreisen opportun, den Verlust an „öffentlichem Raum“ zu
beklagen. Die bloße Evidenz spricht jedoch nicht dafür: Wie eh und je
ziehen Sonne, Luft, Wärme die Menschen nach draußen. Durchaus genussvoll
werden entsprechende Stadträume öffentlich konsumiert. Weil das
Stadtmarketing mehr und mehr den Weg zur „Ereigniskultur“ geht, kommt
zudem der Inszenierung der öffentlichen Räume steigende Bedeutung zu.
Und jenen Strukturwandel, den unser Begriff von Öffentlichkeit seit
einigen Jahrzehnten durchläuft, scheint man vielerorts mit einer
obsessiven Gestaltung auffangen zu wollen. Wenn der „öffentliche Raum“
tatsächlich bedroht ist, dann liegt diese Bedrohung nicht allein in
Privatisierungstendenzen (und im allgegenwärtigen Vandalismus), sondern
auch in seiner ästhetischen Funktionalisierung und Überinstrumentierung.
Idealistisch-normative Setzungen von Planern sind indes nicht
gleichbedeutend mit der Art und Weise, wie ein Raum genutzt und
empfunden wird: Mag er auch einer öffentlichen Widmung unterliegen, so
kann die Wahrnehmung – etwa in einem devastierten Stadtpark, für dessen
Pflege die notwendigen Mittel fehlen – doch eine andere sein. Und
umgekehrt kann ein de jure privater Raum höchst urbane Gefühle erzeugen,
wie es etwa die Rezeption des Potsdamer Platzes lehrt. Offenkundig
existiert also eine Nachfrage für sinnlich-ästhetische Raumqualitäten.
Den kausalen Konnex zwischen Öffentlichkeit und Gestaltung gibt es
gleichwohl nicht.
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___Wolfgang
Kaschuba
Berlin |
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Auszugehen ist von
einer Funktionsverschiebung der Öffentlichkeit aus dem Reich des
Politischen, wie es im Anschluss an Habermas noch zu betrachten war, in
den Bereich des Kulturellen. Öffentlichkeit erscheint heute eher als
eine Landschaft von Orten, die der kulturellen Repräsentation dienen,
die damit auch hohe symbolische Wirkung entfalten und die dadurch dann
schließlich auch wiederum politische Bedeutung erhalten. Wie in dieser
Öffentlichkeit kulturelle Selbstdarstellung und sozialer Austausch als
spezifische Formen von Identitätspolitik stattfinden, soll am Beispiel
von spezifischen Räumen und Gruppen gezeigt werden. Dabei geht es vor
allem auch um eine Verdeutlichung der ethnologischen Perspektive, die
Öffentlichkeiten eher in ihren symbolischen Strukturierungen und
Wirkungen betrachtet und sie prozesshaft und offen sieht – als “scapes”
und “flows”.
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___Eduard
Führ
Cottbus |
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Der Begriff des
'Schrumpfens' hat sich in den letzten Jahren in Städtebau und
Stadtplanung zu einem zentralen Begriff entwickelt. In dem Beitrag
werden Geschichte, Denotationen und Konnotationen des Begriffes
analysiert.
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___Christine
Weiske
Chemnitz |
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'Die Straße' und
'Der Platz' sind die Metaphern, in denen sich der politische mit dem
Architekturdiskurs verbindet. Beide rekurrieren auf kommunikative
szenische Ereignisse der städtischen Öffentlichkeiten, die
voraussetzungsvoll sind. Die wichtigsten Bedingungen sind die
politischen Ambitionen von Städterinnen und Städtern und die szenischen
Räume, in denen sie sich darstellen. Als Urbanität wird ihr
Zusammentreffen verstanden.
Die szenischen Ereignisse der Öffentlichkeiten sind Gestaltungen, die
absichtsvoll arrangiert werden von sehr unterschiedlichen Akteuren. Die
Analyse dieser Gestaltungen führt in die Kommunikationstheorie und
Diskursanalyse.
Die Diskussion über schrumpfende Städte und ein regressives
Siedlungssystem insgesamt, die von ExpertInnen und von StädterInnen
geführt wird, verweist auf die Gestaltungskraft der Öffentlichkeiten in
diesem Prozess. Die Kultur der Kommunikation der Beteiligten beeinflusst
die Verläufe einer regressiven Entwicklung.
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___Peter
Marcuse
New York |
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Den öffentlichen
Raum für öffentliche Nutzung zu erhalten, ist ein Problem, das sich
nicht allein bei schrumpfender Wirtschaftslage oder schrumpfenden
Bevölkerungszahlen stellt. In den meisten Industrieländern schrumpft der
öffentliche Raum sowohl in seiner Ausdehnung als auch in seiner Nutzung,
wobei die Vereinigten Staaten vielleicht das extremste Beispiel
darstellen. Das Schrumpfen des öffentlichen Raumes geht einher mit dem
Schrumpfen anderer Elemente des traditionellen demokratischen
Wohlfahrtsstaates. Dies geschieht in einer Zeit, in der, ganz
grundsätzlich, der technologische Fortschritt vor allem zur Akkumulation
von Reichtum und Macht genutzt wird, auf Kosten von Gleichheit und
staatsbürgerlicher Beteiligung an der Regierungsverantwortung. Die
Gründe hierfür sind sowohl im wirtschaftlichen Bereich bei den privaten
Kräften des Marktes zu suchen, als auch im politischen Bereich bei einem
wachsenden konservativen Druck zur Umsetzung neo-liberaler
Vorstellungen. Der so genannte Krieg gegen den Terrorismus hat diese
Tendenzen deutlicher hervortreten lassen. Dafür gibt es zahlreiche
Beispiele - von Battery Park City, dem Ort des World Trade Center und
dem Bryant Park in Manhattan, über die Straßenbooms in Johannesburg, die
Gated Communities in Kalifornien und Sao Paulo, bis hin zum Kanzleramt
in Berlin. Diese umstrittene Situation birgt auch Probleme juristischer
Natur, zumal weitestgehend Unklarheit darüber herrscht, welche
Zweckbestimmungen für den öffentlichen Raum wesentlich sind.
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Öffentlichkeit und städtischer Raum in der DDR |
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___Holger
Barth
Berlin |
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Auf die Bau-Moderne in der DDR folgte in den 70er und 80er Jahren eine
Gegenbewegung mit der Rückbesinnung auf die „alte Stadt“. Es handelt
sich – soziologisch formuliert – um eine Dialektik von Modernisierung
und Gegenmodernisierung, die von gesellschaftlichen Gruppen in einem
permanenten Aushandlungsprozess (Engler) austariert worden ist. Zu den
Akteuren gehörten natürlich auch Architekten und Stadtplaner, welche
nicht selten in einem „Elitenkonsens“ dazu beitrugen, dass sich der
Plattenbau mit seinen Vor- und Nachteilen in der DDR behaupten sollte.
Abgesehen von den anonymen Großsiedlungen am Stadtrand, in denen es den
Bewohnern oft an städtischen Erlebnisräumen mangelte, lassen sich
zahlreiche Beispiele anführen, welche von hohen Entwurfsfertigkeiten
zeugen. In den 50er und 60er Jahren entstanden mit den Mitteln der
Industrialisierung nicht nur gesellschaftliche Bauten, sondern auch
Wohngebiete, die heute noch gestalterische Qualitäten aufweisen und
durchaus öffentliche Räume ausbildeten. Erst in den 70er Jahren nahm –
ähnlich wie in Westdeutschland – dieser qualitative Anspruch ab, weil
der Staat den Architekten mit dem Wohnungsbauprogramm primär Auftrag
erteilte, in kürzester Zeit so viele Wohnungen wie möglich zu
produzieren.
Ein reflexiver Umgang mit den Nebenfolgen dieser Modernisierung setzte
mit der Bürger- und Protestbewegung ein, welche sich in der BRD in den
70er und in der DDR in den 80er Jahren formierte. Aufgrund des
ökonomischen Drucks, der auf den maroden Innenstädten lastete, und einer
politischen Liberalisierung, gelang es den beteiligten Akteuren in der
DDR, gestalterische Handlungsspielräume zurückzugewinnen, die unter dem
wirtschaftlichen Primat der 70er Jahre verloren gegangen waren. Sie
eröffneten den Architekten und Stadtplanern ein größeres Maß an
Individualität und Subjektivität im Entwurfs- und Bauprozess, die sie zu
Zwecken städtischer Vielfalt zu nutzen versuchten. Die „komplexe
Rekonstruktion“ der Altbauquartiere im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg
wurde zu einem der Schauplätze, wo sich das Individuum seine
Daseinsberechtigung gegenüber dem „Normidyll“ erstritt, den die
Großsiedlungen anzubieten hatten.
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Schrumpfung: Die spezifische Situation in den neuen Bundesländern |
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__Christine
Hannemann
Berlin |
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Der Beitrag analysiert
aktuelle städtische Entwicklungsprozesse, die neuerdings unter dem
Begriff "schrumpfende Städte" subsumiert werden. Dieser Begriff hat sich
aktuell insbesondere zur Kennzeichnung der Stadtentwicklung in
Ostdeutschland eingebürgert. Schlagworte wie Finanznot,
Deindustrialisierung, Bevölkerungsrückgang und Suburbanisierung
kennzeichnen die aktuelle Problematik. Der Beitrag beschäftigt sich
insbesondere mit den Fragen: Was verursacht schrumpfende Städte in
Ostdeutschland? Was unterscheidet diesen Prozess von westdeutschen
Entwicklungen? Was ist daran allgemein gültig, da "Stadtentwicklung ohne
Wirtschaftswachstum" ansteigend eine übergreifende Realität entwickelt?
Diese Analyse wird zum einen in einen allgemeinen Diskurs zur (Nicht)Thematisierung
von Schrumpfungsprozessen durch die Moderne und zum anderen in eine
historische Betrachtung urbaner Rückbildungsprozesse eingebunden.
Abschließend
werden aus soziologischer Perspektive Fragen skizziert, die die
Konsequenzen der neu entstehenden dispersen und disparaten semiurbanen
Strukturen für das Verständnis von Raum und Stadt umfassen.
Offensichtlich, so die These, bietet das historische Bild der
"europäischen Stadt" nur in Einzelfällen problemadäquate
Anknüpfungspunkte zur Lösung des neuen urbanen Problems.
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___Heinz
Nagler
&
Ulrike Sturm
Cottbus |
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Der Beitrag geht der
Frage nach, welche Veränderungen die zentralen öffentlichen Räume der
Städte nach der Wende im Hinblick auf Bedeutung und Wertschätzung
erfahren haben.
Neben den bekannten politisch geprägten Repräsentationsräumen entstanden
in der DDR in den 70er Jahren innerstädtisch Räume des Bedarfs. Diese
waren als Orte des Konsums gedacht und übernahmen insofern eine
politische Funktion als sie auch als Schaufenster für die gute
Versorgung der Bevölkerung im Sozialismus dienen sollten.
Nach der Wende wurde mit den repräsentativen Räumen und den Räumen des
Bedarfs sehr unterschiedlich verfahren. Während die repräsentativen
Räume häufig erheblichen Umbauprozessen bis hin zu ihrer völligen
Aufhebung unterworfen wurden, überlebte die kleinteilige Gestaltung der
Räume des Bedarfs vielerorts.
Zwei Strategien prägten den Umgang mit den öffentlichen Räumen: die
Neubelegung mit meist kommerziellen Nutzungen einerseits, die
Neugestaltung im Sinne städtischer Freiraumgestaltung der 90er Jahre
andererseits. Im Vortrag werden Ergebnisse der Umgestaltungsmaßnahmen
und die Reaktionen aus der Bevölkerung anhand von markanten Beispielen
erörtert.
Obgleich die Frage nach der Identität von Städten in Zeiten der
Schrumpfung zur Wiederbelebung und Aufwertung von Gestaltung führt,
reicht eine reine Ästhetisierung des öffentlichen Raumes nicht aus.
Allein eine neue Aufladung mit Bedeutung, die gleichzeitig als
Partizipationsbewegung durch die Bevölkerung mitvollzogen wird, kann
gemeinschaftliche Räume schaffen, welche den Schrumpfungsprozess
überdauern.
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Strategien und Projekte 1: Konsequenzen für den Ort |
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___Katrin
Günther
&
Marietta
Tzschoppe
Cottbus |
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Der Vortrag gibt einleitend einen Überblick über die
Abgrenzung des Sanierungsgebietes und das Modellstadtprogramm mit seinen
Fördermechanismen. Anhand des Bilanzplanes wird gezeigt, welche
Resultate nach 12 Jahren Stadterneuerung erreicht worden sind. Auf der
anderen Seite verdeutlichen Maßnahmekonzept und Sanierungsplan die noch
offenen, schwierigeren Aufgaben des zweiten Sanierungsabschnitts.
Detailliert wird danach auf "modellhafte" Verfahren der Ideenfindung für
die Umgestaltung öffentlicher Räume im Sanierungsgebiet Innenstadt
eingegangen. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Verfahren:
-
dialogorientierte
Planung zur Neugestaltung des Altmarktes
-
Planungswerkstatt "Heron-Vorplatz"
und Ideenwettbewerb Brunnen
-
Workshop
"Stadtpromenade"
-
städtebaulicher
Ideenwettbewerb "Spremberger Straße"
-
Planungswerkstatt
"Berliner Platz/ Stadtpromenade"
Im Vortrag soll
die besondere Cottbuser Planungskultur beim Umgang mit öffentlichen
Räumen in der Innenstadt deutlich gemacht werden.
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Strategien und Projekte 2: Konsequenzen für die Planung |
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___Oliver
Kuklinski
Hannover |
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Der Vortrag gibt im
Wesentlichen die Ergebnisse eines Forschungsprojektes wieder, das als
Vorstudie zum derzeitig anlaufenden ExWoSt-Forschungsfeld Öffentlicher
Raum zu verstehen ist. Bearbeitet wurde dieses Projekt von Prof.
Dr.-Ing. Klaus Selle, Dipl.-Ing. Ulrich Berding, Lehrstuhl für
Planungstheorie und Stadtplanung der RWTH-Aachen und Dipl.-Ing. Oliver
Kuklinski, PlanKom aus Hannover.
Im Rahmen der Forschung wurde deutlich, dass sich aus der Perspektive
von Wissenschaftlern und befragten kommunalen Praktikern ein
vielfältiger Blick auf die unterschiedlichen öffentlichen Räume und auf
das, was sich in ihnen tut, ergibt.
Angenommenen Tendenzen, wie die der zunehmenden Entleerung öffentlicher
Räume oder ihrer Gefährdung durch Privatisierung, wurde in der Studie
nachgegangen. Dabei zeigten sich Wissensdefizite, Problemfelder aber
auch zahlreiche Chancen in und für öffentliche Räume in deutschen
Städten. Schließlich weist der Blick auf die Handlungsmöglichkeiten von
Bund und Ländern und auf die aktuellen kommunalen Strategien und somit
auf die mannigfaltigen Potenziale zur Entwicklung öffentlicher Räume.
Stellen diese doch das zentrale Handlungsfeld von Stadt- und
Freiraumplanung dar.
Abschließend wird ein kurzer Ausblick auf die Ziele und das Vorgehen im ExWoSt-Forschungsfeld Öffentlicher Raum gegeben.
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___Gunther
Laux
München |
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Viele Städte
registrieren seit den 90er Jahren einen massiven Rückgang baulicher
Entwicklungen. Das Bild der Stadt hat sich grundlegend verändert. Es ist
geprägt von Leerstand, Abriss, Brachflächen, fehlendem
Nutzungszusammenhang, Schrumpfung und Perforation.
Es ist eine neue Stadtform entstanden, die mit den herkömmlichen
Planungsinstrumenten kaum mehr zu steuern scheint. Denn sich verändernde
gesellschaftliche Bedürfnisse bewirken gleichzeitig einen stetigen
Erneuerungsprozess urbaner Räume. Während der traditionelle öffentliche
Raum durch Stabilität charakterisiert ist, sind seine heutigen
Anforderungen Variabilität und Flexibilität. Dabei bedarf es neuer
Mittel zur Steuerung, durch Aktivierung des vorhandenen Potenzials zur
Flexibilisierung von prozessualen Entwicklungen.
Die Strategie zur Umsetzung dieser Zielsetzung wird als ‘open system‘
formuliert und sieht die Umkehrung der traditionellen städtebaulichen
Planung vor:
Statt einer Formulierung von Gebäuden wird nach dem Umkehrprinzip ein
Netz aus Freiräumen planerisch fixiert. Der strukturierte Freiraum
formuliert die Baustruktur zugunsten einer maximalen Flexibilität der
architektonischen Füllungen.
Die Freiraumplanung wird dabei zum Steuerungselement von Öffentlichkeit,
das in seiner vernetzten Struktur zu einem erweiterbaren und
veränderbaren, teilräumlich wirksamen, determinierenden Ordnungssystem
wird.
Ein neues Leitbild oder gar ein neuer Stadttypus? Viel eher stellt das
Planungsmodell eine Methode dar, die auf gesellschaftliche Phänomene
reagiert und diese stadträumlich formuliert. Dabei wird das
traditionelle, europäische Stadtbild nicht aufgegeben, es verändert sich
vielmehr und wird um eine weitere Facette erweitert.
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___Frank
Schwartze
Cottbus |
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Die städtebauliche
Situation der deutsch-polnischen Grenzstadt Guben-Gubin kann als
radikale Überhöhung der erwarteten Konsequenzen der strukturellen Krise
in den ostdeutschen Städten gelesen werden: Funktionslose Gebäude, leere
und abgeräumte Innenstädte, auseinander driftende Siedlungsschollen und
ein anhaltender Rückzug der Bewohner aus der Stadt. Die Frage nach dem
öffentlichen städtischen Raum in beiden Städten offenbart ein grobes
Netz von Räumen ohne Öffentlichkeit, öffentlichen Orten ohne Raum und
ideell besetzen Leerräumen, auf die der Wunsch nach Öffentlichkeit
projiziert wird.
Anhand des Beispieles Guben-Gubin geht der Beitrag zwei Fragen nach, die
paradigmatisch für die Frage nach der Bedeutung des öffentlichen Raumes
in den ostdeutschen Städten sind.
Brauchen die Städte einen sinnlich und räumlich erfahrbaren öffentlichen
Raum als identitätsstiftendes Element für die Zukunft? Die vier
Jahrzehnte währende, unvollendete Suche Gubens nach einem neuen Zentrum
und der artikulierte Mangel an "städtischem" Leben lassen darauf
schließen.
Wie wird mit den anfallenden "offenen" Räumen der Stadt umgegangen, die
aufgrund von Nutzungsaufgabe, Abräumung etc. in großem Umfang entstehen
werden? Eine deutliche Unterscheidung zum öffentlichen städtischen Raum
scheint Not zu tun, um angepasste Strategien entwickeln zu können.
Als Konsequenz der Auseinandersetzung mit beiden Fragestellungen wird
deutlich, dass die Konstituierung des öffentlichen Raumes keine Frage
eines städtebaulichen Projektes ist. Darüber hinaus wird dafür plädiert,
die verringerte Nachfrage nach architektonischer und städtebaulicher
Gestaltung in den schrumpfenden Städten zu akzeptieren und den Blick zu
öffnen – für städtische Projekte, die die Konsequenzen der schrumpfenden
Stadt nicht nur gestalterisch und sozial, sondern auch in ihrer
Dimension als Herausforderung für eine neue Stadtpolitik betrachten. Für
diese Politik gibt es aber gegenwärtig kaum Akteure und Bewusstsein, und
so verdeutlicht sich die Notwendigkeit eines umfassenden
stadtpolitischen Konzeptes für die schrumpfenden Städte in
Ostdeutschland.
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Strategien und Projekte 3: Konsequenzen für den Raum |
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___Andrea
Haase
Aachen / Dessau |
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Der Beitrag zielt
darauf, individuelle und gemeinschaftliche Initiativen der Aneignung von
privatem Land ohne gravierende Einschränkungen in der Landnutzung zu
unterstützen und die strukturellen Bedingungen für eine fortsetzbare
Erneuerung von Stadt durch ”Verflechtungsräume” zu stärken und damit
eine “Rückbettung” von Funktionen in örtliche Bedingungen einzuleiten.
Er führt zunächst ein in das Verständnis von “Verflechtungsraum”, zieht
dann das Fazit aus einem historischen Längsschnitt durch die Entwicklung
ost- und westdeutscher Räume in wesentlichen Perioden der Entwicklung
der industriellen Stadt seit dem Mittelalter und zeigt abschließend
vorhandene sozialräumliche und stadtökonomische Bedingungen von
Verflechtungsräumen am Beispiel der Städte Halle, Dessau und Magdeburg
im Verhältnis zu Kernen, Rändern und Zwischenzonen. Der Längsschnitt
wendet die Theorie von Lefebvre zur “Produktion von Raum” in freier
Interpretation an, indem Raumnutzung, Vorstellungs- und
Darstellungsräume für die unterschiedlichen Perioden in ihrer Verbindung
oder Trennung skizziert werden. Perspektiven für Verflechtungsräume
werden für die Verknüpfung gebauter und gelebter Räume aufgezeigt.
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___Beate
Profé
Berlin |
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Im
Rahmen der Erarbeitung des “Stadtentwicklungskonzepts Berlin 2020”, das
die längerfristigen stadtentwicklungspolitischen Rahmenbedingungen
aufzeigen sowie Handlungsschwerpunkte, Maßnahmen und Projekte
formulieren wird, spielt die zukünftige Freiraumentwicklung eine
besondere Rolle. Vor dem Hintergrund mangelnder finanzieller und
personeller Ressourcen bei der Pflege der vorhandenen öffentlichen
Grünflächen und der Annahme, dass in den kommenden Jahren die von der
öffentlichen Hand zu unterhaltenden Freiflächen zunehmen werden, sind
veränderte Strategien für die Entwicklung und Pflege des öffentlichen
Grüns erforderlich.
Ziel wird es
dabei u. a. sein, den Ausstattungsstandard neuer Anlagen zu überprüfen
sowie veränderte Prioritäten je nach Lage und Gestaltungsqualität bei
der Pflege der vorhandenen Parks zu setzen. Dabei sind auch rechtliche
Anforderungen des Biotopverbunds ebenso wie geänderte
Freizeitbedürfnisse der Bevölkerung zu berücksichtigen. Außerdem sollen
verstärkt neue Trägermodelle erprobt werden, die bürgerschaftliches
Engagement und Verantwortung anderer Institutionen (z. B. Investoren,
Wohnungsbaugesellschaften, Bürger/innen/Stadtteilinitiativen) stärken.
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___Tobias
Hundt
Dortmund
& Lars
Scharnholz
Cottbus |
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Stadt- und
Landschaftsplanung stellen sich im Osten Deutschlands seit einigen
Jahren als ungewohnte Aufgaben dar. Die Ursachen hierfür stehen in
unmittelbarem Zusammenhang mit einem umfassenden Schrumpfungsprozess,
der alle östlichen Bundesländer betrifft. Während sich die Planer im
Westen noch weitgehend mit zunehmendem Siedlungswachstum und einer damit
verbundenen steigenden Flächeninanspruchnahme konfrontiert sehen, stellt
sich die Problemlage in den Dörfern und Städten der neuen Länder als
massive Trendumkehr dar.
Derzeit untersucht die Internationale Bauausstellung (IBA) im Rahmen des
europäischen Forschungsvorhabens “Restrukturierung von
Kulturlandschaften (REKULA)” den Umgang mit Entleerung und
Flächenüberschuss vornehmlich in den kleinen Städten und Dörfern im
südlichen Brandenburg. Im Rahmen des REKULA-Teilprojektes “Fläche trifft
Dichte” werden Planungsansätze anhand konkreter Fallbeispiele im
Übergangsfeld zwischen verbleibenden Siedlungskernen und neuen
Freiflächen ermittelt.
Erste Zwischenergebnisse liegen vor und zeigen ambitionierte
Möglichkeiten der intensiven und extensiven Nachnutzung. Um den im
Rahmen von REKULA begonnenen Ideen- und Erfahrungsaustausch
fortzusetzen, wird die ostdeutsche Entwicklung in den kommenden drei
Jahren im gesamteuropäischen Kontext untersucht. Weitere REKULA-Partner
sind die Region Venetien mit der Fondazione Benetton Studi Ricerche (FBSR)
in Italien sowie die Stadt Zabrze mit der Technischen Universität
Gliwice in Polen.
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___Gereon
Sievernich
Berlin |
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Bernard Rudofsky
schrieb irgendwann in den 60er Jahren, er habe in der gesamten Library
of Congress keinen Titel über Strassen und Plätze gefunden. Heute mag
sich das etwas geändert haben, jedoch fällt auf, wie wenig man sich noch immer dem 'Dazwischen' widmet, jenen Orten also, welche die
Kommunikation in einer Stadt bestimmen. Die gewaltige Planungs- und
Zerstörungsmacht der Nachkriegsarchitekten in Deutschland zum Beispiel,
die in den zerstörten Städten eine 'autogerechte Stadt' schufen, ist
auch heute noch von einer scheinbar unveränderbaren Dominanz. Die
Gestaltung eines Platzes oder einer Straße zählt eben nicht zur
Königsdisziplin der Architekten. Nicht immer war das so: man erinnere
sich an die von Burle Marx gestaltete Straße an der Copacabana in Rio de
Janeiro, man erinnere sich an die von Michelangelo gestaltete Piazza
del Campidoglio in Rom, man erinnere sich an Siena oder an die
"Theaterstraßen" in Palladio's und Scamozzi's Teatro Olimpico in Vicenza.
Ein Versuch, sich dem Thema anzunähern, wird in diesem Beitrag
unternommen.
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